26
Nachdenklich blickte ich Mau an, welche schnurrend in meinem Arm lag und die Augen geschlossen hatte. Ich wusste nicht was ich denken sollte. Das gesamte Tagebuch über hatte ich gedacht, dass das die Geschichte einer jungen Frau war, welche sich unsterblich in einen Vampir verliebte und doch handelte es über einen Mann, das überforderte mich etwas. Es war unüblich als Mann einen anderen Mann zu lieben, ihn zu küssen und sich an ihn zu binden. Ich kannte das nicht, man wurde für solch ein Gefühl geächtet und gehasst, doch nach allem was ich gelesen hatte, nach diesen doch eigentlich recht schönen Gefühlen, welche sich langsam für den Vampir entwickelt hatten, war ich mir sicher, dass diese Liebe nichts schlechtes sein konnte. Auch Michael und Claus schienen diese Gefühle als etwas gutes zu empfinden, sie beleidigten die beiden Männer nicht, so wie es ein Mensch getan hätte und ich versuchte mir vorzustellen wie es wohl wäre einen anderen Mann zu küssen, aber das fiel mir schwer. Noch nie hatte ich irgendjemanden wirklich geküsst, ich wusste nicht wie sich die Lippen einer anderen Person anfühlten und da ich auch niemanden hatte, bei dem ich mich ausprobieren konnte, würde ich niemals erfahren wie es sich anfühlte einen Mann zu küssen.
Seufzend stand ich vom Bett auf und ging in den Eingangsbereich des Hauses, wo das Licht des Feuers im Kamin brannte. Michael saß im Schneidersitz davor und guckte erst dann erschrocken mich an, als ich mich schüchtern neben ihn setzte. Claus schlief in aller Ruhe auf dem Boden neben dem Bett, da er es wohl nicht mochte in einem Bett zu schlafen und aus Angst, dass ich erneut von Manuel träumen könnte, mied ich es einzuschlafen. „Brauchst du etwas, Patrick?", fragte mich der Grauäugige nun leise, nur um sich währenddessen etwas von mir weg zu setzen und ich verstand, er zeigte mir, dass er mich nicht verängstigen wollte. Mittlerweile fühlte ich mich nicht mehr so unwohl in der Nähe des Vampirs wie ich es zuvor getan hatte, ich hatte mich beruhigt und glaubte, dass der Ältere nicht solch ein gemeiner Mann war wie Manuel. Der Grünäugige war ein seltsamer Genosse, er kümmerte sich einen Dreck um Menschen und wollte nichts mit ihnen zu tun haben, also würde ich ihn meiden, so wie er mich mied. „Ich hatte mich gefragt, ob du mir vielleicht ein wenig mehr über Stephan und diesen Menschen erzählen könntest! Du hast das Tagebuch doch bestimmt auch gelesen."
Unsicher blickte mich der Vampir an und senkte schließlich seinen Blick. „Ungerne. Das ist eine Geschichte, bei der es mir nicht zusteht darüber zu reden! Aber..., wenn du vielleicht andere Fragen hast, die nicht speziell Stephan betreffen, dann wäre ich dazu bereit sie dir zu beantworten! Claus hat gesagt, dass Manuel dir nie etwas erklären wollte...", schlug der Grauäugige mir stattdessen vor und ich überlegte für einen Moment, das war etwas ernüchternd. Ich hatte wirklich gehofft erfahren zu dürfen wie der Name des Menschen war, wie er wohl aussah und was ihn zu dem Vampir gebracht hatte, aber das würde wohl ein Geheimnis bleiben. Es gab vieles was ich gerne wissen wollte, also würde ich meine Möglichkeit nun nutzen und ein paar Fragen stellen. „Okay, ist gut! Kannst du mir vielleicht erklären wieso Manuel mir erst vorgespielt hat, dass er mich mag und mir dann gesagt hat, dass er mich hasst? Mein Herz weigert sich zu verstehen, dass Manuel ein schlechter Mensch ist...", fragte ich vorsichtig, dabei guckte ich hoffnungsvoll zu dem Größeren hinüber, nur um zu sehen wie er meinen Blick mied. Manuel war kein schönes Thema, über das wir sprechen konnten, aber ich brauchte Klarheit.
Einen Moment war es still, ehe mein Gastgeber zu sprechen begann. „Ich weiß es nicht. Manuel war schon immer ziemlich ein absolutes Rätsel für jeden! Er mag es gerne alleine für sich selbst zu sein und er hat auch schon immer eine gewisse Abneigung gegenüber einfachen Menschen empfunden, aber du hast ihn..., du hast ihn irgendwie beeindruckt! Ich kann nicht verstehen, wieso er dich auf einmal abgewiesen hat, aber so wie ich ihn kenne, wird das ganze einen guten Grund haben. Manuel tut nichts ohne es vorher genau durchdacht zu haben! So, wie er da reagiert hat, so hat er noch nie bei irgendjemandem reagiert...", erzählte mir der Größere und ich lauschte aufmerksam, das half mir irgendwie nicht weiter. Dass ich ihn beeindruckt hatte, das glaubte ich nicht, schließlich hätte er mich ansonsten niemals so angeschrien wie er es getan hatte. Auch ich hatte schon festgestellt, dass der Grünäugige gerne alleine war, er mochte es nicht bei gewissen Dingen gestört zu werden und unternahm auch nur dann etwas mit mir, wenn ich auf ihn zuging, doch das war in meinen Augen nicht schlimm. Nicht jeder war aufgeschlossen und unternehmerisch, so war Manuel nicht und ich verurteilte ihn auch nicht dafür, das stand mir nicht zu.
„Vielleicht bin ich ja selbst schuld daran, dass er mich von sich gestoßen hat..., ich habe seine Grenzen nicht genug beachtet und deswegen ist er wütend geworden! Ich war für ihn einfach nur ein neuer Butler und ich habe mich ihm gegenüber bestimmt zu aufmüpfig verhalten, weißt du? Er..., er hat sich von mir umarmen lassen und ich durfte ihn mit seinem Namen ansprechen, aber das war wohl zu viel für ihn. Es war alles meine schuld...", wisperte ich betrübt, dabei senkte ich meinen Blick und das konnte mein Nebenmann wohl nicht mit anhören, denn er rutschte etwas näher zu mir, nur um mir sanft seine linke Hand auf die Schulter legen zu können. Unsicher guckte ich zu dem Brünetten hinüber, so nahe war er mir nicht mehr gekommen, seit mich Manuel geschlagen hatte. „Nein, du bist an nichts schuld! Manuel ist einfach jemand, der nicht dafür gemacht ist mit anderen Menschen seine Zeit zu verbringen und deswegen ist es gut, dass du jetzt hier bist. Du wärst irgendwann, wenn du bei ihm geblieben wärst, an seiner Art kaputt gegangen. Wer bei Manuel lebt, der braucht viel Geduld und muss akzeptieren, dass er nicht mehr frei sein kann, das kann nicht jeder."
Erschöpft lehnte ich mich einfach an den Vampir heran, um mich an ihn schmiegen zu können. Manuel war ein schwieriger Mensch, er hatte seine Eigenarten und davon nicht gerade wenige, doch wenn man sich Mühe gab, dann konnte man gut mit ihm auskommen. Ich war doch mindestens genauso schwierig wie der Langhaarige, ich drängte mich anderen auf, war etwas vorlaut und ich war viel zu unbedacht im Umgang mit anderen, es war kein Wunder, dass mich der Brünette nicht mochte. Wir waren zu verschieden, wie die Sonne und der Mond, einfach nicht kompatibel. „Ich wäre trotzdem gerne bei ihm geblieben. Er hat mir das Gefühl gegeben jemanden gefunden zu haben, der mich glücklich machen könnte! Ich mochte ihn...", wisperte ich leise, doch der Grauäugige antwortete nicht mehr. Ich dachte an den Augenblick zurück, in dem ich ihn das erste Mal fest umarmt hatte und meine Sinne spielten mir einen Streich, denn ich glaubte sein Herz schlagen hören zu können, auch wenn das eigentlich unmöglich war. „Er ist gefährlich für dich, das weißt du, oder? Er hat dich schon einmal verletzt und wird nicht zögern es noch einmal zu tun...", fragte mich mein Nebenmann nun vorsichtig und ich nickte bestätigend, das war mir bewusst.
„Ja, ich weiß. Aber das ändert nichts daran, dass ich ihn mag! Ich weiß auch nicht wieso, aber ich fühle mich bei ihm wohl und sicher und ich glaube, dass er das gleiche Gefühl bei mir hatte. Bis ich es übertrieben habe..., ich hoffe einfach nur, dass er weiß was er tut!"
(...)
Erschrocken schlug ich meine Augen auf und atmete hörbar ein. Wieder hatte ich einen Alptraum gehabt. Dieses Mal jedoch sah ich Manuel in seinem Zimmer stehen, mit einem scharfen, glänzenden Messer in der Hand und er weinte Tränen der Angst, was mir mein Herz brach. Das schlimmste an allem war jedoch, dass der Brünette das Messer in seinen Händen auf sich selbst gerichtet hatte und schrie, dass es ihm leid tat zu leben, wie konnte er das nur aussprechen? Es war dunkel draußen, die Sonne ging gerade auf und mir pochte das Herz vor Angst, das musste etwas zu bedeuten haben, Manuel ging es nicht gut. Leise nur hörte ich ein paar Schritte, bevor ich von einem verwunderten Michael angeschaut wurde. Noch lange hatten wir etwas über Vampire geredet, ich hörte dem Älteren aufmerksam zu, bis ich müde wurde und mich schlafen gelegt hatte. Auch Mau legte sich ruhig neben mich ins Bett, die Blonde schenkte mir ihre Nähe und Liebe, bis ich schließlich in einen unruhigen Schlaf verfallen war.
„Ist alles okay?", fragte mich der Vampir wispernd, um niemanden aufzuwecken und ich brauchte einen Augenblick, bis ich wortlos aufstand und an dem Brünetten vorbei ging. So konnte es nicht weiter gehen, ich wollte und durfte nicht zulassen, dass Manuel die Macht über meinen Verstand übernahm und deswegen musste ich zu ihm gehen, wenn auch nur kurz. Ich musste sehen, dass es dem Grünäugigen gut ging, dass er nicht vor hatte sich selbst zu verletzen und das konnte ich nur, wenn ich mich überwand und zu ihm lief. Claus durfte davon nichts mit bekommen, er würde unglücklich sein und Angst um mich haben, wahrscheinlich berechtigter Weise. „Michael, ich muss gehen! Bitte sag Claus, dass ich spazieren bin, okay?", wisperte ich leise, dabei ging ich entschlossen zur Haustür und blickte erst noch einmal erschrocken zurück, als mich der Ältere am Arm festhielt. Ernst blickte mich der Größere an, bevor er mich los ließ und für einen Augenblick in die Richtung des Zimmers blickte, in dem Claus und Mau noch ruhten.
„Du willst zu Manuel gehen, habe ich recht?", fragte mich der Brünette monoton, dabei starrte er mir genau in die Augen und ich öffnete meinen Mund ein Stück weit, das hatte ich nicht kommen sehen. Michael wusste, dass ich nach dem Älteren sehen wollte und er war nicht begeistert davon, wie ich es erwartet hatte. Vorsichtig ließ der Größere meinen Arm wieder los, als er merkte, dass ich mich ein wenig beruhigte und ich nickte bestätigend, das war mein Plan gewesen. Unzufrieden guckte ich zu meinem Gegenüber und seufzte leise. „Ja, das möchte ich. Ich erwarte nicht, dass du es verstehst, aber ich mache mir Sorgen um ihn und das werde ich auch so lange tun, bis ich weiß, dass es ihm gut geht! Lässt du mich also zu ihm gehen und sagst Claus, dass er sich keine Sorgen um mich machen muss?", stellte ich dem Älteren eine Gegenfrage, dabei schaute ich mit großen, flehenden Augen zu ihm auf und bekam ein Nicken geschenkt, der Vampir akzeptierte meinen Willen. Ich wollte nur Gewissheit haben, ich wollte, dass Manuel in Sicherheit war und wenn er mich an sich heran ließ, dann würde ich versuchen den Grünäugigen etwas zu beruhigen, sodass er mir vielleicht die Möglichkeit gab mit ihm zu reden.
Leise seufzte mein Gegenüber. „In Ordnung, geh. Aber wenn du bis heute mittag nicht zurück bist, dann werde ich dir Claus nach schicken und er wird dich so lange bemuttern, bis du dich dafür entschuldigst ihm Angst gemacht zu haben!", sprach Michael, bevor er die Haustür öffnete und mich gehen ließ. Erleichtert schenkte ich dem Brünetten eine kleine Umarmung, bevor ich aus dem Gebäude hinaus in die frische Morgenluft trat und entschlossen meine Hände zu Fäusten ballte, nur um los laufen zu können. Es konnte kein Zufall sein, dass ich Manuel im Traum leiden sah, ihm ging es nicht gut und er hatte Schuldgefühle, das durfte nicht so weitergehen. Ich wusste, dass dieser kleine Ausflug schlecht für mich enden könnte, der Vampir hasste mich schließlich und hatte mehr als deutlich gemacht, wie wenig er in meiner Nähe sein wollte, doch das würde mich nicht davon abhalten das richtige zu tun. Kein Mensch sollte darüber nachdenken müssen sich selbst umzubringen, es gab für alles eine Lösung und wenn der Grünäugige mit sich reden lassen würde, dann war ich überzeugt davon, dass ich ihm helfen konnte. Einsamkeit trieb einen Menschen in tiefe Abgründe, aus denen man alleine nicht mehr heraus kam.
Eilig lief ich die letzten paar Meter bis zur riesigen, schweren Eingangstür der Burg. Es wurde langsam aber stetig hell, die Sonne würde am heutigen Tag scheinen und trotzdem konzentrierte ich mich auf meinen Weg, so wie es sich gehörte. Grau, trist und verlassen sah die Burg von außen aus, als würde niemand darin wohnen, doch das Gegenteil war der Fall. Aufmerksam lauschte ich, als ich die Tür zum Gebäude öffnete, doch es war still, toten still. Keine Bewegung war von irgendwo auszumachen, weshalb ich schnell, jedoch bedacht die Treppe nach oben lief und hoffte nicht zu spät zu sein. Ohne Claus hatte der Vampir niemanden, der bei ihm sein wollte, mich wollte er schließlich nicht sehen und das führte dazu, dass er sich ungeliebt fühlte. Ich würde gerne bei ihm sein und ihn zum lächeln bringen, doch das war leider nicht erwünscht. Vielleicht könnte ich Claus davon überzeugen wieder hier her zurück zu kommen, denn ich glaubte, Manuel brauchte jemanden, der auf ihn achtete und der ihn umsorgte, sonst würde er seinen Verstand verlieren, wenn nicht sogar sein Leben. Mit klopfendem Herzen öffnete ich die Tür zu seinem Zimmer.
~2200 Worte, geschrieben am 17.01.2023
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