7

Ich vernahm die leisen Schritte genau vor der Tür, zu atmen hatte ich mich in diesem Moment nicht mehr getraut, denn ich spürte die Furcht in mir. Diese grausame Furcht vor dem Tod, denn ich hatte damals nie darüber nachgedacht, dass er unausweichlich war. Vielleicht war er vergleichbar mit der Perfektion, jedoch nur, dass es diese nicht gab, den Tod schon. Es bereitete mir immer die Schnelle, aber auch die Ungewissheit Angst, doch dies war nicht der erste Moment und würde nicht der letzte bleiben. Ich mit ängstlichen Augen zu Jayden, welche sich mit seinen trafen, jedoch schien gelassen zu sein. Wie konnte er dies sein?

»Das ist eine exzellente Frage, Vater.«, kam eine Antwort genau vor unserer Tür. Ich schluckte die Tränen herunter, sie durfte nicht in Erscheinung treten, sie strahlten auf der anderen Seite Schwäche aus, ich musste stark sein. Als ich hörte wie die Klinke runter gedrückt wurde, spürte ich den kalten Schauer an meinem Rücken herunterlaufen. Ich wollte so schnell ich konnte weglaufen vor Angst, das war mein Instinkt, doch mein Gehirn sagte mir abzuwarten. Das Licht strömte geradezu in den zuvor leicht erhellten Raum, da die Tür ein paar kleine, ungleichmäßige Löcher besessen hatte. Ich wollte mich umdrehen, damit ich mitansehen konnte, was nun geschah, doch Jayden ergriff sanft mein Handgelenk, um mich von meinem Vorhaben abzuhalten.

»Das Rumtreiben wird euch noch leidtun.«, hörte ich ihn hinter mir und spürte wie er mein Shirt von hinten packte und mich von Jayden wegzog. Ich wollte mich wehren, um mein Leben kämpfen, da ich nun die Chance hatte und wahrnehmen wollte, doch mein Körper rührte sich nicht. Ich war vor Schock beinahe wie gelähmt, mein Körper gehörte nicht mir, würde Ethan mich nun nicht gegen die Wand drücken, wäre ich vermutlich zusammengesackt, doch dankbar war ich nicht, da sich seine rechte Hand um meinen Hals geschlossen hatte. Noch bekam ich ausreichend Luft und konnte beobachten wie William Jayden ebenfalls aus dem kleinen Raum zog. Aber wieso? Half er uns nicht eigentlich?

»Du verdammter Wichser!«, beleidigte Jayden Ethan, während er auf die Knie gedrückt wurde. Ich versuchte die verlorene Kontrolle wieder zu erlangen, doch es schien so als wäre ich nichts weiter als ein Beobachter, dem nach und nach die Luft abgeschnürt wurde.

Ich hatte Ethan noch nicht oft im Fernsehen gesehen, aber alle wussten, dass er der Sohn unserer Diktatoren war. Alle Mädchen in meinem Alter vergötterten ihn, wie ich in vielen Zeitschriften gelesen hatte. Sagten er wäre gutaussehend, wundervoll und unbeschreiblich gütig. Ersteres stimmte vielleicht, aber der Rest kam mir vor wie eine dreckige Lüge, die die Medien erfunden hatten, damit auch ja keine Aufstände entstanden. Ich fragte mich ohnehin wo Freya war, sie hätte mir nun geholfen, mir Ratschläge gegeben oder mich zurecht gewiesen. Ich hatte falsch gelegen, ich hasste sie doch nicht. Es waren die Worte einer Frau, die nicht begriffen hatte wie wichtig diese Stimme für sie war.

»Ihn kenne ich, aber wer bist du?«, fragte mich Ethan mit einem teuflischen Grinsen und verfesterte seinen Griff, sodass ich begann nach Luft zu ringen. Mein Blick glitt hinüber zu William, dieser beobachtete das Geschehen mit angespannter Miene, während er den sich wehrenden Jayden mit eisernem Griff festhielt.

»Dein schlimmster Albtraum.«, japste ich nach Luft ringend, während er seine zweite Hand hinzunahm und ich spüren konnte wie ich langsam den Boden unter den Füßen verlor. Ich musste zugeben, dass ich mir meine Drohung selbst nicht glaubte, doch was gab es zu verlieren? Wenn nun kein Wunder geschah, war ich ohnehin tot.

»Oh, das macht mir echt Angst. Wie wäre es mit einem Namen?« Ich versuchte immer wieder nach Luft zu ringen, die Geräusche aus meiner Kehle klangen dabei immer flehender. Wie sollte ich ihm antworten, wenn ich für die nötigen Wörter nicht einmal genug Luft bekam?

»Spiel nicht zu sehr mit den Versuchsobjekten, mein Sohn, ich brauche sie noch.«, meinte Bryan während er sich etwas umsah. Ich blickte in Ethans verhasste Augen, die mir zeigten wie viel Spaß es ihm machte mich am Rande der Verzweiflung zu sehen. Zu viel Macht, in zu kleinen Händen. Aber war das nicht meistens das Problem? Ein kleiner Mensch mit einem großen, nicht sichtbaren Gehirn wollte das Land führen, doch das Volk wählte einen großen Mensch mit einem kleinen, nicht sichtbaren Gehirn, da für die meisten sichtbare Größe Macht ausstrahlte.

»Es reicht«, hörte ich William auf einmal sagen. Mit meinen müden Augen blickte ich langsam zu ihm, er hielt Jayden noch immer fest, dich dieser hatte sich nun ganz auf Ethan geheftet. Dann hörte ich Bryan leise auflachen.

»Moment Ethan, ist das nicht die legendäre Madelyn Sophie Price, von der uns deine Mutter erzählt hat?«, hörte ich ihn fragen, wobei Ethan mich sofort lachend fixierte. Erneut stießen mir die Fragen in den Kopf. Warum erwähnte man ausgerechnet mich? Vielleicht stammte ich aus dem Slum, doch was tat das schon zur Sachen?

Eine ganze Menge, meine kleine Lynn., fügte ich in Gedanken hinzu, während ich das Abbild weiter traurig beobachtet hatte. Ihre Gedanken über mich, störten sie, die Verbindung zwischen uns, mein Teil der Seele löste sich und würde sich auflösen, wenn es so weiter ging. Je mehr sie mich verbal angriff, desto mehr verschwand ich. Je mehr sie sich wünschte mich zu verlieren, desto mehr löste sich meine Seele auf. Wenn dies geschah, war sie kein richtiger Mensch mehr, dann konnte sie als 'perfekter' Mensch zurück in den Käfig und wie die anderen eingesperrten Vögel mit gebrochenen Flügeln ihr trauriges Leben weiterleben, ohne dass sich die Tür erneut öffnen würde.

Aber nun war es an mir, ich musste ihr helfen, aber konnte ich es wagen? Mein Traum war es gewesen selbst die Kontrolle über diesen Körper zu haben, doch nun, da es soweit war, fiel mir dies schwer. Sie stand unter Schock, ihre Kontrolle beschränkte sich auf ein Minimum, aber seitdem sie mir ein wenig Gehör geschenkt hatte, wollte ich die Kontrolle nicht mehr. Mein Ziel war es nun sie zu leiten, unsere Seelen zu einer zu formen, ihr den Mut und den Willen zu schenken, die sie dringend brauchte. Zusammen mit ihrer inneren Stärke, die sie erst noch entdecken musste, und ihrer Intelligenz, wäre es vielleicht möglich, doch im mein neues Ziel zu erreichen, musste ich es tun. Ich musste die Kontrolle übernehmen, jedoch nur für diesen kleinen Augenblick.

»Nun, Vater, dann wäre es besser, wenn wir sie aus dem Weg schaffen, erledigen Sie das William, ich passe auf die kleine Arschgeige auf.« Meine Augen schlossen sich, ich dachte es wäre vorbei, doch dann fühlte ich wie sich mein Knie ganz automatisch in Ethans Bauch rammte, ohne dass ich irgendetwas gemacht hatte. Ich prallte sofort auf den kalten Holzboden auf, wo ich nach Luft ringend zu Jayden sah, der sich auf einmal aus Williams Griff befreit hatte, seine Pistole nahm und Bryan mit einem lauten Knall ins Knie schoss. In meinen Ohren begann es etwas zu Piepen, doch der Schall konnte sich 'dank' der vielen offenen Stellen im Haus gut ausbreiten. Ethan rannte sofort zu seinem Vater, während Jayden aufsprang, mich mit seiner Hand rüberwunk und beinahe in Zeitlupe loslief. So schnell ich konnte, sprang ich auf die Beine, der Fluchtinstinkt hatte eingesetzt. Mein Herz raste, als ich an William vorbeilief, der nichts tat, um mich aufzuhalten. Ich fragte mich einmal mehr weshalb er ein Soldat war.

'Freya?', hörte ich sie fragen, während sie durch das zerbombte Dorf lief und Jayden folgte. Man konnte es kaum glauben, aber diese kleine, schnelle Bewegung hatte mich viel Kraft und Willen gekostet. Es war nicht leicht durchzukommen, es war fast wie ein Kampf, den man Minute für Minute auskämpfte, ohne sich einmal ausruhen zu können und man meist kaum Erfolge erzielte. Man sollte sich fragen weshalb ich es dann tat, doch die Antwort war leicht, es war Hoffnung. Ich hoffte etwas in ihr zu finden, einen Funken, den ich zu einen Feuer machen konnte. Ein flammendes Herz, welches man stolz ein Kämpferherz nennen konnte, da kaum einer es besaß.

»Du denkst doch nicht wirklich, dass du mich so leicht loswirst, oder?«

Ich grinste instinktiv, als ich diese Worte hörte. Nein, das hatte ich keinesfalls gedacht. Vielleicht hatte sie ja auch Recht, wenn es wirklich einen Riss in unserer Seele gab, war es an uns diesen zu reparieren. Ich musste zugeben, dass ich, trotz unserer Schwierigkeiten, irgendwie begonnen hatte sie zu mögen. Manchmal zeigte ich dies zwar auf einem unschönen Weg, aber ich hoffte, dass sie es wusste.

»Ihr scheint ja zu wissen wie der Hase läuft.«, spottete Tia über uns, als wir nach Luft ringend vor ihr stand und uns wild umsahen, doch es wäre ein Wunder gewesen, wenn sich Bryan hätte aufrichten können. Ich wollte mir gar nicht vorstellen wo Jayden ihn genau getroffen hatte, aber sah stark nach Kniescheibe aus.

»Der Hase hoppelt, du schlaues Kind, jetzt komm mit, sie haben uns gefunden.«, meinte Jayden nach Luft ringend, doch Tia schien sofort zu verstehen. Was brachte es uns überhaupt wegzulaufen? Sie kannte unsere Gesichter und diese waren nicht so leicht loszuwerden wie ein Name. Ich fragte mich, während meine Beine mich über die kaputten Straßen hinwegtrugen und den Schlaglöchern auswichen, was wäre, wenn ich nicht auf Freya gehört hätte. Es war ungefähr Mittag, ich würde wohl mit meiner Mutter im Nagelstudio sitzen, am Klavier weiterhin der Lüge es Perfektionismuses nachlaufen oder mir die Lügen der Medien einprügeln lassen. Denn genauso war es, nicht anders. Meine Ansichten änderten sich schlagartig, aber wie sollte ich die Lügen verdrängen? Im Fernsehen, in Zeitungen oder gar in Büchern wurde ständig erwähnt wie perfekt unsere Stadt wäre und die anderen wenigen Ländern unserer heutigen Welt unseren Planeten zerstörten. Ja, es waren wenige, da viele dank der sich verändernden Umwelt unbewohnbar wurden, der Mensch zerstörte sich langsam selbst. Es wurde gesagt, dass es unserem Land gut ginge, doch niemand stellte sich selbst die Frage wie es sein konnte, dass damals Millionen von Menschen hier gelebt hatten und nun nur noch ungefähr zweitausend in unserer großen, perfekten Stadt wohnten. Ich wollte die Menschen auf der anderen Seite nicht schlecht reden, wäre ich nicht hier, wäre ich immer noch genauso. Ich bedauerte sie, ich bedauerte mich selbst vor ungefähr sechsunddreißig Stunden.

'Du kannst nichts dafür. Menschen glauben oft denen, die weitaus mehr Macht haben als sie. Deswegen brechen auch Kriege aus. Es geht um die Vergrößerung des Reviers, aber auch der Gläubigen.', redete Freya mit mir. Ich ließ mir ihre Worte durch den Kopf gehen, während wir uns Rosys kleinen Gaststätte langsam nährten. Also war es nicht mehr als die Vergrößerung der Macht? Es ergab Sinn, das beste Beispiel wäre Ethan, doch er besaß zu viel von ihr, zu viel Macht in zu kleinen Händen.

»Wie lief es? Ich hätte nicht gedacht, dass ihr-«

»Halte mich raus, Rosy, immerhin hat dieser kleine Prachtkerl es verkackt.«, unterbrach Tia sie, als wir eintraten. Der Eingangsbereich war kaum besucht, was mich kaum wunderte, da es sich die wenigsten leisten konnten hier zu sitzen. Es sollte keineswegs abwärtend klingen, ich hatte eher Mitleid. Während andere kaum Geld für ihre Arbeit bekamen, wurde ich einfach hier aufgenommen.

»Möchte ich es überhaupt wissen Jayden? Es hört sich stark nach-«

»Es tut mir leid dich wieder zu unterbrechen, aber William war der einzige Soldat, sonst waren es nur Bryan und Ethan, also-«

»Was?«, unterbrach Rosy ihn laut in seiner Erklärung, als wäre sie seine Mutter. Aber ich konnte sie verstehen, immerhin hätte es auch ganz anders ausgehen können.

»Es ist nichts passiert.«, erklärte er weiter. Sie schüttelte den Kopf, jedoch nur um zu zeigen, dass sie ihn womöglich für komplett durchgeknallt hielt. Ich fragte mich ohnehin was die 'Erwachsenen' sich manchmal für Szenarien ausdachten. Natürlich konnte ich Rosy verstehen, aber wir standen doch unversehrt vor ihr, war das nicht die Hauptsache?

»Du bist und bleibst ein unmöglicher Junge, Jayden Woods. Geht jetzt, bevor die Soldaten wieder sonst was denken. Ich will euch nicht tot auf der Straße liegen sehen oder euch im Labor wissen.«, gab sie mütterlich von sich, wobei Tia leise lachte.

»Womöglich hast du Recht, aber ich glaube die Saftnase wird noch-«

»Tia Anne Nancyne, könnt ihr es nicht einmal für ein paar Minuten aushalten ohne euch zu streiten?«, unterbrach Rosy sie sofort. Ich musste schon ein wenig grinsen, vielleicht war es aber auch genau diese Arte von Streit, die ich mir so sehr mit meiner 'Mutter' herbeigewünscht hätte. Ein Jugendlicher sein mit allem was es mit sich brachte, denn wann hatte ich je die Chance gehabt meinen Hormonen freien Lauf zu lassen?

Bevor ich mir anhören musste wie Tia widersprach, gab ich Bescheid, dass ich mich kurz hinlegen würde. Ich brauchte etwas Zeit für mich, um die neuen Eindrücke auf mich wirken zu lassen. Was wollten die Scotts von mir? Ich war nicht mehr als ein Mensch unter Tausenden, vollkommen unwichtig... Aber was machte dann jemanden wie Miranda wichtig? Das Volk hatte sie nie gewählt, sie hatte sich einfach so unsere Diktatorin genannt und unser Land in diese Zerstörung gestürzt. Ich wollte wissen was es mit diesen Laboren auf sich hatte. Freyas Andeutungen schienen verstörend, auch wenn ich wusste, dass sie meine Gedanken hörte. Es war eine gänzliche Verwirrung.

Ich schloss die knarzende Zimmertür hinter mir und ließ mich auf das alte Bett fallen. Natürlich hatte ich mich stets nach mehr gesehnt, nach mehr als ich war, aber bis vor kurzem wusste ich nicht einmal selbst wer ich war, doch wusste ich es nun? Die Frage war verwirrend, aber wie sollte man sie sonst stellen? Ich hatte keine Ahnung wer meine echte Familie war, ich wusste nur, dass ich sie finden wollte. Ich musste wissen was passiert war. Das leise Klopfen riss mich aus meinen Gedanken heraus, kurz darauf wurde dann auch schon die Tür geöffnet, welche Jayden sofort wieder hinter sich schloss.

»Was ist los? Kratzen die beiden sich gerade die Augen aus?«, fragte ich und setzte ein kleines Lächeln, während er sich gegen die Wand rechts von mir lehnte und mit von oben bis unten mit seinen grauen Augen begutachtete. Ich sollte es eigentlich gewohnt sein, meine 'Eltern' hatten es Tag für Tag getan, jedoch lag in seinen Augen keine Art der kritischen Bewertung.

»Madelyn Sophie Price also?«, fragte er auf einmal, wobei der kalte Schauer an meinem Rücken herunterlief. Mir fiel erst jetzt ein, dass Bryan meinen Namen vor ihm erwähnt hatte. Was sollte ich sagen? Ich zog scharf die Luft ein, die Wahrheit war oft der einzige Weg, aber was wenn er es den anderen sagte? Ich vertraute ihnen ja, aber es musste nur ein Soldat mitkriegen und ich war so gut wie tot.

»Nur die ersten beiden Namen, der Nachname stimmt nicht.«, erklärte ich und setzte mich auf, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Er musste es einfach verstehen, ich hatte doch gute Gründe gehabt. Eine Namensänderung war nötig gewesen, außerdem begriff ich langsam wie erbarmungslos die Soldaten waren. Sie würden ohne Hemmungen die anderen drei mit mir töten und das durfte nicht geschehen.

»Hört sich interessant an.«, meinte er und stieß sich von der Wand ab, um sich neben mich zu setzen. Natürlich wollte er die ganze Geschichte hören, aber war das nicht auch verständlich? Ein Name konnte viel ausmachen.

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