Kapitel 4
Sophie
Wir fahren jetzt schon 20 Minuten durch die Gegend und haben mein Rudel immer noch nicht erreicht bzw. gefunden, denn alle sind irgendwie wie vom Erdboden verschwunden.
Wir waren schon beim Rudelhaus, bei jedem zu Hause oder im Krankenhaus, da es ja verletzte gab. Sowas spüre ich einfach. Aber sie waren nirgends zu finden.
Telefonisch kann ich auch keinen erreichen, deshalb klappern wir jetzt alle mir bekannten Orte ab, wo ich vermute, dass mein Rudel sich dort aufhält.
Je weiter die Zeit vergeht, desto mehr Sorgen plagen mich. Diese Ungewissheit, nicht zu wissen, was genau passiert ist, aber zu wissen, dass etwas Schlimmes passiert ist, zerfrisst mich innerlich einfach nur.
Ich versuche noch einmal Elena anzurufen, sowie die letzten 20 Minuten auch, aber es geht wieder nur die Mailbox ran.
Das darf doch alles nicht wahr sein. Aber ich muss stark sein für das restliche Rudel, wenn überhaupt noch einer von ihnen lebt.
Seufzend lehne ich meinen Kopf an Marcus Schulter, da ich im Auto hinten zwischen Marcus und Dean, der Typ der mir vorhin geholfen hat, sitze. Vorne sitzen auch noch zwei Männer, deren Namen ich mir aber nicht gemerkt habe.
Ist ja auch verständlich, da ich im Moment ganz andere Probleme habe.
Ich denke, dass man ihnen trauen kann. Aber besonders vertraue ich Marcus.
In den letzten paar Minuten hat er mir immer wieder gut zu gesprochen, dass alles wieder gut wird und das wir mein Rudel finden werden.
Auch jetzt flüstert er mir beruhigende Worte zu und streichelt mir leicht über den Kopf.
"Denkst du wir finden mein Rudel, meine Familie? Sie sind alles was ich noch habe! Oh mein Gott, ich habe Billy total vergessen. Um den muss sich einer kümmern!", sagte ich aufgebracht und hysterisch.
"Beruhig dich erstmal. Um Billy wird sich gekümmert, dass habe ich vorhin veranlasst und zu deinem Rudel, wir werden es finden. OK! Nicht den Kopf hängen lassen. Ruf doch nochmal an, ja?!", sagt Marcus mit seiner ruhigen und sanften Stimme.
Ich nicke leicht und rufe mit zitternden Händen mal wieder Elena an.
Wie zu erwarten es meldet sich nur die Mailbox.
Ich wollte schon fast die Hoffnung aufgeben und auflegen, als plötzlich eine leise Stimme erklang.
"Sophie?", sagt eine mir bekannte Stimme.
"Ja, Elena! Ich bin's Sophie! Wo seit ihr? Ich habe nur gespürt, dass ihr angegriffen wurdet und jemand gestorben ist! Was ist los?", sagte ich aufgeregt.
"Beruhig dich! Also wir wurden vom Reader-Rudel angegriffen. Wir sind im Lacros. Komm bitte sofort dort hin. Den Rest erkläre ich dir später, ok?", sagte Elena mit ihrer ruhigen, bestimmten Stimme.
Das liebe ich an ihr. Sie ist immer diejenige von uns vieren, also ich, Elena, Isabell und Beth, die einen kühlen Kopf bewahrt.
In manchen Situationen denkt sie sachlich und bestimmt. Das ist gut, wenn man strategische Entscheidungen für das Rudel treffen muss, ohne zu persönlich zu werden.
"Ok, bis gleich!", sagte ich und legte auf.
Als ich mir Elena's Worte nochmal durch den Kopf gehen lasse, fällt mir auf, dass sie gesagt hat, sie und die Anderen sind im Lacros.
Warum im Lacros? Das ist doch nur die Lieblingsbar vieler Gestaltwandler, unter anderem auch die von meinem Rudel und mir.
Gelegentlich tanzen wir vier und Aurora, Elena's ältere Schwester, dort auch am Wochenende, um uns etwas dazu zu verdienen. Mit unserem kleinen Laden kommen wir kaum um die Runden.
Neija, wie dem auch sei, dass sie sich im Lacros verstecken so zu sagen ist echt merkwürdig.
Plötzlich fragt mich Marcus etwas, was ich aber nur sehe, da seine Lippen sich bewegen.
Verdammt! Ich sollte öfters nicht so viel nachdenken.
"Ehm...Was hast du gesagt? Sorry, ich war in Gedanken!", sagte ich verunsichert.
"Ich sagte, dass das am Telefon Elena war und das sie im Lacros sind, dein Rudel mein ich?!", sagte Marcus geduldig.
Ich war irritiert! Aber dann viel mir wieder ein, dass er ja Gedanken lesen kann.
"Ja, das stimmt. Ich denke, du hast ehm....ihm.....,also dem Fahrer schon bescheid gesagt, wo wir hin fahren müssen, oder?", fragte ich.
"Jup! Du warst beschäftigt mit deinen Gedanken. Du denkst viel nach! Ist mir in der kurzen Zeit aufgefallen. Was ist deine spezielle Gabe? Wenn ich fragen darf?!", sagte Marcus leicht verunsichert.
Oh, die Gabe hätte ich fast vergessen.
Dazu muss ich sagen, dass jeder im Rudel eine spezielle Aufgabe oder wie in meinem Rudel eine spezielle Gabe hat.
Die Männer in den Rudeln sind Krieger. Sie sind ausgebildet in verschiedenen Techniken usw.
Natürlich auch die Frauen, aber nur das Nötigste.
In meinem Rudel ist es ganz anders.
Da ich eine Alpha bin, musste ich von Anfang an, dass lernen, was die Männer auch lernten, sowie Elena, Isabell und Beth.
Da in unserem Rudel nur Frauen sind, sind bei uns die Gaben noch extremer Ausgeprägt.
"Meine Gabe.... nun ja, ich kann Menschen und Gestaltwandler heilen. Also nicht körperliche Schäden, sondern seelische Verletzungen, die ihnen in der Vergangenheit zugefügt wurden, durch traumatische Erlebnisse!", sagte ich.
Daraufhin herrschte erstmal komplette Stille im Auto.
"Wau! Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Aber coole Gabe.", sagte Marcus ein wenig überrascht.
"Danke! Es ist nicht gerade leicht sie zu beherrschen, besonders wenn man unter vielen Menschen ist. Dann spüre ich die unterschiedlichsten Sehnsüchte oder aber auch die seelischen Traumas/Gefühle einer Person. Das ist manchmal sehr anstrengend, da ich die Empfindungen der Menschen und Gestaltwandler genauso spüre, als wären es meine Eigenen."
"Das ist manchmal bestimmt nicht leicht. Aber so ist das mit Gaben/Fähigkeiten. Es gibt positive und negative Aspekte. Genauso ist es bei mir auch. Ich lese Gedanken die wichtig sind, um Leben zu retten oder sonst was. Aber ich bekomme manchmal sehr intime Einblicke in den Gedanken von Personen, was sie so im Schlafzimmer treiben, die ich gar nicht unbedingt wissen will.", sagte Marcus mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen.
Dabei muss ich schmunzeln und die anderen Männer auch.
"So wir sind da. Das ist das Lacros, oder?", fragte der Fahrer, welchen Namen ich schon vergessen hatte, an mich gewandt.
"Ja! Das ist das Lacros.", sagte ich mit zittriger Stimme.
Ich hatte einfach Angst davor, was mich erwarten würde.
Wir stiegen aus und gingen zum Eingang des Lacros.
Ich konnte schon Blut riechen und meine Nervosität stieg, wenn möglich noch mehr an.
Nun standen wir vor der Eingangstür. Die anderen Männer hielten aus Respekt etwas Abstand. Nur Marcus ist ganz nah bei mir und legte mir beruhigend die Hand auf den Rücken.
Ich atmete tief ein und drücke die Klinke runter.
Als Erstes sah ich, dass Beth sich um die Verletzungen von Aurora und Ilma kümmert.
Rechts daneben auf der Couch saßen Ilsa und Tina, mit der schlafenden Bella im Arm.
Allen fünf sah man an, dass sie geweint hatten oder immer noch weinten.
Ich fragte mich gerade, wo Elena und Isabell sind, als die Beiden hinter der Theke zum Vorschein kamen.
Sie sahen schrecklich aus.
Ihre Kleidung war blutverschmiert und ich sah, dass die Beiden auch Abschürfungen hatten, zumindest die, die ich auf den ersten Blick erkennen konnte. Elena und Isabell haben auch geweint.
Doch als sie mich sahen, fingen die Beiden wieder an zu weinen und ich gleich mit.
Dann kam Elena, um die Theke rum, auf mich zu und umarmte mich kurz.
"Wer ist tot?", fragte ich mit heiserer Stimme vom heulen.
Ich musste es einfach wissen, wer von uns gegangen war, denn ich hatte eine Ahnung, aber irgendwie wollte ich es noch nicht so richtig wahr haben.
Elena sah mich verheult an und sagte dann etwas, was ich nicht gehofft hatte, dass sie es sagt.
"Du musst jetzt st-stark sein. Für u-uns, für dich selber und f-für unser Rudel! Hast du mich verstanden, ok?", sagte sie mit immer noch verheulter Stimme.
Ich nickte zur Bestätigung.
"Ok, komm!"
Sie führte mich hinter die Theke.
Was ich sah, verschlug mir die Sprache.
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