30
Besorgt schaute ich durch einen kleinen Türspalt hindurch und sah, dass Manuel in seinem Bett lag und leise weinte. Ich hatte ihm ursprünglich nur eine angenehme Nacht wünschen wollen, nachdem ich mich einmal gründlich gewaschen hatte, aber so wie der Grünäugige weinte würde ich ihn sicher nicht alleine lassen. Ganz leicht drückte ich die Tür auf, welche das Zimmer des Vampirs beinahe ganz geschlossen gehalten hatte und wurde sofort erschrocken angeschaut. Ein liebevolles, beruhigendes Lächeln legte sich auf meine Lippen, während ich auf das Bett des Vampirs zuging. „Hörst du wieder Stimmen, Manu?", fragte ich vorsichtig, dabei setzte ich mich leise neben ihn und lauschte, denn es war bereits dunkel. Nur der Mond erstrahlte hell durch die Fenster im Zimmer, doch spendete er kaum genug Licht, damit man wirklich etwas sehen konnte. „Ja..., ich will das nicht mehr hören! Es soll still sein!", winselte der Langhaarige erschöpft und ich legte mich nahe an ihn heran, um ihm wortlos meinen linken Arm um den Körper legen zu können. Ich verstand es nicht, Claus war wieder da, der Wolf sollte eigentlich dafür sorgen, dass es Manuel wieder gut ging, doch irgendetwas schien noch immer nicht zu passen. Morgen würde das alles wieder besser sein, ganz bestimmt.
„Ich kann dir leider nicht helfen, Manu, weil ich nicht weiß was du hast. Aber ich kann hier bei dir bleiben und dir wieder etwas erzählen, wenn du magst! Oder wir kuscheln einfach ein bisschen, was meinst du?", wisperte ich leise und nach einem kleinen, erschöpften schluchzen seinerseits bekam ich die Antwort auf meine Frage, Manuel wollte mit mir kuscheln. Unsicher drehte sich der Grünäugige in meine Richtung, er wagte es nicht mich anzuschauen und legte einfach müde seinen Kopf auf meiner Brust ab, sodass er meinem Herzschlag lauschen konnte. Auch seine rechte Hand legte sich auf meine Brust, während ich den Älteren ganz sanft mit meinem rechten Arm umschloss und zu lächeln begann. Es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass da jemand war, der mir nahe sein wollte und so gerne ich auch mein Bett für mich alleine hatte, so eng umschlungen von Manuel in dessen Bett zu liegen war angenehm und schön. Behutsam strich ich dem Größeren durch sein langes Haar, ich schloss müde meine Augen und entspannte mich komplett unter dem Vampir, so wie es sein sollte. Morgen würde ihm das alles sicher wieder unangenehm sein, aber gerade eben genoss er meine Nähe und ich genoss die seine.
(...)
Vor Freude glänzten meine Augen am nächsten Morgen, als ich neben Manuel her lief und bereits das Haus meiner Eltern sehen konnte. Dankbar hatte mir der Grünäugige beim aufwachen eine kleine Umarmung geschenkt, er bat mich schüchtern darum niemandem zu sagen, dass er geweint hatte und da ich ihm nicht das Gefühl geben wollte ihn jemals bloßzustellen, gab ich ihm mein Wort zu schweigen. Ich verstand, dass es den Älteren störte seine Schwächen zu zeigen und da ich nicht in der Position dazu war Kritik daran auszuüben, ließ ich das ganze einfach so passieren, was sollte ich auch anderes tun. Gemeinsam mit Claus hatten wir also gefrühstückt, er saß das erste Mal überhaupt mit an dem großen Tisch und trotz dessen, dass er nicht mehr in der Pflicht war zu kochen und Manuel zu bedienen, hörte er damit nicht auf. Immer wieder schaute er, ob der Vampir noch etwas haben wollte und erst, als dieser aufstand, um sich für ein Treffen mit meinen Eltern fertig machen zu können, da entspannte sich der Wolf und wendete sich ganz mir zu. Es fiel dem Braunäugigen merklich schwer sich daran zu gewöhnen an nichts mehr verpflichtet zu sein, doch das war okay.
„Bitte eile nicht so, Patrick! Ich versuche hier gerade zu überleben! Vergiss nicht, die Sonne ist der größte Feind des Vampirs...", versuchte mich mein Begleiter zu bremsen, doch ich konnte nicht langsamer werden, dafür war ich viel zu aufgeregt. Aus reiner Freundlichkeit war es dieses Mal Manuel, der sowohl die vierzehn Taler in einem kleinen Beutel trug als auch einen Kuchen, den ich mit Claus gemeinsam gebacken hatte und das schwächte ihn, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Mein Angebot, dass ich das ganze tragen konnte, hatte er freundlich doch bestimmend abgelehnt und so ließ ich ihm seinen Willen. Entschlossen schüttelte ich meinen Kopf und beschleunigte noch einmal. „Ich kann nicht mehr warten, Manu, tut mir leid! Bitte versuche nicht dich zu verlaufen, wir sehen uns gleich!", rief ich dem Langhaarigen zu, bevor ich begann zu rennen und immer weiter voranzukommen, sodass ich meine Mutter wiedersehen konnte. Es war ein sonniger, schöner Vormittag und ich war mehr als nur aufgeregt, denn ich würde endlich die Person wiedersehen können, welche ich am meisten auf der Welt liebte. Meinen Vater würde ich wohl zu großer Wahrscheinlichkeit nicht antreffen, da es mitten in der Woche war, doch das störte mich nicht.
Noch bevor ich das Haus ganz erreichte, öffnete sich die Tür zu diesem und ein bereits älterer, recht dünner Mann trat mir entgegen, welcher meine Augen groß werden ließ. Ausschließlich mit einem dünnen Shirt war der Oberkörper des anderen bedeckt, zusätzlich trug er noch eine braune Hose und verdeckte nicht einmal, dass er Flecken auf den Klamotten hatte, denn diese waren viel zu offensichtlich. „Papa...", lächelte ich glücklich vor mich her, bevor ich dem durchaus sehr viel Stärkeren in die Arme fiel und sicher gehalten wurde. Wie sich mein Herz doch freute diesen Mann zu sehen, ich hatte nicht damit gerechnet ihn vor Sonntag sehen zu dürfen und nun standen wir da, Arm in Arm und lächelten. „Paddy..., komm, lass dich ansehen! Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, ich dachte, deine Mutter hätte dich in einem Fiebertraum gesehen...", wisperte der Ältere mir zu, dabei drückte er mich zärtlich von sich weg und legte mir stattdessen seine linke Hand auf die Wange, um mich anschauen zu können. Erleichtert blickte mich der Mann mit seinen braunen Augen von vorne an, wir waren etwa gleich groß und doch war der ebenfalls Brünette etwas breiter gebaut, was in Anbetracht seiner Arbeit kein Wunder war.
„Nein nein, ich war wirklich hier! Und ich habe euch auch heute wieder etwas mitgebracht! Schau, dahinten läuft mein Arbeitgeber. Er trägt einen Kuchen bei sich und vierzehn Taler..., geht es Mama gut?", fragte ich mit hoffnungsvollen Augen, doch dieses Glück schien ich am heutigen Tag nicht zu haben. Ein gewisser Schmerz war in den Augen des Kurzhaarigen zu sehen, welcher mein Herz schwer werden ließ, das war gar nicht gut. Es gab immer wieder einmal gute Tage zwischen den schlechten, doch diese wurden immer weniger, je älter wir wurden und ich machte mir Sorgen, denn das hieß, sie würde bald von uns gehen. „Sie weigert sich zu essen und sie weint sehr viel, wenn sie nicht schläft. Geh doch einfach für einen Moment zu ihr und sieh nach ihr, hm? Aber komm dann wieder raus, deine Mutter braucht Ruhe...", sprach mein Vater und ich nickte, das klang nicht sehr schön. Ich wollte ihr am liebsten einfach nur hallo sagen und ihr zeigen, dass ich sie in den letzten Tagen nicht vergessen hatte, doch das würde schwer werden, erst recht, wenn die Ältere doch schlafen wollte. Zumindest konnte Papa ihr im Nachhinein ausrichten, dass ich da gewesen war.
Nickend betrat ich also das Haus und blickte links um die Ecke, um sehen zu können, wie meine Mutter still da lag und schlief. Kaum bewegte sie sich, nur durch ihr langsames, gleichmäßiges Atmen wurde erkenntlich, dass sie noch am leben war und mir wurde mein Herz schwer, nur wenn ich das so sah. Es war kein gutes Zeichen, dass die Ältere nichts essen wollte, sie fühlte sich einfach nicht gut und verlor ihren Lebenswillen, wenn man es so mochte, das bereitete mir Sorgen. Ich wusste, dass die Brünette eines Tages nicht mehr leben würde, jedes Leben hatte früher oder später einmal ein Ende, doch ich wollte nicht, dass sie starb. Diese Frau war mein ein und alles, sie hatte mich aufgezogen, beschützt und ich liebte sie, es würde mir mein Herz brechen, wenn sie nicht mehr da wäre. Betrübt setzte ich mich auf den Stuhl vor das Bett meiner Mutter und blickte auf sie hinab. Was würde passieren, wenn mein Vater ganz alleine wäre? Er konnte niemals ganz alleine überleben, er hatte sein Leben lang nur uns beide gehabt, Mama und mich, ohne uns würde er einsam werden. Ob..., würde Manuel ihn vielleicht bei sich aufnehmen, wenn ich ihn darum bat?
Einen kleinen Moment saß ich ganz still da und senkte meinen Blick etwas, bis sich die Haustür leise öffnete und ein schüchterner Manuel linste in den Raum hinein. Betrübt warf ich ihm einen müden Blick zu, während er auf mich zu kam und sich bewusst neben mich kniete, um zu mir aufschauen zu können. Schützend nahm sich der Grünäugige meine linke Hand, um diese halten zu können. „Patrick, magst du mir einen Gefallen tun?", fragte mich der Mann neben mir nun sanft, dabei war er leise und versuchte die Dame vor uns nicht zu stören und ich brummte fragend, schaute ihn vorsichtig an. Das letzte was er wollte war, meine Mutter aufzuwecken und ich begann leicht zu lächeln, schon alleine als ich sah, dass der Größere mich umsorgte. „Ich weiß, dass du gerade etwas betrübt bist wegen deiner Mutter, aber dein Vater würde mich gerne etwas kennenlernen und deswegen möchte er mir etwas die Gegend zeigen, während wir uns unterhalten! Könntest du vielleicht den Kuchen in Stücke schneiden und uns einen Tee zubereiten? Ich möchte, dass dein Vater mich mag und ich glaube, dass er das tun würde, wenn ich nett zu ihm bin!"
Mit großen Augen schaute ich den Älteren an und nickte, das war doch selbstverständlich. Es freute mich zu hören, dass der Brünette meinem Vater gefallen wollte, und ich würde ihn ohne eine Beschwerde unterstützen, so wie es sein sollte. „Ja, natürlich! Findest du ihn nett, hat er dich denn ordentlich begrüßt?", wollte ich wissen, dabei schaute ich ihn fragend an und ein seliges Lächeln legte sich auf seine Lippen, er war froh über meine Hilfe. Liebevoll strich mir der Größere mit dem Daumen über den Handrücken und guckte mir genau in die Augen. „Er ähnelt dir sehr! Ich weiß jetzt wo du deinen Wunsch nach Umarmungen her hast. Dein Vater hat mich mit einer Umarmung begrüßt! Er ist genauso warmherzig wie du...", antwortete mir der Langhaarige und meine Wangen erröteten, während ich schüchtern den Kopf senkte, Manuel fand mich warmherzig. Ganz anders als meine Mutter, machte sich mein Vater kaum etwas daraus, wenn ihm jemand anderes sozial höhergestellt war und deswegen umarmte er meinen Freund einfach, so wie ich es tun würde. Es war stark von dem Vampir, dass er den alten Mann nicht einfach von sich gestoßen hatte, als dieser ihn umarmt hatte und ich wollte, dass die beiden sich gut verstanden.
(...)
Sanft wurde ich von der Seite gemustert, von zwei so schön glänzenden Augen, dass ich ganz schüchtern wurde. Es hatte nur einige Minuten gedauert, in denen Manuel mit meinem Vater spazieren war, bis sich die beiden lächelnd zu mir in das Häuschen begeben hatten und mit mir aßen. Ich konnte kaum glauben wie gut sich der Grünäugige mit meinem alten Herrn verstand, die beiden scherzten sogar miteinander und ich war so glücklich wie nie zuvor, fühlte mich wie zuhause. Nicht einmal mit meiner Mutter verstand sich der Vampir so prächtig und es tat mir fast leid, doch am späten Nachmittag, da musste ich meinem Begleiter leider mitteilen, dass wir zurück nach Hause mussten. Auf dem Weg dorthin berichtete mir der Langhaarige, dass ich wohl ein perfektes Abbild meines Vaters darstellen würde, sowohl im körperlichen Sinne als auch in der Art wie ich mich verhielt und in mir stieg die Hoffnung auf, dass der Brünette meinen Vater bei sich aufnehmen würde, wenn meine Mutter nicht mehr bei uns war. Nichts gefiel mir mehr als dieser Gedanke, ich wollte, dass mein Vater sein Leben genießen konnte und nun hatte ich die Chance ihm das zu ermöglichen, besser ging es nicht.
Seicht nur wurde ich nun gestreichelt und lehnte mich schutzsuchend an den Mann vor mir heran. „Danke, dass du mich heute abgelenkt hast, als ich meine Mama gesehen habe...", wisperte ich leise, dabei schloss ich müde meine Augen und dachte daran zurück, wie Manuel mich darum gebeten hatte einen Tee zuzubereiten und den Kuchen in Stücke zu schneiden. Mir war im Nachhinein bewusst geworden, dass er das nur getan hatte, um mich auf andere Gedanken zu bringen und ich war ihm unendlich dankbar dafür gewesen. Hätte ich noch länger nur still dabei zugesehen, wie die Ältere still schlief und litt, dann wäre ich wahrscheinlich in Tränen ausgebrochen, doch so hatte ich einem angenehmen Tag mit meinem Vater verbringen dürfen. Ich wollte nicht akzeptieren, dass meine Mutter nicht für immer da sein würde, doch das musste ich tun und vielleicht würde ich das auch, mit der Hilfe meines Freundes. Dieser schien zu wissen wie er mir am besten beistehen konnte und vielleicht würde er sich auch weiterhin so um mich kümmern, das würde mich freuen. „Gerne. Ich weiß wie es ist, jemanden zu verlieren, den man mit ganzem Herzen geliebt hat und ich werde dir helfen das ganze zu verarbeiten!"
~2200 Worte, geschrieben am 25.01.2023
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top