Kapitel 9

Quälend schleppte ich mich zum Hintereingang des Avengers-Towers. Nie hätte ich gedacht, mich je über einen Fahrstuhl zu freuen, wobei man von wahrer Freude auch nicht gerade reden konnte. Ich war lediglich dankbar, nicht die tausende- ja vielleicht sogar Millionen- von Stufen zu laufen. Schon gar nicht in diesem Zustand, wo ich das Gefühl hatte zu schwanken, es an mehreren Stellen stark pochte und ich mir nicht sicher war, wie lange meine Beine noch standhalten würden. Ein erneuter Griff an meine Schläfe verriet mir, dass ich immer noch blutete. Mehr und mehr schien auch mein Auge anzuschwellen, sodass es wahrscheinlich schon heute Abend dick und blau sein würde. Für die nächste Zeit konnte ich es mir definitiv abschminken, mich an irgendwelche Typen ranzuschmeißen- so wie ich aussah. Aber das war ja eh nicht meine Intention, also versuchte ich mich abzulenken, während sich die Fahrstuhltür hinter mir schloss. Das gehasste Gefühl nach dem Druck, wenn es aufwärts geht, durchströmte meinen Körper und ließ trotz allem Panik aufsteigen. Ich atmete tief durch, denn diese Gedanken mussten verschwinden. Kaum hatte ich ich das gewünschte Geschoss erreicht, stolperte ich mehr oder weniger aus dem Fahrstuhl. Eigentlich war es ein Wunder, dass ich es alleine nach Hause geschafft hatte.
Immerhin überkam jetzt eine Erleichterung, frei von dem Aufzug zu sein, die jedoch sogleich wieder nachließ, als die Blicke meiner Familie sich langsam auf mich richteten. Sah ich wirklich so schlimm aus, wie ich mich fühlte? Ihre Gesichter sprachen zumindest Bände. Zögerlich hob ich die Hand und winkte.
„Hey, bin wieder da."
Steve war die Kinnlade runtergeklappt und auch die Übrigen starrten mich ungläubig an. Mit langsamen Schritten kam Bucky auf mich zu, nahm mir den Rucksack ab und hob mich einfach hoch, als wäre ich eine Feder. Clint und Natasha, die auf dem Sofa gesessen hatten, schienen zu verstehen und sprangen sofort auf, damit mein Träger mich dort ablegen konnte. „Was zur Hölle ist mit dir passiert?", fragte die Schwarze Witwe jetzt. „Schlägerei", murmelte ich beiläufig. „Hast du gewonnen?", wollte Clint aufgeregt wissen. „Nope", war ernüchternder Weise das Einzige, was ich darauf antworten konnte. „Dann musst du wohl noch ein paar Stunden bei Natasha nehmen", meinte er gelassen und zuckte mit den Schultern. Doch jetzt mischte sich Steve ein. „Langsam, Gewalt ist keine Lösung und ich werde garantiert nicht akzeptieren, dass meine Tochter jedem, der ihr begegnet, erstmal eins auf die Schnauze haut. Audrey, ich hoffe, du hast eine richtig gute Erklärung für deinen Zustand." Er klang wirklich sauer.
„Dieser Flash hat mich beschimpft und ich habe mir das nicht gefallen lassen. Dann hat er mir eine runtergezogen und ich wollte mich nicht vor der gesamten Schule als Mutant outen, deshalb habe ich verloren. Es tut mir auch leid, das meine ich wirklich ernst."
Natasha nickte verstehend. „Wie sind wahrscheinlich auch nicht gerade die besten Vorbilder für ein gewaltfreies Leben", meinte sie. „Wenn es dir wieder besser geht, bringe ich dir mal was bei. Jetzt hole ich wohl erstmal den Verbandskasten", fügte sie noch hinzu und verschwand im Flur. Steve schüttelte nur abwertend den Kopf und folgte ihr. „Mach dir nichts draus, unsere Moralpolizei kriegt sich schon wieder ein", beruhigte mich Clint und begann von einem heftigen Streit zu erzählen, der zwischen Steve und Tony ausgebrochen war, sodass sich die Avengers gegenseitig bekämpft hatten.

Ich musste irgendwann während Clints Erzählung eingeschlafen sein, denn als mich am nächsten Morgen mein Wecker aufschrecken ließ fand ich mich in meinem Schlafzimmer wieder. Kein Wunder, wenn man unter so vielen Gentlemen lebt.
Schwerfällig versuchte ich mich aufzurichten, was zunächst kläglich scheiterte. „Jarvis, schick mir mal bitte jemanden her." Stöhnend verdrehte ich die Augen, als die künstliche Intelligenz mir antwortete, wen genau ich sprechen wollte. „Keine Ahnung, vielleicht Peter und Tony oder wer auch immer wach ist." Ich hoffte inständig auf schnelle Hilfe, ansonsten wäre Schule für mich gelaufen und das wäre Flash gegenüber die reinste Blamage.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, die in der Realität gerade einmal fünf Minuten lang war, kamen Peter, Natascha und ein wirklich sehr verschlafener Tony Stark im Bademantel in mein Zimmer. „Wie geht es dir?", fragte die schwarze Witwe besorgt. „Mäßig, meine Kräfe haben mich wohl vor dem Schlimmsten bewahrt. Meine Heilung ist leicht beschleunigt, was allerdings viel Energie kostet, deswegen bin ich gestern so weggesackt. Tut mir leid, Peter." Dieser nickte nur verstehend und wirkte augenblicklich erleichtert - anscheinend plagten ihn immer noch Schuldgefühle. „Hast du es immerhin geschafft, dich mit MJ für ein Date zu verabreden?", versuchte ich vom Thema 'meine Schlägerei' loszukommen. Ja... nein... i-ich weiß nicht so recht." Ermutigend lächelte ich. „Das schaffst du." Langsam kam Tony hinter unser Gesprächsthema und begann sich aufzuplustern; sein ach so genialer Verstand war definitiv kein Morgenmensch. Erst, nachdem Peter gegangen war, räusperte er sich. „Hat er ernsthaft vor ein Date zu bekommen?", fragte Tony ungläubig. „Ja, was dagegen?" „Nein, nur... nennen wir es Intresse. Ob seine Tante wohl davon weiß?" Natascha warf mir einen vielsagenden Blick zu. „Tony, Peter wird erwachsen. Er bekommt das schon alleine hin und wird dann mit anderen darüber sprechen, wenn er sich bereit dazu fühlt." Der Ironman zog dir Mundwinkel baff nach unten, dann schien ihn ein anderer Gedanke zu kommen.
„Wie geht es eigentlich unser kleiner, nicht eigenständigen Schlägerin? Audrey, warum hast du uns gerufen?" Neugierig funkelten mich zwei Augenpaare an.
„Naja, mir geht es soweit ziemlich gut. Ich denke, dass das gröbste bereits verheilt ist, aber das raubt, wie schon erwähnt viel Energie, sehr viel Energie und ich komme nicht allein hoch. Außerdem bin ich inzwischen extrem spät dran umd müsste ausnahmsweise mal von einem unscheinbaren Wagen zur Schule gebracht werden...?", versuchte ich meine Situation den Beiden möglichst schonend beizubringen. „Audrey, wenn du nicht einmal alleine aufstehen kannst, dann hat es auch wenig Sinn, dich überhaupt zur Schule gehen zu lassen.", sagte Natascha bestimmend und verschränkte die Arme, nachdem sie Tony davon abgehalten hatte, mich hochzuziehen. „Aber wenn ich nicht zur Schule gehe, dann werde ich auf ewig die Loserin sein, die sich hat zusammenschlagen lassen und dann nicht mehr den Mumm hatte, überhaupt zu erscheinen. Ich bin sowieso schon eine Außenseiterin, ich muss nicht auch noch ein Opfer sein", protestierte ich und mein Einwand zeigte die gewünschte Wirkung. „Ich gehe mal kurz was holen", sagte Natascha knapp und verschwand aus dem Zimmer. „Schwäche... hm, du hast wohl unseren wunden Punkt getroffen", meinte Tony ehe er sich neben mir auf das riesige Bett pflanzte. Er schien wirklich müde zu sein, deshalb sprachen wir kein Wort und Tony schloss genüsslich die Augen. Leider Gottes wurde die angenehme Stille viel zu früh gestört, als Natascha mit einer Tablette und einem Glas Wasser zurückkam.

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