Giuramento di sangue | parte I

Wer auch immer Nathanael Devilicis sah, war sich sicher, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Er war seltsam, seine Erscheinung in der altertümlichen Kleidung nahezu grotesk. Das einzig moderne, aus diesem oder dem letzten Jahrhundert, war eine Sonnenbrille, die er stets trug.
Trotz seiner Eigenartigkeit mochten die Leute, die in der kleinen Stadt nahe York wohnten, den jungen Mann sehr. Oft traf man ihn Abends an, in der gemütlichen Bar am Marktplatz verbrachte er seine Nächte, trank Wein und hörte den Leuten, die etwas auf dem Herzen hatten, genau zu, bevor er ihnen kluge Ratschläge gab.
Wenn man den Alten und Dementen von der unerwarteten Hilfe berichtete, konnten auch sie sich Nathanael Devilicis entsinnen. Ein junger Mann, mit Italienischen Wurzeln, den es in den 1970ern nach Amerika verschlagen hatte. Es war die selbe Person, was nach einigen weiteren Überlegungen auffallen dürfte, doch keiner machte sich großartig Mühe, weiter darüber nachzudenken.
Das Rätsel Nathanael Devilicis zu lösen war daher mit einigem Hintergrundwissen nicht sehr schwer. Man müsste meinen, die Leute erkannten einen Vampir wenn sie einen sahen, doch entweder hatte bisher niemand etwas gemerkt, oder es war bei allen, die etwas erkannten, diese Erinnerung abhanden gekommen.
Oh ja, er war ein Vampir. Ein recht alter und ziemlich mächtiger sogar.
Im hierarchischen  System der Vampire ging es oft um die Macht eines Individuums, was Nathanael im Normalfall eine höhere Position verschaffen könnte. Zudem rankten sich in den Reihen seiner Art zahlreiche Legenden um seinen Namen und seine Taten.Und doch nannte er die kleine Stadt nahe York sein Exil. Eine weitere Besonderheit an Nathanael Devilicis, die es sich weiter zu beleuchten lohnt. Um also die Gegenwart besser zu verstehen, müssen wir in die Vergangenheit blicken.

LONDON, 1879

Fluchend stapfte der junge Mann durch das knöchelhohe Wasser, dass Londons Straßen füllte. Seit Tagen regnete es über den britischen Inseln, ein Regenguss folgte dem Nächsten. Der Mantel und der, für die Hauptstadt untypische, Hut des Mannes trieften bereits, als er den Stadtteil Soho erreichte. Hier reihte sich ein edel aussehendes Geschäft an einen Pub voller reicher Leute nach dem Nächsten. Er konnte nach wie vor nicht ganz glauben, dass sich das widerliche Pack nach dem er suchte in einer noblen Gegend wie dieser aufhielt. Doch sie waren schon immer eitel gewesen, daher hatte er sich sogleich aufgemacht, als sein Kontakt ihm von der heutigen Veranstaltung erzählte. Als Vampirjäger bekam man dieser Tage immerhin nicht mehr sonderlich viele Aufträge. Nicht immer war an diesen Aufträgen etwas dran, immer öfter spielte die Paranoia der Leute ihnen einen Streich und auch die Vampire zogen sich immer mehr in die Schatten, aus denen sie gekrochen waren, zurück. Kaum noch konnte er das Handwerk ausführen, dass sein Onkel ihn gelehrt hatte. Es könnte ihm ja auch recht sein, würde das nicht bedeuten, er wäre arbeitslos und eine alte Familientradition damit beendet.
Er betrat ein kleines Hostel, im Hinterhof des Pubs, in dem sich laut seines Kontaktes, die Vampire befanden. „Guten Abend.", begrüßte er den alten Herrn hinter dem Empfangstresen höflich. „Ich hatte ein Zimmer reserviert."
„Name?", fragte der Alte mit knarziger Stimme. „Wie bitte?", fragte der junge Mann irritiert. Er hatte sich die Leute in London weitaus höflicher vorgestellt. „Wie lautet Ihr Name", wiederholte der Greis und sah ziemlich zornig aus. Obwohl der Jüngere nicht sagen konnte, ob es nicht einfach sein normaler Gesichtsausdruck war. „Van Helsing." Der Alte blätterte durch ein Register, bevor er grunzte und dem Mann mit dem eigenartigen Namen einen Schlüssel aushändigte. Dieser zog den Hut und begab sich dann auf die Suche nach dem Zimmer.
Er war, zugegebenermaßen, ziemlich enttäuscht von dem Zimmer. Das Bett knarzte und der Schimmel zog sich ungestört über die Wände und vegetierte fröhlich vor sich hin. Van Helsing hatte schon Gruften gesehen die gemütlicher waren. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass es nicht für lange sein würde. Nur für diese Nacht. Die Zeit bis Sonnenuntergang nutzte er, um sich vorzubereiten. Er polierte das Silber, spitzte einige Pflöcke zu und lud seinen Revolver.
Direkt nachdem die Nacht hereingebrochen war, begab er sich auf seinen vorübergehenden Beobachtungsposten auf dem Dach. Der Regen hatte aufgehört, also genehmigte sich Van Helsing eine sogenannte Zigarette, während er das gegenüberliegende Gebäude beobachtete.
„Interessante Art des Tabakkonsums.", ertönte eine fremde Stimme hinter ihm und er erschrak so sehr, dass er sich am Rauch verschluckte. Überrascht drehte er sich um und sah einen jungen Mann, höchstens Mitte zwanzig auf dem Betonklotz sitzen, in dem sich die Tür befand. Wie konnte das sein? Van Helsing hatte das Dach doch gesichert! „Oh ja. Es ist eine nette kleine Erfindung namens Zigarette, die ich auf einer Reise im Süden Frankreichs kennenlernte. Sie sind viel praktikabler als Zigarren, wenn man viel und mit wenig Gepäck reist.", erklärte er und musterte den Unbekannten misstrauisch. Der lebhafte Blick harmonierte in keinster Weise mit dem glatten Anzug und der kalten Miene. „Wie unhöflich von mir!", rief der Fremde und sprang herunter. „Ich habe mich Ihnen noch garnicht vorgestellt. Mein Name ist Nathanael. Nathanael Devilicis." Er deutete eine Verbeugung an. „Und Sie sind?", fragte Mr Devilicis freundlich. „Van Helsing. Abraham Van Helsing.", erwiderte er kühl und wünschte, der eigenartige Herr würde verschwinden. Ihm gefiel es nicht besonders, der Vampirparty den Rücken zuzuwenden.
„Doch nicht etwa einer der Van Helsings?" Er grinste und entblößte somit ein Paar strahlend weißer Fangzähne. Van Helsing schluckte und griff nach seinem versilberten Kreuz. „Auch wenn ich Abraham älter in Erinnerung habe. Was ist passiert, sind Sie etwa in einen Jungbrunnen gefallen?", sprach der Vampir ganz unverblümt weiter und näherte sich dem Menschen. Dieser wurde zunehmend nervöser, bewahrte jedoch seine kühle Maske. „Keinesfalls, ich bin sein Enkel.", sagte er und behielt jede kleinste Bewegung seines Gegenübers im Auge. „Natürlich, darauf hätte ich auch so kommen können." Der Blutsauger schüttelte den Kopf und schlug sich mit der Handfläche gegen die Stirn.
Dann machte er plötzlich einen Satz nach vorne. Erschrocken riss Van Helsing das Kreuz hoch und shrie. „Weiche!"
Der Vampir lachte nur und lehnte sich gegen das Geländer, welches das Dach umschloss. Er hatte dem Anderen den Rücken zugewandt. Der Vampirjäger hätte leichtes Spiel mit ihm. „Sagt mir, habt Ihr den Wunsch zu sterben?", misstrauisch näherte er sich dem Geländer. „Nicht wirklich, nein. Auch wenn eine einsame Unendlichkeit wenig wert ist.", er seufzte. „Doch ich hatte nie die Absicht oder den Wunsch Euch etwas anzutun. Ich bin des sinnlosen Tötens müde." Einen kurzen Moment war Van Helsing erstaunt. Dann besann er sich eines Besseren. Diese Monster verdienten kein Mitleid. Noch immer wachsam lehnte er sich neben dem Anderen gegen das Geländer. „Darf ich fragen, wie alt Ihr seid?", fragte er. Es interessierte ihn ehrlich, da der augenscheinlich junge Mann ziemlich weise war, was von Lebenserfahrung zeugte. „Beinahe 400.", antwortete Nathanael abwesend, auf das Gebäude vor ihnen fokussiert. „Und wieso sind Sie nicht dort drinnen?", fragte Van Helsing, dem sehr wohl aufgefallen war, dass seine ungewünschte Gesellschaft überraschend ruhig geworden war. „Mein Vater wird dort sein." Der Vampir seufzte. „Er erwartet viel von mir. Meine ganze Familie hofft, dass ich endlich so weit bin, um zu einem Vampirfürsten zu werden."
Van Helsing nickte, obwohl ihm klar war, dass er nicht beachtet wurde. „Das Gefühl kenne ich. Von mir wird erwartet, dass ich die Familientradition fortführe. Doch irgendwie wird es immer schwerer." Der Vampir gab einen zustimmenden Laut von sich und strich sich eine Strähne des dunkelbraunen Haares aus der Stirn. „Sie sind also alle Euretwegen hier?", fragte er, in dem Wissen, dass solche Veranstaltungen sehr exklusive Events für die Vampire waren. „Nein, nicht wirklich, es wäre nur ein netter Bonus, den Vater sich erhofft. Außerdem möchte ich Ihnen das Du anbieten." Überrascht runzelte der Vampirjäger die Stirn. Was plante er nur? „In Ordnung. Bietest Du mir etwa eine Art Partnerschaft an?" Der Vampir schien zu überlegen, bevor er nickte und Van Helsing die Hand reichte. „Wäre interessant, nicht? Ich beschaffe Dir ein paar Informationen hier und da und im Gegenzug, verbringst Du etwas Zeit mit mir."
Der Mann schlug ein. „Deal, auch wenn mir das ein unfairer Handel zu sein scheint." Nathanael grinste nur und schüttelte den Kopf. „Es ist mehr als fair. Sonst bringt diese verdammte Einsamkeit mich noch um. Und bevor Du fragst, ich habe es satt Zeit mit  Leuten zu verbringen, die ihre Nase so hoch im Wind tragen, dass sie den Boden unter ihren Füßen nicht mehr sehen können." Van Helsing nickte, er verstand.
„Du suchst also nach einem wahren Freund? Das ist nichts, was aus dem Nichts entsteht. So etwas braucht Zeit." Er überlegte. „Ich denke, ich werde mir die Zeit nehmen müssen."

AMSTERDAM, GEGENWART

Dichter Nebel hate sich über die Stadt gelegt und verstopfte die Straßen. Es war kein sonderlich schöner Abend, um draußen zu sein, was zwei britischen Touristen gerade recht war. Die Frau hatte den Tag mit Sightseeing verbracht, wohingegen der junge Mann nicht sonderlich daran interessiert war, sich die Stadt anzuschauen, mit der er nicht besonders viele schöne Erinnerungen verband. Ihr Ziel war der alte Friedhof.
„Meister, seid Ihr sicher, dass uns niemand daran hindern wird, mitten in der Nacht den Friedhof zu betreten?", äußerte die Frau ihre Bedenken. „Bei dem Wetter? Auf keinen Fall.", murmelte er und zog seinen langen Mantel enger um sich. Er hasste es, wie die Kälte unter seine Kleidung kroch. Bei diesem Wetter würde der Friedhofswärter sicher nicht freiwillig seine Obdach verlassen um über den ohnehin verlassenen Friedhof zu laufen. Und wenn doch, hätte sich das ganze mit einem schnellen Biss in die Kehle erledigt, da war Nathanael sich sicher. Sie kamen an ihrem Zielort an. Die Pforte war verschlossen.
„Und jetzt?", fragte die Frau und sah ziemlich ratlos aus. „Darf ich bitten Helen?", fragte der Vampir und deutete eine Verbeugung an. Er hatte seine Vertraute in den letzten Jahren sehr lieb gewonnen, weshalb er sich auch zunehmend darum bemühte die Menschenfrau in einen Vampir zu verwandeln, ohne ihre Seele zu nehmen. Es gestaltete sich schwieriger als gedacht.
Helen reichte ihm die Hand und kurzerhand hob er sie in die Luft. Im nächsten Moment hatten sie die Mauer überquert. „Ich hasse es, wenn Ihr das tut.", murrte sie und vergrub die Hände in ihren Jackentaschen. „Wohin geht's?" Er deutete mit dem Kopf eine Richtung an. Weiter zwischen den Gräbern hindurch. Sie müsste lügen, würde sie behaupten, dass ihr das gefiel. Dennoch ging sie mit. Sie hatte das Gefühl, auf ihn aufpassen zu müssen, damit er sich nicht in Schwierigkeiten brachte.
„Hier ist es.", sagte er als sie zwischen den verwitterten Steinen standen. „Sicher?" Helen wusste, dass ihr Meister manchmal etwas zerstreut war, weswegen sie ihn auch oft bemutterte. „Ja, ziemlich schade, dass es ein anonymes Grab ist. Eine Statue wäre angemessen gewesen." Er strich vorsichtig über den Grabstein. Sie gab Nathanael diese Zeit, obwohl sie lieber wegrennen wollte. Er sprach nicht besonders oft darüber, doch die Geschehnisse die zu diesem Moment geführt hatten, hatten ihn gebrochen. Also ließ sie ihn machen. Es war seine Entscheidung.
„Lass uns anfangen.", sagte er und der brennende Blick fixierte den seiner Vertrauten. Erleichtert nahm sie die schwarze Tasche ab und holte zwei Klappspaten heraus. „Klingt gut." Sie sprachen nicht viel, während sie gruben. Allgemein sprachen sie nicht viel. Nicht mehr. Sie verstanden einander auch ohne Worte.
„He! Was soll das werden ihr Halunken?!", rief eine Stimme, als die Grube bereits reichlich tief war. Der Friedhofswächter hatte sie entdeckt. „Ich kläre das. Du gräbst weiter.", sagte Nathanael und ging zu dem älteren Mann herüber, redete beruhigend auf ihn ein. Helen konzentrierte sich nur auf die Grube vor ihr, als unmittelbar darauf ein ersticktes Gurgeln zu hören war.
„Entschuldige bitte.", sagte Nathanal als er sich wieder zu ihr gesellte. Er wischte sich das restliche Blut aus dem Mundwinkel. „Schon gut. Dann ist wenigstens das schon erledigt." Er sah ein wenig gekränkt aus. Sie zuckte mit den Schultern und stach den Spaten ein weiteres Mal in die Erde, als ein dumpfes Geräusch ertönte. Das Geräusch von Metall auf Holz. Sie sahen einander an. Dann sprang Nathanael herunter, seine Vertraute reichte ihm ein Brecheisen. Mit einem gekonnten Handgriff hebelte er den Sargdeckel auf und Helen fragte sich, wie oft er das wohl schon gemacht hatte.
Nathanael griff in den Sarg, der Mond brach hinter den Wolken hervor und ließ den Schädel, den der Vampir aus dem Sarg holte, weiß im hellen Mondlicht leuchten.
„Hallo Abraham.", sagte der Vampir und betrachtete den Knochen genau. „Lange nicht gesehen."

Dezember 2023, 2040 Wörter

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