Kalte Böden _ 2

Da mir die erste Variation nicht zugesagt hat, habe ich die Geschichte einfach etwas abgeändert.

Ein bisschen viel abgeändert.


Viel Spaß.


Es ist schon spät, als ein Mann im mittleren Alter durch die Straßen der verschneiten Stadt läuft. Weihnachten ist vorbei, die Liebe ist vorbei und die Menschen, die sie brachten sind verschwunden. In Einzelfällen überdauern einige Menschen diese himmlische Zeit zusammen, doch sind auch die letzten nach spätestens zwei Wochen nicht mehr aufzufinden und sitzen wieder verteilt in ihren eigenen Gemächern. 
Dann verblassen die Lichter, die Zimmer verdunkeln und die Menschen verschwinden. Die lächelnden Gesichter werden vom Alltag eingeholt und verstummen. Sie verstummen im Laut der normalen Tage des Lebens.


Schritt für Schritt stapft der Mann weiter und rutscht beinahe aus. Es war seine Freiheit, die er sich genommen hat um jetzt noch diese Schritte zu gehen. Es sind vielleicht schwere Schritte und ja, vielleicht wollte er gar nicht gehen. Vielleicht war es seine letzte Tat, die ihn gerettet hat. 
Sein Weg hat kein Ziel, sein Weg hatte auch noch nie einen Anfang gehabt. Es war nicht seine jetzige Idee einfach zu gehen. Er hegte diesen Gedanken schon immer, er brauchte nur den richtigen Zeitpunkt um ihn in die Tat umzusetzen. Und dieser Moment war jetzt gekommen. Jetzt war die Zeit passend ein Zeichen in die Welt zu setzen. 


Der Mann kommt an Häusern mit spielenden Kindern und lachenden Erwachsenen vorbei, lächelt einmal, freut sich, ehe sich sein Kopf wieder im dicken Schal vergräbt. Er kommt an der Bar vorbei, wo er sonst immer um diese Uhrzeit sitzen würde, hätte er sich nicht verändert.
Aber er läuft einfach vorbei. Seine Trinkkumpanen lachen mit ihren beschränkten Gemütern und freuen sich ihrer Situation. Es ist eine einfache, leichte Situation. Für sie vielleicht gut, für ihn aber ungenügend.

Der Mann versteht es nicht. Es scheint ihm wie ein Schauspiel. Da gibt es ein -, zwei Feste im Jahr, wo man alle sieht, im Mittelpunkt steht und die Liebe bekommt, die man das Jahr über vermisst hat. Soll das eine Überspitzung oder sogar eine Wiedergutmachung sein?


Da kommen sie zusammen und sitzen um einen schwarzen Tisch, packen ihre teuren Geschenke aus und betrachten den gold-geschmückten Tannenbaum, der auf einem klapprigen Holzhocker steht. 


Inmitten eines grauen Zimmers.



Inmitten weißer Vorhänge.



Inmitten eines billig - hellem Laminat und unaufmerksamen Leuten. 



Das war das fröhliche Fest. Ein Fest, wo man nur beisammen saß, um sich Geschenke mit irgendeinem Wert zu überreichen, von dem die meisten gar nicht ihren wahren Wert verstanden.


„Heutzutage kennen die Leute von allem den Preis und von nichts den Wert", sagte Oscar Wilde einmal. Und er hatte recht. Wissen wir denn überhaupt, wie gut es uns geht? Wissen wir den Wert zu schätzen, dass wir alle zusammen sitzen dürfen und nicht vor Hunger, Krieg oder Kriminalität fliehen müssen? Es geht uns so gut und wir wollen immer nur mehr. Wir bekommen nicht genug, bis unsere Gesellschaft dann eines Tages zusammenbricht und wir - wie immer - von vorne anfangen (müssen).


Er habe niemanden gefragt, ob er gehen darf. Er ist einfach gegangen. Hätte er Familie, hätte er es nicht getan. Hätte. 
Warum sollte er auch jemanden fragen, was er zu tun hat? Es geht um ihn und nicht um jemand anderen über den man urteilt. Es ist seine Freiheit seine Entscheidungen zu fällen.


Aber wir werden es nicht ändern können. Wir werden die Definition von der heiligen Nacht und der Freude nicht modifizieren. Es kommt nicht darauf an, dass diese Wände vor uns stehen, sondern auch dass die Wände in unseren Köpfen ihren lieben, verstaubten Platz haben. Das ist unser Schicksal, welches wir uns ausgesucht haben. 


Er läuft auf dem kalten Boden und verlässt seine Stadt. Er verlässt seine Heimat und er verlässt sein Zuhause. 


Der Mann ist auf der Suche nach etwas anderem. Er sucht sich eine neue Bedeutung seines Lebens und seiner Liebe. Wenn er so zurückblickt und sieht, was aus diesen Festen geworden ist, so sieht er nicht nur das Fest alleine, sondern vor allem die Menschen, die es verändert haben.

Diese dummen Menschen, die einfach alles zerstören müssen. Sie müssen alles zerstören und alles kaputt machen bis sie glücklich werden. Aber sie können einem nur Leid tun. Im Endeffekt können sie nichts dafür, sie haben es nie gelernt. Nie gelernt andere zu respektieren und andere zu akzeptieren. Ein unglaublicher Zusammenhang.



Plötzlich stürzt der Mann. 


Der Mann rutscht tatsächlich aus und kann sich nicht mehr auf den Beinen halten. Aber anstatt aufzustehen bleibt er liegen und betrachtet den Himmel, den er die ganze Zeit nicht wahrgenommen hatte. Er sieht in den Himmel und betrachtet den Horizont. Er hatte ihn gar nicht bemerkt. Er hatte das Wunderschöne des Tages gar nicht betrachtet. Er war in seinen Gedanken so vernarrt, dass er den Himmel gar nicht realisiert hatte.


Er betrachtete das schöne Funkeln der Sterne und den hellen Mond, der ihm eine gewisse Geborgenheit gab. Es fühlt sich angenehm an, obwohl der Boden unter ihm die entstehende gemütliche Situation mit seiner Kälte einnahm. 


So lag der Mann da, ungeachtet. Und das kurz nach Weihnachten. So kurz nach dem Fest der Liebe. Die Menschen gingen an ihm vorbei, sahen ihn an und schnalzten mit der Zunge. Ungeachtet der Menschen, die an ihm vorbei liefen, entdeckte er doch das wahre Wunder von Weihnachten. Er sah die schönen Seiten, nicht die schlechten. Er sah was er hatte, nicht was ihm fehlte. Er sah was was er verstand, was die anderen nichtmal glaubten. 



Während sein Körper langsam erfror und sich seine Seele erwärmte, hoffte er, dass auch weitere Menschen von seiner Entdeckung Nutzen ziehen konnten. So sah er in seinen Gedanken die Menschen, die sich mit ihm auf den Boden legen würden. 


So lag die ganze Welt auf dem Boden und sah in den funkelnden Sternhimmel. Sie legten die Waffen und Kerzen nieder, sie legten allen Streit beiseite und starrten gemeinsam in den Himmel.


Und doch war es nur ein Traum, nur ein Schein, nur eine Illusion.


Es würde niemals passieren.


*

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Vielen Dank im Voraus. :-)

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