Kapitel 6
Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen.
Mein Herz raste, meine Lunge fiepte und ich konnte mich beim besten Willen nicht beruhigen. Ich war gerannt, als ginge es um mein Leben. Meine Gefühle machten Loopings und in mir drehte sich alles.
So viele Fragen. Mit einem Mal hatte ich so viele Fragen.
Ich fühlte mich, als wäre die Zeit zwei Jahre zurück gedreht. Diese Augen. Diese unendliche Tiefe in diesem Seegrün seiner Augen.
Er hatte auf der anderen Straßenseite gestanden und doch schien es mir, als hätte ich seinen Atem in meinem Nacken gespürt.
Er war wieder da.
Er war wieder da?
Seit wann?
Wieso?
Was war in der Zwischenzeit passiert?
Warum hat er sich nicht gemeldet?
Alle Erinnerungen an die nicht schöne Zeit unserer Fernbeziehung kamen wieder hoch. Wir hatten viel telefoniert und uns geschrieben. Doch wie das eben so ist: jeder hatte sein eigenes Leben und seine eigenen Probleme. Wir haben beide gemerkt, dass es irgendwie... nicht mehr lief. Justin hatte das dann eines Tages angesprochen. Er sagte, dass er nicht absehen könnte, wann er wieder zurück kommen würde. Wir hatten beschlossen, vorerst zu pausieren.
An jenem Abend war ich mit seinem Abschiedsbrief, den er mir geschrieben hatte, bevor er in das Flugzeug gestiegen war, im Arm eingeschlafen. Einige Tränenspuren waren darauf.
Das alles hatte ich mühevoll verarbeitet. Und mit einem Mal - mit einem Blick war alles wieder aufgebrochen.
Ich war einfach gerannt, weg von der Schule. Nun stand ich in irgendeiner Seitenstraße, mit dem Rücken an eine Hauswand gelehnt. Mein Kopf sagte mir, dass ich irgendetwas tun sollte, doch ich wusste beim besten Willen nicht, was.
Jetzt einfach zurück zur Schule? Mitten in der Stunde? Was wäre meine Entschuldigung? Und was, wenn Justin noch da stand?
Gerade hatte die zweite Stunde begonnen, als ich mich endlich wieder zur Schule traute.
Fast ängstlich schaute ich mich mehrmals zu alles Seiten um. Justin war nirgends mehr zu sehen.
An diesem Abend fiel ich wie ein Stein in ümein geliebtes Bett. Doch obwohl ich unendlich müde war, wollten meine Gedanken nicht still sein. Ich war aufgewühlt. Umgekrempelt.
Wie konnte das sein?
Warum hat er nicht Bescheid gesagt?
Meine Erinnerungen gingen zurück an den Tag, als wir uns kennen gelernt hatten. Ich könnte heute noch vor Scham im Erdboden versinken. Damals hatte ich Tollpatsch in einem Geschäft mehrere Regale umgeworfen und der Filialleiter hielt nicht so viel von meiner gestammelten Entschuldigung.
Und einfach so mir nichts, dir nichts kam Justin und zahlte den Schaden. An diesem Tag hatte ich mich in seine Augen verliebt. In die seegrünen, tiefen, geheimnisvollen Augen.
Und ich wusste noch, wie ich damals das Grübchen an seinem Kinn beobachtet hatte, welches immer dann zum Vorschein kam, wenn er gelächelt hat.
In meinem Hals bildete sich ein Kloß. Das alles war tief in meinem Hefzen verschlossen gewesen. Und nun war alles wieder aufgebrochen.
Wie konnte das weitergehen?
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