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Mit erschöpftem Blick sah ich das kleine, braune Holzhaus an, in welchem ich aufgewachsen war. Ein Lächeln lag auf meinen Lippen und ich war aufgeregt, so würde ich nun das erste Mal seit mehr als drei Tagen meine Mutter wieder sehen dürfen, das machte mich froh. Auch, wenn ich es nicht zugeben wollte, ich war nach dem ganzen Weg hier her sehr erschöpft und Manuel meinte, das lag daran, dass mein Körper noch immer zu wenig Blut hatte. Auch, wenn es ihn nervte, so machte der Vampir einmal eine kleine Pause und ich konnte mich ausruhen, wofür ich sehr dankbar war. Viel hatte ich leider nicht mehr über den Grünäugigen erfahren dürfen, er hatte mir nur ein wenig davon erzählt, wieso Claus mich wohl so gerne hatte und ich war sehr geschmeichelt von seiner Aussage, fühlte mich so gleich ein bisschen weniger schlecht. Ich betrachtete mich selbst nicht als eine Person reinen Herzens, denn dafür musste eine Person wirklich unglaublich liebevoll, nett, freundlich und perfekt sein, aber das war ich nicht. Kein Mensch war perfekt, dafür waren wir Menschen nicht gemacht worden und das wollte ich auch nicht sein. Trotzdem freute ich mich über die Erkenntnis, dass Claus mich mochte und nett fand.

Hinter mir spürte ich die dunkle Präsenz Manuels, welcher mir mit warnender Stimme eingetrichtert hatte, dass ich nur einmal das Wort Vampir in den Mund zu nehmen brauchte, damit er mich Michael zum fressen schenken würde. Vorsichtig blickte ich noch ein letztes Mal zu dem einen ganzen Kopf größeren auf. Mit unbeeindrucktem Blick wurde ich angeschaut, der Langhaarige hatte schon von weitem eher unzufrieden mit diesem Ort ausgesehen, aber das war mir egal. Langsam öffnete ich die alte Holztür und erblickte einen unaufgeräumten Wohnraum, in dem überall Kartoffeln auf dem Boden lagen, sowie Geschirr und Klamotten, es war grausam anzusehen. Ohne mich gab es wohl niemanden mehr, der wirklich aufräumte und ich beschloss dieses Haus einmal auf Vordermann zu bringen, sobald ich meiner Mutter hallo gesagt hatte. Vorsichtig guckte ich in das Häuschen hinein und ging in den Raum, in welchem sich meine Mutter befand. Still lag sie da, sie schien sich nicht einmal bewegt zu haben, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte und ich setzte mein sanftestes Lächeln auf was ich zu bieten hatte, ganz intuitiv, wollte der Älteren zeigen, dass nun alles wieder gut werden würde. Wie es um Manuel stand interessierte mich kein Stück, für mich zählte nur noch sie.

Leise räusperte ich mich einmal, um die Aufmerksamkeit der langhaarigen Dame bekommen zu können, während ich auf sie zu ging. Müde guckte meine Mutter zu mir, sie hatte starke Augenringe, war bleich und schwach, aber als sie mich erkannte, da konnte ich gut erblicken wie ihre Augen ein Stückchen Glanz zurück erlangten, einen Glanz, den sie schon lange nicht mehr in ihren Augen trug. „Hallo, Mama..., geht es dir gut?", fragte ich sanft, während ich mich so wie immer auf den Holzstuhl neben das Bett setzte und mir die kalte, fröstelnde Hand der Braunäugige nahm, um ihr Nähe spenden zu können. Überfordert erwiderte die Kleinere meinen Händedruck seicht und ich fühlte mich wohl, wieder zuhause. Es hatte mir gefehlt der Älteren von meinem Tag erzählen zu können, während ich sie fütterte und mit ihr lachte, aber für diesen einen Nachmittag durfte ich wieder so sein wie zuvor immer. „Paddy..., wo warst du?", stellte mir die Ältere eine Gegenfrage, dabei dachte sie nicht einmal an sich selbst und ich senkte meinen Blick leicht, hörte hinter mir den Vampir laufen, er sah sich wohl etwas um. Ich hatte von meinem Herr gesagt bekommen, was ich der Frau sagen durfte und das würde ich auch tun, nur eben sanft und liebevoll verpackt.

„Ich habe eine neue Arbeit gefunden, mit der ich Papa und dich besser unterstützen kann, Mama! Ich bekomme jeden Tag einen Taler, aber ich kann deswegen nicht mehr hier bei euch wohnen, weißt du? Aber mein Arbeitgeber sagt, dass ich euch jedes Wochenende einmal besuchen kommen darf, um euch meinen Lohn vorbei zu bringen und etwas zu essen mit zu bringen. Es war eine sehr voreilige Entscheidung und es tut mir leid, dass ich nicht früher wieder hergekommen bin, Mama..., dafür habe ich euch aber ganze sieben Taler mitgebracht und Erdbeermarmelade und einen ganzen Leib Brot! Möchtest du etwas essen? Ich kann dir gerne etwas zu essen machen...", erzählte ich der Langhaarigen langsam und sie guckte mich einfach nur betrübt an, wollte mich sicherlich nicht wieder gehen lassen. Ich war, bevor ich zu Manuel gekommen war, noch nie so lange und weit von ihr entfernt gewesen, aber nun lag eine ganze Welt zwischen uns und ich vermisste die Dame sehr. Nicht einmal sagen wo ich war durfte ich laut meinem Herrn und ich musste das akzeptieren, sonst brachte er meine gesamte Familie um und würde mich dabei zusehen lassen. Dass ich nun jeden Sonntag vorbeikommen durfte, das hatte mir der Vampir nur genehmigt, da ich ihn untertänigst darum angefleht hatte.

„Du musst das nicht tun, mein Sohn!", wollte die Braunäugige sagen, dabei sah sie mich mit lieben, flehenden Augen von unten an und das wusste ich auch. Für sie wäre es besser, wenn ich ab und an einmal nach ihr sah, sei es nur um zu schauen ob sie etwas zu essen brauchte, aber ich konnte nicht. Ich hatte bei meinem neuen Arbeitgeber die Möglichkeit ein eigenes, weiches Bett zu haben, ein eigenes Zimmer, etwas zu essen, wenn ich es wollte und ich konnte auch neue Klamotten haben, das war gut für mich. Das alles tat ich jedoch nicht für mich, sondern ausschließlich für meine geliebten Eltern. Arbeitete ich nicht für Manuel, würde dieser sie umbringen oder mich in einen Vampir verwandeln, sodass ich sie vielleicht aus Blutdurst umbrachte. „Doch, Mama, das muss ich. Papa und du braucht das Geld, was ich verdiene, um zu überleben und ich bin ja auch nicht für immer weg! Ich wäre auch gerne weiter hier bei dir, aber das geht eben nicht und das tut mir leid. Ich mache das, damit es euch besser gehen kann..., darf ich dir vielleicht jemanden vorstellen? Schau, das hier ist Manuel, der Mann, für den ich von jetzt an arbeite!"

Vorsichtig drehte ich mich etwas um und erschrocken guckte mich der Vampir an, er hatte nicht damit gerechnet, dass er sich meiner Mutter vorstellen musste. Ich wollte, dass die Langhaarige wusste, dass ich in Sicherheit war und dass es mir gut ging, doch dafür musste sie sehen bei wem ich nun lebte und ich hoffte, dass der Grünäugige sich nun gut benahm, sonst würde meine Mutter ein Leben in Angst um mich leben müssen. Einen bösen Blick warf mir mein Herr zu, bevor er sich einmal leise räusperte und dann das wohl schönste Lächeln aufsetzte, welches ich jemals sehen durfte. „Es freut mich sehr Ihre Bekanntschaft zu machen! Patrick, sei doch bitte so gut und räume ein wenig auf, ja? Ich unterhalte mich derweilen mit dieser reizenden Dame..., wäre es möglich, dass Sie mir Ihren Namen verraten würden?", sprach der Mann ruhig, wobei er mir den klaren Befehl gab mich nützlich zu machen und ich stand augenblicklich auf, überließ ihm meinen Stuhl, so wie es sich für einen guten Gastgeber gehörte. Freundlich und aufgeschlossen schüttelte der Langhaarige meiner Mutter die Hand, er lächelte, war sanft und ich fragte mich wieso er nicht immer so sein konnte, denn dieses Verhalten gefiel mir.

Etwas unsicher guckte meine Mutter den Mann an, welcher nun auf meinem Platz saß. Nebenbei begann ich das Haus aufzuräumen und meiner Mutter etwas zu essen zu machen, so wie es sich gehörte, so wie ich es gewohnt war. Mein Vater hatte sich die letzten Tage über um die ältere Dame gekümmert und nun sah das Haus aus wie ein Saustall. „Oh, äh..., mein Name ist Lina! Es freut mich sehr Sie kennenzulernen, Manuel! Sagt, mein Herr..., wäre es möglich, dass Patrick hier bei mir bleiben könnte?", fragte die Braunäugige nun vorsichtig, dabei sah ich, wie sie meinen Arbeitgeber flehend anblickte und ich hatte Angst, dass der Größere wütend werden könnte, doch das tat er nicht. Ganz im Gegenteil, er guckte liebevoll zu der Brünette hinüber und war ganz ruhig. „Nein, leider wäre das nicht möglich..., meine Burg befindet sich sehr weit von hier entfernt und es wäre ein sehr anstrengender Weg für ihn jeden Tag von hier zu mir zu kommen. Ich könnte ihn natürlich hier weiterhin wohnen lassen, aber so lange Patrick für mich arbeitet, steht er unter meinem Schutz und ich werde nicht zulassen, dass er täglich einen Weg wie diesen hier gehen muss! Er wird es aber gut bei mir haben, das verspreche ich Ihnen, verehrte Lina."

Erschöpft blickte meine Mutter etwas hinab, diese Antwort enttäuschte sie bitter. Ich wusste wie sehr sie mich liebte, ich war ihr einziges Kind und es brach diese Frau mich nicht immer sehen zu dürfen, aber wir konnten nichts anderes tun. Manuel gab sich wirklich Mühe dabei der ihm fremden keine Angst zu machen, sein Verhalten erinnerte mich fast schon an den Abend, an dem er beruhigend auf mich eingeredet hatte, nachdem Michael mich beinahe gefressen hatte. „Vielleicht ist es ja besser so für ihn..., macht mein Patrick sich denn gut bei Ihnen, Sir?", wollte die Braunäugige nun wissen und schmunzelnd nickte der Vampir, dabei hatte ich bisher noch gar nicht für ihn gearbeitet. Ruhig räumte ich alle benutzten Klamotten auf dem Boden zusammen und stellte die Erdbeermarmelade sowie den Leib Brot auf den Schrank neben dem Ofen, so wie es sich gehörte. Auch die Taler, welche ich meinen Eltern als Lohn hier lassen wollte, legte ich daneben, bevor ich mir einen Besen nahm und den Boden einmal ordentlich fegte. „Er ist ein fabelhafter junger Mann! Er gibt sich wirklich Mühe seine Arbeit gut zu machen und er hat ein gutes Herz. Sie haben einen wirklich wundervollen Sohn und können sich glücklich schätzen, dass er so ein Engel ist!"

Stolz hob die Langhaarige nun ihren Blick, um mich anschauen zu können, das hörte sie natürlich gerne. Ich lächelte ebenso sanft, fühlte mich irgendwie geschmeichelt und wohl. „Ja, das ist er wirklich..., darf ich wissen, was seine Aufgaben bei Ihnen sind?", stellte die kranke Dame weitere Fragen und ich lauschte, sie war interessiert an meinem Leben. Voller Ruhe erzählte der Grünäugige ihr alles was sie wissen wollte, ganz ohne eine Beschwerde oder ein genervtes verdrehen der Augen, er war einfach nett. Dieser Umgang mit meiner Mutter bewies mir, dass Manuel ebenso ein gutes Herz besaß und dass er seine Gefühle nur nicht so gut ausdrücken konnte wie er es vielleicht wollte. „Ich habe ihm die Aufgabe zugeteilt meine Burg sauber zu halten. Und manchmal, wenn Besuch da ist, da ist Patrick mein Butler! Für seine Arbeit bekommt er jeden Tag einen Taler und Sonntags gebe ich ihm frei...", sprach mein Herr und verwundert guckte meine Mutter den Grünäugigen nun an. „Das ist recht wenig Arbeit für einen Taler am Tag, Sir! Sind sie adelig, oder woher haben Sie Ihren Reichtum, wenn ich fragen darf?"

Ein Zögern war in dem handeln des Größeren zu erkennen, welches mich etwas irritierte, aber das ging vorbei. „Ich habe reich geerbt und brauche nie mehr wirklich zu arbeiten, so reich bin ich. Und Patrick hat etwas für mich getan, was für mich unbezahlbar ist, also gebe ich ihm die Möglichkeit ein möglichst glückliches Leben zu leben!", meinte der Mann auf dem Stuhl nun, was die Dame vor ihm sehr verwunderte. Ich wusste bereits, dass der Vampir sehr reich war, aber dass er all sein Geld geerbt hatte war mir unbekannt gewesen, auch wenn es zu erwarten gewesen war. Wieso auch sonst sollte der Ältere nach ganzen hundertzwanzig Jahren noch immer reich sein, wenn er nicht eine Menge Geld geerbt hatte? Er war niemand der sich die Hände selbst schmutzig machte, dafür hatte er andere. „Was hat er für Sie getan?", wollte die Braunäugige wissen und mein Herr antwortete. „Er hat mir mein Leben gerettet, wissen Sie? Ich war dummerweise ganz alleine draußen spazieren, als wir uns getroffen haben und mich hat eine Gruppe von Männern bedroht, die mir mein Geld stehlen wollten. Patrick hat mir geholfen aus dieser Situation rauszukommen und ich bin ihm dafür so dankbar gewesen, dass ich ihm angeboten habe für mich zu arbeiten und bei mir zu wohnen."

Schüchtern schaute ich meinen Herrn an und meine Mutter lächelte sanft, sie war stolz auf mich. Mein Leben lang hatte sie mir eingeredet, dass ich gutes tun sollte und nun hörte sie, dass ich einem mir fremden Mann das Leben gerettet hatte, dafür wurde ich von ihm belohnt. Als ihr Sohn stand ich in der Pflicht sie stolz zu machen und das tat ich, wenn dieses Mal auch eher unwissentlich. „Aber keine Sorge, meine Dame, ich werde Patrick jeden Sonntag frei geben und ihn Sie besuchen lassen! Patrick ist schließlich noch recht jung und sollte seine Familie nicht missen müssen, nur um für mich arbeiten zu können...", setzte mein Herr noch dazu und ich lächelte sanft, er war wirklich lieb zu meiner Mutter. Ich konnte mir nicht erklären wieso der Größere nicht immer so sanft und freundlich sein konnte, das würde mir ein besseres Gefühl geben, aber vielleicht würde er sich mir ja eines Tages öffnen. Wir kannten uns kaum und wenn ich dem Grünäugigen meine Dankbarkeit für seine Taten zeigte, dann würde er sich sicher in meiner Gegenwart wohl genug fühlen um nett zu mir zu sein. Mit der Zeit würde er sein Verhalten überdenken, das hoffte ich zumindest sehr.

~2250 Worte, geschrieben am 16.12.2022

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