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Mit müden Augen betrachtete ich das leere Bett vor mir, in dem eigentlich Manuel mit mir gemeinsam liegen sollte. Stattdessen war ich ganz alleine, der Vampir war gegen Abend einfach gegangen und ich wusste nicht was los war, ich machte mir große Sorgen. Ich musste den Älteren ganz schön verletzt haben, indem ich es abgelehnt hatte von ihm das spielen am Flügel zu erlernen und das war beim besten Willen nicht meine Absicht gewesen, ganz im Gegenteil. Was sollte ich nur tun, wie entschuldigte ich mich bei ihm für meine Worte? Ich hatte doch eigentlich nichts falsch gemacht, hatte nur klar machen wollen, dass Mau mir auch wichtig war und doch hätte ich das vielleicht liebevoller ausdrücken können, ohne den Älteren zu verletzen. Nun mied er mich wieder, er war einfach wortlos gegangen und ich wollte gar nicht daran denken, was er wohl gerade tat. Das letzte Mal hatte er das Blut eines kranken Mannes getrunken und nun könnte er das wieder tun, wenn er nicht sogar etwas noch schlimmeres tat. War er wirklich wütend, dann würde er sicherlich nicht einmal ein unschuldiges kleines Kind verschonen und das würde mir mein Herz endgültig brechen. Kein Kind auf dieser Welt sollte leiden, nein.

„Nein, ich will zu Patrick! Ich will Patrick sehen!", erklang irgendwann die laute und gebrochene Stimme des Vampirs aus dem Eingangsbereich, was mich aufhorchen ließ. Mit wem redete er denn da, was hatte er nur? Meine Beine trugen mich wie automatisch nach draußen, auf den Gang hinaus und ich konnte nicht verhindern, dass ich schockiert meine Augen auf riss. Michael hielt den offenbar mehr als nur angetrunkenen Manuel in seinen Armen, er hatte ihn mühsam die Treppe nach oben getragen und nun wollte der Grünäugige zu mir, er wollte bei mir sein. „Manu! Manu, ich bin hier, alles ist gut! Komm her...", sprach ich aus, dabei ging ich einfach auf die beiden Brünetten zu und ein erleichtertes schluchzen erklang, mein Freund weinte. Unruhig wimmerte der Größere, während er sich von seinem Träger befreite und vorsichtig herunter gelassen wurde, sodass er zu mir kommen konnte. „Paddy, ich habe dich so sehr vermisst! Ich will, ich will mit dir kuscheln!", lallte mein Schützling mir zu, während er sich kraftlos in meine Arme fallen ließ und ich umschloss ihn sanft, gab ihm meine Nähe. Noch nie hatte jemand so sehr nach Alkohol gerochen wie dieser Kerl gerade, ich verkniff mir einen angeekelten Blick und gab dem Älteren einfach einen Moment Zeit um zur Ruhe kommen zu können.

Beruhigend strich ich dem Größeren über den Rücken. „Wir können kuscheln so viel du willst, Manu. Magst du dich ins Bett legen, hm? Da ist es warm und gemütlich und du kannst dich ausruhen! Sind wir müde?", fragte ich den Grünäugigen ruhig, dabei lehnte ich mich vorsichtig an ihn heran und ließ ihm einen Moment Zeit zum nachdenken. Ich war mehr als nur müde und erschöpft, aber solange der Mann vor mir nicht ruhte, konnte auch ich nicht ruhen. Morgen würde er sicher schreckliche Kopfschmerzen haben, wenn ihm nicht sogar übel sein würde und so wie ich ihn kannte, würde er sich für sein Verhalten schämen, auch wenn er das eigentlich nicht zu tun brauchte. „Okay. Ich habe dich lieb, Patrick. Micha, ich liebe Patrick! Das ist meins...", berichtete der Langhaarige schniefend, dabei drückte er sich etwas von mir weg und mein Herz begann zu beschleunigen, das klang so surreal. Der eigentlich so entnervte und böse Vampir sagte, dass er mich liebte, er beanspruchte mich allein für sich und ich war überfordert damit, das hatte ich zuvor noch nie gehört. Ob er das vielleicht ernst meinte?

„Das ist ja toll, Manu! Der Patrick möchte jetzt gerne ins Bett gehen, verstehst du? Er hat auf dich gewartet, damit ihr zwei schlafen gehen könnt. Legt euch ins Bett...", erklärte der andere Vampir sanft, dabei kam er langsam auf uns zu und mein Schützling nickte leicht, bevor er sich vorsichtig von mir löste. Eine kleine Träne rann ihm über die bleiche Wange, aber interessieren tat ihn das kein Stück weit. Liebevoll drückte mir der Grünäugige einen kleinen Kuss auf die Schläfe, dabei lächelte er ganz sanft und ich ballte meine linke Hand unbewusst zur Faust, er war so liebevoll zu mir, das kannte ich nicht. „Du bist wunderschön. Darf ich dich küssen?", fragte mich der Ältere sanft und ich öffnete überfordert meinen Mund, das konnte ich nun nicht zulassen. Der Langhaarige konnte nicht klar denken, er wusste wahrscheinlich nicht einmal was er hier von sich gab und morgen würde er das alles erst recht nicht mehr wissen, das war nicht der Sinn dahinter. Und außerdem hatte ich noch nie in meinem Leben jemanden geküsst, ich war also sicher schlecht darin. „Morgen, Manu, okay? Komm mit, wir müssen uns ausruhen und dann können wir morgen noch einmal darüber reden!"

Schwankend ließ sich mein Schützling also zu seinem Bett begleiten. Ich wusste nicht, was ich anderes tun sollte als mich ruhig neben den Größeren zu legen und ihn sich gähnend an mich schmiegen zu lassen, sodass er schnell einschlief. Wie trat ich ihm am morgigen Tag gegenüber? Sollte ich ihm erzählen, was er getan hatte, oder ließ ich ihn in dem Glauben, dass er sich nur schlafen gelegt hatte? Ich würde gerne wissen, was er wirklich für mich fühlte, aber der Vampir war einfach viel zu verschlossen und unsicher, was ich nicht verstand. Wollte er vielleicht nicht akzeptieren, dass er mich mehr mochte als einen einfachen Freund? Das würde erklären, wieso er mich einerseits immer wieder umarmte und mich zum lächeln brachte, andererseits im nächsten Augenblick wieder abweisend war. Es war nicht leicht für ihn seine Gefühle auszudrücken, das hatte er mir schon einmal gesagt und ich wollte ihn auf keinen Fall überfordern, auch wenn ich Klarheit wollte. Auch ich hatte schon das eine oder andere Mal gedacht, dass ich vielleicht gerne etwas mehr als ein Freund für den Größeren wäre, doch das war so neu für mich, dass ich Angst hatte. Ich wusste nicht, ob ich den Brünetten glücklich machen könnte und ich wollte ihn nicht verletzen oder gar enttäuschen.

Seufzend schaute ich schließlich zum Eingang des Raumes, um den stillen Michael ansehen zu können. Wortlos hatte er sich neben der Tür an die Wand gelehnt, er wartete darauf, dass sein Freund eingeschlafen war und ich fürchtete mich vor ihm, er hatte schließlich Mau verletzt. „Micha? Weißt du vielleicht, was mit Manuel passiert ist?", fragte ich leise, um meinen Schützling ja nicht aufzuwecken und er schüttelte seinen Kopf, das wusste er wohl auch nicht. Bisher hatte Manuel nicht so gewirkt, als wäre er eine Person, die es mochte Alkohol zu sich zu nehmen und doch trank er, weshalb auch immer. Würde der Vampir nun ungemütlich werden, dann würde ich nach Claus schreien und dieser würde mir zur Hilfe eilen. „Ich habe ihn in einer naheliegenden Stadt dabei erwischt, wie er sich mit irgendeinem alten Mann prügeln wollte und deswegen habe ich ihn nach Hause getragen. Er hat mich den ganzen Weg lang vollgeheult, weil er dich vermisst hat und weil er Angst um dich hatte. Kann es sein, dass ihr beide euch gestritten habt?", erzählte der Größere leise und ich schaute zur Seite, das konnte man so sagen, wenn man wollte. Ich hatte die Gefühle des Langhaarigen mit meinem Handeln verletzt und deswegen hatte er wohl seine Sorgen weggetrunken, er wollte seine Gedanken vergessen, er wollte mich vergessen.

„Er hat mir angeboten, dass er mir beibringen könnte am Flügel zu spielen und ich habe sein Angebot abgelehnt, weil ich das lieber von jemand anderem lernen wollte. Und dann ist er einfach gegangen..., ich kann nicht verstehen, wieso er es so schlimm findet, dass ich auch mit anderen Menschen Zeit verbringen möchte!", meinte ich und verstehend nickte der Grauäugige, er hörte mir zu. Auch Claus und Michael versuchte Manuel von mir fernzuhalten, dabei war es doch nicht falsch viele Freunde haben zu wollen, besonders, wenn sie so beschützerisch waren wie Claus oder so liebevoll wie Mau. Der Vampir mied alles und jeden, ganz ohne Grund dazu. Dass Mau diejenige war, von der ich das spielen am Flügel erlernen wollte, ließ ich aus. „Er findet es nicht schlimm, dass du Zeit mit anderen verbringen möchtest! Er..., er kann nur nicht damit umgehen, dass er dich mag!", antwortete der Brünette und ich verstand nicht was das bedeuten sollte, deswegen hielt man eine andere Person doch nicht davon ab Freundschaften zu schließen. Unruhig legte Manuel seine rechte Hand auf meine Brust und ich ließ diese Suche nach Nähe zu. „Wie meinst du das?", wollte ich wissen, dabei strich ich liebevoll mit meinem rechten Daumen über die Taille des Älteren und wartete auf eine Antwort.

Ein leises Brummen verließ die Kehle Michaels. „Manuel liebt dich, Patrick. Und deswegen möchte er dich davon abhalten dich in jemand anderen zu verlieben, damit du dich in ihn verlieben kannst! Aber gleichzeitig hat er auch eine riesige Angst davor, was sein könnte, wenn ihr beide zusammen wärt und deshalb meidet er es dich zu nahe an sich heranzulassen. Du hast doch bestimmt schon bemerkt, dass er dich etwas anzüglicher behandelt als alle anderen Menschen um sich herum und dich dann wieder ein wenig auf Abstand hält, oder?", erklärte mir der Ältere weiter und ich zog unsicher meine Augenbrauen zusammen, das war sie, die Bestätigung dafür, dass er mich liebte. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, er war sich genauso unsicher wie ich was seine Gefühle anging und deswegen war ich einfach nur unsicher was ich ihm morgen sagen sollte. Ob er..., dachte er wohl, ich würde etwas dagegen haben, wenn sich zwei Männer liebten? Das konnte durchaus dazu führen, dass er es mied mir von seinen Gefühlen zu erzählen. „Ja, das habe ich. Aber ich weiß nicht, was ich machen soll! Ich bin doch noch so jung und vor allem weiß ich nicht was ich für ihn fühle..., er ist so schnell unsicher und wenn er morgen aufwacht, dann wird er es meiden mit mir zu sprechen!"

Einen Moment lang war es ruhig, ich strich meinem Freund einfach nur über die Hüfte, bis Michael leise seufzte. „Hör Mal, Patrick. Ich weiß nicht was du wirklich fühlst, okay? Aber ich weiß, was ich sehe und du magst Manuel sehr gerne, ob du es willst oder nicht. Dieser Kerl hat wirklich alles versucht, um dich loszuwerden und du kannst ihn einfach nicht loslassen, so etwas würde niemand tun, der nicht verliebt ist..., ich meine ja nur, ich habe selten jemanden gesehen, der mit Manuel so gut klar gekommen ist, wie du und das bedeutet etwas. Ihr zwei wärt ein schönes Paar, glaube ich und ich wäre froh darüber, wenn du Manuel auch weiterhin so glücklich machen könntest, wie bisher. So glücklich wie mit dir hat er das letzte mal gelächelt, bevor..., bevor er alleine war. Er ist ein guter Mensch und du kannst dich glücklich schätzen, dass sein Herz für dich schlägt!", sprach mein Gast einfach aus, was er dachte und ich schaute zu ihm, er meinte wirklich, ich wäre in den Vampir verliebt. Doch durfte ich das? Würden meine Eltern es gutheißen, dass ich mit einem Mann mein Bett teilte? Nein, das würden sie nicht und doch liebte ich ihn.

„Manuel wird mir morgen aus dem Weg gehen...", wisperte ich erschöpft, dabei stellte ich mir vor, wie der Grünäugige einfach wieder verschwand und mich alleine ließ. Der Ältere hasste es sich seinen Gefühlen zu stellen, er mied mich lieber so lange, bis ich aufgab und das würde er am morgigen Tag erst recht tun, denn das was geschehen war, war wirklich nicht einfach zu vergessen. „Ja, da hast du recht. Deswegen musst du vor ihm wach sein, wenn du mit ihm reden willst! Aber du musst wirklich aufpassen was du sagst, er neigt nämlich dazu lieber wegzulaufen, als seine Probleme zu lösen. Vielleicht umarmst du ihn einfach einmal und sagst ihm, dass er nichts falsch gemacht hat, das ist schon Mal ein guter Anfang für ein Gespräch! Er wird dir nicht einfach so sagen, dass er dich liebt, aber es kann nicht schaden ihn ein bisschen dazu zu bringen darüber nachzudenken, was er für dich empfindet. Und nimm es ihm nicht übel, wenn er seine Gefühle leugnen sollte, okay? Er..., er hat Angst davor, dass du dich vielleicht von ihm abwenden könntest, weil du nicht so bist wie er."

Verstehend nickte ich, das würde ich tun. Angestrengt richtete sich Michael also wieder auf und schmunzelte belustigt, als er in unsere Richtung sah. „Liegt er öfter so auf dir?", fragte mich der Grauäugige leise, dabei kam er ein paar Schritte auf uns zu und ich brummte bestätigend, während ich den Brünetten im Auge behielt, das tat der Langhaarige sehr gerne. Wenn er mich nicht schützend umarmte, dann legte er mir stets seinen Kopf auf die Brust und lauschte meinem beruhigenden Herzschlag, so wie ich gerne dem seinen lauschte. „Weißt du, wieso er das macht?", stellte der Brünette mir eine weitere Frage und das ließ mich leicht mit dem Kopf schütteln. Es war einfach schon immer so, seitdem ich neben ihm schlief und ich hatte damit auch kein Problem, er schadete mir ja nicht. „Das Herz ist das wichtigste Organ eines jeden Menschen und auch eines jeden Vampirs. Manu legt sich immer über dich, um dich zu beschützen! Er hört dein Herz schlagen und weiß, dass du in Sicherheit bist..., deswegen mag er es auch so sehr hier bei dir zu liegen, weil er auf dich aufpassen kann!", erklärte mir Michael und ich begann seicht zu lächeln, das war niedlich. Manuel beschützte mich selbst beim schlafen und ich fühlte mich wohl, so wohl wie nie.

~2270 Worte, geschrieben am 04.02.2023

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