4. Portugal

"Ich verstehe das einfach nicht! Ich habe sie schon einmal kurz getragen, kurz und rot, warum merken sich alle Leute nur das lange Haar an mir?!"

"Naja, es war schon lange Zeit etwas wie dein Markenzeichen. Das rote Haar stand dir ausgezeichnet, du sahst teuflisch gut damit aus, aber letzten Endes ist es unter deinem Hut eben sehr schwer zu sehen.", versuchte ich mit gehobenen Händen den Captain zu beschwichtigen, er schmollte bloß mit verschränkten Armen.

"Wie die Narbe, weißt du? Auf der alten Flagge! Leute merken sich Kim Hongjoong an seinem langen Haar und der Narbe im Gesicht." Ich begann sanft wieder die unangenehm riechende Mischung an Hennafarbe aus Seonghwas Vorrat in Hongjoongs Haare einzuarbeiten, glaubte ihn beinahe schnurren zu hören, als sein Kopf willig wieder nach hinten rollte.

"Vielleicht sollte ich rot zu unserer neuen Farbe machen. Rote Uniformen, rotes Haar, rote Flagge. Dann können diese Bastarde es sich hoffentlich endlich merken, ebenso wie sie es für Mom getan haben.", knurrte er zwar noch immer ungehalten, aber schon etwas besänftigt, schloss die Augen wieder, als ich arbeitete.

"Der Rote König, huh? Klingt nicht schlecht."

"Der Rote König und seine Schneeweiße Königin..." Er sah von unten herab zu mir auf, seine tiefen Augen bereit mich ebenso zu verschlucken, wie die See es tun würde, dunkel und verführerisch.

"Ich habe dir von meiner Heimat erzählt, ja? Venus, eine der Götterfängerinnen dort und Jonghos Frau übrigens, ließ regelmäßig weiße Rosen züchten, nur um sie in ihrem Blut rot zu tränken und ihren Verehrern zu schenken. Unschuld konsumiert von leidenschaftlischer Liebe." Er nahm die Augen keine Sekunde von meinen, während er sprach und ein zufriedenes Schaudern kroch kitzelig meinen Nacken hinab, entlang meiner Wirbelsäule.

"Wie passend..."

Viel mehr brachte ich nicht heraus und konzentrierte mich eilig wieder auf sein glitschiges Haar unter meinen Händen, die Farbmischung derzeit noch absolut unkenntlich.

Hongjoong war... intensiv. Manchmal fürchtete ich mich tatsächlich in ihm zu ertrinken, keinen geschickten Kompass mehr zu haben, der mich wieder ans Licht brachte. Wir wussten es beide, dass er oft genug zu viel für mich wurde, nach immer mehr strebte, Dinge forderte, die ich ihm als normale Sterbliche nicht geben konnte. Es war ein Gott in jedem Sinne und hin und wieder fiel mir diese Tatsache unangenehm ins Auge. Ich war nur ein kleiner Mensch zwischen einem Haufen übersinnlicher Kreaturen in einem Kampf gegen weitere übersinnliche Kreaturen. Es war nicht mein Platz

"Wir sind in ein paar Tagen in Portugal.", wechselte er problemlos das Thema, nachdem er mein offensichtliches Zögern bemerkt hatte, begann geistesabwesend an seinen Ohrringen zu spielen.

"Von dort aus werden wir so schnell wie möglich nach England übersetzen. Island ist dann nicht mehr weit davon."

"Klar, Cap. Ich kann es kaum erwarten dich offiziell meiner Familie vorzustellen."

-

Die Häfen Portugals standen definitiv unter Bewachung der spanischen Regierung, aber die Korruption des Systems hatte seine dunklen Fühler weit bis in die Städte ausgestreckt. Nicht wenige Gestalten mit Brandzeichen oder Peitschennarben huschten problemlos an den Soldaten vorbei, die Männer in ihren pristinen weißen Uniformen sehr gut darin im richtigen Moment in die andere Richtung zu sehen.

"Pack... Und wir sollen die Schlechten sein, huh? Wir sind wenigstens ehrlich."

Seufzend sah ich zu Yunho auf, der an meiner Seite an die Reling gelehnt stand und die Augenbrauen in Missmut zusammengezogen hatte. Der große Mann hatte die Augen auf Mingi, der gerade einige Fässer auf das Schiff lud, die die Jungs am Morgen in der Stadt besorgt hatten. Yunho traute den Soldaten nicht, fürchtete jederzeit einen Coup und er wäre sicherlich der erste an Mingis Seite, wenn es dazu käme.

"Letzten Endes sind sie in der Unterzahl. Ohne eine richtige Organisation und Druck von oben ist es klar, dass sie ihre Ziele aus den Augen verlieren und gelegentlich das Wenigste tun, um ihr Leben zu behalten.", sinnierte ich eher neutral der Sache gegenüber, sah ebenfalls wieder hinab, wo Jongho inzwischen Mingi zur Hand ging.

"Vielleicht sollten wir einen von ihnen anheuern, huh? Wie sieht es mit dem da hinten aus? Stattlicher Bursche, nicht? Wie gefällt er dir, Tsukiko?" Yeosang grinste mir verschmitzt zu, als einer seiner Arme um meine Schultern zu liegen kam, nickte zu dem Mann in Frage hin.

Er sah nicht minder innerlich tot aus als der Rest, das Gesicht eine Maske der Gleichgültigkeit und das einzige, das ihn irgendwie aufrecht zu halten schien, war sein Training.

"Oh, ich denke nicht, der ist ihr vermutlich eine Nummer zu groß. Ihr bisheriger Geschmack hat sich anders erwiesen.", gab Yunho abermals seinen Senf bei, aber seine Stimme war schon etwas leichter, der Ton wieder verspielt.

Ich stapfte ihm auf den Fuß, bewahrte streng mein Gesicht, als er mir nur gurrend durch die Haare wuschelte.

"Stimmt, Verzeihung. Ich vergaß, dass du ja eher die kleinen Dinge im Leben genießt."

"Lass uns noch einmal darüber reden, wenn du mal jemanden hast, in Ordnung? Du bist nicht sehr viel größer als er."

Yeosang lachte bloß leise, dann wandte er sich wieder nach vorne, suchte nun mit den Augen die Docks nach Hongjoong ab. Wir fanden ihn letzten Endes auf einem anderen Steg, bei einem anderen Schiff, wo er sich scheinbar mit deren Kapitän unterhielt.

"Ohh, das sind die Bastarz! Woo ist ein großer Fan. Sie stammen vom geichen Heimathafen wie wir.", hatte Yunho mit seinen Augen keinerlei Schwierigkeiten die Crew zu erkennen und ich nickte bloß mit, hatte in der Tat schon einiges von denen gehört.

Yeosang löste sich von meiner Seite, um Mingi mit seinem Fass zu helfen, es sicher von der Planke aus auf das Deck zu bringen. Ich beobachtete weiter Hongjoong, inzwischen mit Seonghwa an seiner Seite, der animiert gestikulierend auf den anderen einredete.

Wooyoung war der letzte, der zusammen mit einigen seiner Pulveraffen aus der Stadt zurück kam, schnurstraks auf's Schiff und in den Laderaum marschierte.

Wir verräumten alles und warteten dann auf den Kapitän, alle bereit zum Ablegen und diesen verdächtigen Ort hinter sich zu lassen.

Als Hongjoong dann tatsächlich wieder zurückkam, war sein Gesicht gleich einer dunklen Gewitterwolke, Seonghwa an seiner Seite sah nicht minder gestresst aus, wenn auch weniger wütend.

"Tsukiko, zu mir.", war alles, was er knapp befahl und schon stiefelte er wieder davon.

Ich tauschte einen verwirrten Blick mit Yeosang und der hob nur ratlos die Schultern.

Seonghwa übernahm es der Crew den Befehl zum Ablegen zu geben und eskortierte mich dann persönlich hoch zu Hongjoongs Kajüte, trat jedoch nicht mit mir ein. Konfus gesellte ich mich zu meinem Kapitän, beobachtete kurz, wie er Hut und Maske regelrecht von sich warf, um die Beine auf seinem Tisch hochzulegen.

"Wir haben ein Problem. Du erinnerst dich an dieses Marineschiff, das wir vor ein paar Tagen getroffen haben. Mit der ramponierten Crew, die etwas von Piraten gefaselt hat."

Ich nickte nur, lehnte mich mit verschränkten Armen an die Tischplatte seines Schreibtisches zwischen uns. Hongjoongs Augen wanderten für einen Moment abgelenkt zu meiner Brust hinab, zu dem Ring, der noch immer an der Kette um meinen Hals hing.

"Nun, in der Tat hat mir Jiho gerade einiges an interessanten Sachen über ihn erzählen können. Wie es scheint ist er ein Götterfänger, aber keiner, der sich seinen Job zu Herzen nimmt. Scheinbar nutzt er seine Macht, um die Brut gegen seine Feinde aufzubringen."

Das war nicht gut. Ich hatte zwar nie erfahren, was genau mit einem Götterfänger geschah, wenn er der Pflicht seiner Existenz nicht nachkam, jedoch schwante mir nichts Gutes. Wem die Seele eines Gottes inne wohnte - wer die Kraft besaß gegen Überirdisches vorzugehen, der sollte diese Macht nicht verwenden, um der Welt zu schaden. Pirat oder nicht.

"Scheinbar ist der Kerl komplett irre, unterscheidet Freund nicht von Feind und noch besser - er hat die spanische Marine genug aufgemischt, dass wir uns England abschminken können. Sie kontrollieren überall in der Gegend scharf die Gewässer und das Risiko lohnt nicht, um hindurch zu segeln."

"Verstanden. Ich schreibe Yongguk einen Brief und berichte ihm davon. Es ist womöglich besser, wenn Natasha bescheid weiß.", handelte ich das Thema sofort souverän ab, verbarg meine Enttäuschung hinter der Dringlichkeit der Lage.

Zu gerne hätte ich sie alle wiedergesehen und Hongjoong auch meiner Schwester vorgestellt. Aber das musste dann wohl warten. Wir hatten immer auch noch den Rückweg.

Hongjoong senkte entschuldigend den Kopf.

Er verschwieg mir den Rest.

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