Dann gehen wir wohl wandern
„Na? Hat sie dich schon in den Wahnsinn getrieben?", fragt Jake als ich schließlich den richtigen Raum betrete. Er trägt seine Lederjacke nicht. Es fällt mir sofort auf. Seine Arme liegen frei. Ein ungewohnter Anblick. Einer von dem es mir von Sekunde zu Sekunde schwerer fällt die Augen zu nehmen. Bei den physikalischen Gesetzen, solche Arme sollten verboten gehören. „Eins muss ich dir lassen, du hast länger durchgehalten, als ich erwartet hätte. Sie kann einen ordentlich auf den Geist gehen."
Ich ignoriere seine Frage. Mein Blick fällt auf seinen offenen Kleiderschrank. „Willst du eine Modenschau veranstalten oder warum primadonnast du dich so auf?" Sein Kleiderschranks ist überraschend nicht schwarz. Das Innere zumindest. Auch grau dominiert nicht mehr als in anderen Schränken der durchschnittlichen Gesellschaftsschicht. Blau, grün, rot, sogar ein wenig gelb, rosa und orange lassen sich finden. Und lila ist auch nicht komplett abwesend. Nicht das man es je an seinem Erscheinungsbild bemerken würde. Grau und schwarz, so kommt er immer in die Schule. Manchmal auch mit einem weißen Shirt kombiniert.
„Mit so einer Auswahl habe ich nicht gerechnet."
Ganz ehrlich, ich dachte bis heute, dass er sogar in seiner Lederjacke schläft. Er geht nirgends ohne das Teil hin.
Jake schnaubt. „Dir ist schon klar, dass ich nicht legal dazu verpflichtet bin, dauernd nur schwarz zu tragen, oder?" Nein, nicht wirklich. Ich muss ehrlich sein, ich habe nicht daran gedacht. Schwarz und Lederjacke ist ein Klischee, das ich voll und ganz mit ihm übereingestimmt habe.
Wieder Lüge ich. „Ach?", entgegne ich so sarkastisch wie möglich. „Was du nicht sagst und ich dachte immer du gehst sogar mit deinem Jäcklein in die Sauna." Was mich ehrlich gesagt, nicht wundern würde.
„Ha ha, sehr lustig, Erdbeerschake. Und um deine Frage von vorhin zu beantworten: Ich ziehe mich nur um."
Damit, kann ich schon eher umgehen. Die Antwort fällt geschmeidig von meinen Mund, als hätte ich sie Tage zuvor einstudiert.
„Na wenn du schon drei Stunden für einen Shirtwechsel brauchst, will ich erst gar nicht wissen, wie du ihm Bad bist." Ich lehne mich gegen den Schreibtisch in seinem Zimmer. Das Ding wirkt komplett unbenutzt. „Wofür ziehst du dich eigentlich um?"
Bitte keine Party, ist mein erster Gedanke. Mein zweiter, sobald ich seinen nächsten Satz höre, ist, ich nehms zurück.
„Wir gehen wandern."
„Wandern?" Ich blicke ungläubig auf meine Kleidung herab. Sehr light academia inspiriert. Was kann ich sagen, ich bin ein kleiner Bücherwurm. Manche Klischees muss man auch einfach offen annehmen. Und der Look steht mir. Zufrieden begegne ich meiner Reflektion im Spiegel von Jakes Schrank. Die beige Hose, der hellbraune Pullover über dem weißen Hemd - es lässt mich gut aussehen. Passt zu meinen Augen. Dem blonden Haar. Es ist nur nicht gerade etwas, dass man für eine Wandertour tragen sollte.
Da hat er die Chance mir ein Date aufzuzwingen, jedes Date, und er wählt wandern? Sicher, dass er unsere Rollen nicht vertauscht hat? Er ist der Badboy, der Tunichtgut. Ich bin der smarte Einserschüler Schrägstrich Bücherwurm. Solche Dinge sind wichtig! In den Büchern verhält sich der Badboy immer moralisch fragwürdig, selbst nachdem er sich 'verliebt' hat. Er bringt seine Partner immer in die unangenehmsten Situationen.
Es ist ein alt bewährtes Skript. Welches Recht hat Jake es umzuschreiben? Das privateste an Dates, das ihm erlaubt sein sollte, ist eins im Autokino oder beim allzeit beliebten Rummachplatz, von dem ich ihn ganz schnell wieder wegzerren würde.
Ich muss meine Statistik wohl doch noch erweitern. Eine Nacht zum Verfeinern war wohl nicht genug. Zwei Nächte werden es dafür aber bestimmt sein. Und wenn ich 24/7 an dem Scheiß sitze, ich werde mich von Jake nicht ausnutzen lassen. Ich werde das Spiel besser spielen als er es je könnte, werde ihn in Sicherheit wiegen und ihm dann meinen Sieg vor die Nase knallen. Er wird nicht wissen wie ihm geschieht und danach werde ich endlich meine Ruhe haben.
Nein. Mit einem Mal stoppen meine Gedanken. Es steht noch nicht einmal fest, dass er Hintergedanken hegt. Obsessives, durchgeknalltes Verhalten kann ausgeschaltet werden, danke Schädel.
Ich nehme mir ein paar Sekunden. Drei, zwei, eins, sieben, neun, acht, zwei.
„Okay", sage ich schließlich, „gehen wir wandern."
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