Kapitel 4
Audrey PoV
Am nächsten Morgen wurde ich mit dem Auto von Clint abgeholt. Ich hatte bereits meine Sachen gepackt und wartete nun vor dem Eingang des Kinderheims, als er mit hohem Tempo um die Ecke kam und neben mir anhielt. Es schmerzte mich fast schon, dass ich das Kinderheim jetzt wirklich für immer als Bewohnerin verlassen würde. Ein weinendes und ein lächelndes Auge, hatte meine Mutter immer gesagt und so sah ich auch glücklich in meine neue Zukunft.
Während der Fahrt war ich sehr unruhig und rutschte nervös auf meinem Sitz hin und her, was der Bogenschütze mit einem Lächeln quittierte.
„Aufgeregt?" Ich nickte zustimmend.
„Und wie! Schließlich kenne ich ja nicht mal alle von euch und ziehe einfach mit ihnen zusammen."
Er grinste. „Vielleicht beruhigt es dich, wenn ich dir verrate, dass alle, die dir schon begegnet sind, fast nicht geschlafen haben. Steve hat sogar wieder gezeichnet, um den Kopf frei zu bekommen und das heißt schon eine Menge."
Irgendwie entspannte mich der Smalltalk in gewisser Weise, andererseits könnte das auch einfach an Clint und seiner lockeren, bodenständigen Art liegen.
Als der Wagen am Fuß des Avengers-Towers zum Stehen kam, stockte mir der Atem. Das Gebäude war so groß, dass ich die Spitze nicht mehr erkennen konnte.
„Wow, dieses Ding ist aus der Nähe ja noch gewaltiger! Das sind bestimmt hundert Stockwerke!", rief ich.
„Naja dreiundneunzig. Stark übertreibt es gerne", kommentierte Clint trocken und signalisierte mir, ihm zu folgen.
Als wir in das Gebäude eintraten, stockte mir endgültig der Atem. Überall High Tech und Luxus, der meine kühnsten Träume übertraf. Doch die ganze Zeit über herrschte hier eine angespannte Atmosphäre, denn quer durch die Halle eilten gestresste Mitarbeiter, Security Guards checkten das Gebäude ab und überwachten die Ein- und Ausgänge und hier und dort waren auch Besucher zu sehen.
Ich wunderte mich flüchtig, wie man hier überhaupt leben konnte, bei dem ganzen Trubel, der hier herrschte. Als hätte Clint meine Gedanken gelesen, sagte er plötzlich: „Lass dich von dem ganzen hier nicht beeindrucken. Das ist reine Routine und passiert hier jeden Tag. Außerdem ist es in den oberen Stockwerken viel ruhiger. Komm, die Aufzüge sind da vorne links."
Gelassen steuerte er auf einen der Aufzüge zu und öffnete die Tür. Er trat hinein, doch ich blieb nur zögernd vor dem Aufzug stehen. Clint schaute mich verwundert an.
„Was ist denn, Audrey? Hast du etwa Angst vor Fahrstühlen?" Ich nickte leicht. „Wieso denn?" Aber ich schüttelte nur verneinend den Kopf.
„Ich möchte nicht darüber reden." Clint nickte verstehend, machte jedoch trotzdem eine einladende Bewegung in den Aufzug.
„So leid es mir tut Audrey, aber wenn du dich hier irgendwie schnell fortbewegen willst, musst du die Aufzüge nehmen. Oder willst du etwa die Treppen bis ins 78. Stockwerk laufen?"
Ich schüttelte wieder den Kopf, dieses mal jedoch mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Ich wusste, dass Fahrstühle von nun an zu meinem Alltag gehören würden also würde ich mich auch daran gewöhnen müssen. Also trat ich, wenn auch vorsichtig in den Aufzug und Clint drückte den Knopf für die 78. Langsam schlossen sich die Türen hinter mir und der Fahrstuhl setzte sich erst langsam, dann immer schneller in Bewegung.
Ich schloss die Augen. Gleich ist es vorbei, beruhig dich, sagte ich zu mir selbst und atmete tief durch. Diese Zeit über herrschte eine unangenehme Stille, nur die leise Fahrstuhlmusik lockerte die Situation etwas.
Der Grund dafür, warum ich solche Angst vor Aufzügen hatte, lag in meiner Vergangenheit, als ich gerade mal acht Jahre alt war. Bilder erschienen vor meinem inneren Auge.
Flashback:
Ich ging mit der Erzieherin durch den Laden auf einen Aufzug zu, wobei ich meinen Lollipop, den ich soeben gekauft hatte, fest in der Hand hielt.
Wir betraten den Aufzug voller Menschen und ich musste mich bemühen, still zu stehen. Langsam setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung und ich schaute zu meiner Erzieherin hinauf. Sie lächelte mich leicht an und ich lächelte zurück.
Ich war unglaublich stolz, da ich heute zum ersten Mal mit Einkaufen kommen durfte. In unserem Kinderheim war das eine große Ehre unter den Kindern, wenn man mit Einkaufen durfte. Dieser Tag wird für immer in meiner Erinnerung bleiben', dachte ich.
Das stimmte, er würde mir immer in Erinnerung bleiben, aber nicht so, wie ich es vielleicht gewollt hätte.
Plötzlich gab es einen gewaltigen Ruck und der Fahrstuhl hielt an. Etwas verwirrt schaute ich mich um, da wir das Geschoss in das wir wollten noch nicht erreicht hatten.
Ich wurde etwas nervös. Was ist passiert?
Meine Erzieherin meinte: „Keine Sorge Audrey, wahrscheinlich funktioniert nur etwas im Kontrollzentrum nicht. Wir fahren gleich weiter." Langsam beruhigte ich mich. Genau, wahrscheinlich nur ein kleiner Defekt, der gleich behoben wird und alles wäre gleich wieder in Ordnung.
Doch dann ging ein weiterer Ruck von oberhalb aus und erschütterte den gesamten Fahrstuhl. Die Leute im Fahrstuhl gerieten in Panik. Ich wurde immer weiter nach hinten gedrängt, so dass ich die Erzieherin nicht mehr sehen konnte. Ein weiterer Stoß ließ den Aufzug beben. Der Fahrstuhl rutschte ein Stück ab. Die Leute schrien auf. Pures Entsetzen machte sich in mir breit.
Was passierte jetzt? Werden wir alle sterben? Auf die gleiche Weise wie auch meine Mutter gestorben war? Mir war damals nämlich mitgeteilt worden, dass meine Mutter durch einen abstürzenden Aufzug umgekommen war.
Die Angst erdrückte mich beinahe. Meine Erzieherin rief nach mir, doch ich konnte sie nicht sehen. Ich war zu klein und die Menschenmenge im Fahrstuhl zu groß.
Auf einmal sah ich, wie die halb zu sehenden Türen des nächsten Geschosses geöffnet wurden und mehrere Leute versuchten, den Fahrstuhl zu stabilisieren und sagten: „Bitte bewahren sie Ruhe, meine Damen und Herren, es wird nichts passieren, solange sie unseren Anweisungen folgen und ruhig bleiben."
Ruhig bleiben?! Der hat sie ja nicht mehr alle! Wie soll man denn in so einer Situation ruhig bleiben? Doch tatsächlich schafften sie es, einen nach dem anderen aus dem Fahrstuhl zu holen. Jedoch war ich bisher nicht dabei, denn ich war durch die große Menschenenge nach hinten gedrückt worden.
Endlich war ich an der Reihe und ein Feuerwehrmann streckte mir seine Hand entgegen.
„Komm, Kleine. Ich helf dir. Du brauchst keine Angst zu haben." Ich zögerte.
Was wenn der Fahrstuhl genau dann ganz abrutscht? Doch schließlich drängte ich mich entschlossen vor. Am Ende sterbe ich noch, weil ich Angst hatte, seine Hand zu nehmen, dachte ich und wollte gerade seine Hand ergreifen. Allerdings hatte der Fahrstuhl mir meine Entscheidung vorweggenommen. Bevor ich auch nur eine Chance hatte zu reagieren, stürzte der Fahrstuhl ganz ab.
Ich schrie auf. Ich werde sterben, dachte ich verzweifelt, als ich fiel. Ich fiel immer weiter und weiter, bis ich von Dunkelheit verschlungen wurde.
„Audrey, ist alles in Ordnung mit dir?" Ich schreckte hoch. Clint musterte mich besorgt. „Was... äh...ja, na klar, wieso sollte ich nicht in Ordnung sein?"
„Weil du zitterst", stellte er fest. Tatsache, ich zitterte wie Espenlaub. Mein Griff um die Haltestange wurde fester und ich atmete tief durch.
„Ja... also nein... es ist kompliziert", sagte ich nach einer Weile und seufzte.
„Sagen wir so, es liegt an dem Aufzug... weil meine Mom... sie ist... also sie ist..."
Ich schluckte und versuchte, die Tränen wegzublinzeln die sich in meinen Augen sammelten. Was war nur mit mir los? Gerade eben war ich doch noch so gut gelaunt und jetzt? Den ersten Tag hier hatte ich mir ja toll versaut.
„Es ist nicht schlimm, wenn du nicht darüber reden willst", meinte Clint sanft. Ich nickte. „Schon okay, ist nur schwer zu verarbeiten." Er lächelte leicht.
Endlich öffneten sich die Türen des Fahrstuhls und ich lief erleichtert hinaus, nur um dort wie vom Blitz getroffen stehen zu bleiben. Vor mir standen alle Avengers, wenn auch ohne ihre Anzüge und blickten mich direkt an. Natasha, Steve, Tony, Bucky und Bruce lächelten, doch Thor, Rhodey und Sam sahen mich nur verwirrt an.
„Wer ist das?", fragte Rhodey misstrauisch. Ich starrte ihn nur an. Was sollte ich denn jetzt sagen? ,Hi, ich wurde hier gerade von den Avengers adoptiert und werde hier für 'ne ganze Weile wohnen, also lass dich dich nicht stören!' Desweilen begann nun auch Thor zu lächeln.
„Ah, das ist doch unsere neue Bedienstete, die bei uns wohnt, oder? Sie sieht hübsch aus", meinte er grinsend. Bitte was...?!
„Hey Neue, bring uns etwas Bier. Das muss gefeiert werden!", rief er erfreut und klatschte in die Hände, während Tony in Gelächter ausbrach und Bruce mit sich riss, lief ich knallrot an.
Das durfte doch nicht wahr sein!
Thors Gesichtszüge änderten sich schlagartig von erfreut zu purer Verwirrung.
Da ergriff Natasha das Wort: „Ähm, Thor, ich glaube, du hast das mit der Adoption noch nicht ganz verstanden. Sie bedient uns nicht, sondern wohnt bei uns, weil sie unsere Tochter wird – wenn auch nicht biologisch. Sie gehört also zur Familie", erklärte sie. Nun war Thor es, der rot wurde.
„Das tut mir außerordentlich leid, my Lady." Ich kicherte.
„Alles gut, du kennst dich ja wahrscheinlich noch nicht so gut auf der Erde aus."
Thor nickte eifrig.
„Ich finde aber trotzdem, dass gefeiert werden sollte. Immerhin haben wir jetzt ein neues Familienmitglied", meinte Tony daraufhin und die anderen stimmten ihm sofort zu. „Allerdings würde ich gerne erstmal mein Zimmer sehen."
Amüsiert schüttelte Captain America den Kopf und auch alle anderen – abgesehen von Thor – brachen in gemäßigtes Gelächter aus.
„Freut mich, dich kennenzulernen, ich bin Wanda", stellte sich mir eine Frau mit starkem Akzent vor.
„Audrey", antwortete ich freundlich. Es war ja nicht so, dass die Avengers weltberühmt waren und ich ihre Namen in und auswendig kannte, aber ich wollte nicht unhöflich sein. Die Übrigen hoben nur noch ihre Hand und nannten ihre Namen, bis sie bei Natasha und Steve ankamen.
„Darf ich?", fragte die schwarze Witwe und kam mit offenen Armen auf mich zu.
Ich nickte, schließlich konnte eine Aufregung bei all der Aufregung nicht schaden.
„Na dann, bringen wir dich mal in dein Zimmer", meinte Tony nachdem die 'Begrüßungszeremonie' abgeschlossen war, nahm Clint meinen Koffer ab und steuerte auf die Aufzüge zu.
Entsetzt schloss ich meine Augen. Bitte nicht schon wieder! In dem Moment sagte Clint: „Tony, vielleicht solltet ihr lieber die Treppen nehmen." Tony war sichtlich verwirrt.
„Wieso das denn?"
„Ich habe ziemliche Angst vor Aufzügen", beichtete ich vorsichtig.
„Wie viele Etagen ist denn mein Zimmer von hier entfernt?"
„Nur zwei Stockwerke", antwortete Tony.
„Prima! Dann können wir ja auch die Treppen nehmen." Entschlossen schnappte ich mir meinen Koffer und stapfte auf das Treppenhaus zu. Dort angekommen war es schön kühl, als ich jedoch über das Geländer blickte, wurde mir schwindelig, denn das Treppenhaus war einzige riesige Treppe, die von ganz oben bis nach ganz unten reichte.
Den Anfang und das Ende konnte ich gar nicht mehr erkennen, beide verschwanden in der Dunkelheit. Ich verdrehte die Augen – Tony Stark hatte wohl noch nie was von Sicherheit gehört.
Stark, der anscheinend nicht so angetan von meiner Selbstständigkeit war, führte mich zwei Stockwerke tiefer in mein Zimmer, wobei er die ganze Zeit über etwas von Gesundheit und Bewegung faselte.
Erneut klappte mir die Kinnlade runter, als ich das geräumige Zimmer betrat.
Es war einfach überwältigend und wunderschön, außerdem übertraf es meinen kleinen Raum im Heim an Größe um das Fünffache. Ich hatte nicht viel erwartet, auch hatte ich nie von so etwas geträumt oder war so töricht gewesen, es mir vorzustellen, aber diese weißen Vorhänge und liebevoll aufgehängten Bilder an den Wänden erwärmten mein Herz.
„Gefällt es dir?", fragte Tony, der nicht so recht wusste, was er mit meiner Reaktion anfangen sollte. Ich strahlte ihn an und umarmte ihn stürmisch.
„Ja! Danke, Tony, das ist perfekt – genau nach meinem Geschmack." Er schmunzelte, sich selbst bestätigend.
„Gut, ich hab's nämlich selbst eingerichtet. Ach ja, Bad, Küche, Esszimmer und Schlafzimmer befinden sich dahinten", sagte er und deutete mit dem Arm hinter mich. Ungläubig löste ich mich aus der Umarmung und starrte ihn an.
„Was ist denn? Dachtest du etwa, du würdest nur ein Zimmer bekommen? Pff, das ist ein Appartment und du wohnst ab jetzt hier. Du kannst ja jetzt erstmal auspacken, später wird dir Steve noch die wichtigsten Etagen zeigen, wo sich der Trainingsraum, der Versammlungsraum und so weiter, befindet. Was übrigens 'ne Weile dauern kann."
Er zwinkerte mir zu und verließ den Raum, wobei er diesmal den Fahrstuhl nahm.
Nun war ich alleine hier, immer noch staunend schritt ich in meinem „Apartment" herum. Das Bad war sehr modern, doch trotzdem wunderschön eingerichtet. Mehrere Pflanzen standen dort und schufen eine angenehme Atmosphäre. Mein Schlafzimmer war wohl das Highlight, denn mein Bett war ein großes Doppelbett, was nebenbei erwähnt, auch ein Wasserbett war.
Durch die riesige Fensterfront hatte ich eine Panoramasicht auf New York, was so schön war, dass es mir den Atem raubte. Außerdem stand hier noch eine hellgraue Couch, mit einem weißen Flauschteppig. Dennoch war das Beste von allem mein Kleiderschrank, mein begehbarer Kleiderschrank, mit unglaublich vielen Klamotten darin. Jemand musste wohl gewusst haben, dass ich nicht viele Kleider besaß und hatte nichts an Kosten gescheut, um dieses Ding zu füllen.
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