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Lächelnd hatte mir Claus später am Abend noch ein paar neue, feine Klamotten ins Zimmer gebracht, welche ich angezogen hatte. Ich hatte mich freudig dafür bedankt, schließlich waren meine vorherigen Klamotten bereits alt, kaputt und zerrissen gewesen. Auch durfte ich zwei frische Pfannkuchen mit etwas geschmolzener Schokolade essen, was ich zuvor in meinem Leben noch nie getan hatte. Abgesehen von dem Fakt, dass ich meine Eltern nicht bei mir hatte, musste ich sagen, dass es recht angenehm war bei dem Vampir zu leben und ich könnte mich wirklich daran gewöhnen hier zu sein, zumindest ein bisschen. Den gesamten Tag über lag ich still in meinem Bett, ich lauschte einigen Vögeln dabei wie sie fröhlich zwitscherten und wagte es nach dem Essen sogar aufzustehen, um aus dem Fenster zu sehen, obwohl der Vampir gesagt hatte, ich solle mich ausruhen. Ein riesiger Wald war auf der rechten Seite in der Ferne zu erblicken, ich befand mich weit oben in einer Art Burg oder riesigem Haus und ich staunte, als ich zum Abend hin den Sonnenuntergang beobachten durfte, das gefiel mir. Je später es wurde, desto mehr vermisste ich meine Mutter und eine Person, mit der ich reden konnte, ich fühlte mich alleine. Diese Stille und die Ruhe würde mich irgendwann noch auffressen, das wusste ich.
Vorsichtig öffnete ich die Tür meines Zimmers und guckte aus dem Raum hinaus, niemand war zu sehen. Ich wusste nicht mehr was ich tun sollte, müde war ich nicht mehr, ich vermisste die Möglichkeit mit jemandem zu sprechen und ich wollte herausfinden wie mein neues Zuhause aussah, also ging ich auf Erkundungstour. Interessiert betrachtete ich einige Gemälde, welche die grauen und tristen Wände aus Stein schmückten. Auf ihnen waren hauptsächlich hübsche und streng gekleidete Männer zu sehen, welche mir vom Aussehen her nichts sagten, von denen ich jedoch vermutete, dass sie zur Familie des Vampirs gehört hatten. Ganz klar war der Brünette reich und wohlhabend, er war ebenfalls gutaussehend, wie ich fand und ich war daran interessiert ihn etwas näher kennenzulernen. Nicht einmal sein Name war mir bisher bekannt und ich wollte wissen, wie ich ihn nennen durfte, denn sonst würde ich ihn immer als meinen Herrn bezeichnen müssen und das wollte ich nicht. In diesem ganzen Gebäude war es frisch, die fehlende Sonne ließ die Burg auskühlen und ich fragte mich ob ich von Claus etwas wärmeres zum anziehen bekommen könnte, wenn ich ihn lieb danach fragte. Ich hatte noch Gefühle, anders als der Vampir und deswegen war mir kalt.
Leise und vorsichtig ging ich eine Treppe hinunter, als der Gang endete und ich vernahm Stimmen, aber was diese sagten war mir ein Rätsel. Etwas unsicher, strich ich mir meine kurzen, braunen Haare etwas nach hinten und linste von der Treppe oben hinunter, um festzustellen, dass die Treppe in einem großen Eingangsbereich endete. Nirgendwo brannte auch nur eine Fackel, es war, als würde niemand hier leben und ich fragte mich, ob der Vampir tatsächlich gar nichts mehr spürte, oder ob er einfach nur kein Freund von Feuer war. Mir war über diese Wesen nicht ganz so viel bekannt wie ich zuvor gedacht hatte, eigentlich sollte der Brünette zu Staub zerfallen, wenn er mit den Lichtstrahlen der Sonne in Berührung kam und doch stand er problemlos am Fenster, das war irritierend. Es musste nicht bedeuten, dass ihm die Sonne gar nicht schadete, aber sie schadete ihm nicht ganz so viel wie es die Menschen glaubten und das war nicht das einzige, was anders war als in den Erzählungen und Sagen. Der Grünäugige hatte auch nur recht kurze spitze Eckzähne, welche nicht einmal sehr aus seinem Mund herausragten, so wie es mir erzählt wurde und ich war gespannt darauf, was ich noch alles herausfinden würde.
Geführt von meinem Gehörsinn, lief ich einfach in den Raum links von der Eingangstür und riss erschrocken meine Augen auf, als ich nicht nur Manuel an einem langen Tisch sitzen sah, hinter ihm stand Claus, sondern auch einen dritten, mir noch unbekannten Mann. Alle drei schauten sie nun in meine Richtung, sie waren ordentlich angezogen und trugen helle Hemden, aber das einzige, was ich richtig durch das noch übrige Licht der Sonne erkannte waren ihre glänzenden, hellen Augen, welche blutunterlaufen waren. Auf dem Tisch standen zwei Teller, auf welchen jeweils ein toter Hase lag und in mir kam Unwohlsein auf, sie hatten das Blut der Hasen getrunken. Während mein Gastgeber mich mit einem Funken Verwunderung betrachtete, schaute mich der fremde mit interessierten Augen an, das mochte ich gar nicht. Wie der Grünäugige auch, besaß der andere Vampir dunkle, braune Haare, welche nur um einiges kürzer waren als die des anderen und seine Augen waren grau, was diesen Mann fast schon kalt wirken ließ, einfach gefährlich. Lebte dieser Vampir hier, oder war er nur zu besuch und würde bald wieder verschwinden? Es war mir ein Rätsel und ich hatte Angst. Nur Claus schenkte mir ein vorsichtiges Lächeln, er war lieb.
Ein einziges Mal räusperte sich mein Gastgeber und ich schaute ihn an, schenkte ihm meine Aufmerksamkeit. „Du siehst gut aus in dem Hemd, Patrick. Warum bist du hier?", wollte der Größere von mir wissen, dabei beugte er sich etwas voran, um seine Hände zu Fäusten ineinander zu legen und ich bekam etwas rosige Wangen, er fand mich gutaussehend. Überfordert senkte ich meinen Blick ein Stück weit und lächelte leicht, mir hatte bisher kaum jemand gesagt, dass ich gut aussah, besonders kein anderer Mann. Vielleicht waren Vampir dahingehend nicht so verklemmt wie wir Menschen, das konnte ich mir gut vorstellen. „Dankeschön..., ähm, ich wollte fragen, ob ich vielleicht eine Kerze haben dürfte und etwas wärmeres zum anziehen? Hier im Gebäude sind keine Fackeln an und mir ist kalt, wenn ich nur herumliege und nichts tue, um wieder zu Kräften zu kommen...", bat ich den Langhaarigen ruhig, dabei guckte ich ihn schüchtern an und Claus guckte weg, so als würde er Angst vor der Reaktion seines Herrn haben. Es war nicht viel, was ich verlangte, nur etwas Wärme und ich fragte so ruhig danach, dass ich hoffte den Älteren nicht zu stören oder ihn vor seinem Freund zu beschämen.
Kalt sah der Grünäugige mich an. „Bring ihm etwas Wärmeres zum anziehen, Claus. Hier drinnen werden keine Kerzen oder Fackeln an gemacht, verstanden?", stellte der Vampir klar und unterwürfig nickte ich, das schien ihm sehr wichtig zu sein. Augenblicklich ging Claus voran, an mir vorbei und verschwand. Feuer war gefährlich, es strahlte Licht aus und vielleicht mochte das der Vampir nicht, wer wusste es schon. Das hier war sein Haus und ich hatte mich demnach an seine Regeln zu halten, egal was war. „Gut. Wenn nichts weiteres ist, dann geh wieder hoch in dein Zimmer und ruh dich aus!", befahl der Grünäugige mir ruhig und wieder nickte ich drei Mal, ich wollte die zwei Vampire nicht stören. Es war unerwartet für mich, dass der Größere so ruhig mir gegenüber blieb, er war nicht böse, weil ich mein Zimmer verlassen hatte und ich hoffte, dass er nicht nur so ruhig blieb, weil er gerade Besuch hatte. Leicht nur deutete ich eine Verbeugung an, als Zeichen meines Respekts. „Werde ich tun. Ich wünsche noch einen schönen Abend!", erwiderte ich darauf, bevor ich mich umdrehen und gehen konnte. Wenn ich dem Vampir respektvoll gegenüber war, dann würde er es vielleicht auch mir gegenüber sein.
Still wollte ich gehen, aber ich wurde aufgehalten. „Moment mal, warte! Manu, willst du mir nicht deinen neuen Menschen vorstellen? Wir kennen uns doch noch gar nicht...", sprach der zweite Vampir nun grinsend, dabei zeigte er mir seine zwei langen Fangzähne und ich wusste nicht zu handeln, er war nicht mein Herr. Nun wusste ich einen Namen zu meinem Gastgeber, er hieß Manu, was wahrscheinlich die Abkürzung von Manuel war und ich fand diesen Namen passend, er klang schön. Fragend guckte ich den Grünäugigen an, welcher gar keine Freude daran zu haben schien, dass sein Gast mich kennenlernen wollte. Auch, dass mich der Grauäugige einen neuen Menschen nannte mochte ich nicht, denn so wirkte es, als würde ich weniger wert sein als die beiden Vampire oder Claus, obwohl ich das nicht war. „Geh nach oben, Patrick!", befahl mir der Ältere nun deutlich und ich nickte, das war eine klare Ansage. Ohne zu zögern drehte ich mich also um und ging weg, tat, was mir mein Gastgeber befahl. Ich wollte beweisen, dass ich auf den Größeren hören würde und mich ihm unterwarf, so wie er es wollte, also verschwand ich wortlos. In Frieden gelassen wurde ich jedoch trotzdem nicht, leider.
Kurz, bevor ich nämlich die Treppe hinaufgehen konnte, umschloss eine eiskalte Hand mein linkes Handgelenk und ich drehte mich erschrocken um, sah den Grauäugigen da stehen. Wie auch Manuel, war dieser Kerl etwa um einen ganzen Kopf größer als ich und schmerzerfüllt zischte ich auf, das war der Arm, welchen ich meinem Herrn zum trinken meines Blutes hingehalten hatte. Ich hatte den Größeren nicht kommen hören, er war einfach auf einmal da und ängstlich blieb ich still stehen, dieser Vampir war mir sicher gefährlich. „Es ist wirklich unhöflich von dir dich nicht vorzustellen, Patrick! Und ich bin echt enttäuscht von eurer Gastfreundschaft, muss ich sagen. Ich habe auch ein bisschen etwas von dir verdient...", sprach der mir unbekannte mit dunkler, tiefer Stimme und ich öffnete meinen Mund einen Spalt weit, er wollte mein Blut trinken, so wie sein Freund zuvor auch. Im Augenwinkel sah ich Manuel in den Eingangsbereich eintreten, er schaute mit tiefen, dunklen Augen zu uns hinüber und ballte seine Hände zu Fäusten, er war ganz offensichtlich wütend. Tränen schossen mir in die Augen, je fester der Vampir mein Handgelenk drückte und ich wandte meinen Blick von ihm ab, wollte nicht in dieses graue Paar Augen schauen, welches mich lüstern anblickte.
„Lass ihn los, Michael. Wenn du Blut trinken willst, dann suche dir einen anderen Menschen dafür!", befahl Manuel mit dunkler, tiefer Stimme und entnervt verdrehte der Kerl vor mir seine Augen, ließ lockerer. Beide Vampire waren genervt, ich wusste nicht wie ich mit dieser Situation umgehen sollte und aus Angst, dass der mir fremde Vampir doch noch nach mir schnappen könnte, entriss ich ihm meinen Arm mit voller Kraft und drückte diesen schützend an mich heran, so dass Michael mich böse anschaute. Sollte ich Claus holen gehen? Mein Herr war böse und gefährlich, genau wie es dessen Freund war und ich wollte nicht, dass sich beide wegen mir stritten, das war nicht meine Intention gewesen. „Warum so geizig, Manuel? Habe ich dir nicht immer etwas von mir abgegeben, wenn du etwas brauchtest? Er riecht süß und ich hatte schon lange nichts gutes mehr...", wollte der Grauäugige wissen und ich drehte mich unruhig weg, der Geruchssinn von Vampiren war unglaublich gut, wie es schien. Der Mann mir gegenüber schien mich als Nutztier wahrzunehmen, nicht als eine wichtige, eigenständige Person und ich war angeekelt von dieser Art, das war keine gute Person. Für ihn waren wir nicht auf derselben Ebene, ich war ihm untergeben.
Ruhig kam mein Gastgeber auf uns zu. „Wenn du noch etwas Blut brauchst, dann kann dir Claus gerne noch einen weiteren Hasen bringen, aber Patrick wirst du nicht anrühren, ist das klar? Er arbeitet für mich und damit steht er von nun an unter meinem Schutz, genau wie Claus auch. Sein Blut ist nicht dafür gedacht von dir getrunken zu werden und wenn du das nicht respektieren kannst, dann verschwinde. Geh in den Speisesaal oder verlasse diesen Ort, bis du deinen Blutdurst anderswo gestillt hast!", sprach Manuel sein Machtwort aus und verärgert hörte ich den Vampir mir gegenüber knurren, er wollte mein Blut haben. Ohne zu zögern verteidigte mich mein Arbeitgeber, er sorgte dafür, dass sein Freund mich in Ruhe ließ und entnervt stürmte der Brünette an seinem Gastgeber vorbei, raus aus diesem Gebäude, in die Kälte der aufkommenden Nacht hinein. Überfordert blickte ich einfach zu Boden und hörte wie der Grünäugige seufzte, jedoch auf mich zukam und ruhig den Platz des Vampirs einnahm, welcher gegangen war. Nur ganz vorsichtig schaffte ich es den Älteren anzuschauen, aus Angst, dass er wütend auf mich war, doch das war er nicht.
„Verzeih Michael sein Verhalten bitte, Patrick. Blutdurst ist wirklich schlimm, wenn man schon lange nicht mehr in den Genuss des Blutes eines Menschen gekommen ist und dein süßer Geruch macht das ganze für ihn nur noch schlimmer! Ich werde nicht zulassen, dass dich auch nur ein anderer Vampir anrührt als ich, versprochen. Geh in dein Zimmer und versuche deinen Arm nicht zu sehr zu bewegen, ja? Claus wird dir gleich noch eine weitere Decke bringen...", sprach der Grünäugige leise, um mich ja nicht zu verschrecken und ich guckte unsicher zu ihm auf, er meinte, dass er allein mein Blut trinken würde. Kein bisschen berührte mich der Größere, er sprach einfach nur mit ruhiger, tiefer Stimme und ich wischte mir vorsichtig meine Tränen von den Wangen, welche mir aus Schmerz über diese gelaufen waren. Bisher hatte der Grünäugige noch nicht so sanft und ruhig mit mir geredet, das war etwas neues, was mir tatsächlich sogar etwas gefiel. Leise schniefte ich, aber ich versuchte nicht zu weinen, wollte stark bleiben. „Ja, Herr..., bitte entschuldigt, dass ich erst auf Michael hören wollte, obwohl ich gehen sollte, das war mein Fehler! Ich bleibe von jetzt an in meinem Zimmer, bis Ihr sagst, dass ich es verlassen darf. Danke für Euren Schutz."
~2200 Worte, geschrieben am 20.11.2022
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