Kapitel 21
Ich stiefelte gerade von der Schule heimwärts. Den Bus hatte ich mit Absicht verpasst, denn der alltägliche Spaziergang nach Hause war das Einzige, was ich abgesehen vom Inneren des Avengers-Towers noch sehen konnte. Es machte auch sonst keinem was aus, genauso wenig wie der Bus, den ich mit Freuden täglich an mir vorbeifahren ließ. Eigentlich hatten sich alle damit abgefunden, abgesehen von Tony, wegen dem ich überhaupt noch Hausarrest hatte. Für mich gab es momentan nichts schöneres, als an den Hochhäusern und hupenden Autos, die mal wieder in einem der unzähligen Staus steckten, genüsslich vorbei zu trotten. Außerdem konnte ich so auch Hanna treffen, wenn ich sie dazu überredet bekam, auch nach Hause zu laufen. Sie war ziemlich träge, sah aber genauso wie ich die Chance, sich mit mir außerhalb des Unterrichts und den Pausen zu treffen, also kam sie ab und zu mit.
Jedoch nicht heute, denn heute musste sie pünktlich zu Hause sein. So schlich ich alleine meinen Weg entlang. Der Himmel war wolkig und die Luft schwül, mit Sicherheit würde es noch im Laufe des Tages regnen. Generell hatte ich in letzter Zeit Probleme, Dinge zu finden, die mich aufheiterten. Seitdem Peter mit MJ zusammen war, bekam ich ihn kaum noch zu sehen. Gedankenversunken schlenderte ich weiter und kickte einen kleinen Stein vor mir her.
Plötzlich rempelte mich jemand grob am der Schulter an. Erschrocken fuhr ich herum. „Sag mal, hast du sie noch alle?", machte ich den Fremden an. Auch die gebückte, schwarze Gestalt, die mich fast zu Boden gerissen hatte, drehte sich zu mir um. Sofort erstarrte ich.
„Loki." Es war mehr ein Wispern als richtiges Sprechen. Ich ging auf ihn zu, denn er schien mich noch nicht erkannt zu haben. Als ich eine Hand auf seiner Schulter platzierte, zuckte er verschreckt zusammen. „Au!", fluchte der Gott und erst jetzt blickte er auf.
„Audrey, was?" Verwirrung machte sich auf seinem Gesicht breit. „Das könnte ich dich genauso gut fragen. Ich wohne immerhin auf diesem Planeten und dieser Stadt." Als Antwort bekam ich nur unverständliches Gemurmel. „Jetzt rück schon raus mit der Wahrheit. Im Übrigen siehst du grauenvoll aus."
Es stimmte, Loki war mit Schrammen übersäht und seine miserable Haltung zeugte von weiteren Blessuren.
„Ich war beim Tempel in New York, bin... nein, war auf der Suche nach einem Artefakt." Er stöhnte, was mich dazu bewegte, ihn etwas von der Seite zu stützen- wäre ja nicht so, als würde ein recht kleines, zierliches Mädchen da was ausrichten können.
„Bist du dir sicher, dass du keine bewusstseinserweiternde Substanz genommen hast?", fragte ich scherzend und vorsichtshalber. „Was? Nein!", wies Loki meine These empört ab. Auf meine Bewegungen hin schleppten wir uns gemeinsam vorwärts. „Ich spreche von dem Auge von Agamotto, was ich in der Bibliothek von Kamar-Taj lokalisiert habe." In meinem Kopf bildeten sich nur noch Fragezeichen. „Und?", forderte ich meinen unfreiwilligen Begleiter auf, fortzufahren.
„Anscheinend ist es auch dort, sonst hätte mich dieser verflixte Magier nicht so herzlich empfangen. Bei Odins Bart, das werden sie bei der nächsten Gelegenheit zurückbekommen", fluchte er weiter, ließ jedoch zwischendurch eine gewisse Ironie mitklingen. „Und was hast du jetzt mit deinem ach so tollen Artefakt vor?"
Loki schüttelte nur den Kopf. „Hast du mir nicht zugehört? Ich habe den bescheuerten Stein ja nicht mal. Wie ich diese Hokuspokus-Typen einschätze, werden die erst Ruhe geben, wenn sie sich sicher sind, dass ich weg bin." Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch, da ich immer noch nicht sein eigentliches Problem oder seine Intention verstanden hatte. „Also verschwindest du wieder?", fragte ich und musste mich beherrschen, nicht traurig zu klingen. „Ja, so schnell es geht, so weit es geht weg von hier", gestand er. „Aha, soll ich Thor was ausrichten?" Abrupt blieb der Gott des Unheils und Schabernacks wie angewurzelt stehen.
Er richtete sich leicht auf und starrte mich mit einem undefinierbaren Blick an. „Da steckt kein anderer Beweggrund hinter als Freundlichkeit?" Wütend blickte ich zu ihm auf. „Himmel, nein, mit Sicherheit nicht!", fuhr ich ihn an. Missbilligend drehte er den Kopf zur Seite und überflog mit den Augen unser Umfeld.
„Also gut, dann sag meinem Bruder bitte, dass ich Midgard wieder verlasse und wahrscheinlich zunächst in Vanaheim untertauche. Danke, Audrey."
Mit diesen Worten verwandelte er sich in einen der vorüberlaufenden Passanten und verschwand in der Menge. Baff und perplex stand ich da und starrte hinter ihm her. Schließlich setzte ich kopfschüttelnd meinen Weg zum Avengers-Tower fort. Im der allergrößten Not, das wusste ich, würde Heimdall ihm helfen oder jemanden zu ihm schicken.
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