8

Betrübt warf ich einen letzten Blick in die Richtung meiner Mutter, sie schlief tief und fest. Manuel war bis zum späten Nachmittag mit mir bei meiner Mutter daheim gewesen. Wir erzählten dem Vampir Geschichten aus meiner Kindheit und Jugend, nebenbei kochte ich eine warme Gemüsebrühe und lächelte so viel wie schon lange nicht mehr, aber irgendwann mussten wir wieder zurück zu Manuels Burg gehen. Meinen Vater sah ich am heutigen Tag leider nicht wieder, aber das war gerade eben nicht wichtig. Am nächsten Sonntag würde ich den älteren Herrn wiedersehen und auch er würde den Grünäugigen kennenlernen dürfen, wenn dieser denn überhaupt noch einmal mitkommen würde. Anders als erwartet war das hier ein angenehmer Tag, ich fand es schön meine Mutter lachen und lächeln sehen zu dürfen, doch leider endete dieser Tag viel zu schnell. Schon jetzt freute ich mich unendlich sehr darauf wieder hier her gehen zu dürfen, so konnte ich mein Leben tatsächlich in Ruhe leben, wie ich glaubte. Kein Widerwort legte ich ein, als mir mein Arbeitgeber verkündete, dass wir zurück gehen würden und nachdem ich noch ein kleines bisschen Brot gegessen hatte, verließ auch ich das kleine Häuschen meiner Mutter, so wie es mein Herr zuvor getan hatte.

Ein sanftes Lächeln legte sich auf meine Lippen, als ich eilig meinem Herrn hinterher ging und wieder genau neben ihm ankam, so wie er es zu Anfang des Tages von mir verlangt hatte. Etwas verwundert stellte ich fest, dass der Langhaarige nicht gerade glücklich schaute. Das Gegenteil war der Fall, der Größere war plötzlich ganz blass in dem Sonnenlicht der untergehenden Sonne und ich senkte meinen Blick leicht, ich wollte ihn nun nicht verärgern. Ruhig wollte ich gerade damit beginnen mich bei dem Grünäugigen für diesen schönen Tag zu bedanken, als er zu reden begann. „Claus wird dich am nächsten Sonntag hier hin begleiten und nicht ich. Dieses ganze Lachen und reden nervt mich viel zu sehr, als dass ich es noch einen weiteren Tag aushalten könnte!", erzählte mir mein Nebenmann und ich blickte etwas enttäuscht zu ihm, er schien nicht so viel Freude zu empfinden wie ich. Wie kam es nur, dass Manuel den ganzen Tag über lachen konnte und glücklich war, um nur einen kleinen Moment später sein Lächeln zu verlieren und grimmig zu werden? So langsam vermutete ich, es lag an mir, dass er so gemein war. „Wie Ihr möchtet, Herr..., meine Mutter hat sich trotzdem sehr darüber gefreut Euch kennengelernt zu haben und ich fand diesen Tag auch sehr schön!"

Desinteressiert wurde ich angeblickt, meine Worte waren für den Älteren nichts wert. „Schweig still, dummer Mensch! Ich möchte jetzt einfach in Ruhe und Stille nach Hause gehen, um dort all das tun zu können, was ich heute wegen dir und deiner Familie nicht tun konnte. Und du wirst ab jetzt so lange schweigen, bis ich dir wieder erlaube zu sprechen, sonst binde ich dich an einen Baum und lasse dich den Wölfen in der Nacht als Fraß hier!", nörgelte der Vampir an meinem Verhalten herum und ich schaute nun enttäuscht zu Boden, fühlte mich schlecht. Manuel sah mich als einen dummen Menschen, er verabscheute mich und meine ganze Familie und ich konnte mir nicht erklären warum. Den ganzen Tag über war ich so nett zu ihm gewesen, ich beschwerte mich über nichts und nun bekam ich meinen Lohn dafür, seine schlechte Laune. Ein einziges Mal schniefte ich und kämpfte gegen meine aufkommenden Tränen der Trauer an, solch eine herzlose Behandlung hatte ich nicht verdient. Ich gab mir doch Mühe dabei den Grünäugigen nicht zu verärgern und ihm ein guter neuer Mitbewohner zu sein, aber offenbar brachte das nichts, leider.

Den gesamten Weg nach Hause über schwieg ich still und folgte dem Vampir unauffällig, ich wagte es nicht einmal wieder aufzuschauen oder einen Laut von mir zu geben, bis ich einfach nach oben in mein Zimmer ging. Ich wünschte Manuel keine gute Nacht, ich schwieg und zog mir oben in meinem Gemach angekommen meine Jacke aus, um mich erschöpft in mein Bett legen zu können. Es störte mich zu wissen, dass all meine Mühen mich mit meinem Herrn anzufreunden nichts nützten, da ich für den Brünetten einfach nur ein dummer Mensch war, den er mit durch füttern musste. Würde ich mein restliches Leben lang von einem älteren Mann, einem Vampir, immer wieder zurecht gewiesen werden, obwohl ich nichts schlechtes tat? Meine einzige Möglichkeit in Ruhe leben zu können war es, dem Größeren aus dem Weg zu gehen und das würde ich auch tun, egal wie. Ob dieser Kerl wohl schon immer so herzlos und gemein gegenüber Menschen war? Claus behandelte der Grünäugige freundliche, auch ihm gegenüber war er recht kalt, aber dennoch war er sehr viel lieber als er es mir gegenüber war und ich verstand nicht woran das liegen könnte. Woher kam Manuels Hass gegenüber Menschen und warum musste er diesen an mir auslassen?

Still schloss ich meine Augen und versuchte einzuschlafen, aber ich konnte nicht. Die Tür zu diesem Raum öffnete sich leise und ich hörte wie sich jemand einmal räusperte, nur um schließlich eintreten zu können. „Guten Abend, Patrick! Schau Mal, ich habe dir Nudeln gekocht, wenn du noch Hunger hast! Dazu gibt es Bratensauce..., magst du etwas essen?", fragte mich Claus mit sanfter, ruhiger Stimme und ich bewegte mich nicht, ich hatte keine Lust etwas zu essen. Noch immer hatte mir mein Gastgeber nicht wieder erlaubt zu sprechen und aus Angst noch ein weiteres Mal so angemeckert zu werden wie vorhin, würde ich schweigen. Es war bereits dunkel und ich durfte noch immer keine einfache, kleine Kerze haben, weshalb ich mich ausschließlich auf mein schlechtes Gehör verlassen musste, welches mir sagte, die Schritte kamen näher. „Patrick? Geht es dir gut? Ich weiß, dass du wach bist und du musst etwas essen, sonst wirst du krank...", fragte mich der Werwolf sanft und schniefend setzte ich mich auf, nein, mir ging es gar nicht gut. Ich fühlte mich einsam, traurig und war verletzt, ich hatte Angst vor einer Strafe, die mir mein Herr geben könnte und Manuel kümmerte sich nicht darum.

Erschrocken atmete der Braunäugige auf, als er mich schniefen hörte. Den Teller mit den Nudeln stellte er einfach ruhig auf den Nachttisch neben meinen Bett, um sich vorsichtig neben mich setzen zu können. „Du weinst ja gleich, Patrick! Vermisst du deine Eltern etwa?", wollte der Größere wissen und nun schluchzte ich tatsächlich, Claus wollte sich um mich kümmern. Tränen rannen mir über die Wangen und ich kniff die Augen zusammen, fühlte mich elendig, einfach schwach. Bestimmt würde Manuel nun über mich sagen, dass ich ein schwächlicher, kleiner Mensch war und ich konnte es nicht einmal bestreiten, denn ich war genau das. Schon immer war ich schnell zum weinen zu bringen gewesen, aber ein Problem stellte das für mich nicht dar. Ich zeigte meine Gefühle eben offen und das war nicht falsch. „Möchtest du umarmt werden? Ich bin nicht deine Mutter oder dein Vater, aber ich wäre sehr gerne für dich da, wenn du das willst...", bot mir der Langhaarige an und leicht nickte ich, so nett wie dieser Kerl war, war kaum jemand zu mir. Schon lange nicht mehr wurde ich von jemandem umarmt, denn wer umarmte schon einen jungen Mann? Niemand wollte das, denn Männer brauchten wohl nicht so viel Liebe wie Frauen, so nahm es die Gesellschaft wahr.

Schutzsuchend rutschte ich ein wenig nach links, sodass mich mein Beschützer nun liebevoll umarmen und an sich heran drücken konnte. Sanft strich er mir über mein kurzes, wuscheliges braunes Haar und nickte. „Alles wird wieder gut..., magst du nicht darüber reden wie du dich fühlst? Ich höre dir zu...", wisperte mir der Lockenkopf in mein Ohr und betrübt schüttelte ich meinen Kopf, ich durfte nicht sprechen. Bei meinem Glück würde Manuel mich sprechen hören und auf der Stelle aus dem Fenster schmeißen, lieber ließ ich mich einfach umarmen und genoss die Nähe einer anderen Person. Claus war ein so lieber Kerl und ich war dankbar für seine Sanftheit mir gegenüber, so war sicherlich nicht jeder Mann auf dieser Welt. Leicht nickte der Ältere, er wollte mich zu nichts drängen. „Wie du möchtest, Patrick..., dann umarme ich dich eben nur!", bestätigte mir der Braunäugige und ich schluchzte einfach weiter, fühlte mich etwas weniger schlecht als für gewöhnlich. Nicht einmal meine Mutter hätte mich so in den Arm genommen wie es der Wolfsmensch in diesem Moment ohne zu zögern tat und ich war dankbar für seine Hilfe.

Lange saßen wir einfach so da, Claus schmuste mit mir und ich beruhigte mich wieder, fühlte mich tatsächlich wohl. Erst, als ich aufgehört hatte zu schniefen, da öffnete ich meine Augen wieder und strich mir meine Tränen von den Wangen. Augenblicklich ließ der Wolf lockerer. „Alles wieder gut?", fragte mich der Braunäugige noch einmal zur Sicherheit und ich nickte, fühlte mich befreit und wieder etwas besser. Schüchtern guckte ich jedoch weg, als ich mich wieder aufrichtete und mich von Claus löste. Es war mir doch etwas unangenehm so traurig gewesen zu sein, doch meinen Nebenmann interessierte das ganze kein bisschen. „Schön, das freut mich! Dann iss noch ein bisschen etwas. Ich habe sowieso eine kleine Überraschung für dich, Patrick. Der Herr hat zwar gesagt, dass du die Burg nicht verlassen sollst, aber ich möchte dir ein wenig den Ort zeigen an dem du jetzt lebst und deswegen machen wir beide morgen einen Ausflug, wenn du das möchtest! Ich möchte dir den Wald zeigen und den Hof mit meinem kleinen Garten und den ganzen Tieren, die wir hier haben!", sprach der Langhaarige und verwundert guckte ich zu ihm hinüber, sah im Licht des Mondes wie seine Augen froh glänzten.

Leicht nur nickte ich, ich würde gerne mit dem Wolf raus gehen und die Welt erkunden. Freudig begann die Rute des Älteren zu wedeln und ich nahm mir den Teller, um etwas essen zu können. Es war zu dunkel, als das ich viel erkennen konnte, aber ich schaffte es ab und zu zwei Nudeln auf die Gabel zu bekommen, um diese dann essen zu können. „Oh, ich freue mich ja so auf morgen, Patrick! Du glaubst ja gar nicht wie schön ich es finde endlich jemanden hier zu haben, mit dem ich sprechen kann und der mit mir Zeit verbringen möchte!", meinte der Braunäugige lächelnd und ich fragte mich wieso er überhaupt hier war, wenn er doch von Manuel kaum beachtet wurde. Ihn konnte der Vampir nicht hier festhalten, weil er ein einfacher Mensch war und somit anderen verraten könnte was er war, schließlich würden die Menschen auch Claus umbringen, wüssten sie wer ihnen gegenüber stand. Gab es also einen guten Grund dafür, dass er hier blieb? Wahrscheinlich, denn ohne einen guten Grund würde ich niemals hier sein wollen. „Rede ich dir zu viel, Patrick? Du scheinst heute irgendwie nicht so gesprächig zu sein wie sonst..., nerve ich dich?"

Erschrocken schüttelte ich meinen Kopf und sah schüchtern hinab, das Gegenteil war der Fall. Ich wusste nicht wo sich Manuel befand und wie gut sein Gehör war, aber ich musste Claus mitteilen was los war, sonst würde er traurig werden. „Manuel hat mir befohlen so lange zu schweigen, bis er mir sagt, dass ich sprechen darf und ich möchte seinen Befehl nicht missachten...", flüsterte ich so leise wie irgendwie möglich und verständnisvoll brummte mein Nebenmann. Ich hatte wohl gerade vor nichts mehr Angst als vor der Strafe des Grünäugigen, wenn er herausfand, dass ich gesprochen hatte. Mir schien es so zu sein, als ob Manuel jemand war, der sich stets an seine Entscheidungen hielt und das machte mir unglaubliche Angst. „Oh, ach so..., mach dir mal keine zu großen Gedanken darüber! Weißt du, manchmal, wenn Vampire den ganzen Tag lang kein Blut trinken, da fällt es ihnen schwer sich zu konzentrieren und ruhig zu bleiben und ich glaube, dass Manuel einfach nur seine Ruhe wollte beim hier her zurück gehen. Er wird krank, wenn er kein Blut trinkt und ich kann auch falsch damit liegen, aber er wollte dich wahrscheinlich einfach nur nicht anfallen und wieder dein Blut trinken, weil er sich auf nichts anderes konzentrieren kann als auf dich! Er hat jedenfalls nicht vor dir irgendetwas zu tun, wenn er das gesagt hat."

Staunend lauschte ich diesen Worten, das klang tatsächlich plausibel. Der Grünäugige hatte sich den ganzen Tag über zurückhaltend müssen, er war nett zu mir und meiner Mutter gewesen und nur, weil wir meine Mutter besuchen gegangen waren, konnte er kein Blut trinken, das hatte ihm seine gesamte Kraft genommen. Ich hatte ihn mit meinen Worten abgelenkt und genervt, dabei wollte er nur nicht, dass ich von ihm verletzt wurde und ich nahm das sofort als gemeines Verhalten auf, das war wohl ungerecht. Hieß das, sobald der Größere wieder etwas Blut getrunken hatte, war er wieder ruhiger und freundlicher zu mir? Es war lieb von ihm mich nicht noch einmal verletzen zu wollen, wenn das seine Intention gewesen war und ich würde ihm das ganze nun nicht übel nehmen, das schwor ich mir selbst. Trotzdem wollte ich dem Vampir zeigen, dass ich mich an seine Befehle hielt und ihm nichts böses wollte. „Ich lege mich ungerne mit anderen an, Claus, also werde ich einfach auf Manuel hören und so lange schweigen, bis er sagt, ich darf wieder sprechen!"

~2200 Worte, geschrieben am 18.12.2022

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top