Coming home
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Achtung: Delena Hochzeit.
Du schleichst dich von hinten an Elena ran, hältst ihr mit deinen Handflächen die Augen zu. "Rate, wer ich bin!", rufst du euphorisch.
Dein letzter Besuch in Mystic Falls ist auf den Tag genau vier Jahre her...
Vier Jahre.
Achtundvierzig Monate oder auch
1460 Tage.
Als du das kleine Städtchen gebrochenen Herzens verlassen hast, hast du dir geschworen nie wieder zurück zu kommen.
Du hast dir eine neue Wohnung besorgt, die Nachbarn kennengelernt, Freundschaften geschlossen, bist in den letzten Zügen deines Studiums - du hast dich komplett neu erfunden.
"Y/N!", ruft Elena und ihre Stimme zittert ein wenig. "Ich hätte nicht gedacht, dass du wirklich auftauchen würdest." Elena dreht sich um und zieht dich prompt in eine herzliche Umarmung.
Du atmest tief durch und erwiderst die Geste. Du musst dir eingestehen, dass du es selbst nicht geglaubt hast, bis du das Flugticket in der Hand gehabt hast.
Bis zuletzt bist du gedanklich alle Ausreden durchgegangen um nicht zurück nach Mystic Falls zu müssen.
"Es ist deine Hochzeit", gibst du freudig zurück und löst eure Umarmung. Deine Hände liegen immer noch auf Elenas Schultern, während du deine Freundin eingehend betrachtest.
Seit Damon Elena zu einem Vampir verwandelt hat, ist sie im wahrsten Sinne keinen Tag gealtert. Ganz im Gegensatz zu dir. Du bist ein Mensch geblieben. Ein Mensch, der altert.
Mit deinen mittlerweile zweiundzwanzig Jahren fühlst du dich jedoch noch überhaupt nicht alt. Du fühlst dich bloß mehr wie du selbst.
Deine Haare sind länger geworden. Alle drei Monate gehst du zu deinem liebsten Friseur und lässt dein Balayage auffrischen. Deine Kleidung wird zunehmend eleganter. Außerdem hast du gelernt, die zarten Sommersprossen um deine Nase zu lieben.
Neben den Äußerlichkeiten hat sich deine Denkweise geändert. Du hast deine Prioritäten neu gesetzt. Bist liebevoller zu den Menschen in deinem Umfeld und vor allem liebevoller zu dir selbst. Du erlaubst dir, nicht perfekt zu sein, Fehler zu machen und daran zu wachsen.
Ebenso scheint Elena die kleinen Veränderungen an dir zu registrieren. Sie seufzt vernehmlich.
"Du hättest dich damals verwandeln lassen sollen, Y/N. Versteh' mich nicht falsch - du bist schöner denn je und die Sonne scheint dir gut zu tun. Es ist nur so seltsam, dich älter werden zu sehen. Es macht mir irgendwie Angst."
Keine fünf Minuten und Elena schafft es, einen wunden Punkt zu treffen, denkst du. Doch du lächelst den kurzen Stich in deiner Magengegend gekonnt weg. In deiner Vorstellung hat dieses Thema hochzuholen wesentlich stärker weh getan.
"Nein Elena. Es war eine Entscheidung, die ich nur für mich getroffen habe. Falls du es noch weißt, haben Kai und ich uns damals genau deshalb getrennt. Er war so besessen davon, mich in eine Häretikerin zu verwandeln als er selbst zu einem wurde." Ein kleines Lächeln bildet sich auf deinen Lippen. Seitdem du dich neu erfunden hast, kommt weder 'Kai', noch 'Häretiker' oder 'Vampir' in deinem Wortschatz vor.
Dein neues Leben ist frei von Übernatürlichem.
Du hast es dir so ausgesucht.
"Ich bin froh, Elena. Froh, dass meine Ewigkeit ein Ablaufdatum hat. Erst die begrenzte Zeit macht die Dinge wertvoll und das Ende macht das Leben lebenswert."
Deine Einstellung in dieser Hinsicht hat sich auch nach Jahren nicht geändert. Die Art, wie du deine Meinung dazu vertrittst allerdings schon. Damals warst du unsicher. Dachtest, du begehst eventuell einen großen Fehler.
Heute kannst du deinen Standpunkt vertreten, ohne das deine Stimme zittert. Du bist sicher, die einzig richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Eine undefinierbare Regung huscht über Elenas Züge. Es wirkt, als würde es sie Mühe kosten, ihr Lächeln aufrecht zu erhalten.
"Wo du gerade von Kai sprichst... Er wird morgen auch auf der Hochzeit sein", gesteht Elena kleinlaut und blickt dich entschuldigend an.
Du musst herzlich lachen und hauchst deiner Jugend-Freundin einen Kuss auf die Wange. "Ach, Süße. Siehst du, genau deshalb will ich nicht für immer leben. Du tust so, als wären wir immer noch achtzehn. Unsere Trennung tat weh, ja. Aber wir sind nun andere Menschen", beruhigst du sie.
Als Elena nicht wirklich erleichtert wirkt, runzelst du die Stirn. Dein Gefühl gibt dir deutliche Signale, dass das lediglich ein Teil der Wahrheit ist. So entschließt du dich, weiter nachzubohren. "Wann habt ihr euch angefreundet?", fragst du so beiläufig wie möglich.
In diesem Moment knarrt die Tür des alten Salvatore Anwesens. Schritte hallen durch die weitläufigen Flure. "Oh, endlich. Mein zukünftiger Bräutigam ist da!", strahlt Elena. "Damon wird sich freuen, dich wieder zu sehen!"
Trotz der offenkundigen Ablenkung vom Thema hoffst du, dass in ihren Worten Wahrheit steckt. Damon und du hattet eine komplizierte Vergangenheit. Ihr seid gute Freunde gewesen. Dann kam deine Beziehung zu Malachai, für Damon seine zu Elena. Doch der Vampir hat sich damals nicht für dich freuen können und eure Freundschaft hat sich verändert.
"Y/N", sagt Damon beinahe ungläubig und eilt auf dich zu. Ohne zu zögern umarmt dich der Vampir, was dich unerwartet trifft. Doch du fängst dich schnell und schenkst ihm ebenfalls eine freundschaftliche Umarmung.
"Es ist schön, dich wiederzusehen", strahlst du. Du blickst abwechselnd zwischen Damon und Elena hin und her. "Ich freue mich so sehr für euch!" Die Freudenträne, die dir aus dem Augenwinkel rinnt, wischt du mit einer schnellen Handbewegung weg.
Zum Weinen bleibt dir morgen noch genug Zeit - am eigentlichen Tag der Hochzeit.
"Wie lange beehrst du uns mit deiner Anwesenheit, Y/N?", will Damon plötzlich wissen. "Das klingt ja, als würdest du mich schnellstmöglich wieder loswerden wollen", witzelst du und ziehst einen Schmollmund.
Damons zögern in Kombination mit den zusammengezogenen Augenbrauen, lassen dich misstrauisch werden. Diese Mimik ist dir selbst nach all den Jahren noch vertraut.
"Damon!" Eindringlich fixierst du ihn. Er hat es noch nie geschafft dich anzulügen. "Gibt es etwas, dass ich wissen sollte?"
"Verdammt, Y/N", seufzt Damon. Dann sieht er zu seiner Verlobten. "Du hast es ihr nicht gesagt?" Er klingt zornig und verzweifelt zur selben Zeit.
"Falls es um Kai geht - Elena hat mir erzählt, dass er auch zur Hochzeit kommt. Es ist in Ordnung", besänftigst du ihn. Kurz vor der Hochzeit sollen sie sich nicht streiten. Nicht deinetwegen und nicht wegen etwas aus der Vergangenheit.
"Es geht nicht darum, dass er zur Hochzeit kommt. Vielmehr hätte Elena dir sagen müssen mit wem er zur Hochzeit kommt", erklärt Damon aufgebracht. Seine Nasenflügel blähen sich, seine Stirn liegt in tiefen Falten.
In deinem Bauch bildet sich ein Knoten. Du schluckst schwer. Was auch immer jetzt kommen mag - Damons Verhalten spricht Bände darüber, wie du es finden würdest.
"Es ist Bonnie. Kai kommt mit Bonnie", platzt Damon unvermittelt heraus. Du siehst zu Elena, als würde sie dir gleich etwas anderes erzählen. Doch die junge Frau wirkt wie versteinert. Scheinbar hat sie ebenso wenig damit gerechnet Kai und Bonnie in einem Satz zu hören wie du - wenn auch aus anderen Gründen.
Bonnie.
Eine deiner Freundinnen ist mit deinem Exfreund zusammen, rekapitulierst du stumm. Etwas an dieser Erkenntnis fühlt sich falsch an. Du schließt die Augen, sortierst deine Gedanken.
Deine beste Freundin ist mit deiner großen Liebe zusammen.
Der korrigierte Satz fühlt sich zutreffender an.
Kai war nicht bloß ein Ex und Bonnie nicht nur eine Freundin.
Jetzt beginnst du, die Wahrheit zu verarbeiten.
Dein altes Ich wäre ausgeflippt. Hätte Bonnie noch in der selben Sekunde eine Szene gemacht.
Dein neues Ich handelt erwachsen.
Du öffnest die Augen und versuchst dich an einem Lächeln. "Sei Elena bitte nicht böse Damon. Wahrscheinlich hätte ich es mir auch nicht erzählt." Zumindest das ist wahr. Der unausgesprochene Teil lautet "Von einer Freundin hätte ich mir gewünscht, es früher zu erfahren."
Tausende Fragen prasseln wie Regentropfen in deine Gedanken. Seit wann? Sind sie glücklich? Hat Bonnie wegen Kai aufgehört, deine Nachrichten zu beantworten? Ist es ernst?
Bevor du in dem Strudel voller Ungewissheit versinken kannst, rettet Damons Vorschlag dich. "Y/N, ich wollte eine meiner besten Flaschen Bourbon öffnen. Du leistest einem alten Freund doch sicher Gesellschaft?"
Als du Damon ansiehst, wird dein Blick weicher. "Ich brauche keinen Trost, kleiner Vampir", grinst du. "Es ist okay, wirklich." Damon erwidert dein Lächeln, schafft es jedoch weiterhin nicht, seine Besorgnis zu verheimlichen.
"Zieh nicht so ein Gesicht, zukünftiger Bräutigam", sagst du warm. "Morgen ist eure Hochzeit und du solltest wirklich nicht so aussehen, wie in diesem Moment. Eure Hochzeit ist ein Liebesbeweis, unabhängig von den geladenen Gästen. Das ist, was zählt!"
Deine Ansprache kommt aus vollstem Herzen. Selbst du glaubst dir plötzlich, dass das Widersehen mit Kai keine alten Wunden aufreißen würde.
Du machst einen Schritt Richtung Treppe, siehst Damon und Elena entschuldigend an. "Ihr zwei Süßen. Die Reise war lang und es ist schon spät. Darf ich in das Zimmer im Westflügel mit dem großen Fenster? Es war schon immer mein liebstes Gästezimmer."
"Natürlich!", gibt Elena sofort zurück. "Richte dich in Ruhe ein! Falls du heute Abend noch runter kommen willst - ich werde auch gleich schlafen gehen; Damon jedoch dürfte noch eine Zeit lang wach sein."
"Danke", lächelst du. "Und nein, ich kann den Schlaf gerade wirklich gebrauchen. Schlaft gut!"
Nachdem du Damon und Elena nochmal umarmt hast, gehst du mit deinem kleinen Koffer die Treppe hoch.
Auf dem Treppenabsatz drehst du dich schließlich nochmal um, da dir etwas einfällt. "Elena Salvatore klingt übrigens süßer, als ich je wieder zugeben werde", grinst du und huscht in "dein" Zimmer.
Erschöpft lässt du dich auf das große Bett fallen. Auspacken würdest du morgen früh. Du hast schließlich ohnehin nur ein Outfit dabei - das was du auf der großen Feier tragen wirst.
Bevor die Müdigkeit dich übermannt, schleppst du dich ins Badezimmer. Putzt deine Zähne und flechtest deine Haare in einen Zopf.
Zurück im Bett dauert es keine Minute, bis deine Augen zufallen und die Nacht dich in deine Träume entführt.
~
Die Zeremonie ist märchenhaft gewesen.
Elena und Damon sind wahrlich eins geworden.
Du hast es geschafft, dich zum Buffet zu drängeln, bestückst deinen Teller mit verschiedenen Leckereien.
Während du gerade zu einem der letzten Cupcakes greifst, bildest du dir ein, deinen Namen zu hören.
"Y/N?", tönt es nun lauter. Eine Gänsehaut kriecht über deinen Rücken. Dank deinem babyblauen Jumpsuit mit dem tiefen Rückenausschnitt, dürfte dieses Detail dem Fragenden ebenfalls aufgefallen sein.
Du legst die Nascherei ruhig auf den Teller, lässt dir absichtlich mehr Zeit. Jetzt musst du eine fröhliche Miene behalten. Du hast schon einige Gläser Champagner intus, weshalb dein Gesicht möglicherweise mehr verraten würde als deine Stimme. Dennoch bist du - glücklicherweise - weit entfernt von betrunken.
"Kai", erwiderst du betont gleichgültig, als du dich in seine Richtung drehst. Anhand seines überraschten Ausdrucks, wird dir klar, dass Kai keine Ahnung hatte, dich heute wiederzusehen.
"Wie ich sehe, hat dich niemand vorgewarnt", sagst du. Dein Blick fällt auf Bonnie, deren Finger sich in Kais Jackett bohren. Ihr lächelt euch gegenseitig an - doch in der Geste liegt nichts Herzliches.
Bonnie sieht aus, als würde sie die Situation fluchtartig verlassen wollen und dir geht es ganz genauso. Plötzlich steigt der Alkohol dir zu Kopf.
Als deine Augen auf Kais Augen treffen, spielt deine Erinnerung verschiedene Szenarien wie einen Film ab.
Euer Kennenlernen. Der erste Kuss. Das Verstecken eurer Beziehung. Die Verschmelzung. Liebe. Liebe. Liebe... Und einnehmender Schmerz.
Du japst nach Luft, kämpfst gegen die Bilder an.
Du überspielst das verräterische Geräusch mit einem Räuspern.
"Es ist kaum zu glauben, aber du bist noch schöner geworden", sagt Kai mit einem verträumten Unterton. Er scheint nicht einmal zu begreifen, dass er zu diesem Zeitpunkt eine andere Frau im Arm hält.
Du weißt, dass der Stoff deinen Körper umspielt und das Blau deinem Teint schmeichelt. Für diesen Tag hast du dich für große Wellen in deinen Haaren entschieden. Einen Eyeliner, der deinen Augen etwas katzenhaftes verleiht und die Farbe hervorstechen lässt. Der dezente Lippenstift rundet dein Outfit ab.
Heute fühlst du dich so schön, wie andere dich sehen.
"Danke", sagst du knapp. Du wendest dich ab, stellst den Teller ab um einen Grund zu haben Kai nicht weiter ansehen zu müssen.
In deinen Augen sammeln sich Tränen. Du greifst stattdessen zu dem nächsten Glas Champagner, unterdrückst die aufsteigenden Emotionen.
Kai wirkt so vertraut und fremd. Ihn mit Bonnie zu sehen ist anders, als bloß davon zu hören.
Du fühlst dich hintergangen. Von Bonnie. Von Kai.
Du führst das Glas an die Lippen, genießt einen Schluck. "Ich hätte mir gewünscht, es nicht von Damon erfahren zu müssen, Bon", deine Zunge ist locker. Zu locker. "Ironischerweise kann ich sogar genau sagen, seit wann das läuft. Nämlich, seit du mich nicht mehr zurückgerufen hast..."
Bonnie sieht plötzlich wütend aus. "Du hast uns alle zurückgelassen. Du hast kein Recht, Ansprüche auf Menschen zu stellen, die du ausradiert hast", schnappt sie. Verbitterung spricht aus der schönen jungen Frau.
Du kicherst, obwohl es nichts zu lachen gibt. "Du weißt gar nichts", deutest du an, leerst dein Glas in einem Zug. Greifst direkt das nächste.
Bonnie ist plötzlich verschwunden, doch Kai steht noch an der selben Stelle. "Nur um das klar zu stellen", murmelst du. "Ich bin gegangen, weil du mich unbedingt verwandeln wolltest. Während ich dich, jeden Teil von dir geliebt habe, konntest du nicht dasselbe tun. Du wolltest mich ändern. Ich musste weg."
Kai sieht betroffen aus, als wäre jedes deiner Worte ein Messer, welches du ihm in die Brust gerammt hast.
"Wir sollten das draußen in Ruhe klären", sagt er leise.
Mit Kai auf der abgelegenen Veranda fühlt es sich so an, als gäbe es nur noch euch beide. Verkrampft klammern sich deine Finger an das Champagnerglas. Dein Blick schweift in die Ferne. Für deine nächsten Worte würdest du Mut brauchen. So viel Mut.
Die Gelegenheit ist einmalig, das ist dir bewusst. Deshalb überwindest du dich, wählst deine Worte sorgfältig.
"Erinnerst du dich, als ich gestolpert bin und mich an dir festgehalten habe um nicht zu fallen? Als meine Hände haltsuchend auf deiner Brust landeten, setzte dein Herz einen Schlag aus. Beinahe wäre es mir nicht aufgefallen, da ich viel zu sehr damit beschäftigt war, zu ergründen, wie jemand so faszinierend sein konnte. In diesem Moment, als sich diese verräterische Gänsehaut an deinem Hals bildete, wusste ich, dass du der Eine bist. Ich habe es einfach gefühlt."
Du seufzt bei der Erinnerung, stellst dein Glas auf die hellen Holzdielen, siehst Kai nun an. Du musst sichergehen, dass er dir aufmerksam zuhört, denn wiederholen wirst du deine Worte nicht. Dafür tat die Erinnerung zu sehr weh.
"Und als wir immer mehr Zeit miteinander verbracht haben, wurde dein Lachen zu meinem liebsten Geräusch. Deine Witze heiteren mich auf, egal was war und deine Lippen... Deine Lippen waren meine Zuflucht. Ich könnte mich immer wieder in ihnen verlieren. Und als du die Verschmelzung mit Luke hattest, war ich die Einzige, die neben dir kniete.
Dein gesamter Zirkel, ja sogar Damon waren bei Luke. In dem Moment wusste ich, dass mein bester Freund und ich auf verschiedenen Seiten stehen. Trotzdem war deine Seite immer die Richtige... Ich habe gefleht und gebettelt, dass du gleich die Augen aufschlägst. Damon hat später erzählt, dass mein Weinen um dich klang, wie Schmerzlaute eines verwundeten Tieres. Die Vorstellung dich zu verlieren war der schlimmste Schmerz meines Lebens. Aber nicht nur, weil ich dich beinahe verloren hätte, sondern weil du um so viele Chancen beraubt wurdest. Du warst kaum aus der Gefängniswelt entkommen und solltest schon wieder gehen. Du hattest so viel mehr verdient. Erinnerungen, schöne Momente... In diesen endlosen Sekunden wusste ich, dass ich dich liebe."
Heiße Tränen laufen über dein Gesicht.
Auch Kai sieht aus als würde er jeden Moment zu weinen anfangen.
"Und als wir uns getrennt haben, habe ich tausende Meilen und einen Ozean zwischen uns gebracht um zu überleben." Du lachst bitter auf, musst deine schneidenden Lungen mit neuer, kalter Luft füllen, um weitermachen zu können.
"Statt ein neues Leben anzufangen, habe ich jemanden gesucht, der deine Augen hat. Der dein Lachen hat, deinen Humor und deinen Beschützerinstinkt.
Unter Millionen Menschen habe ich nach dir gesucht, obwohl ich wusste wo du bist.
Deshalb wird ein Teil von mir bis zu meinem letzten Atemzug siebzehn bleiben. So kann ich in der Vergangenheit leben. Dich in der Vergangenheit immer noch lieben. Selbst wenn es den Kai von damals nicht mehr ... gibt."
Deine Stimme bricht bei den letzten Worten.
Du nimmst wahr, wie nun auch Kai weint.
Instinktiv legst du deine Hände an seine Brust.
Ganz wie damals. Platzierst eure Lippen aufeinander.
Die Liebe in dir flammte auf wie ein wildes Feuer.
All die Splitter deines gebrochenen Herzens fügten sich auf magische Weise zusammen.
"Fühlst du das, Kai? Hast du das auch gefühlt?", wisperst du voller Hoffnung. Als der Häretiker nickt, streichst du sanft seine Tränen weg. Seine tränennasse Haut zu berühren lässt kleine Blitze durch deine Finger schießen, die sich zu einem wohligen Kribbeln verwandeln.
"Kai", sagst du sanft. "Wenn du diesen Kuss gefühlt hast, dann befreie mich von dieser Liebe. Gib mir die Chance auf Freiheit, auf Unbeschwertheit, einen neuen Freund so wie du dich für Bonnie entschieden hast... Nimm mir die Erinnerung an uns, damit ich leben kann."
Kais Lippen formen sich zu einem schmalen Strich.
Es vergeht eine Ewigkeit. Du glaubst, er tut dir den Gefallen nicht. Kai bleibt stumm. Sieht dich an.
Fängt erneut an zu weinen. Du benötigst deine ganze Willenskraft um den Blick nicht von ihm zu nehmen.
Kai anzusehen schmerzt nun noch mehr.
Abrupt umfasst Kai dein Handgelenk. Seine Pupillen weiten sich. Erleichterung überkommt dich.
"Du ...wirst den... heutigen Abend...mit guten Freunden genießen", schließt Kai seine Manipulation.
Es dauert noch eine, oder zwei Sekunden ehe du registrierst, dass sich an der Schwere deines Herzens nichts verändert hat.
Er hat dir deinen einzigen, so sehnlichen Wunsch verwehrt.
Du reißt deine Hand aus seinem Griff, funkelst ihn voller Wut an. "Du bist ein verdammter Sadist Malachai Parker!", schreist du. Du wirfst deine Haare in den Nacken, rauscht davon, zurück in den großen Saal und überlässt Kai sich selbst.
Angelockt durch den Streit erspähst du ein vertrautes Gesicht in der Menge. Läufst geradewegs in Damons Arme. "Y/N, was hat das kleine Wiesel getan?", fragt Damon aufgebracht. Aus dem Augenwinkel siehst du Bonnie vorbei huschen. Sie scheint auf der Suche nach ihrem Freund zu sein.
Zuerst zögerst du. Doch Damon könnte dasselbe tun wie Kai. "Er hat nichts gemacht, das ist es ja", beginnst du gebrochen. "Ich habe Kai gebeten, mich zu manipulieren und die Erinnerungen an uns auszulöschen."
Mitfühlend sieht der Vampir dich an. Seine Hand streicht tröstend über deinen Arm. "Ich dachte, ich habe es verkraftet, Damon. Der heutige Abend hat mir das Gegenteil bewiesen. Und Kai... Kai hat mir nicht geholfen, obwohl ich ihm anvertraut habe, wie weh es tut. Immer noch tut. Nach all den Jahren..." Deine Stimme ist nur noch ein ersticktes Schluchzen.
"Kannst du es tun Damon? Nimm mir diese Liebe weg... Bitte..." Damon sieht zu Boden, scheint nachzudenken. "Okay", sagt er schließlich und bemüht sich um ein Lächeln, welches ihm nicht wirklich gelingen will.
Aus dem Nichts taucht Kai zwischen euch auf. Er muss sich unsichtbar gemacht haben, denkst du bei dir und verfluchst den Häretiker in deinen Gedanken.
"Ich liebe dich auch, Y/N", gesteht Kai unvermittelt. Seine Stimme ist fest und beherrscht. Er wirkt als würde er die Wahrheit sagen. "Ich habe dich damals geliebt und ich liebe dich bis heute. Deshalb darfst du uns nicht vergessen, Y/N. Nicht, wenn wir die Chance bekommen diesmal alles richtig zu machen."
Seine tiefblauen Augen glitzerten. Abwartend sieht der Häretiker dich an. Du atmest schwer, unterdrückst die neue Woge Trauer, die dich überkommt.
Ich bin froh, dass meine Ewigkeit ein Ablaufdatum hat. Erst die begrenzte Zeit macht die Dinge wertvoll, schießen dir deine eigenen Worte vom Vortag durch den Kopf. Dein eigenes Gehirn scheint dich verhöhnen zu wollen. Nichts ist schön, wenn es endet.
Ein Ende fühlt sich an wie ein kleines bisschen sterben.
Ein Teil von dir ist damals bei Kai gestorben.
Ein anderer Teil wird nach diesem Abend folgen.
Du lachst bitterlich auf. In dein Lachen mischt sich ein Schluchzen. Erschrocken schlägst du dir die Hand vor den Mund, unterdrückst die jämmerlichen Geräusche.
Eine Hand legt sich an deinen Rücken. Da Kai weiterhin wie angewurzelt vor dir steht, muss die Hand zu Damon gehören.
Innerlich zählst du bis zehn, konzentrierst dich auf deine Atmung. Bewusst lässt du Luft aus deinen Lungen entweichen, füllst sie mit neuer, klarer Luft. Dein Herzschlag verlangsamt sich, nimmt allmählich einen normalen Takt an.
Als du dich besser fühlst, richtest du das Wort an Kai.
"Malachai, es ist zwar viel Zeit vergangen, aber unsere Probleme wären auch heute noch die selben. Ich will ein Mensch sein, du nicht. Außerdem", du ignorierst den Stich in deinem Herzen "bist du mit Bonnie zusammen. Ich kann nicht nochmal siebzehn sein."
Du schlägst die Augen nieder. "Tapferes Mädchen", flüstert Damon tröstend in dein Ohr. "Es tut mir so leid, Y/N."
"Danke Damon", gibst du mit tränenerstickter Stimme zurück. Als du deinen Blick hebst, ist der Häretiker verschwunden.
Ganz wie damals, denkst du bei dir. Unfähig einen Streit zu führen.
Du drückst Damon an dich. "Damon, ich bin überglücklich, dass du und Elena euch die Ewigkeit versprochen habt. Es ist Zeit für mich zu gehen. Ich habe deine Hochzeit zu meinem persönlichen Drama gemacht... Ich will nicht noch mehr Schaden anrichten. Entschuldige mich bei Elena, ja?"
~
Am Flughafen siehst du ungeduldig auf die große Anzeigetafel. Die vielen Flugnummern verwirren dich im ersten Moment. Doch beim genaueren Hinsehen findest du heraus, dass du noch zehn Minuten bis zum Boarding hast. In zehn Minuten würdest du im Flieger sitzen. Mystic Falls mitsamt aller Erinnerungen hinter dir lassen.
Mit dem kleinen Unterschied, dass es dieses Mal tatsächlich ein Abschied für immer ist. Die letzten Tage haben ein Chaos in dir hinterlassen, welches lange brauchen würde um wieder in Ordnung zu kommen.
Du verabschiedest dich ein letztes Mal von dieser Stadt. Von Elena und Damon. Von Caroline, Stefan, Bonnie und Kai. Du verabschiedest dich auch von dir selbst. Von dem kleinen Mädchen, das du warst und von der jungen Frau, die du geworden bist. Du verabschiedest dich von dem Teil in dir, der mit der Trennung gestorben ist - und von dem Teil, der in dieser Sekunde zerbricht.
~
Du lässt dich tiefer in den Sitz sinken, konzentrierst dich auf das Magazin auf deinem Schoß. Hörst wie jemand neben dir mit seinem Handgepäck raschelt.
Du magst es nicht, stundenlang neben Fremden zu sitzen, weshalb du versuchst, durchgehend beschäftigt zu sein.
Ein bekannter Duft steigt in deine Nase. Dieses spezielle Parfüm, dass Kai einmal entdeckt hat und seitdem dabei geblieben ist.
Dieser herbsüße Duft überschwemmt dich mit Erinnerungen. Zieht dich mit sich.
Du kannst nicht anders, als deinen Sitznachbar anzusehen, musst dir klar werden, dass der Passagier bloß zufällig gerade diesen Duft trägt.
Du stockst, als du in tiefblaue Augen siehst. Kai legt den Kopf schief, lächelt dich an.
"Vielleicht kannst du nicht nochmal siebzehn sein. Aber ich kann dich nicht nochmal gehen lassen, Y/N", bricht er die Stille und setzt sich zu dir.
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A/N: holy guacamole... Nun sind es schon 500 Reads. Das ist einfach zu verrückt. Ich bin überwältigt 🥺🥺
Gehe jetzt erstmal eine Runde heulen und hüpfen. Danke ❤️
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