~2. Kapitel~ [Eyla]
Wie konnte es sein?
Vielleicht habe ich mir beim Sturz den Kopf zu heftig angeschlagen, dachte Eyla sich. Denn wie konnte sie sonst erklären, dass vor ihr ein realer Babydrache stand? Trotz allen Zweifeln wusste sie genau, dass es echt war.
Während sie noch so dastand, machte das Wesen einen Schritt nach vorne und schnupperte an dem Mädchen. Neugierig lief es um sie herum. Eyla hockte sich langsam hin und streckte vorsichtig ihre Hand aus. Was für ein hübsches Tier. Hoffentlich beißt es mich nicht! Doch der Kleine stieß sofort mit der Schnauze gegen die Hand und blickte Eyla auffordernd an. Diesen Blick kannte sie. Genauso hatte ihr damaliger Hund sie immer angesehen, wenn er Hunger hatte!
»Brauchst du was zu futtern?«, fragte sie ihn. Der Drache reagierte nicht auf ihre Worte, er sah sie nur weiterhin an. Eyla runzelte die Stirn. Und wenn sie ihn mit nach Hause nahm? Christina würde niemals damit einverstanden sein, aber sie musste es auch nicht wissen. Dort könnte sie bestimmt etwas Essbares auftreiben.
Noch immer etwas benommen stolperte sie zwischen den Felsbrocken hindurch und sah sich um, ob der Drache ihr folgte. Lautlos war dieser hinter ihr her gehüpft und kletterte an ihr vorbei, als wüsste er genau, wo es lang ging. Dann hielt er inne und sah sich nach ihr um. Belustigt den Kopf schüttelnd kam Eyla zu ihm und führte ihn über die Steine. Die gesamte Zeit war sie darauf bedacht, in der Dunkelheit nicht noch einen Unfall zu verursachen. Als sie endlich am Waldrand ankamen, seufzte das Mädchen erleichtert auf.
»Das hätten wir hinter uns.«
Sie sah nach, ob der Drache noch immer bei ihr war. Ungeduldig sah er sich um und streckte seine kleinen Flügel in die Luft. Das brachte Eyla zum Lachen. »Kann es sein, dass du noch nicht fliegen kannst?« Der Angesprochene neigte zustimmend seinen hübschen Kopf, als würde er nicken.
»Keine Sorge.« Sie sah ihn mitfühlend an. »Wenn du erstmal groß genug bist wird das kein Problem sein.« Da fiel ihr etwas ein. »Ich hab ja ganz vergessen mich vorzustellen! Ich bin Eyla. Mein ganzes Leben lang wohne ich schon an diesem Ort. Mein Haus ist gleich hinter dem Waldstück.«
Der Drache gab einen freudigen Laut von sich und hörte sich dabei fast so an wie ein Falke. Unfassbar! Ich glaube er versteht mich wirklich! Aber kann das überhaupt sein? Schon möglich. Ich meine er ist ein Drache! Und dabei hätte ich nicht gedachte, dass es sie gibt, also warum sollte es dann auch keine Tiere geben, die uns Menschen verstehen oder sogar selbst unsere Sprache sprechen können?
Am Haus angekommen drehte sie sich noch einmal zu ihm um.
»Von jetzt an musst du ganz leise sein«, erklärte sie. »Die Anderen dürfen nicht merken, dass du hier bist.«
Da im Wohnzimmer kein Licht brannte, vermutete sie, dass Christina und Terry auf ihren Zimmern waren. Möglichst leise schlich sie in die Küche. Was fraßen Drachen? Vielleicht Fleisch oder Fisch? Im Kühlschrank entdeckte sie noch eine Scheibe Lachs und legte sie vor dem Drachen auf den Boden. Mit nur wenigen Happen war der Fisch aufgegessen. Zufrieden leckte der Kleine sein Maul ab, wobei Eyla zwei Reihen kleiner, spitzer Zähne sah. Völlig unerwartet wurde die Tür hinter den Beiden aufgerissen und Terry stürmte hinein.
»Du bist wieder da!«
Er lief zu seiner Schwester, blieb jedoch auf halbem Weg wie angewurzelt stehen. Vor Staunen riss er seine Augen auf, als er den blau-silbernen Drachen sah. Eyla atmete tief ein und aus. Sie wusste nicht, ob sie erleichtert sein sollte, dass der Neuankömmling nicht ihre Mutter war, oder ob sie enttäuscht sein sollte, dass sie entdeckt worden war. Aber vielleicht war es gar nicht mal so schlecht, Terry zu erzählen, was geschehen war.
»OK«, sagte sie zu ihrem Bruder und starrte ihn eindringlich an. »Bevor du irgendetwas fragst, lass uns in mein Zimmer gehen.« Sofort entschlüpfte der Drache dem Blick des Jungen und sprang zur Tür. Eyla, die sich schon wieder darüber wunderte, wieso der Drache alles verstand, zeigte mit dem Finger auf die Holztreppe und beobachtete, wie die Gestalt ihrer Wegweisung folgte und die Stufen geschmeidig hochhüpfte. Als sie nicht mehr zu sehen war, führte sie Terry in ihr Zimmer, schloss leise die Tür und schaltete das Licht ein.
»Das ist sowas von cool!« Terry, der sich offenbar von dem Schock erholt hatte, beobachtet das Tier, das neugierig an allen Gegenständen schnupperte. Eyla wuschelte ihm durch sein krauses Haar.
»Stimmt. Dabei haben wir uns nur zufällig getroffen. Ich bin . . . gestolpert und plötzlich stand da ein Drache vor mir! Zuerst dachte ich er wäre ein normaler Fuchs.« Sie lachte. Terry strahlte sie an. »Aber es ist ein Drache! Unglaublich«, hauchte er. Das Tier schien zu merken, dass über es gesprochen wurde, denn es beendete seinen Rundgang durch das Zimmer und legte sich neben Eyla auf den weichen Teppich.
»Wie heißt er denn?«, fragte der Junge. Eyla zuckte mit den Schultern. »Weiß ich nicht.« Sie sah das Tier an, welches aufmerksam zu ihr hochblickte. Terry sah auf den Kleinen hinab und fragte: »Hast du schon einen Namen?« Der Angesprochene schwenkte seinen Kopf hin und her. Das Verhalten von ihm brachte Eyla zum Lachen. »Ich glaube, er versucht den Kopf zu schütteln.« Noch einmal wiederholte er das Schauspiel und stieß ein Geräusch, ähnlich wie ein Knurren aus. »Mmmm«, überlegte Terry laut. »Wie wäre es mit Schattenfeder?« Der Drache drehte den Kopf weg und beschäftigte sich damit, an seinen Krallen zu knabbern.
Eyla lachte. »Schattenfeder? Er hat aber doch Schuppen!« Sie dachte nach. »Vielleicht Tylavis?« Terry nickte begeistert und der Drache sah sie forschend an und stieß einen Freudenschrei aus.
»Der Name scheint dir zu gefallen«, murmelte sie. »Tyyyyyyl«, stieß der Drache hervor. Irritiert legte Eyla den Kopf schief. »Tyyyyyylllaaav!«, wiederholt der neubenannte Tylavis. »Tyllaavees!«
Die Geschwister sahen sich an. Das Mädchen runzelte die Stirn und fragte: »Meinst du - Tylavis?« Der Drache versuchte es noch einmal. »Tylaavisss.« Er flatterte erfreut mit seinen dunkelblau-silbernen Flügeln. Nachdenklich hörte Eyla dem Drachen zu. Er konnte tatsächlich sprechen! Wie war das nur möglich?
Laute Schritte rissen sie aus ihren Gedanken. Jemand kam die Treppe hoch! Hektisch sah Eyla Tylavis an. »Schnell, versteck dich! Christina darf dich auf keinen Fall entdecken!« Nicht auszudenken, was Christina mit ihnen anstellen würde, würde sie den Drachen sehen. Sekundenschnell war das ungewöhnliche Wesen unter dem Bett verschwunden, da kam auch schon die Mutter der Geschwister in das Zimmer. Ihre Augen huschten von Terry zu Eyla und blieben bei letzterer hängen. Ihr Blick, undurchschaubar wie immer, fixierte ihr Gesicht. Eine Weile rührte sich niemand. Die Stille, die die Familie umgab, war schier ohrenbetäubend. Ohne ein weiteres Wort verschwand Christina wieder und es war, als hätte sie Eylas Freude über ihren neuen Freund Tylavis mitgenommen. Niedergeschlagen sackte das Mädchen in sich zusammen. Sie hatte das bedrückende Gefühl, dass ihr Zuhause nie mehr so sein würde wie früher mit ihrem Vater.
Als die davongehenden Schritte verklungen waren, kroch Tylavis aus seinem Versteck. Terry sah ihn betrübt an. Auch seine gute Laune war verflogen. »Was machen wir denn jetzt?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Eyla und sah frustriert aus dem Fenster. Wolken bedeckten den Nachthimmel und verdeckten die Sterne. Regentropfen fielen auf die Erde hinab und prasselten gegen die Fensterscheibe. In der Ferne erklang das Geräusch eines Donners. Eyla seufzte. Klappte an diesem Tag denn gar nichts? Doch dann sah sie Tylavis an und bemerkte die Energie in seinem winzigen Körper und die Lebensfreude in seinen eisblauen Augen. Vielleicht war es kein Zufall, dass sie sich heute getroffen hatten.
»Du könntest heute Nacht hierbleiben.« Sie wandte den Kopf der Kreatur zu. »Das Gewitter wird bald hier sein.« Der Drache schien einverstanden zu sein. Eyla stellte fest, dass Terry ihnen keine Aufmerksamkeit mehr schenkte. Müde blickte er vor sich hin auf etwas, was nur er sehen konnte.
»Geh ins Bett«, sagte sie zu ihm. »Morgen können wir nochmal über alles reden.« Der Angesprochene nickte und verließ leise den Raum. Währenddessen hatte Tylavis es sich auf dem weichen Teppich gemütlich gemacht, sodass er fast im Schatten des Schreibtisches verschwand. Schnell machte Eyla sich bettfertig und kuschelte sich unter die warme Decke. Eine Weile sah sie Tylavis zu, der sich mit seiner Zunge den Dreck vom Körper putzte. Seine Bewegungen erinnerten sie an die einer Katze. Doch als auch ihre Augenlieder schwer wurden, schaltete sie das Licht aus und fiel in einen tiefen Schlaf.
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Hallihallo! 😁
Habt ihr vielleicht eine gute Idee für einen schönen Namen für den Drachen? Ich bin noch am Nachdenken und könnte Hilfe sehr gut gebrauchen😊😄❤
Vorübergehend heißt er Tylavis, bis ich einen besseren Namen gefunden habe. Oder ihr😉
Und was glaubt ihr:
Wird der Drache bei Eyla bleiben?
Schreibt es in die Kommentare!
Bis zum nächsten Mal,
Eure Sonnenfunke ⭐
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