Der Wunsch zu helfen


Bei dem Namen Uchiha, hätte ich eigentlich mehr Reaktion erwartet 🙄

Elli's Sicht:

Immer wieder tauchten Bilder vor meinen Augen auf, die ich seit einigen Jahren versuchte zu verdrängen.

Die erste Begegnung mit IHM, in der Schule. Es war mein erster Schultag gewesen in Amerika.

Ich war gerade 11 und meine Eltern wollten mir etwas Kultur vermitteln, weshalb wir den bescheidenen Vorort von Dublin verlassen hatten. Die grünen weiten Ebenen vermissend, musste ich nun auch noch mit meinen mehr als starken Akzent, mich schon kurze Zeit später in einer neuen Schule zurechtfinden.

Mein Glück ist es gewesen, ausgerechnet in IHM am ersten Tag zu laufen, da ich zu sehr mit den Spitzen meiner Schuhe beschäftigt wahr, als dass ich auf meine Umgebung geachtet hatte.

Seine unglaublich freundliche Art, nahm mir die Angst und geleitete mich seit jeher Tag für Tag, zumindest, bis sein Lächeln immer mehr verblasste und irgendwann seine Augen nicht mehr erreichte.

Ich erinnerte mich nur zu gut an seine Wärme, an seine unschuldigen Berührungen. Aber vor allem an seine Augen, die sich immer von nachtschwarz in Rot veränderten, sobald er wütend wurde.

Auch wenn wir nie in der gleichen Klasse gewesen sind, hatte er mir die Schulzeit erleichtert. Durch IHN habe ich Freunde gefunden und mich das erste Mal verliebt.

Die Temperaturen nahmen immer mehr um mich herum ab, doch meine Erinnerungen an sein Lächeln schienen mich trotz alledem warm zu halten.

Also immer wieder um den Block laufend, ließ ich es zu, wie weitere Erinnerungen über mich hereinbrachen.

Ich sah, wie Chiaki mich vor älteren Schülern beschützte, wie er mich ermutigte Medizin zu studieren, obwohl ich nur wegen ihm Ärztin werden wollte.

Ich sah ihn, wie er einen Wettkampf in Taekwondo nach dem andren Gewann und ich hörte mich selbst, wie ich ihm zujubelte.

Ich spürte erneut die Freude, wenn ich ihm nach einem langen Kampf verband und er mich mit seinem gewinnenden Lächeln einnahm.

Doch so schön diese Erinnerungen waren, wurden sie von anderen getrübt und nun sah ich ihn, wie er mir beichtete, dass er in jemanden schon sehr lange verliebt war und dieser Person seine Gefühle gestanden hatte.

Ich konnte sehen, wie sein unschuldiges Herz brach und er danach in einer Abwärtsspirale gefangen wurde.

Ich sah mich bei ihm, am Grab seiner Eltern, die kurz nach seiner Abfuhr einen Autounfall hatten. Ich sah mich mit ihm Arm in Arm, wie ich ihn tröstete, da man ihn erneut wegen seiner Augen verurteilte.

Ich sah zu, wie er sich freiwillig für die Armee meldete, und ich ließ mir das Herz brechen, als ich ihm mitteilte, was ich für ihn empfand, bevor er in seinen ersten Einsatz ging.

Im Grunde war er auch ein Grund, weshalb ich das Studium abgebrochen hatte. Als er nämlich zurückkam, wollte ich ihm helfen, doch ein ausgebildeter Mediziner, war nun mal nicht für solche Sachen bereit.

In meiner Sanitätsausbildung dagegen, wurde mir beigebracht, auch emotionalen Beistand zu leisten, sodass ich versuchte ihm nach seinem zweiten Einsatz, den emotionalen Trost zu spenden, den er benötigte, doch leider war ich auch in diesem Moment zu unfähig um zu erkennen, dass auch wenn sein Körper zurückkehrte, seine Seele längst entschwunden war.

Diese gewisse Leere und Kälte in seinen Augen, mit der permanenten Angst, sich zu öffnen oder sein inneres Dazulegen, ließen meine Gedanken ganz kurz zu dem Mann in meiner Wohnung gleiten. Scare hatte genau denselben Blick. Er versuchte, krampfhaft etwas zu vergessen, dass sein Leben zerstört hatte und doch konnte er dem Abgrund so nicht entkommen.

Ohne Vorwarnung sah ich nun, die schlimmste aller meiner Erinnerungen.

Es war eine dunkle und verschneite Winternacht, als wie so oft der Barkeeper in der Nähe meiner Wohnung mich anrief, damit ich Chiaki abholte.

Ihn also aus der Bar schleppend, versuchte ich sein Gewicht, so gut es ging zu tragen, doch je mehr ich mich bemühte umso schwerer schien er zu werden, bis er sich an einem Laternenpfahl festhielt und uns beide so ein Stück zurückries.

Wir standen mitten auf der Brücke, die wir als Kinder schon so oft gemeinsam überquert hatten, Hand in Hand.

Überrascht darüber, sog ich einen ganzen Schwall seiner alkoholischen Ausdünstungen ein, die ich versucht hatte zu ignorieren und musste mich zusammenreißen, mich nicht auf der Stelle zu übergeben.

Seit einigen Wochen, besser gesagt seit seinem letzten Einsatz, betrank er sich nun fast jeden Abend und wie an jeden Abend zuvor, war ich es, die ihn mühsam versuchte, in meine Wohnung zu schleppen, um ihn dann auf der Couch ausnüchtern zulassen, doch dieses eine Mal war es anders gewesen.

Er sah mir tief in die Augen, nuschelte etwas in der Art, wie „du bist für mich da" und dann küsste er mich.

So viele Jahre, hatte ich es mir erträumt seine Lippen auf die meinen zu spüren, aber in diesem Moment, war es eindeutig falsch. Darum drückte ich ihn von mir weg. Allerdings hielt er mich mit einem eisernen Griff fest. Ich versuchte, seinen gierigen Händen zu entkommen, die meinen Mantel öffneten und unter ihn glitten. Ich liebte zwar diesen Mann, doch in diesen einen Augenblick flüchtete und ekelte ich mich vor ihm.

Und dann geschah es. Ich schlug ihm ins Gesicht, so wie ich Scare geschlagen hatte. Ich schlug ihn und brachte eine gewisse Distanz zwischen uns.

Ich konnte es in seinen Augen sehen, wie sehr er sich für diese Tat selber hasste und ich wusste, er bereute diese bereits, doch die Angst saß mir zu stark in den Knochen, sodass ich zulange brauchte, um auf seine nächste Reaktion zu reagieren.

Sein letzter Halt, war von ihm gewichen und ich erkannte in seinen Augen, noch bevor er das Geländer umfasste und hinüber in die eiskalten Fluten des Flusses unter uns sprang, was er vor hatte, doch ich rührte mich nicht.

Der Mann, der an diesem Abend in den Fluss gesprungen war und dessen Leiche man erst nach einigen Tagen weit abgetrieben fand, war schon lange nicht mehr der Chiaki gewesen, denn ich über alles geliebt hatte, allerdings ließ mich der Gedanke nicht los, wenn ich mir mehr Mühe gegeben hätte, vielleicht es geschafft hätte, ihn zurückzuholen.

Doch in dem Moment, wo mein Körper reagierte, hatte er bereits das Geländer losgelassen, sodass ich nur noch das Klatschen auf die Wasseroberfläche hörte. Der Schmerz in meiner Brust hatte mich getrieben noch besser in meinem Job zu werden, doch leider waren die Schuldgefühle so stark, dass ich anfing immer mehr von diesen „Streunern" aufzunehmen, bis es mich endgültig kaputtmachte und mir meine Hilflosigkeit einmal zu oft vor Augen gehalten wurden.

Das war der Grund, warum ich mit 23 Jahren nach Japan gekommen bin und nun, war ich wieder, in alte Muster gefallen. Der einzige Unterschied dabei war, dass ich mir nicht nur einbildete, dass dieser Scare eine gewisse Ähnlichkeit mit Chiaki besaß, sondern dass diese beiden tatsächlich dieselben Augen hatten. Eine Mutation, die so einzigartig zu sein schien, dass nur diese beiden Menschen sie besaßen.

Nun also auch die Kälte spürend. Wendete ich mich dem Haus zu, in dem meine Wohnung sich befand, lief in den leicht erhellten Flur und stieg in den leise summenden Aufzug, der mich in die richtige Etage bringen würde.

Den lang gezogenen Gang erreichend, wo nur einige Türen weit vom Aufzug entfernt, sich mein behagliches Heim befand, versuchte ich mich von den Schatten, die das flackernde Licht warf nicht Täuschen zulassen.

Denn wie oft, hatte ich seine roten Augen in der Schwärze aufblitzen sehen und seine anklagende Stimme nach einer Doppelschicht sagen hören, dass ich versagt hatte.

Nun also den Schlüssel umdrehend und in mein Zimmer beinahe rennend, schloss ich mich die restliche Nacht ein, um die dunklen Erinnerungen auszusperren und nicht länger an das verblassende Lächeln und diese kalten toten Augen zu denken.

Ich musste schlafen.

Ich würde Scare helfen.

Ich würde ihm helfen, damit endlich diese Albträume aufhörten, und mein Gewissen ruhe gab. Auch wenn mir das Chiaki nicht zurückbringen würde.

Immer noch liefen mir die Tränen über die Wangen und der Schmerz in meiner Brust ließ nicht nach. Zusammengerollt mich unter der Decke versteckend, holte mich die Dunkelheit ein und meine Augen vielen zu.

Mit letzter Kraft, verließ nur eine einige Bitte meine trockene Kehle.

„Bitte lass die Sonne wieder aufgehen."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top