#Niederlage
"Fuck!", höre ich seine dunkle Stimme bereits durch den Gang hallen, als ich mich an einem wirklich dicken Sportler vorbeiquetsche. Das rote Band, an dem meine gefälschte Akkreditierung befestigt ist, bleibt beinahe an dem weißen Geländer rechts neben mir hängen. Doch ich kann einen unschönen Zwischenfall, bei dem ich meinen Kopf verliere, gerade noch verhindern.
Während ich mit großen Schritten auf den Blondhaarigen zueile, entfernt sich sein Coach immer weiter. Eigentlich bin ich davon überzeugt, dass die beiden ein gutes Verhältnis pflegen. Aber manchmal erscheint es, als könnte der großgewachsene Mann für seinen Schützling kein Verständnis aufbringen.
In dem Moment, in dem ich den Belgier erreiche, schleudert er erst sein Handtuch und gleich darauf seine Wasserflasche in Richtung Boden. "Wanker!", beschimpft er mit Sicherheit den Kampfrichter. Auch wenn mir nicht danach zu Mute ist, kann ich mir ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Ihn auf seiner Muttersprache reden zu hören ist einfach ungewohnt.
"Hey", lasse ich leise verlauten, bevor ich seine Sachen wieder vom Boden aufhebe. "Everything's good", versuche ich ihm einzureden - auch wenn ich weiß, dass dies nicht der Fall ist. Immer wieder schüttelt der Sportler seinen Kopf. Er kann es einfach nicht fassen, dass er nach einem solch harten Kampf als Verlierer von der Matte gehen musste.
Sein Kiefer ist angespannt und seine Nasenflügel beben bei jedem einzelnen Atemzug. Bisher hat mich der Blondhaarige noch kein einziges Mal angesehen. Vielmehr versucht er es um jeden Preis zu vermeiden. Doch das führt dazu, dass ich selber sauer werde. Nicht auf den Jungen vor mir, sondern auf das Kampfgericht und auf all die Leute, die dem Halbfinale keine Aufmerksamkeit geschenkt haben.
"Look at me", fordere ich ihn auf. Währenddessen lasse ich meine Fingerspitzen langsam über den blauen Stoff seiner Kampfjacke gleiten, bis ich sie schließlich an seine Wange lege. Sofort wird sein Atem ein wenig gleichmäßiger. Aber der Sportler schließt seine Augen gerade einmal für eine Sekunde, bevor er wieder wütend wird.
"The referee is such a prick. Why did i get the Shido? I wasn't more passive than the other", knirscht der Belgier mit seinen Zähnen. Und ganz plötzlich holt er aus, um gegen die kalte Steinwand zu schlagen. Während er keine Miene verzieht, zucke ich nur umso mehr zusammen. Mit geweiteten Augen starre ich den Jungen an. "You weren't", flüstere ich schließlich mit belegter Stimme.
"I was so close to the final. So close", drückt der Blondhaarige seinen Daumen und Zeigefinger aneinander, bevor er seine Hand zu einer Faust ballt. "So close", murmelt er erneut, als er einen Schritt auf mich zumacht und seine Stirn auf meiner Schulter ablegt. "I know", presse ich meine Lippen aufeinander, während ich meine freie Hand in seinen Nacken lege.
"You were great", fahre ich mit meinen Fingerspitzen durch seinen verschwitzten Haaransatz. "You are great", lege ich meine Lippen an seine Ohrmuschel. Ich befürchte, dass der Satz in dem Applaus, der aus der Halle zu uns hinüberdringt, untergeht. Doch der Belgier vergräbt sein Gesicht in meiner Halsbeuge und zieht mich an meiner Hüfte näher an sich heran.
"What have i done to deserve this love?", schmunzelt der Junge leicht, als er wieder zu mir aufblickt. Kichernd beiße ich mir auf meine Unterlippe, während ich mit meiner Hand den Kragen seiner Jacke umschließe. "Thank you for always supporting me", streicht er einige Haarsträhnen hinter mein Ohr, bevor sein Gesicht meinem immer näher kommt.
Augenblicklich beginnt mein Herz schneller zu schlagen, als der Blondhaarige unsere Münder miteinander verschließt. Obwohl er noch vor wenigen Minuten gekämpft hat, sind seine Lippen kein bisschen trocken. Ich spüre, wie seine Finger, die auf meiner Wirbelsäule liegen, anfangen zu zittern und wie sich sein Puls langsam erhöht.
Nach einer halben Ewigkeit lösen wir uns voneinander. Am liebsten würde ich meine Lippen erneut auf seine legen. Da der Junge jedoch noch mitten im Wettkampf ist, war der erste Kuss bereits Ablenkung genug. "Your coach is waiting", behaupte ich daher leise.
"Let's go then", sieht mich der Sportler mit einem undefinierbaren Blick an. Dann verpasst er mir einen leichten Schlag auf meinen Hintern, bevor er sich in Bewegung setzt. Mein empörtes Aufschnaufen quittiert er mit einem herzlichen Lachen. "Come on", dreht er sich lächelnd zu mir um und streckt mir seine Hand entgegen, als ich ihm nicht direkt folge,"my coach doesn't like to wait."
Während der großgewachsene Mann mit seinem Schützling die Schwächen und Stärken des nächsten und gleichzeitig letzten Gegners bespricht, bleibt seine Miene immer gleich streng. Aber ich meine, in seinen Augen einen Funken von Stolz und Vertrauen in das Können des Blondhaarigen erkennen zu können. Und genau das ist es, was der Junge braucht, um mit der richtigen Denkweise in den nächsten Kampf zu starten.
Nachdem der Coach einen anderen belgischen Sportler herangewinkt hat, wärmt sich der Blondhaarige ein letztes Mal an diesem Tag auf. Der Aufwärmbereich ist normalerweise viel zu überfüllt, um sich anständig bewegen zu können. Da es am heutigen Abend jedoch nur noch zwölf Kämpfe geben wird, finde sogar ich noch einen Platz am Mattenrand, an dem ich nicht über den Haufen gerannt werde.
Zum wiederholten Mal zieht der Belgier seinen schwarzen Gürtel fest, während er seine Fußballen an seiner blauen Hose abstreift. Es sind beides Gesten seiner Nervosität, die er schleunigst in den Griff bekommen sollte. "Could you...", setzt er zu einer Frage an. Doch er braucht überhaupt nicht weiterzusprechen, damit ich weiß, was er möchte.
"Last one", wird der Junge von seinem Coach ermahnt, als ich ihm seine Trinkflasche reiche - wie die fünf vorherigen Male. "Thank you", lächelt er mich ganz kurz an, bevor seine Miene wieder unheimlich gestresst wirkt. "Don't worry too much", versuche ich ihn zu beruhigen. Allerdings bekomme ich nur ein Schnaufen als Antwort.
"I don't know if i can do it", stößt der Blondhaarige schließlich aus, nachdem er mich entschuldigend angeblickt hat. "Of course!", schüttle ich über die Tatsache, dass er in diesem Moment scheinbar das erste Mal an sich selbst zweifelt, den Kopf. "You're prepared for this fight", tippe ich gegen seine muskulöse Brust,"you can do it!"
"Show everyone that you belong here", flüstere ich eindringlich, als er einen Schritt auf mich zu macht. "I will", nickt der Belgier, während er mit seinen Händen meinen Kiefer umschließt und schließlich seine Lippen gegen meine Stirn drückt. "Team Belgium doesn't lose, okay?", grinse ich ihn breit an.
Lachend rückt er ein letztes Mal seinen Gürtel zurecht. Dann ertönt sein Name durch die Lautsprecher und die Kamera wird auf ihn gerichtet. Bevor er sich jedoch in Bewegung setzt, dreht er sich zu mir zurück. "Look for a place on your room wall where you can hang the bronze medal."
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