16. Kopfsache

Meine Augen, Nasen- und Wangenpartie pochte in einem dumpfen Schmerz. Es war die ständige Erinnerung an meine Angst und Wut, mein Ansporn.

Hongjoongs Mutter war nicht besonders gut auf mich zu sprechen.

Nachdem der Lich ihr (und mir) offenbart hatte, worum es sich exakt bei dem bisher so unscheinbaren Schmuckstück handelte, war der Piratin buchstäblich das Gesicht entglitten. Für einen Moment hatte ich auf die kalte, leere Fratze eines Totenschädels gestarrt, dann hatte mich ihre geballte Faust bereits im Gesicht getroffen.

Ich erinnerte mich an Wooyoungs wütenden Aufschrei, als ich überrascht das Gleichgewicht verloren hatte, unsanft zu ihren Füßen auf dem Boden landete. Als ich ungläubig den Kopf zu ihr hob, war ihre Maske wieder vollendet, jedoch zu einer wütenden Fratze des Hasses verzogen.

"Du? Ein schwacher, kleiner Mensch, ohne jegliche Möglichkeit sich zu schützen! Ich dachte es sei ein Scherz, dass du seine Geliebte seiest! Aber nicht nur das, er vertraut dir seine Perle an? Dir?!" Ihre Stimme wurde immer hysterischer und schriller, schlimm genug, dass ich mir ächzend die Hände auf die Ohren presste.

Gott, ich wusste ja nicht einmal, worum es genau ging!

Hinter mir rangelten die Jungs mit einer Gruppe Skeletten, riefen wild meinen Namen.

"Mylady, das ist unerhört!", stimmte der Lich ihr vollkommen überflüssig zu und ich machte den Fehler mein Kinn zu ihr zu heben, sie vom Boden heraus abwartend anzustarren.

Ihr Stiefel traf mein Gesicht, nicht mit voller Wucht, aber deutlich spürbar und für einen Moment explodierten weiße Sterne hinter meinen Augen, dann traf meine Schulter dumpf auf dem Boden auf.

"Tsukiko!", brüllte es von hinten und kurz desorientiert versuchte ich mich zu sammeln.

Da, sie streckte ihre Hand nach mir aus! Und etwas Nasses tropfte über mein Kinn hinab.

Warnend schlug ich ihre Hand weg, mit genug Nachdruck, um Eindruck zu schinden. Meine Linke kam zusätzlich herauf, um bestmöglich meine Atemwege von Blut frei zu halten.

Die Frau war zornig, ihre Fäuste geballt und Schultern angespannt. Ich behielt sie im Blick, erwartete den nächsten Angriff.

Als dieses Mal ein Stiefel in meine Richtung kam, war ich schnell genug und kickte sie von mir, kam in der selben Bewegung noch auf die Füße und spie das Blut von meinen Lippen.

"Finger weg.", warnte ich leise, mein Hals war noch immer wund und ich nahm meine blutige Hand, um sie schützend um Hongjoongs Ring zu legen.

Ganz egal, was dieser Ring für ihn bedeutete, ganz egal, wie mächtig er mich machte. Hongjoong hatte ihn mir gegeben und ich war nicht gewillt ihn zu verlieren. Insbesondere nicht an seine eifersüchtige Mutter.

"Du wirst parieren! Dieser Ring hat keinerlei Wert für dich! Er ist bei dir nicht sicher und ich werde ihn an mich nehmen, um die Sicherheit meines Sohnes zu gewährleisten! Gib her, wenn er dir am Herzen liegt!"

Abermals kam eine Hand auf meinen Hals zu und mein Kopf war endlich klar genug.

Ich kam schnell in Bewegung, griff in das Innere meiner Jacke und um den kühlen Griff des Dolches, den ich immer bei mir trug. Eine schnelle Bewegung und die Frau stolperte schreiend zurück, hielt die verletzte Hand eng an ihre Brust gepresst.

Hasserfüllte Augen trafen meine, als ich einen weiteren bedrohlichen Schritt auf sie zu trat, vorbei an den zwei nun herrenlosen Fingern auf dem Boden.

"Ich bin inzwischen diejenige, die deinen Sohn beschützt und von ihm beschützt wird. Was auch immer dich am Leben hält, welche Besessenheit dich an ihm hält, es könnte mir nicht egaler sein. Lass die Finger von dieser Crew."

Während ihr Zorn hitzig war, so war meiner kalt. Eisige, kalkulierte Flammen, die auf einen brodelnden Topf Lava prallten.

Ich ließ den Dolch sinken, als sie sich nicht bewegte, nur giftig starrte. Ich schmeckte mehr Blut und wischte mir mit dem Ärmel durch das Gesicht. Mein Nasenbluten hatte nachgelassen.

"Schnapp sie dir!"

Vorbereitet auf ihren klagenden Aufschrei fuhr ich zu dem Lich herum und hieb nach ihm aus. Es wäre mir vollkommen unmöglich ihn ohne Magie zu besiegen, aber ich konnte ihn mir zumindest vom Leib halten. Tote Knochenhände griffen nach mir und ich wich aus, kickte oder stach zu.

Hinter mir ging der Kampf lebhaft weiter, aber meine Freunde klangen nicht so, als wären sie die verlierende Partei, weswegen ich die Zähne zusammenbiss und mich durchkämpfte.

Hongjoongs Mutter hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, dass ich wusste, wie man kämpfte. Ich musste sie mit der Überraschung kein wehrloses Mädchen zu sein genug gepackt haben, dass sie nun ein zweites Mal über ihr Urteil nachzudenken schien.

Meine Glieder wurden unnatürlich schnell lahm.

Es hatte nichts mit meiner eigenen Erschöpfung zu tun, nur mit der Magie des Nekromanten, die sich pausenlos um mich verengte, mir das Atmen und die Bewegungen erschwerte.

Ich schaffte es noch für ein paar Minuten mich zu verteidigen, dann waren meine bleiernen Arme zu schwer, um sie noch zu heben. Wütend warf ich einen Blick auf die Königin.

"Mir egal, er wird allein für die Perle kommen. Ich mag diese hier nicht, werd sie los."

So sehr es mich auch rührte, dass die die restliche Crew akzeptierte, so wütend machte mich auch ihre selbstsüchtige Entscheidung.

Hongjoong helfen, von wegen.

Ich warf mich innerlich wild gegen die Fesseln, die mein eigener Körper mir auferlegt hatte, versuchte nach dem Lich zu schnappen, als er wieder die bleichen Finger nach mir ausstreckte.

Meine Kette glitt über blanken Knochen, als er sie achtsam meine Haut nicht zu berühren ergriff, begann zu ziehen.

Ich bemerkte aus den Augenwinkeln eine Bewegung, scheiterte daran den Kopf zu drehen.

Die glühenden Lichter in dem Schädel des Lichs schienen wie gebannt auf der blutigen Perle zu liegen, unfähig sich zu lösen. Schwer atmend wartete ich, gebannt von den tanzenden Flammen.

Dafür gingen sie mit einem Mal aus wie eine Kerze, erloschen im Moment, als sich sein Schädel von der Wirbelsäule löste.

Ich sah Beine durch die Luft wirbeln, den Flug sicher auf den Füßen vollenden und dann flog auch der Schädel durch den Raum.

Meine Ketten fielen im gleichen Moment von mir ab, als die Lichter wieder aufflimmten, der Körper vor mir bedrohlich seinen Stab glühenden hob.

Es war Seonghwa, der den Schädel in seinen Händen fing und es war auch Seonghwa, der ihn vor sich zu Boden schmetterte und ihn mit dem Fuß zerstampfte, scharfe Knochensplitter in alle Richtungen schickte.

Mein Dolch fiel mir aus der Hand, als ich noch nicht begriff, dass ich wieder frei war und blinzelnd sah ich mich um, von Seonghwa, zu Hongjoong an meiner Seite und seiner Mutter, die sich noch immer griesgrämig die blutige Hand hielt.

"Da haben wir nochmal Glück gehabt, sind rechtzeitig gekommen! Hm, Yeo?", grinste Seonghwa selbstgefällig weiter nach hinten in den Raum hinein und als ich mich umwandte, hatte die Gruppe sämtliche Skelette im Raum in ihre Einzelteile zerlegt, wartete angespannt.

Yeosang gab einen abwesenden Daumen nach oben.

Ich sah mich zu Hongjoong um, der kurz mitleidig das Gesicht verzog, als er meinen Zustand sah, ließ es allerdings zu, dass er näher kam, um mir in einem eleganten Schritt den Dolch wieder zu reichen, sanft meine Hand darum zu schließen.

Danach trat er in einem Schritt vor mich und kickte achtlos den Körper des Lichs beiseite, der in einem klapprigen Haufen in sich zusammen fiel. Vollkommen leblos.

"Hongjoong!", zischte seine Mutter etwas zu mütterlich seinen Namen, wie als habe er einen frechen Spruch vor einem Lord riskiert.

"Ich dachte, du suchst mich, um mir zu helfen, nicht um meinen Freunden zu schaden."

Mich überlief es kalt, als ich seine Stimme hörte.

Ihn spotten zu hören war normal, ihn mit diesem warnenden Unterton zu hören ebenfalls.

Aber was wir nicht oft hörten war dieses Grinsen. Dieses vollkommen irre, schiefe Grinsen wie als habe ein Dämon von ihm Besitz ergriffen. Ich wollte dieses unangenehme Grinsen nie an mich gerichtet haben, denn es bedeutete den sicheren Tod.

"Das! Das ist ein Mensch! Hongjoong, was dachtest du dir dabei?!" Sie ließ sich überanstrengt wieder auf ihren Thron fallen, hielt Hongjoongs wahnsinnigen Blick, als er ihr langsam näher kam.

"Was meinst du?"

Seonghwa begann von der Seite aus auf mich zu zu kommen, durchquerte den Raum mit langen Schritten.

Hongjoong kam direkt vor seiner Mutter zum Stehen und ich konnte meine Augen nicht lösen, als ihr Gesicht wesentlich sanfter wurde, sie bittend zu ihm aufsah.

"Ich fürchte mich um dein Leben, Sohn. Du hast nur das eine, du solltest es nicht wahllos von dir geben. Was, wenn du wegen ihr gestorben wärest, während ich auf dich gewartet habe!" Dramatisch warf sie die Arme um seine Hüften, lehnte den Kopf an seinen Körper.

Ich zuckte vorwärts, mehr aus Reflex, denn das hier war immeroch eine Tote und wer wusste schon, ob Hongjoong die Kontrolle bewahren konnte.

Seonghwas Hand griff hart nach meiner Schulter, zog mich rückwärts gegen seine Brust.

Hongjoong allerdings hob liebevoll die Hände zu dem Gesicht seiner Mutter, strich mit sanften Fingern über ihre Wangen. Seonghwa packte sich ungeduldig auch meine andere Schulter, begann mich zu drehen und in meinem Hals stiegen Proteste auf.

Ein leises Kichern hallte irre durch den Raum und ich verstummte, spürte einen Schauer mein Rückgrat hinab kriechen.

"Nicht doch Mutter, nicht den Kopf verlieren... Du hast doch nur den einen."

Seonghwa riss mich herum und gegen seinen Körper.

Und Hongjoong zog.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top