13. Familie
Der leere Platz zwischen Wooyoung und der restlichen Crew hatte wieder die Arbeit aufgenommen.
Sämtliche Crewmitglieder waren absolut aus dem Häuschen gewesen, als wir zwar nicht mit Gold und Juwelen, sondern einem strahlend lächelnden San wiedergekommen waren. Niemand würde es noch wagen an Meuterei zu denken, als er sie alle einzeln umarmte, nicht wenigen die Tränen in die Augen trieb. Seine Rückkehr war wertvoller als jeder Schatz, dabei war sich jeder einig.
San nahm sich die Zeit uns alle bei Tisch zu versammeln und sich zu erklären.
Loki war Hels Vater und Hel eine der wenigen Göttinnen, die während Ragnarök kein Ende fanden. Somit war sie diejenige, die für Sans Seele zuständig war, nachdem Loki ihn mit sich in die Unterwelt gebracht hatte.
San beschrieb uns lebhaft seine Panik, als er die Frau erstmals kennenlernte. Uralt und mächtig, eine wahrhaft höllische Herrscherin, doch mit einer sanften und gerechten Seele. Sie stimmte zu, als Loki - der immer in die Enge getriebene und verteufelte Loki, der dasselbe an San beobachten musste, wegen ihm - vorschlug ihn gehen zu lassen. Dieses sollte allerdings nur unter der Bedingung geschehen, dass tatsächlich jemand San wollte, ihn liebte, trotz der grausamen Rolle, die ihm aufgezwungen worden war.
Und siehe da, sein Captain und seine Crew haben ihn nie aufgegeben.
Hongjoongs List sich Hel zu übergeben, die keinerlei Anspruch auf seine unsterbliche Seele hatte, da sie schließlich bereits Ryujin gehörte, war somit überflüssig.
Als San stolz mit seinem Abenteuer seine Erzählung endete, riss ihn Wooyoung bestimmt zum füfzehnten Mal jammernd in seine Arme, Yunho tat als hätte er etwas im Auge und Hongjoong strahlte mit Zuneigung und Wärme.
Loki und San hatten ihren Frieden miteinander geschlossen und es ließ San als Menschen zurück, er war normal wie ich, ohne jeglichen göttlichen Hauch.
Und wirklich, er wirkte buchstäblich wie ein ganz anderer Mensch.
Ihm mangelte es nicht an Wildheit, im Gegenteil, das lange Haar und die Tätowierungen, die aus dem tiefen V seines Hemdes und über feste Unterarme hervorlugten, gaben ihm etwas eindeutig piratenhaftes. Jedoch wirkten weder seine Wangen noch so eingefallen wie zuvor, noch so bleich. Jeder dunkle Schatten, der ihn umwoben hatte, war einem warmen, weichen Glühen gewichen, das ich bestens von Wooyoung kannte. Fürsorge, Geselligkeit, Charisma. Familie.
San war San. Aber er war ein San, der nicht geplagt wurde vom Stigma seiner Rolle. Er war San, wie er hätte sein sollen.
Seine Rückkehr und Energie füllte das Schiff mit neuem Leben und Mut, brachte ganz wie damals Wärme in eisigen Zeiten und bei ihm hörte es nicht auf.
Während jeder sich von der Freude und Erleichterung seiner Rückkehr anstecken ließ, generell bessere Laune hatte, so gab es immerhin auch Wooyoung.
Wooyoung, der nach Sans Verlust ein bloßer Schatten seiner selbst geworden war und nun wieder das Schiff mit ehrlichem Lachen füllte.
Es ließ mich selbst ganz nostalgisch werden, mich zu sehr gehen lassen in dieser verführerischen Ruhe, diesem Trugbild eines glücklichen Lebens, das wir nicht erhalten konnten.
Hongjoongs Worte schlossen des nachts zu mir auf.
Die Toten waren keine Gruppe, mit denen ich im Leben schon konfrontiert werden wollte, kein Gegner, der auf die leichte Schulter zu nehmen war. Während wir es zwar gewohnt waren mächtige Drachen oder flammende Phönixe zu bekämpfen, so waren sie zumindest immer Teil des Lebens. Sie waren sterblich.
Die Toten hatten all das bereits hinter sich und dennoch keine Ruhe gefunden.
Dass sie Hongjoong verfolgten, um ihm ihr Erbe zuteil kommen zu lassen, wäre ein gutes Zeichen, wenn sie nicht so tot wären.
Wenn ich nachts keine Ruhe fand, lieh ich mir heimlich Bücher aus den Regalen in Hongjoongs Quartieren und wälzte sie mit brennenden Augen durch. Ich suchte nach Hinweisen, nach einer Möglichkeit ihnen ihre wohlverdiente Ruhe zu ermöglichen. Die Möglichkeiten, was uns erwartete, waren zahlreich und es blieb nur wenig Zeit.
Es war eine dieser unruhigen Nächte, eine von vielen, in der wir Besuch bekamen.
Ich war auf dem Weg von Hongjoongs Quartieren zurück in die meinen, zwei vergilbte Bücher eng an meine Brust gepresst, als ich vor der bleichen Silhouette des vollen Mondes einen kleinen Schatten bemerkte. In der Ferne mochte er harmlos wirken, aber er hielt direkt auf unser Schiff zu, die beeindruckenden Flügel mit den Sekunden, die verstrichen, während ich nur verharrte und starrte nur an Größe zunehmend.
Mit einem schnellen Entschluss machte ich auf der Ferse kehrt, gab mir keine Mühe mehr leise zu sein, als ich in Hongjoongs Kajüte stürzte.
Der konfuse Kapitän saß bereits aufrecht, als ich recht unhöflich in seine Privatspähre eindrang und blinzelte mir misstrauisch aus schmalen Augen zu.
"Da kommt etwas. Etwas großes.", flüsterte ich ihm warnend zu und ging die Bücher ablegen, machte mich bereit.
Hongjoong kommentierte das eigenartige Treffen nicht weiter, er sprang nur hellwach vom Bett, um hastig in seine Stiefel zu schlüpfen, griff sich Hut und Maske, bevor er hinaus eilte. Ich rannte ihm nicht minder mit meiner Tarnung beschäftigt nach, hoffte bloß, dass Seonghwa ihn daran erinnerte, sein Hemd wieder über seine Schulter hinauf zu ziehen.
Draußen weckte Hongjoog mit einem scharfen Pfeifen Yunho oben im Krähennest, deutete ihm dann allerdings sofort leise zu sein. Mit dem Finger warnend an den Lippen, nickte Hongjoong zum Mond hinauf und Yunho strengte seine Adleraugen an, um zu sehen.
Abwesend richtete ich Hongjoongs Hemd und erhielt dafür ein dankbares Lächeln, bevor Yunho sich bereits zu uns herab schwang. Der Mann mochte es sich in der Luft zu transformieren, auf weichen Sohlen neben uns zu landen, wie als sei er eine Katze und kein tapsiger Bär.
"Drache."
Hongjoong nickte knapp und wandte sich mir zu.
"Weck Yeosang und Seonghwa. Yunho, du schaust, wie es Mingi geht. Versucht es unauffällig genug zu machen, dass er euch nicht bemerkt. Ich will einen Kampf vermeiden."
Orangenes Haar schimmerte feurig im Mondlicht, als er sich von seinem Hut trennte und ihn nachlässig auf den meinen drückte.
"Ich spreche mit ihm. Er weiß, dass ich hier bin."
Ich hatte es gelernt Hongjoong nicht mehr in Frage zu stellen. Hongjoong fand immer einen Weg.
Schweigend beobachtete ich ihn, während Yunho bereits loseilte und in Hongjoongs Augen blitzte der Schelm auf, als er mein leises Schmollen bemerkte.
"Ich bin gerade da oben, ich meide nicht mal dein Blickfeld.", grinste er bloß verspielt und eine Hand fand meinen Nacken, als er einen sanften Kuss in meinen Mundwinkel drückte. Er verweilte für ein paar Sekunden dort und schickte prickelnde Wärme in meine Haut. Als meine Augen nervös über seine Schulter zu dem sich nähernden Drachen glitten, löste er sich und sprang in einem eleganten Bogen über die Reling.
Ich hörte ihn nicht einmal auf dem Wasser auftreffen.
Besorgt nahm ich seinen Hut in meine Hände, während nun auch ich Yunho folgte, die Augen für den Moment noch abgelenkt auf Hongjoongs langem, starken Drachen, der sich in Spiralen den Himmel hinauf wand.
Der Drache, der uns entgegenkam war eine andere Art. Er war eher breiter als lang, mit riesigen Flügeln, die ihn durch den Himmel trugen. Hongjoong schwebte auf Magie und kletterte regelrecht die Luft empor, das mächtige Geweih silbern im Mondlicht blitzend.
Ein Witz, den wir niemals leid wurden: Hongjoongs Drache änderte seine Farbe mit seinen Haaren.
Hongjoong hatte es uns nie gesagt, ob er es kontrollieren konnte, ob er absichtlich seine Form gelegentlich veränderte, ebenso wie Yunho auf unterschiedliche Adler und Bären zugreifen konnte. Wir sahen den Kapitän zwar immer nur als diese Art von Drache, aber immer wieder in neuen Farben.
Das Orange war für mich noch ungefähr erkennbar, die dunklen Schuppen des Feindes schimmerten zwar bunt, aber es war zu schwer im Dunkeln zu erahnen, um ein genaues Urteil zu ziehen.
Ich riss meine Augen von Hongjoong los und konzentrierte mich auf meine Aufgabe.
*********
Wir haben noch ungefähr fünf Kapitel plus Prolog, die ich auch plane, wenn gewisse Leute mich nicht mit ihrem Comeback ermorden 😑😑
Ich arbeite jetzt auch nicht mehr, also kommen wieder öfter Kapitel!
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