25

Ich hatte die Tür aufgeschlossen, doch meine Hand schien nicht im Stande zu sein die Klinke hinunterzudrücken, um endlich Klarheit zu erlangen. Mit lief der kalte Schauer den Rücken hinunter und ich wusste, dass ich Angst hatte, lieber ließ ich die Fragen in meinem Kopf herumschwirren und machte mir weiterhin Sorgen, als das ich es endlich wagte hineinzugehen.

Ich sah zu meinem Vater, Ethan und Chris hinüber, der noch immer den Eindruck macht, als glaubte er all dies wäre nur ein schlechter Traum. Was sagte ihm die Stimme? Ehrte er sie oder hasste er sie genauso sehr wie ich einst? Wenn er nur gewusst hätte, wie sehr er sie vermissen würde, doch ich wusste, dass sie da war, irgendwo tief in mir, doch was dachte sie wohl gerade? Machte ich denn alles richtig? Nein, ich musste endlich diese verdammte Tür öffnen und nicht weiterhin hier verharren und mir Gedanken zu machen, denn es gab in diesem Moment wirklich wichtigere Dinge.

Ich nahm meinen Mut zusammen, die Klinke gab nicht ein Knarzen von sich, dich sie wurde natürlich auch stets geölt. Meine Lungen füllten sich mit Luft, mein Herz raste und gleichzeitig fragte ich mich, wie ich es wohl schaffte noch halbwegs sich auf beiden Beinen zu stehen. Ein schmaler Lichtspalt brachte mich dazu meine Augen zusammenzukneifen, doch gleichzeitig kam mir auch die stickige Luft entgegen, was mich aufatmen ließ. So verbraucht, so warm, selbst wenn er sein sollte, konnte es noch nicht lange her sein, ein paar Minuten vielleicht.

»Jayden?«, fragte ich leise, als ich keine Anzeichen für seine Anwesenheit erkennen konnte. Natürlich war es ziemlich dumm zu fragen, es ähnelte fast einem schlechten Horrorfilm, doch ich wollte sichergehen. In meinen Gedanken malte ich mir bereits die schlimmsten Dinge aus, so als ob ich bereits die Hoffnung verloren hatte. Ich biss mir so stark auf die Unterlippe, sodass ich fast glaubte mein Blut zu schmecken, doch in dieser wirklich hellen, fensterlosen Zelle war nichts außer stickiger Luft, die mich nur noch zweifelnder machte. Die Wärme stieg mir zu Kopf, meine Gedanken schienen einen sinnlosen Kreis gebildet zu haben. Was sollte ich denn jetzt tun? Ich hatte keine Ahnung, was man in einer solchen Situation tun sollte, ich wusste immerhin noch nicht einmal genau, ob es etwas bringen würde, zu versuchen ihm irgendwie zu folgen. Ich spürte wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Es war so klar gewesen, es konnte nichts gut laufen. Was wenn man ihn getötet hatte? Waren deswegen keine Wachen hier? War es eine Art Hinrichtung? Mein Atem zitterte, ich biss mir auf die Lippen, damit ich keinen Laut von mir gab. Nein, sie durften ihn nicht umbringen.

»Und?«, hörte ich Dads Stimme durch den Gang hallen. Ich wollte mich fassen, schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und rieb mir über das Gesicht, wobei ich wahrscheinlich die Schminke verwischte, doch das mir egal.

»Nichts, er ist nicht hier... Er ist nicht hier!«, verlor ich kurz die Fassung und schmeckte nun wirklich das Blut in meinem Mund, als ich die Zelle verließ. Meine plötzliche Wut war kaum in Worte zu fassen, gerade weil ich wusste, an wen ich mich nun wenden musste.

»Also, wo ist er, Scott? Ich würde aufpassen, vielleicht überlege ich mir das mit dem Tiefschuss nochmal, dann kannst du dich von deinem Ruf verabschieden, du kleiner, niederträchtiger, sadistischer Pisser.«, zischte ich und ging mit gezogener Pistole auf Ethan zu, der mich nun mit sehr viel Unmut ansah, da er anscheinend endlich verstanden hätte, dass ich keine Witze machte. Natürlich hätte ich ihn nicht getötet, das wäre dumm gewesen, aber ich will nicht dafür garantieren, dass ich ihn in diesem Moment nicht angeschossen hätte, wenn ich nicht noch die nötige Fassung besessen hätte.

»Er sollte hier sein, hast du-«

»Verarsch mich nicht!«, unterbrach ich ihn zischend und richtete die Waffe direkt auf ihn. Ich hatte keine Ahnung, wie ich damit zielte, doch auf so kurzer Distanz würde die Kugel ihr Ziel schon treffen, da war ich mir sicher. Ich hatte keine Angst davor abzudrücken, im Gegenteil, ein falsches Wort aus seinem Mund würde genügen, um mich zum Abdrücken zu bringen, auch wenn ich es später bereuen würde. Ich sah ihn fest mit all dem Hass, den ich für ihn aufbringen konnte, in seine unsicheren Augen, die mich genau musterten, um mich einzuschätzen. Ich versuchte meine Körpersprache besser zur Geltung zu bringen, er sollte endlich verstehen, wer nun die Fäden in den Händen hielt.

»Das Labor, es wurde heute morgen beschlossen... sie sind aber eben erst weg, du-«

»Kommt, fesselt irgendwie seine Hände, ich fahre.«, unterbrach ich ihn sofort wieder, um ihm zu zeigen wie wertlos er für mich war. Mein Verhalten war kalt, doch hatte er es denn anders verdient? Jemand, der glaubte er könne alles und jeden beherrschen? Genau diese Situation zeigte doch wie wenig Loyalität er besaß. Ich hätte mich lieber erschießen lassen, als auch nur irgendwelche Informationen preiszugeben, außerdem brachte es ihm nichts. Ich würde ihn mitnehmen, nicht weil ich ihn töten will, eher als Absicherung. Bryan und Miranda würden nicht zulassen, dass ihrem Sohn etwas geschah, ich würde ihn mitnehmen und sie würde es nicht einmal wagen uns irgendetwas zu tun. Natürlich würde dies nicht ewig so weitergehen, Ethan würde es irgendwann schaffen wegzulaufen, doch ehe dies geschah, würden wir es schaffen in Ruhe das weitere Vorgehen zu planen.

»Sorg bitte dafür, dass Tias Dad den Tunnel nimmt... ich will nicht, dass er-«

»Schon in Ordnung, ich schicke ihn zu deiner Mutter.« Gut so, er musste nicht bei dieser Selbstmordaktion dabei sein. Ich hatte ihm gesagt, dass er, unter dem Vorwand einen privaten Brief Miranda überbringen zu müssen, hier her kommen sollte, um reinzukommen. Nun, ohne die vielen Soldaten, sollte es ihm ein Leichtes sein meinen Vater zu finden. Doch nun lag es an mir einen halbwegs sicheren Plan zu entwickeln.

Ich musste sagen, dass ich beeindruckt war. Ich hatte sie unterschätzt. Vor ein paar Tagen fragte ich sie, ob sie jemandem helfen würde, der in Gefahr war, sie verneinte. Ich wusste, dass es gelogen war, das hatte sie bereits bei Tracy bestätigt. Aber war es denn wirklich eine Lüge? Ihr eigentlicher Fehler war, dass sie sich unter ihrem Wert einschätzte. Sie dachte schlechter über sich, als sie es war. Sie glaubte schwach zu sein, dabei wusste sie gar nicht wie stark sie war. Ich wollte mit ihr reden, ihr diese unangenehmen Fragen stellen, die sie so sehr hasste. Warum glaubte sie schwach zu sein, wenn nun Helena stand hielt? Weshalb glaubte sie feige zu sein, wenn sie ihr eigenes Leben für das von anderen, sogar von Fremden, aufs Spiel setzte? Sie war sich den Widersprüchen gar nicht bewusst, doch das hatte einen einfachen Grund, denn es waren die Menschen, von denen sie früher umgeben war. Egal was passierte, ein Teil würde immer an ihr hängenbleiben und das war auch gut so. Doch der eigentliche Grund für unser Scheitern oder gar Verzweifeln waren oft die Menschen, die uns umgaben und uns einredeten wir wären niemand. Wann begriff die Menschheit, dass die Welt sich nicht hätte verändern können, wenn es keine Menschen gegeben hätte, die anders waren, die sie selbst waren. Wir waren Menschen, alle unterschiedlich, jeder einzelne, und viele veränderten die Welt zum Schlechten, aber auch zum Guten, das Schicksal lag in unseren Händen.

Ich setzte Ethan auf die Rückbank, sodass ich ihn im Rückspiegel immernoch gut im Blick hatte. Mein Vater überprüft noch einmal die Handschellen und seine Taschen, um sicherzugehen, dass er auch ja nichts in den Taschen hatte, womit er meinem Vorhaben schaden könnte. Chris wollte sich schon auf den Beifahrersitz setzen, er war dabei immernoch blass, er hatte auch kaum gesprochen und wenn doch waren es leise Antworten, die aus höchstens drei Worten bestanden.

»Warte", hielt ich ihn auf und hielt ihm am Ellenbogen fest. Ich wusste, dass er dachte, er würde sterben, doch es erschien mir als eine Pflicht ihn zumindest etwas aufzuklären, es wäre nicht richtig ihn ins kalte Wasser zu werfen.

»Hör mir zu, ich weiß, dass das alles ziemlich verstörend ist, glaub mir, es ging mir genauso, doch du wirst verstehen. Die Scotts sind nicht die für die sie sich ausgeben, sie haben Labore und-«

»Lass es, du bist vom Weg abgekommen, Madelyn Sophie Price.«, sagte er nun mit etwas mehr Entschlossenheit und stieg ein. Ich versuchte gar nicht erst ihn weiter festzuhalten oder weiter auf ihn einzureden. Hätte ich es denn einfach so von einer Fremden geglaubt? Er musste erst sehen, um zu glauben.

»Adams, immernoch, dann wäre es auch ziemlich nett, wenn du den Zweitnamen einfach weglassen könntest.«, zischte ich, während er die Tür zu schlug. Er konnte ja nicht wissen, dass mein gesamter Familienstammbaum eine Lüge gewesen war, doch der Name Price löste langsam den puren Ekel in mir aus, da ich stets an Helena und Eric denken musste, die sich gute Eltern nannten.

»Deine Mutter hielt den Namen auch für überflüssig, doch ich wollte zumindest etwas von deiner Großmutter weiterleben lassen.«, erklärte Dad leicht grinsend, als er Ethans Tür zu machte. Ich hoffte, dass er die Tür verriegelt hatte, aber er war ein Soldat, wahrscheinlich hatte er Dinge beachtet, an die nicht einmal ich gedacht hatte.

»Ich habe noch nie etwas von der Familie väterlicherseits gehört.«, meinte ich und ging um das Auto herum, um an die Fahrerseite zu gelangen. Er lächelte nur etwas, wobei seine braunen Augen etwas funkelten.

"Bei Zeiten sollten wir drei uns vielleicht hinsetzen und reden, ich bin nicht mehr lange hier, glaub mir. Ich habe etwas Medizin in den Kofferraum gelegt, gib sie am besten deiner Mutter. Jetzt fahr, Jayden wird nicht ewig warten.«, erwiderte mit einer merkwürdigen Stimme, die mich sogar irgendwie beruhigte. War das diese typisch väterliche Stimme, von denen oft geredet wurde? Ich biss mir auf die Unterlippe, um diese Art von Gefühle zu unterdrücken, aber dennoch fragte ich mich, ob ich etwas verpasst hatte.

Als ich im Auto saß und mit sturem Blick nach vorn schaute, doch einen kleinen Moment tauchte ich in meinen Gedanken ab und fragte mich, wie es gewesen wäre, wenn alles anders verlaufen wäre. Würde ich meine Eltern gut kennen? Hätte ich Tia und Jayden früher kennengelernt? Wie wäre ich gewesen? Wie wäre mein Leben gewesen? Ich seufzte leise. Wahrscheinlich wäre es einfacher gewesen. Ich wollte meine Eltern lieben, wirklich, doch ich kannte sie nicht und es brach mir das Herz so zu denken. Ich hasste sie nicht, weil sie mich allein ließen, denn das hatten sie nicht, nie.

Sie waren nicht bei mir gewesen, sie konnten nicht, Mom hatte mich nicht zu sich geholt, da sie glaubte ich wäre nicht sicher gewesen, das verstand ich vollkommen. Dad hatte Tias Vater gebeten mich im Auge zu behalten, indem er mich schützte, auch wenn es komisch war dies zu sagen. Er hatte mir oft Essen gebracht, wenn Helena mich aus Wut ohne etwas schlafen schickte, hatte meine Bilder versteckt, die ich von Freya gemalt hatte, nun lagen sie in meiner Schreibtischschublade und ich bereute sie nicht mitgenommen zu haben, doch ich hatte Angst vor ihnen gehabt, sehr große sogar.

Mom und Dad wussten, dass ich irgendwann auf die andere Seite kommen würde und waren vorbereitet, Dad, indem er mich unbemerkt zum Tunnel brachte, und Mom, die mich aufnahm, obwohl sie wusste, dass ich wegen meines Namens gelogen hatte. Ich hatte alle Gründe sie zu lieben, doch ich tat es nicht, ich mochte sie nur. Ich fühlte mich schlecht, sie liebten mich, ich sie jedoch nicht. Doch wie entstand Liebe auf solche Art? Ich hatte keine Ahnung, vielleicht durch Zusammenhalt, aber was wusste ich schon über eine Familie? Ich hatte niemals wirklich eine gehabt und musste stets allein mit meinen Problemen klar kommen, da ich wusste, dass diese nicht perfekt waren. Vielleicht machte mich dies schwach.

»Wie sieht das Auto aus, in dem Jayden ist?«, fragte ich Ethan und beobachte seine Gesichtszüge durch den Rückspiegel, um festzustellen, ob er log.

»Ein grauer Transporter, er müsste hinten sitze, sie fahren durch das Haupttor, doch du solltest dich beeilen.«, antwortete er mir und sah mich abwartend an. Ich glaubte ihm, ich hatte diese Transporter schon oft zum Haupttor zur anderen Seite fahren sehen und mich gefragt, warum sie raus fuhren, diese Frage wäre jetzt wohl auch geklärt. Ich trat stärker auf das Gaspedal und überschritt somit die perfekte Geschwindigkeit, doch das war mir ziemlich egal. Es gab keine Polizei, nur Soldaten, die sich das Kennzeichen aufschreiben würden, um dies weiter nachzuforschen, jedoch brachte ihnen dies nichts, wenn der Wagen nicht mehr hier war.

»Gut, erklär Chris was hier abläuft. Sag ihm was auf der anderen Seite ist, sag ihm was für Schweine ihr seit.«, forderte ich ihn auf. Wenn der große Ethan Scott es ihm erzählte, würde er es ihm schon glauben. Chris warf mir einen wütenden Seitenblick zu, um mir wahrscheinlich zu signalisieren, dass ich es übertrieb und seinen geliebten Präsidenten, der eigentlich ein Diktator war, nicht so behandeln sollte. Ich hörte Ethan von hinten etwas seufzen, wobei er etwas umherrutschte, da ihm die Hände hinter dem Rücken. Musste ganz schön ungemütlich sein, aber wenn ich ehrlich war, geschah es ihm mehr als nur recht.

»Oh ja, eine schöne Geschichte, gut-«

»Nein Ethan, du brauchst es nicht verschönern, lass ruhig all diese sadistischen Dinge raus.«, unterbrach ich ihn schnell und war selbst sogar etwas gespannt.

»Gut, mache ich doch gern. Es fing alles mit einem Wunsch an. Was passiert, wenn man die Gesellschaft spaltet? Der Abschaum bekommt seine Seite, einen Slum, die Menschen, die zivilisiert und bereit sind sich unserem Willen zu ergeben, werden belohnt. Es war wirklich leicht die Menschen zum Schweigen zu bringen. Natürlich herrschte zuerst Widerstand, doch als die ersten auf misteriöse Weise verschwanden, waren alle ruhig, sie beugten sich, vergaßen, schwiegen und liebten uns.« Chris war ganz ruhig, doch seine Zähne mahlten aufeinander. Ich wollte in seinen Kopf sehen, wissen was er dachte. Aber hätte ich es mir nicht denken können? Es steckte Menschlichkeit in ihm, was bedeutete, dass er höchst wahrscheinlich fassungslos sein musste.

»Die Labore, Ethan.«, sagte ich, obwohl ich wusste, dass es wahrscheinlich zu viel für Chris war, doch ich brauchte ihn.

»Gut, dass du es erwähnst... der Slum, did andere unbekannte Seite, die ihr so fürchtet hat damit viel zu tun, weißt du? Für mich ist dort niemand mehr als ein Projekt, welches mir zur Verfügung steht. Versteh mich Chris, hast du dich nie gefragt, wie man Krebs heilt? Ich meine, warum ist Menschenleben nur so vergänglich? Eine simple Krankheit und wir sterben, doch was sind ein paar jämmerliche Leben im Tausch von das Leben von tausend wundervollen Menschen, die uns bis in den Tod folgen? Gerade Kinder sind erstaunlich gute-«

»Halt die Klappe, sei endlich ruhig, ich habe genug gehört.«, schnitt Chris ihm auf einmal das Wort mit einer zitternden Stimme ab, als ich gerade ansetzen wollte, da es mir fast hochkam. Es war schon genug, dass er so über Erwachsene sprach, doch bei Kindern? Ich hatte es gewusst, doch ich hatte gedacht, dass er zumindest etwas Reue zeigen würde... Er war krank, er und seine gesamte Familie, jedes Leben war wertvoll auf seine eigene Art, aber wie konnte man sagen, dass Menschen ungleichen Wert hatten? Ich spürte Chris' Anspannung deutlich neben mir, wie er sich darin versuchte nicht aufzuspringen und Ethan zu würgen.

»Chris, kannst du mir gleich helfen? Ich kann Jayden nicht rausholen und gleichzeitig fahren.«, fragte ich ihn ruhig, um somit das Thema zu wechseln. Er schluckt und biss sich kurz auf die Lippen. Es war eine einfach Frage, doch sie machte etwas aus, es war eine Entscheidung. Wer wollte er sein? Ein willenloser Begleiter oder jemand, der hinterfragte und handeln wollte?

»Ja, was muss ich tun?«

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