#Geburtstag

"Wie ist die Stimmung?", lese ich die letzte Nachricht des blonden Mädchens im Stillen. "Als wäre sie im Untergeschoss dieses Hotels", schreibe ich, bevor ich auf die leuchtenden Zahlen an der Fahrstuhlwand sehe. Wir kommen dem vierundzwanzigsten Stockwerk immer näher. Und fünfundzwanzig Etagen weiter unten liegt die gute Laune des Belgiers begraben. Leise seufzend stecke ich mein Handy zurück in meine Tasche. Kurz darauf geht ein sanfter Ruck durch meinen Körper und die silbernen Türen des Fahrstuhls gleiten auseinander.

Da der blondhaarige Junge direkt davorsteht, tritt er als erstes auf den mit dunkelblauem Teppich ausgelegten Flur. Mit etwas Abstand folge ich ihm. Kurz wage ich einen Blick über meine Schulter zurück in den Aufzug. Der heutige Morgen scheint bereits Wochen zurückzuliegen. Dabei war der Junge erst vor einigen Stunden noch bestens gelaunt und wollte seine Lippen gar nicht von meinen lösen. Seine grünen Augen haben vor Freude und Selbstbewusstsein gestrahlt. Und seine ungestylten Haare haben mal wieder dafür gesorgt, dass ich ihm ein klein wenig mehr verfalle.

Während das Piepen, das das Öffnen der Zimmertür signalisiert, noch in meinem Ohr nachhallt, ist der Sportler bereits im Zimmer verschwunden. Nur durch einen schmalen Spalt dringt das Licht auf den Flur. Der Gedanke mir die Tür aufzuhalten, ist ihm scheinbar nicht gekommen. Einen lautlosen Schrei ausstoßend spanne ich meine Finger an. Meine Laune darf nicht auch noch das Untergeschoss besuchen gehen. Eilig schlüpfe ich ebenfalls in das Hotelzimmer und schließe die Tür hinter mir.

Auf meiner Unterlippe herumkauend beobachte ich den Belgier. Hektisch wühlt er in seinen Sachen herum. Bei jeder Bewegung ist eine gewisse Aggressivität zu sehen. Ich verstehe ihn. Das Ergebnis heute ist enttäuschend – für ihn. Schon wieder hat er keine Medaille geholt. Und das ausgerechnet an seinem Geburtstag. "Fuck", schmeißt er seine Reisetasche wütend zurück in den Schrank. "What's wrong?", möchte ich wissen. "I have no cooling pack left", hebt der Blondhaarige seine zu Fäusten geballten Hände an seinen Hinterkopf.

"I could buy some", biete ich an – auch wenn ich mir sicher bin, dass es um diese Uhrzeit keine mehr zu kaufen gibt. Kopfschüttelnd streift sich der Junge seine Sneakers von den Füßen. Mit einem unzufriedenen Murren lässt er sich auf das Bett fallen. Sein Gesicht ist in der Bettdecke vergraben, sodass man denken könnte, er erstickt in wenigen Minuten. Auch ich entledige mich meinen Schuhen, während ich überlege, was ich tun kann, damit es ihm besser geht.

Wenige Minuten später streckt der Sportler wortlos seinen Arm nach mir aus. Er ist angekommen. Er kann sich endlich abregen. Sachte setze ich mich in die Mitte des Betts und warte darauf, dass er sich auf seinen Rücken dreht. Seine versteinerte Mimik hat sich aufgelöst. "Sorry", krächzt der Junge leise, was daran liegt, dass er seinen Hals durchstreckt, um mich von unten herauf ansehen zu können. Lächelnd verschränke ich unsere rechten Hände miteinander, "next time, at least remember to hold the door open for me."

Seine Augen zusammenkneifend fährt sich der Belgier durch seine unordentlichen Haare, weil er genau weiß, dass es nicht gerechtfertigt ist, seine schlechte Laune an mir auszulassen. Einen Moment lang muss ich daran denken, wie er sich auch während des Kämpfens immer durch die Haare streicht. Entweder ist er der einzige Judoka, der das während seiner Kämpfe macht oder es fällt mir bei anderen einfach nicht auf. Eine Angewohnheit, über die ich schmunzeln, aber zugleich auch den Kopf schütteln muss. Vielleicht sollte er sich weniger auf seine Haare und mehr auf den Griffkampf konzentrieren.

"What's wrong with me?", fragt er mich, als könnte ich ihm eine Antwort geben. "Don't you think it's normal to come back slowly after the long break?", stelle ich eine Gegenfrage. "The others are obviously not slower to build on their previous performance. It's just me who sucks." Seufzend platziere ich meine Hände auf seiner muskulösen Brust. "Sometimes you just have a bad day", behaupte ich, obwohl ich einen fünften Platz nicht als sonderlich schlecht ansehe. "But I live..."

"To be the best, I know", unterbreche ich ihn, "and you still are the best. Nobody can knock you off the first place in the world rankings." So beruhigend es auch ist, dass sich meine Hände mit jedem seiner Atemzüge heben und senken, lasse ich sie langsam in Richtung seiner Schultern wandern. Durch den Stoff des Oberteils spüre ich seine definierten Muskeln. Meine Lippen zusammenpressend gehe ich dazu über mit meinen Daumen über seinen Trapezmuskel zu streichen. Allerdings ohne jeglichen Druck, da es nicht fördernd ist eine frische Zerrung zu massieren.

"I need to train harder. In two weeks I have to perform better", setzt sich der Sportler selbst unter Druck. "We'll see", flüstere ich, angesichts der Tatsache, dass sein Nacken ihm in den nächsten Tagen sicher Probleme bereiten wird. Mit Mühe verkneife ich mir zu sagen, dass es wirklich brutal aussah, wie er auf der Matte gelandet ist. Der Nachrichtenton meines Handys hält mich sowieso davon ab. "Sag, wenn ich hochkommen und ihm in den Arsch treten soll", leuchtet die indirekte Drohung meiner Freundin auf dem Display auf.

Grinsend beuge ich mich über den Belgier, sodass sich unsere Nasenspitzen fast berühren. "You know what? It's your birthday. You shouldn't lay here grieving. Karel and Paula are waiting downstairs. We should have a drink together." Skeptisch hebt der Blondhaarige seine Augenbraue. "Should we?", schmunzelt er ein wenig später. "Yes", ziehe ich das 's' in die Länge. Nachdem ich ihm einen kurzen Kuss auf seine Wange gedrückt habe, rolle ich mich vom Bett.

"Then I should probably go change", fährt sich der Junge durch seine Haare, bevor er sich aufrichtet. "You always look good. No need to get changed", wende ich schnell ein, weil ich keine Lust habe, dass er es sich noch einmal anders überlegt, "just put your shoes on." Sofort erfüllt sein Lachen den Raum. "Yes Ma'am", wirft mir der Sportler irgendwas gegen meinen Hintern – scheinbar einen seiner Schuhe – und sorgt dafür, dass ich beinahe umfalle, da ich gerade nur auf einem Bein stehe. Als wir beide nicht mehr in Socken herumlaufen, verlassen wir schließlich das Zimmer.

Auf der zweiten Etage steigen wir aus dem Aufzug aus, um die Hotelbar aufzusuchen. Bereits aus der Ferne entdecke ich seinen Kumpel und meine Freundin. Der Braunhaarige stützt sich mit seinen Händen links und rechts von ihr ab. Genau in dem Moment, in dem sich das Mädchen zu ihm umdreht, nachdem sie etwas beim Barkeeper bestellt hat. Ihre Gesichter sind plötzlich so nah beieinander, dass der Belgier nicht mehr viele Zentimeter überbrücken muss, um das Mädchen zu küssen. Der Junge neben mir holt Luft – wahrscheinlich um den Namen seines Kumpels zu rufen.

"Wait", halte ich ihn zurück, indem ich meinen Handrücken gegen sein Sixpack schnellen lasse. Ich sehe, wie er die Situation genauer betrachtet und etwas in seinem Kopf Klick macht. "You're such a stalker", lacht der Blondhaarige leise. "I'm a supportive friend", hebe ich sowohl meine Augenbrauen als auch meinen Zeigefinger, "just like you." Immer noch lachend blickt der Junge wieder in Richtung Hotelbar. Kurz darauf lässt er ein künstliches Würgegeräusch verlauten. Jetzt bin ich diejenige, die lachen muss. "It's enough, is it?", greift er nach meiner Hand und zieht mich sanft hinter sich her.

"Someone asked for a drink with me?", stützt sich der Sportler mit seinem Ellenbogen auf der Theke ab – mit höchstens einer halben Armlänge Abstand – und lässt die Turteltauben auseinanderschrecken. "Klootzak", beschimpt der Braunhaarige seinen Kumpel sofort, während das Mädchen dem Blondhaarigen alles Gute zum Geburtstag wünscht – eine Oktave höher als normalerweise. Mit einem zufriedenen Grinsen sieht er mich an, woraufhin ich schmunzelnd meine Augen verdrehe.

"Two beers?", versichert sich der Belgier bei mir. Nachdem ich genickt habe, wendet er sich von uns ab, um uns beiden ein Bier zu bestellen. Währenddessen tausche ich mich mit meiner Freundin mit stummen Schreien aus. "Das ist so nice", ist alles, was ich hervorbringen kann. Ich bin fast genauso aufgeregt wie die Blondhaarige gegenüber von mir. "Unglaublich, oder?", fragt sie, bevor sie ihren Mund zu einem weiteren 'Ah' formt. Dass der Braunhaarige nicht weiß, über was beziehungsweise wen wir reden, bezweifle ich stark.

Als wir alle mit Getränken versorgt sind, stoßen wir noch einmal offiziell auf den vierundzwanzigsten Geburtstag des Sportlers an. Während wir immer wieder ein neues Gesprächsthema anschneiden, stoppen ständig andere Sportler bei unserem Grüppchen für ein paar Minuten, um dem Jungen neben mir zu gratulieren. Die einen kennt er weniger gut, die anderen besser. Tatsache jedoch ist, dass jeder ihn kennt und sogar weiß, dass er seinen Geburtstag feiert. Mit fortschreitender Zeit halten sich immer weniger Menschen auf der zweiten Etage auf, wodurch bei uns etwas Ruhe einkehrt. 

"Ouch", lacht meine Freundin leise, bevor sie ihren Kopf ein wenig zur Seite neigt. Grinsend stelle ich fest, dass sich der Braunhaarige daran versucht, einige Haarsträhnen des Mädchens zu flechten. Obwohl er als Judoka über eine sehr gute Koordination verfügt, fehlt diese gerade in seinen Fingern. "How about leaving it to the professionals?", schlägt sie ihm vor, während sie sich in seine Richtung lehnt. Dabei rutscht die Blondhaarige von dem Barhocker, den sie sich erst vor Kurzem herangezogen hat. Flink fängt der Junge sie auf und ergaunert sich einen kurzen Kuss.

"We should call them 'Karula'", wende ich mich an den Blondhaarigen – stelle jedoch sicher, dass ich laut genug spreche, damit es die anderen beiden auch mitbekommen. "Why?", sieht er mich mehr als skeptisch an. "Cause every OTP needs a shipname", erkläre ich, als wäre es das Logischste auf der Welt. Zwar fragt der Belgier nicht erneut nach, jedoch vermute ich, dass er eher nicht versteht, wovon ich spreche. Amüsiert abwinkend setze ich die Bierflasche zum Trinken an meine Lippen.

Im Hintergrund läuft schon die ganze Zeit Musik, jedoch wird es mir erst richtig bewusst, als 'Treat You Better' gespielt wird. Gleichzeitig suchen meine Freundin und ich Blickkontakt. Nachdem ich mein Bier hinuntergeschluckt habe, stelle ich die Flasche ab, um auf alles vorbereitet zu sein. "Lasst die Party beginnen", kichert das Mädchen neben mir. Lautstark singen wir mit und lassen unsere alten Fangirlzeiten aufleben. "Give me a sign, take my hand, we'll be fine, promise I won't let you down."

Während wir unsere gesangliche Darbietung fortführen, greift der Blondhaarige nach meiner Hand. Sofort erhöht sich mein Herzschlag, da ich mir sicher bin, dass sich die Geste auf den Text bezieht. Langsam höre ich auf zu singen, als er sein Kinn von hinten auf meine Schulter legt. "I know, sometimes I miss my aim but I really don't wanna let you down", gesteht er mir plötzlich flüsternd, "and I know, sometimes I'm too selfcentered but I'm trying." Mit meiner freien Hand fahre ich über seinen Unterarm, der auf meinem Bauch liegt. "I know", flüstere ich ebenfalls.

"Don't worry, I can't get away from you anyway." Zwar sage ich es mit einem Lachen, doch es ist die schonungslose Wahrheit. Dafür glaube ich viel zu sehr an ihn. Und das Herz will sowieso was es will. Sachte dreht mich der Sportler zu sich um. "Wouldn't know what I would do without you", sieht er mich mit seinen leuchtend grünen Augen an. "Losing your shit", werfe ich meinen Kopf in den Nacken, während ich eine Grimasse schneide. Lachend drückt der Junge mit seinen Fingern gegen meine Stirn, sodass ich meinen Kopf noch einmal in den Nacken legen muss.

"You're so weird", umfasst der Belgier meinen Kiefer mit seinen starken Händen. Keine Sekunde später liegen seine Lippen auf meinen. Schmunzelnd erwidere ich den Kuss. Meine Finger wandern automatisch in seine Haare, um für weitere Unordnung zu sorgen. Und als er den Kuss vertieft, kann ich sie nicht davon abhalten, dass sie sich auf seine trainierten Bizepse legen. Definitiv ein weiterer Punkt, weshalb ich nicht von dem Sportler loskomme. Lächelnd löst er sich gerade einmal so weit von mir, dass ich ihm in seine Augen sehen kann. "But I love it." 

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losing my shit, cause there's still no reply. 🐛

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