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Untergeben hatte ich meinen Herrn gefragt, ob ich für meine Arbeit bei ihm einen Lohn erhalten würde und vor allem, was meine Aufgaben sein würden. Offenbar wollte der Größere, dass ich das Gebäude für ihn putzte, dass ich ihm bei Besuch, so lange dieser Besuch kein anderer Vampir war, den Kellner spielte und dafür würde er mir täglich einen Taler geben, sowie essen. Leicht nur hatte ich ihn angefleht meinen Eltern all meinen Lohn überlassen zu dürfen, ich wollte kein Geld für mich selbst ausgeben, wenn ich meine Eltern unterstützen konnte und obwohl der Langhaarige kein Freund davon war, ließ er mir meinen Willen und beschloss meiner Mutter den Lohn für eine Woche mitzubringen. Wenn ich nicht da sein konnte, dann wollte ich die Frau, welche mich mein Leben lang aufgezogen hatte, zumindest finanziell unterstützen und vielleicht dafür sorgen, dass mein Vater nicht mehr arbeiten gehen musste, um die beiden über Wasser zu halten. Auch etwas zu essen ließ ich mir von Claus mitgeben, der Werwolf packte einen ganzen Leib Brot ein und noch zwei Gläser voller Erdbeermarmelade, welche er wohl im Sommer eingekocht hatte und dankbar schenkte ich dem Braunäugigen ein Lächeln, er war lieb zu mir.
Eine dünne Jacke trug ich über dem Hemd, welches mir zur Verfügung gestellt wurde. Manuel hatte sich seine Haare währenddessen zu einem Zopf zusammen gebunden, er trug wieder einmal eine silberne Kette um seinen Hals und ich staunte nicht schlecht, als ich den schwarzen, langen Mantel sah, welchen der Vampir trug. Er sah unglaublich damit aus, für einen Moment glaubte ich sogar vergessen zu haben wie man atmete, als ich den Älteren sah und doch riss ich mich schnell wieder zusammen, aus Angst dem Langhaarigen noch zu verfallen. Es war eines der Dinge, die ich sicher über Vampire wusste, sie waren anmutig, berechnend und verführerisch, selbst wenn es sich bei dem Vampir um einen Mann handelte und ich wollte nicht den Fehler machen, ihn zu lieben, das wäre mein Untergang. Der Grünäugige wäre alles andere als ein guter Partner, er würde mich benutzen um Blut zu trinken, wann immer er wollte und sicher würde er mich auch nicht gut behandeln, dafür gab es gar keinen Grund. Ich würde mich einfach von dem Größeren fern halten, so gut ich konnte und ihm keinen Grund geben böse auf mich zu sein, dann konnten wir sicher gut zusammen leben.
Still lief ich neben Manuel her und guckte in den Himmel, um dunkle Wolken sehen zu können. Ich hatte es vermisst draußen herumlaufen zu können, die frische Luft direkt einatmen zu können und auch, wenn ich nun an einen Mann gebunden war, der mich davon abhielt frei zu sein, so fühlte ich mich dennoch wohl dabei laufen zu können. Der Brünette guckte mich nebenbei immer wieder von der Seite an, er beobachtete mich und als wir sicher schon eine Stunde gelaufen waren, da reichte es dem Älteren wohl mit Schweigen. „Warum bist du so ruhig, Patrick? Du bist gerade dabei deine Mutter nie wiedersehen zu können und du beschwerst dich nicht einmal darüber oder bist wütend..., ich verstehe das nicht!", begann mein Nebenmann ein Gespräch und ich guckte verwundert zu ihm, bevor ich ihm ein leichtes Lächeln schenkte. Es war wohl für viele Menschen unverständlich wie ich reagierte, nicht jeder würde so ruhig und gelassen bleiben wie ich, aber das interessierte mich nicht. Ich sah keinen Sinn darin böse zu sein, das alles war noch nicht vorbei, ich würde irgendwann das Vertrauen des Älteren genießen und dann konnte ich meine Mutter öfter sehen, ganz sicher.
Aufmerksam guckte ich nach vorne. „Ich glaube, dass nichts auf der Welt schrecklicher ist, als eine andere Person zu hassen. Also, ich kann natürlich nicht verhindern, dass ich einen gewissen Groll gegen dich hege, weil du mir die einzige Person auf der Welt wegnimmst, die ich liebe, aber ich kann versuchen das positive in der ganzen Situation zu sehen und das tue ich! Vielleicht kann ich jetzt erstmal nicht mehr bei meiner Mutter sein, aber jetzt kann ich ihr zumindest finanziell unter die Arme greifen und ich nehme ihr nichts mehr zu essen weg, was sie dringend braucht. Es nützt mir ja nichts dir gegenüber unfreundlich zu sein, oder?", erzählte ich und staunend hob der Vampir seine linke Augenbraue an, das alles klang für ihn so verwunderlich, so fremd. Nichts würde es mir bringen Manuel zu ignorieren, anzuschreien oder zu schlagen, ich hatte keine Chance gegen ihn und er war mir kein würdiger Gegner, ich war schließlich viel zu schwach für ihn. Meinem Ziel meine Mutter regelmäßig sehen zu dürfen würde mich Wut und Hass nicht näher bringen, ich würde dadurch nur den Ärger meines neuen Arbeitgebers auf mich ziehen und das wollte ich nicht, besonders, da Ärger mit ihm meinen Tod bedeuten könnte.
Wie auch ich, guckte der Langhaarige nach vorne, er war einfach kein Mann, der gerne den Kontakt zu anderen pflegte. „Nein, das tut es nicht. Ich hätte nur nicht erwartet, dass du so reflektiert bist! Menschen sind normalerweise eher..., man kann sagen, sie sind ausfallend und ignorant und sie sind eher unbedacht. Du bist nicht so...", antwortete mir mein Herr und ich fand es interessant, wie der bisher eher ruhige und stille Vampir, plötzlich begann sich mir ein wenig zu öffnen. Er redete mit mir, wollte mich verstehen und ich wollte das ebenso bei ihm tun, hoffte, dass er mir die Chance gab auch etwas über ihn zu erfahren. Es war nicht viel, was ich über ihn wusste und das mochte ich nicht. Wenn ich schon für mein restliches Leben bei Manuel lebte, dann wollte ich zumindest auch etwas über ihn erfahren. „Na ja, du bist allerdings auch nicht wirklich so, wie ich mir einen Vampir vorgestellt habe! Deine Eigenschaften passen zu der Art dieser Wesen, aber dein Verhalten tut es nicht. Kannst nur du hier draußen am Tag weiter leben? Soweit ich weiß, zerfallen Vampire bei Kontakt mit der Sonne doch zu Staub."
Unzufrieden guckte der Ältere zu mir hinüber und schwieg. Er hasste es wohl Informationen über sich selbst preiszugeben, aber wenn er weiterhin etwas über mich erfahren wollte, dann würde er wohl oder übel reden müssen, das war mein Preis. Wie sonst sollte eine Art Vertrauen zwischen uns entstehen? Anders als mit sprechen war das einfach nicht möglich. „Das ist gerade nicht von Bedeutung für dich, Patrick. Es wird wohl auch nicht das einzige sein, was dich an mir irritiert, aber ich kann dir wirklich nichts über das alles erzählen, bis ich dir nicht komplett vertrauen kann!", so setzte der Grünäugige eine Grenze und ich verlor mein Lächeln, er vertraute mir nicht, was ich sogar etwas verstand. Vertrauen musste erst einmal aufgebaut werden und das war bei uns noch nicht geschehen. Wenn der Langhaarige jedoch so weiter machte, dann würde es darauf hinauslaufen, dass keiner von uns dem anderen vertrauen konnte und das wäre allein seine Schuld. „Dir ist bewusst, dass Vertrauen darauf basiert, dass zwei Personen miteinander sprechen und Zeit miteinander verbringen? Wir sind hier beide ganz alleine und ich würde dir total gerne etwas über mich erzählen, aber ich erwarte dann eben auch, dass du mir etwas über dich erzählst! Es muss ja nichts schlimmes sein, aber du hast mir bisher noch nicht mal deinen Namen von dir aus gesagt."
Entnervt seufzte mein Nebenmann auf. „In Ordnung. Mein Name ist Manuel, du wirst mich allerdings niemals mit diesem Namen ansprechen und ich bin mittlerweile ganze hundertzwanzig Jahre alt! Reicht dir das?", fragte der Brünette mich genervt und ich machte große Augen, das war ein beachtliches Alter was er da aufzuweisen hatte. Nicht viel neues erzählte er mir über sich, nur sein Alter verriet er mir und ich würde mich damit glücklich schätzen, zumindest für diesen Moment. Es schien den Größeren wohl stark zu stören Informationen über sich preiszugeben und ich würde mit ihm daran arbeiten, nun wo er damit anfing. Wieder begann ich seicht zu lächeln, dieses Mal jedoch mit großen, staunenden Augen. „Das hätte ich nie gedacht, dass du so alt bist..., ich bin gerade einmal achtzehn Jahre alt und du siehst fast genauso alt aus wie ich!", sprach ich aus, was ich dachte und vorsichtig guckte der Vampir zu mir, er erfuhr nun mein wahres Alter so wie ich das seine erfahren hatte. Es waren die zwei belanglosesten Informationen über eine Person überhaupt und doch freute ich mich nun zu wissen wie alt mein Herr war und wie er hieß.
„Du bist wirklich reif dafür, dass du so jung bist...", meinte Manuel und ich senkte meinen Blick leicht, er hielt mich für reif. Ich war in meinen Augen nicht wirklich reif, auch ich konnte hin und wieder einmal böse sein, aber er hatte mit einer Sache recht, ich verhielt mich sehr bedacht und passte auf, was ich sagte. Von klein auf wurde mir beigebracht immer die Ruhe zu bewahren und schon allein, weil ich Angst davor hatte von dem Vampir umgebracht zu werden, sollte ich mich zu aufmüpfig gegenüber ihm benehmen, würde ich im Zweifelsfall nachgeben, so wie bisher auch. War diese Einstellung meinerseits schwach? Wahrscheinlich, aber es war mir egal, solange ich weiter leben durfte. „Ja, das sagen viele Menschen über mich. Ich war schon immer ein ruhiger und erwachsener Junge, aber das musste ich eben auch sein, sonst hätte ich meiner Mutter viele Probleme bereitet!", meinte ich und ruhig guckte mich mein Nebenmann an, er konnte noch nicht so recht einordnen was meiner Mutter zugestoßen war. Es war mit eine der wichtigsten Informationen über mich die es gab, dass ich meine kranke Mutter pflegte und ich würde dem Größeren davon berichten.
Unbeeindruckt strich sich Manuel eine Haarsträhne aus dem Gesicht, welche ihm aus seinem Zopf gerutscht war. Mitleid oder Interesse an meiner Mutter zeigte er nicht, es war ihm egal. „Wie meinst du das?", fragte mich der Vampir und ich lächelte leicht, das war gar nicht so leicht zu erklären. Ein Wesen wie er konnte mein Leid und meine Gefühle nicht nachvollziehen, sie waren ihm fremd, schließlich war seine Mutter wahrscheinlich schon lange tot oder ebenso ein Vampir wie er, das war ein Rätsel in meinen Augen. Wenn der Brünette verstand, warum mir meine Mutter so wichtig war und wie es um sie stand, dann bestand vielleicht eine Chance darauf, dass er mir meinen Willen ließ und mich meiner Mutter helfen ließ. Es musste auch nicht viel sein, was er mir erlaubte, aber ich wollte die Braunäugige sehen können. „Vor einigen Jahren wurde meine Mutter sehr krank und ich habe mich seitdem um sie gekümmert, weil sie nicht mehr die Kraft dazu hat aufzustehen und sich zu bewegen. Ich musste und muss arbeiten gehen, um meine Eltern finanziell zu unterstützen und seit ich klein bin, habe ich immer so wenig wie möglich gegessen, damit meine Mutter mehr Kraft haben kann!"
Vorsichtig linste ich zu dem Langhaarigen hinüber, er hörte mir stumm zu. „Ich habe meine Mutter gepflegt, ihr Essen vorbei gebracht und mich immer mit ihr unterhalten, damit sie weiß, dass sie nicht alleine ist und geliebt wird. Wenn ich das nicht gemacht hätte, dann wäre Mama vielleicht schon längst nicht mehr da..., sie war mir immer eine gute Mutter und ich liebe sie! Vielleicht muss ich mich für sie sehr zurücknehmen, aber ich finde, das bin ich ihr schuldig!", erzählte ich zu Ende und ein leichter Schimmer von Mitgefühl war in den Augen meines Herrn zu sehen, er fand meine Worte wohl rührend. Es war viel, was ich bisher für meine Mutter geopfert hatte, ich hatte nie Spaß haben können, da ich immer für die Ältere hatte da sein müssen und freie Zeit hatte ich auch nicht, aber das brauchte ich auch nicht. Wenn meine Mutter in einigen Jahren nicht mehr da war, wenn die Zeit entschied sie uns zu nehmen, dann konnte ich mit meinem Leben tun was auch immer ich wollte, aber bis dahin hatte ich mich der Brünetten verschrieben und würde ihre Bedürfnisse über die meinen stellen, so wie es jeder gute Sohn machen würde.
„Du bist ein erstaunlicher Kerl, Patrick..., jetzt weiß ich, wieso Claus sich so für dich eingesetzt hat!", sprach mein Arbeitgeber und ich schaute ihn fragend an, das war unverständlich für mich. Mir war bewusst, dass Claus mich sehr gerne mochte, aber wieso das so war, das konnte ich mir noch nicht so recht erklären. Wir kannten uns kaum bis gar nicht, ich wusste nichts über den Lockenkopf, außer, dass er ein Werwolf war und dass er gerne für seinen Herrn arbeitete, aber mehr war da nicht. „Warum hat er sich denn für mich eingesetzt? Er kennt mich doch gar nicht richtig...", meinte ich also ruhig und leise seufzte der Ältere, er war genervt von mir. Ich war nie in den Genuss gekommen von einem Lehrer unterrichtet zu werden, demnach war ich manchmal nicht so schnell im verstehen von gewissen Dingen wie jemand anderes, aber dafür konnte ich nichts. Meine Eltern waren arm und ich lebte mit dem, was sie mir geben konnten, nämlich Liebe und Zuneigung. „Er hat spüren können, dass du ein Mensch mit einer reinen Seele bist und deswegen setzt er sich so für dich ein. Werwölfe sind sehr zutraulich und vor allem beschützen sie gerne diejenigen, von denen sie glauben, dass sie ihren Schutz verdient haben! Und Claus Instinkt hat entschieden, dass du seinen Schutz brauchst."
~2220 Worte, geschrieben am 02.12.2022
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