24

Schüchtern lief ich an der Hand von Mau hinter unserem Leitwolf her und schaute bedröppelt zu Boden. Wir liefen schweigend durch einen dichten Wald, folgten Claus und ich hörte noch immer die angeekelte Stimme des Vampirs in meinen Ohren hallen, der sagte, dass ich ein Schwächling war. Es tat mir im Herzen weh, dass der eigentlich so liebevolle Grünäugige mich nicht mochte und ich verfluchte mich selbst dafür geglaubt zu haben, dass er ein guter Mensch sein konnte, denn das war er nicht. Ich hatte geglaubt, dass er mich beschützen wollte und das nur, weil ich leichtgläubig war, zumindest würde das der Ältere nun behaupten. In seinen Augen war ich leichtgläubig und dumm, damit hatte er recht. Mein Verstand hatte mich nicht davor gewarnt, dass der Vampir mir nichts gutes wollte und ich bereute es auf den Brünetten gestoßen zu sein, auch wenn ich eigentlich froh darüber sein konnte. Durch ihn hatte ich zwei neue Freunde gefunden, hatte gemerkt, dass ich nicht nur andere mit meinem Handeln glücklich machen musste, sondern auch mich selbst und ich war mir nun dessen bewusst, dass kein Vampir dieser Welt einem Menschen gut gesinnt sein konnte. Es nützte nichts an das gute in jemandem zu glauben, wenn es nichts gutes gab.

Erst kurz bevor wir vor einem kleinen Haus standen, drehte sich Claus zu uns um und lächelte sanft. „Wartet kurz hier, okay? Ich werde gleich wieder zurück kommen und euch holen!", meinte der Brünette, bevor er zum Haus ging und zwei Mal vorsichtig an die Tür klopfte, um sein Erscheinen anzukündigen. Meinen Blick senkte ich trotzdem wieder, denn glücklich war ich ganz sicher nicht über den Verlauf dieses Tages. Ich hatte mit einem Mal einen Freund verloren, oder zumindest dachte ich, dass dieser Mann ein Freund von mir wäre und es schmerzte mich zu sehr damit zu leben, als dass ich nun in der Lage dazu sein könnte eine neue Umgebung zu erkunden. Mau derweil sah sich aufgeregt um, sie war von all dem nicht so getroffen wie ich es war und deswegen zog sie mich kurz darauf, nachdem sie sich einmal umgesehen hatte, seicht an ihre Brust und lächelte sanft. Kein Wort sagte sie zu mir, stattdessen strich sie mir einfach beruhigend durch mein Haar und gab mir ihre Liebe, so wie ich sie nun eigentlich von Manuel bekommen hätte. Konnte mein Herz nicht einfach still sein? Ich wollte diesen Mann nicht vermissen.

Eine ganze Weile lang standen wir so da, umarmten uns und warteten, bis wir Claus meinen Namen rufen hören konnten. Lächelnd winkte er uns zu sich, in Richtung Haus und langsam liefen wir ihm auch entgegen, gespannt darauf wem dieses Haus wohl gehören könnte. Es war klein, aber dennoch groß genug, um mehr als zwei Zimmer zu haben und ich blickte vorsichtig in das Innere des Gebäudes, welches tatsächlich schön eingerichtet war. Die Wände bestanden aus Holz, genau wie der Boden und wenn man eintrat, befand sich rechts an der Wand ein Kamin, das war selten für ein Haus. Ein kleiner Tisch befand sich in dem ersten Raum, sowie zwei Stühle und auch ein Regal mit Büchern war zu sehen, doch das war es nicht, was meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war allein der große, bleiche Mann neben Claus, welchen ich nun mit großen Augen musterte und den ich nun nicht mehr aus den Augen ließ. Claus hatte uns zu Michael geführt, das war nicht gut, das mochte ich nicht. Lieb wurde ich von dem Vampir angelächelt, bevor er sogar auf mich zuging und seine Arme ausbreitete, um mich umarmen zu können. Erschrocken trat ich einen Schritt zurück und Mau stellte sich schützend vor mich, denn sie spürte meine Angst.

Abwehrend hob unser Gastgeber seine Hände. „Patrick, habe keine Angst! Du weißt doch, dass ich dir nichts tun möchte. Ich habe bereits Blut getrunken und habe keinen Hunger mehr..., magst du nicht umarmt werden?", sprach der Brünette, dabei guckte er mich mit treuen Augen an und ich schüttelte augenblicklich den Kopf, ich wollte ihm nicht näher kommen. Auch Manuel hatte mich umarmt, er nutzte meinen guten Willen aus, um mich im Endeffekt nur noch stärker zu kränken und zu verletzen, das wollte ich nicht noch einmal erleben. Enttäuscht senkte der Grauäugige seine Arme wieder und nickte leicht, er wollte mich schließlich nicht verärgern. Noch immer stand Mau wie eine Barrikade vor mir und beobachtete den Vampir. „Ich weiß gar nichts, Michael! Du bist ein Vampir, genau wie Manuel und ich will nie wieder auch nur einen Vampir sehen! Können wir zu meinen Eltern gehen, Claus? Da würde ich mich sicherer fühlen als hier...", bat ich den Wolf, welcher nun enttäuscht seine Ohren an den Kopf anlegte und nicht wusste was er sagen sollte. Selbst Michael könnte mir nur vorspielen, dass er ein netter Kerl war, um an mein Blut zu kommen und ich vertraute ihm nicht, nicht nach all dem, was ich heute gehört hatte.

„Patrick, ich weiß, dass du gerade verletzt bist und deine Ruhe möchtest, aber da draußen wirst du nur einem noch schlimmeren Vampir als mir begegnen! Bleibt hier und ruht euch aus. Ich kann mich gerne nebenan ins Bett legen und dort ein Buch lesen, während ihr hier seid, wenn dich das glücklicher machen würde, okay? Ihr könnt gerne morgen bei Sonne zu deinen Eltern gehen, aber nicht mehr heute!", sprach Michael nun und ich guckte unzufrieden weg, das war nicht das, was ich wollte. Es war lieb von dem Älteren, dass er uns für mich alleine lassen würde, nur damit ich mich wohler fühlte, aber glücklich war ich deswegen dennoch nicht. Ich konnte dem Brünetten nicht mehr vertrauen, ich fühlte mich betrogen und konnte nicht mehr sagen ob mir der Grauäugige tatsächlich etwas gutes wollte oder nicht. Claus hatte uns nicht ohne Grund hier her gebracht, er kannte den Vampir und fand, dass dieser ungefährlich genug war, um bei ihm zu übernachten. Ob ich nun hier drinnen oder draußen von einem Vampir umgebracht wurde war prinzipiell egal, mir war nur wichtig, dass es nicht Manuel war, dem diese Ehre zu Teil wurde.

Seufzend senkte ich meinen Blick und nickte. „Nun gut. Aber ich habe kein Interesse daran Zeit mit dir zu verbringen! Ich will nichts mehr mit Wesen wie dir zutun haben...", meinte ich, dabei verschränkte ich meine Arme vor der Brust und wurde betrübt gemustert, bekam jedoch ein kleines Nicken geschenkt. Es schien Michael zu verletzen, was ich sagte und doch würde ich mich nun nicht entschuldigen, denn meine Worte entsprachen der Wahrheit. Ich wollte einfach nur schlafen und mich ausruhen, diesen Tag vergessen und danach weit weg laufen, irgendwohin, wo mich niemand mehr finden konnte, besonders nicht Manuel. Ruhig lief Michael in ein Nebenzimmer, was wahrscheinlich sein Schlafzimmer war. „Wie du möchtest. Claus weiß ja wo alles steht! Ich werde später noch einmal hier durch müssen, um mir mein Abendessen zu fangen, also nicht erschrecken, wenn hier jemand durch schleicht. Fühlt euch wie zuhause!", sprach der Vampir, bevor er still und heimlich in das Zimmer nebenan lief, nur um die Tür schließen zu können und uns alleine zu lassen. Unzufrieden schaute ich ihm nach, während sich Mau vor mir wieder entspannte und sich zu mir umdrehte, um mich vorsichtig mustern zu können.

Leise seufzte Claus nun. „Michael hat nicht vor dich zu verletzen, Patrick. Er ist nie so böse gewesen wie Manuel und er ist hilfsbereit, auch wenn du das nicht glauben willst! Wollt ihr beide etwas essen? Ich kann euch Brot anbieten, mehr konnte ich in der Eile nicht finden!", fragte mich der Braunäugige, nachdem er mir etwas zu unserem Gastgeber gesagt hatte und ich verzog desinteressiert meine Miene, wollte nichts mehr über den Vampir hören. Seit meinem unruhigen Morgen hatte ich nichts mehr gegessen, während des Mittagessens hatte ich geschlafen und nun konnte ich ein wenig Brot ganz gut vertragen, denn das war besser als nichts. Auch die Dame vor mir hatte Hunger, denn automatisch nickte sie und ging auf den Wolf zu, um sich etwas zu essen holen zu können. Stumm ging ich der Blonden hinterher und seufzte setzte mich schließlich traurig in den Schneidersitz auf den Boden, als ich ein Stück Brot in den Händen hielt. Die beiden Stühle am Tisch überließ ich somit meinen Begleitern, ich glaubte, dass allein zu sein nun das richtige für mich wäre und das Mitleid von Mau wollte ich auch nicht mehr haben, mir reichte es. Ich wollte einfach nur in Frieden nachdenken können, wenn auch nur ein wenig.

Stumm biss ich in mein Brot und guckte zu Boden.

(...)

Als ich das nächste Mal meine Augen auf schlug, da pochte mein Herz wie wild und ich versuchte zu verstehen, was ich gerade gesehen hatte. Kälte durchzog meinen Körper, so als nahte der Tod und ich setzte mich auf, versuchte meinen Atem zu beruhigen, welcher beschleunigt war. Vor meinen Augen hatte ich ihn knien sehen, den Mann, welcher mir mein Herz gebrochen hatte und er war bleicher als jemals zuvor. Verzweiflung war in seinen Augen zu sehen, seinen kalten, toten Augen und er starrte mir direkt in die Seele, so als hätte ich vor ihm gesessen. Wie ein verrückter schlug er seinen Kopf immer wieder gegen eine Wand, bis er blutete und er schrie etwas, etwas für mich unverständliches, das war ein grausames Bild gewesen. All das hatte sich so real angefühlt, doch es ergab keinen Sinn, egal wie sehr ich auch versuchte das ganze zu verstehen. Niemals würde sich der stolze Vampir selbst verletzen, er hatte keinen Grund dazu und das verwirrte mich zutiefst. Selbst in meinen friedlichen, schönen Träumen verfolgte mich der Grünäugige und machte mir mein Leben zur Hölle, das hatte ich nicht verdient.

Noch etwas benommen nahm ich erst einen Augenblick später wahr, dass ich noch immer an der kalten Holzwand lehnte und dort wohl eingeschlafen war, was war nur geschehen? Erschrocken atmete ich Luft ein, als ich eine Gestalt vor mir knien sah und rutschte weg. „Patrick, keine Angst! Ich bin es nur, Michael. Du bist kalt und brauchst eine Decke, wenn du hier weiter schlafen willst. Magst du vielleicht lieber ins Bett gehen? Ich schlafe erst zum Morgen hin wieder!", sprach der Vampir sanft, welcher mir Obdach bot und ich brauchte einen Moment Zeit um das ganze zu verstehen, das kam unerwartet. Nur bedingt konnte ich den Älteren sehen, durch das Fenster neben der Tür schien das Licht des Mondes und ich wusste nicht zu handeln, fühlte mich nicht sicher. Es war noch so viel dunkler als in Manuels Burg, was an den Bäumen lag, welche sich um das Haus herum befanden und Schatten auf es warfen. „Michael, es ist dunkel! Ich kann den Weg nicht sehen! Und du machst mir Angst!", sprach ich aus, dabei machte ich mich instinktiv etwas kleiner und mein Vordermann lauschte mir, hatte nicht mit dieser Antwort gerechnet. Ich wollte ehrlich sein, so ehrlich wie es nur ging.

Verstehend brummte der Grauäugige auf, bevor er sich aufrichtete und davon ging. „Okay, das bekommen wir gelöst, das Problem! Lass mich nur machen...", antwortete mir der Brünette, während er im dunklen sein Haus nach etwas zu durchsuchen schien und ich wartete mit klopfendem Herzen, wusste nicht was geschah. Die Augen eines Vampirs waren ausgezeichnet, sie waren dafür gemacht in der Nacht klar sehen zu können und demnach hatte ich nicht das Gefühl mich wohlfühlen zu können, ich war ein absoluter Versager. Wo waren Claus und Mau? Ich war eingeschlafen, während ich alleine geschmollt hatte und nun waren die beiden nicht mehr hier, waren sie etwa genervt von mir gewesen? Ich war gemein zu ihnen gewesen, so hatte ich die beiden doch tatsächlich von mir gestoßen, obwohl sie mir nur helfen wollten und nun bekam ich die Quittung dafür, wurde von ihnen alleine gelassen. Mein Herz setzte einen Moment aus, als ich verstand, dass der Vampir mich ohne Probleme umbringen könnte, nun wo wir alleine waren und ich drückte mich unsicher an die Wand heran, nur um mich schutzsuchend an die Wand drücken zu können, in eine freie Ecke. Schutzlos war ich dem Grauäugigen ausgeliefert, doch das interessierte ihn kein bisschen.

Einen kleinen Moment noch war es still, bis ich einen hellen Funken am anderen Ende des Raumes erblicken konnte, welcher sich zu einer immer größer werdenden Flamme entwickelte. Ein stolzes Lächeln legte sich auf die Lippen des Brünetten, bevor er sich aufrichtete und mich mit Abstand anschaute. Ich währenddessen konnte nicht glauben, was ich da gerade sah. Entgegen seiner Natur, Vampire hassten Situationen, welche sie nicht kontrollieren konnten, hatte der Ältere ein Feuer im Kamin entzündet und schenkte mir somit die Möglichkeit Wärme zu bekommen, das hätte sein Freund niemals erlaubt. „Lass die Tür auf, wenn du dich fürchtest, Patrick! Mau liegt schon lange im Bett und ruht sich da aus. Lege dich einfach zu ihr, das nimmt sie dir bestimmt nicht übel! Ich werde dafür sorgen, dass das Feuer an bleibt, bis ich mir mein Essen jagen gehe!", sprach Michael sanft, dabei lächelte er vorsichtig und ich zögerte für einen einzigen Moment, er sorgte sich um mich, noch viel mehr als Manuel es getan hatte. Keinen Zentimeter kam mir der Brünette nun näher, er ließ mir alle Zeit der Welt um zu handeln und ich war ihm dankbar dafür, schließlich war das nicht selbstverständlich für einen Vampir.

~2200 Worte, geschrieben am 09.01.2023

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