8. Anker
"Ich weiß, dass du von Umibozu wusstest. Dass du von Jiho vor einem Ungeheuer vorgewarnt wurdest."
Hongjoong nickte bloß schweigend, von wo er mit den Füßen eng beieinander auf seinem Bett saß, blicklos gen Boden starrte. Seonghwa saß hinter mir am Schreibtisch und beobachtete uns aus dunklen Augen, checkte immer mal wieder die See durch die Gläser.
"Jiho hat uns gesagt, dass wir in Island auf übernatürliche Monster, Achtung Plural, stoßen würden.", bestätigte mir der Dunkelhaarige diplomatisch und warf sein langsam zu lang werdendes Haar aus seinem Gesicht, um wieder weiter zu brodeln.
Ich verlagerte das Gewicht auf mein anderes Bein.
"Er ist kein Götterfänger?"
Hongjoong schüttelte sanft den Kopf, spielte gedankenverloren mit seinen Fingern. "Es braucht kein Genie, um die Gefahr zu bemerken, die von dort ausgeht. Ich wollte es meiner Crew vor dem ersten Angriff schon freistellen zu gehen, aber... naja." Das Silber an seinen Händen warf blitzende Lichter in den gedimmten Raum.
"Was tun wir dort?"
Seonghwa seufzte hinter mir resginiert.
"Tsukiko, das weißt du doch. Wir haben dir gesagt, dass wir nach dem Schatz seiner Mom suchen." Sein Stuhl schabte über den Boden, als er sich erhob, begann zu mir herüber zu wandern. Ich behielt die Augen stur auf Hongjoongs angespannten Schultern, seinem gesenkten Kopf.
"Tun wir das?", hinterfragte ich mit einer vorsichtigen Skepsis, gerade genug zwischen den Zeilen um entschuldigt zu werden.
Seonghwa fasste mich behutsam an den Schultern, suchte kurz aus warmen Augen meinen Blick, bevor er ansetzte mich entschieden aus dem Raum hinaus zu schieben.
"Wenn es nur darum geht, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ruh dich aus, ich weiß, dass dieser Angriff dich erschreckt hat."
Widerstandlos gehorchte ich, vermerkte mir diese offensichtliche Ausrede in meinem Hinterkopf. Hongjoong sah mir verschlossen hinterher, als ich ein letztes Mal seinen Blick kreuzte.
Seonghwa drückte sanft die Tür hinter mir zu und ich hörte seine weichen Stiefel wieder durch den Raum wandern, zählte für einen Moment seine Schritte bis zum Bett.
Kaum schätzte ich ihn als weit genug weg ein, warf ich mich herum und stürmte die Treppen hinab, über das nebelige Deck und runter gen Quartiere. Nicht wenige Crewmitglieder hatten sich inzwischen bei Tisch eingefunden und ihre rege Stimmen berührten meine Ohren, als ich sie auf dem Weg in die Kombüse passierte.
Die Männer sprachen über das Ungeheuer, über ihre Theorien und Märchen, die Augen glänzend, aber die Stirnen in besorgte Falten gelegt. Jongho saß unter ihnen und beteiligte sich nicht am Gespräch, lauschte bloß schweigend.
Ich platzte hektisch genug in die Küche hinein, dass der arme Mingi kaum Zeit hatte von seinem Platz hinter Yunho weg zu springen. Während er sich noch hektisch atmend die Brust hielt, grinste ich ihm bloß liebenswürdig zu und wandte mich dann an den neugierigen Koch.
"Du musst dich für mich in eine Kakerlake verwandeln und den Cap und Hwa belauschen.", forderte ich rundheraus, kam näher, um Mingi mitfühlend den Arm zu tätscheln.
Meine Güte, niemand würde an ihnen beiden Anstoß nehmen, aber Mingis Schreckhaftigkeit kannte nunmal keine Grenzen.
Yunho hingegen sah so aus, als hätte ich ihm empfohlen seine Hand in flüssige Lava zu stecken. Aus großen Augen starrte er mich an, seine geschwungenen Lippen tonlos flüsternd im Versuch sich einen Reim auf meine absurde Anfrage zu machen.
"Warum muss es denn eine Kakerlake sein? Wenn, dann bitte ein Marienkäfer! Und du weißt, dass das nicht geht.", war er absolut entrüstet, nicht nur, weil ich seine Kräfte durcheinander brachte, sondern auch wegen der Natur der Sache.
Selbst Mingi blinzelte mir konfus zu und der war normalerweise Feuer und Flamme.
"Gibt's Ärger im Paradies?"
Ich schüttelte amüsiert den Kopf, warf dann einzelne Strähnen weiß wieder aus meinen Augen.
"Hongjoong verbirgt etwas vor uns. Er plant eine gefährliche Mission auf Island, gefährlich genug, dass er uns bitten wird zu gehen und wir wissen nicht bescheid! Klingt das nicht eigenartig für euch?", versuchte ich sie beide aus der Reserve zu locken, doch in Mingis Augen lagen bereits Zweifel.
"Wir vertrauen ihm. Nicht nur als Kapitän, sondern auch als Mann. Er wird seine Gründe haben."
"Ihr wisst, dass er versuchen wird mich zurück zu lassen, nicht?"
Das schien besonders Yunho schon eher unruhig werden zu lassen, denn er legte die Kartoffel ab, die bislang nutzlos in seiner Hand geschwebt hatte, wandte sich mir ganz zu.
"Du bist klug. Du würdest auf ihn hören, wüsstest, dass er Gründe hat."
"Wenn er meine Loyalität erwartet, brauche ich einen Grund. Ich würde ihm jederzeit blind mein Leben anvertrauen, aber er frisst etwas in sich hinein. Seine Augen sind trüber geworden. Fast so, als wollte er dieses Mal nicht mich vor Unheil schützen, sondern sich vor mir.", stellte ich scharf klar, sah Yunhos Augen unstet zu Mingi wandern.
Hongjoong sagte mir immer alles. Immer.
"Er sagte, er habe die erste Attacke nicht so früh erwartet. Er wollte die Crew bereits vorher warnen. Trotzdem noch keinerlei Signal."
Yunho hob gerade an zu sprechen, die erdigen Handflächen besänftigend in der Luft, als Jongho hinter uns nonchalant den Kopf in den Raum streckte.
"Wir gehen an Land, Yunho ich brauche dich oben am Anker." Und schon war er wieder weg.
Yunho seufzte tief, ging sich die Hände kurz abspülen.
"Wir reden noch einmal darüber, Tsukiko. Wir sind jetzt ohnehin alle hier, was will er tun? Tu, was du nicht lassen kannst, aber vertrau Captain." Er beeilte sich mir noch einmal aufmunternd zuulächeln, dann folgte er Jongho.
Gestresst sah ich ihm nach, fuhr mir mit der Hand durchs Haar.
Wie sahen sie es nicht? Wie bemerkten sie die Heimlichtuerei nicht? Hatten sie denn gar kein Interesse, was los war? Schon wieder?
Oder vergaß ich wieder etwas? Eine Legende vom Sterbemythos des Drachen oder ähnliches? Wurde ich deswegen angeschwiegen?
Mingi sah ähnlich in Gedanken verloren aus, als ich seine Augen traf.
"Wir könnten ihn abfüllen und Antworten aus ihm heraus kitzeln."
"Ich denke nicht, dass er in seinem Zustand trinkt."
"Vielleicht Seonghwa..." Grübelnd verließ auch er den Raum.
Für einen Moment stand ich ratlos an die Wand starrend im Raum, dann wandte ich mich um, um selbst frustriert zu gehen, durchquerte den nun leeren Speisesaal, während über mir viele paar Stiefel laut über das Holz stampften.
Ich verließ den Raum und setzte gerade an nach rechts abzubiegen, mir Arbeit zu suchen, als mich ein leises Geräusch zu meiner Linken im Schritt verharren ließ.
Ein leises Wimmern, fast ein Weinen kam leidend die Treppe von den Kojen hinauf und ich brauchte keine weitere Sekunde, um mich sofort herum zu werfen, waghalsig die Stufen hinab zu springen.
Meine Augen fassten das richtige Bett geübt, musterten die bebende und zusammengerollte Gestalt unter den Decken. Mit wenigen Schritten war ich bei ihm, streckte behutsam die Hand nach ihm aus, fasste eine schmale, fragile Schulter.
"Wooyoung. Hey, Baby."
Er verstummte, musste zuvor schon wach gewesen sein. Eine lange Sekunde verging, in der ich nur besorgt wartete, dann schniefte er einmal und begann seine Decke von seinem Kopf zu ziehen. Das Haar stand ihm wirr vom Kopf ab und seine Augen waren gerötet, als er mich fast ertappt erkannte.
Beschämt schlug er die Augen nieder.
Mein Herz sank.
"Nein, nein, es ist okay, hier, komm her." Ich sank neben ihm auf das Bett, während ich sprach, öffnete einladend die Arme, damit er sich direkt hinein werfen konnte. Meine Hand fand automatisch seine Haare, streichelte sanft durch verschwitzte Strähnen.
Wooyoung atmete schwer gegen mein Schlüsselbein, schob behutsam den Ring an meiner Kette in meinen Nacken zurück, damit er sich nicht daran verletzte. Er war so warm, so weich. So verletzt.
Niemand brauchte es auszusprechen, alle Gesten reichten, deshalb überraschte es mich umso mehr, als er tatsächlich anhob zu reden, die brechende Stimme kratzig und wund vom Weinen.
"Weißt du, wenn ich könnte... Ich würde mein Leben sofort gegen das Seine eintauschen."
Mich überrieselte es kalt, als ich die Arme enger um ihn legte, hoffentlich jeden derarten Gedanken aus seinem Kopf vertrieb.
"Das würden wir alle, Woo. Aber wir brauchen dich hier. San würde es hier nicht anders gehen, wenn du fehlst."
"Ich würde es tun."
Schweigend hielt ich ihn.
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