20
Müde rieb ich mir meine Augen, als ich am nächsten Morgen das nächste Mal aufwachte. Ich vernahm wie es regnete und ließ meinen Blick automatisch auf die leere Bettseite neben mir fallen, welche mich etwas betrübte. Manuel war nicht mehr hier, genauso wenig wie Mau oder Claus, dabei wollte der Vampir doch bei mir bleiben, bis ich wieder gesund war. Noch immer schmerzte mein rechter Unterarm ein wenig, wenn auch schon nicht mehr so stark wie gestern und ich seufzte. Ganz sanft hatte mich der Grünäugige gestreichelt, während ich die orangene Katze an meine Brust gedrückt hatte und schließlich eingeschlafen war. Es war ein schönes Gefühl nicht alleine zu sein, ich genoss es von dem Älteren gehalten zu werden und wünschte mir immer so beschützt zu werden beim einschlafen, doch das war unmöglich. Manuel tat das nur, da er sich schuldig dafür fühlte mich beinahe umgebracht zu haben und sobald es mir wieder besser ging, würde er wieder bei sich schlafen, während ich hier alleine schlief, so war es nun einmal. Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen, als ich daran dachte wie beruhigend mich der Grünäugige an sich gedrückt hatte und ich wollte am liebsten immer so gehalten werden, denn das war schön.
„Manu?", wisperte ich in den Morgen hinein, doch eine Antwort bekam ich nicht. Er war also nicht hier oben, sondern irgendwo unten, vielleicht in der Küche oder in dem Saal mit dem Flügel. Seufzend richtete ich mich also auf und gähnte einmal leise, während ich mich ausgiebig streckte. Hunger hatte ich nicht unbedingt, doch da es wichtig war Nahrung zu sich zu nehmen, würde ich gleich runter gehen und etwas essen, so wie es sich gehörte. Ruhig glitt mein Blick auf das Fenster, an dessen Außenseite fortwährend Wasser herunter lief, doch dieses Phänomen konnte meine Aufmerksamkeit nicht lange behalten. Denn in eine dunkle Ecke gedrückt, da sah ich eine vollkommen nackte Person sitzen, welche sich unsicher kleiner machte und meinen Blick mied. Dünn, viel zu dünn war diese mir unbekannte Person und sie besaß lange, blonde Haare, welche schon lange nicht mehr gekämmt worden waren, das war erschreckend. Wer war das? Erschrocken atmete ich auf und rutschte weg, was die fremde Person ebenfalls erschrocken zusammenzucken ließ. Das war nicht normal, das sollte so nicht sein und ich wusste nicht was ich tun sollte, Manuel hörte mich offenbar nicht. „Wer bist du und warum bist du hier? Komm mir nicht näher!"
Verunsichert stand ich von dem Bett auf und deutete auf die blonde Person, welche wimmernd zusammenzuckte und sich kleiner machte, Schwäche zeigte. Kein bisschen wirkte der Eindringling gefährlich, das Gegenteil war der Fall und ich nahm meinen Zeigefinger wieder runter, es schien alles gut zu sein. Trotzdem blieb ich wachsam und behielt den bleichen Menschen im Auge. Hinter mir, die Tür zum Zimmer stand weit offen, da hörte ich Claus meinen Namen rufen und ich ging ein wenig weiter zur Tür, suchte Schutz in der Nähe des Wolfes. „Patrick, was hast du, wer ist...", wollte mich der Brünette fragen, da schaute er auch schon in das Zimmer hinein und entdeckte die fremde Person in der Ecke sitzen, welche mittlerweile leise schniefte und sich zu fürchten schien. Unsicher blickte ich den Werwolf an. „Ich weiß nicht wer das ist, aber sie weint und hat Angst vor mir. Könnte das ein bekannter von Manuel sein, der sich etwas im Zimmer geirrt hat?", fragte ich leise und augenblicklich schüttelte der Größere seinen Kopf, konnte den Blick nicht von der fremden Person reißen, genau wie ich auch. Meine Vermutung war, dass es sich um einen Vampir handelte, doch diese wurde von meinem Hintermann sogleich verneint.
„Auf keinen Fall. Ich kenne jeden von Manuels Freunden und das ist jemand anders! Ich..., ich habe niemanden hier hoch gehen oder überhaupt in das Gebäude eintreten hören, Patrick...", sprach der Braunäugige, was mich verwunderte. Dem Gehör des Wolfsmenschen entging nicht das kleinste Geräusch und wenn er niemanden hier hatte eindringen hören, dann musste das bedeuten, dass sich diese Person schon länger hier oben befand. Sie hätte sich von irgendetwas ernähren müssen, sie hätte trinken und schlafen müssen, doch das wichtigste war, Manuel hätte sie riechen oder hören müssen, wenn sie schon länger hier gewesen wäre, also konnte das nicht sein. „Es waren nur Manuel, ich und Mau hier oben. Ist es möglich, dass...", schlussfolgerte ich, dabei richtete sich mein Blick auf die Blonde und diese schaute leicht zu mir, als ich den Namen der orangenen Katze erwähnte, das war sonderbar. Alles in mir sträubte sich gegen den Gedanken, doch vielleicht..., vielleicht war die kleine, unschuldige Katze ein Gestaltwandler und dieser blonde Mensch war ihre wahre Gestalt. Wo auch immer Manuel abgeblieben war, nachdem der Brünette mich alleine gelassen hatte, musste sich die Katze in einen Menschen verwandelt haben und deswegen hier sein, das würde alles und nichts erklären.
Langsam ging ich auf das Wesen zu. „Mau?", sprach ich die Person an und mit hellen, grünen, jedoch verweinten Augen guckte mich die Blonde nun an, sie war es. Sie reagierte auf den Namen, der auf dem Halsband der Katze stand und ich wagte es ihr nun näher zu kommen, ganz langsam und vorsichtig, um sie nicht noch mehr zu verängstigen. Schockiert griff Claus nach meiner linken Hand, um mich aufzuhalten und ich zögerte. „Nicht, du weißt nicht, ob sie gefährlich ist!", wollte der Wolf an meinen Verstand appellieren, doch ich wollte nicht hören. Niemals konnte Mau gefährlich sein, schon als Katze hatte sie sich wollend an mich geschmiegt und meine Gesellschaft gewollt, da würde sie nun als Mensch ebenso wenig aggressiv werden, daran glaubte ich fest. „Claus, ist schon gut! Ich bin vorsichtig und du passt auf mich auf, okay? Alles wird gut, ich weiß was ich tue...", sprach ich sanft, dabei nickte ich dem Größeren zu, bevor ich noch ein paar weitere Schritte auf die junge Dame zuging und etwas vorfand, was mich nun ganz davon überzeugte, dass die Blonde Mau war. Auf dem Boden, ein wenig vor ihr, lag das zerrissene Halsband der Katze und ich lächelte sanft, das war ein Zeichen.
„Kannst du mich verstehen, Mau?", fragte ich die Grünäugige sanft, dabei kniete ich mich vorsichtig vor sie und bekam ein kleines Nicken geschenkt, nachdem ihr Blick auf den Hünen hinter mir gefallen war. Eine Träne der Angst rann über die zarte Wange der Dame und ich lächelte beruhigt, das war gut. Es erklärte, wieso mich die Katze die gesamte Zeit über hatte verstehen können und ich überlegte wie ich nun am besten vorgehen würde. Manuel würde wütend sein, wenn er die Blonde hier erwischte, doch ich wollte wissen wie ich ihr helfen konnte und vor allem was sie hier tat. „Okay, das ist gut. Claus, setze dich bitte auf das Bett, wenn du hier bist! Sonst machst du unserem Gast Angst. Fürchte dich nicht, er ist eigentlich ein lieber Kerl und er tut dir nur weh, wenn du mir wehtust...", sprach ich ruhig auf die tatsächlich Größere ein, welche ihren Blick jedoch wieder von mir abwendete und zu schluchzen begann, da sie Angst hatte. Wie ihm geheißen setzte Claus sich auf mein Bett und beobachtete die Situation von dort aus gut, denn er bewachte mich, so wie es ihm sein Instinkt befahl.
Überlegend blickte ich die junge Dame an. Auf ihren nackte Körper fiel mein Blick jedoch nicht, das wäre unangemessen. „Kannst du mir vielleicht sagen was dich hier her führt, Mau? Suchst du einen Unterschlupf?", wollte ich wissen und die Blonde schluchzte einmal, schaffte es jedoch nicht sofort zu antworten, was ich akzeptierte. Das alles war eine stressige Situation für sie, genau wie für mich und ich brachte dafür Verständnis auf, so gut es eben ging. Draußen regnete es in Strömen, niemals könnte ich die schwache und ängstliche Gestaltwandlerin dort hinausgehen lassen, dazu würde mich nicht einmal Manuel bekommen. „Du..., du warst unglücklich! Und ich wollte dich wieder glücklich machen! Ich wollte dich nicht erschrecken, Patrick. Du solltest nur wieder lächeln...", erklärte mir die Größere mit einer hohen, ganz lieben Stimme und mein Gesichtsausdruck wurde weicher, sie hatte meinen Kummer gespürt, als wir uns das erste Mal gesehen hatten. Prinzipiell war sie wie Claus, dessen Instinkt ihm von Anfang an befohlen hatte mich zu beschützen und ich senkte meinen Blick ein Stückchen, zeigte meine Demut vor dieser Formwandlerin. „Ich verstehe. Dürfte ich dir vielleicht meine Decke geben, liebe Mau? Du musst warm werden, sonst wirst du krank und das möchte ich nicht!"
Unsicher nickte die Blonde schließlich und ich schaute den Wolf auf meinem Bett an, welcher nur widerwillig meinen unterschwelligen Befehl ausführte und mir die dünne Decke übergab, damit ich sie meinem Schützling reichen konnte. „Alles wird wieder gut, nimm nur. Möchtest du aus der Ecke heraus kommen und dich mit mir auf das Bett setzen? Der Claus kann bestimmt ein bisschen Platz für uns beide machen!", bot ich an, doch das war wohl noch zu viel des Guten. Zittrig nahm die Grünäugige meine Decke an und kuschelte sich in sie hinein, sie ging beinahe in der Decke unter, schüttelte nun vorsichtig ihren Kopf. Leicht nickte ich, schließlich wäre es falsch sie zu etwas zu drängen, für das sie noch nicht bereit war. „In Ordnung, ist okay! Lass dir Zeit und gewöhne dich erstmal an uns...", sprach ich nun lächelnd und die Blonde schwieg, was sollte sie auch anderes sagen. Warum hatte sich die Katze zurück in ihre menschliche Form verwandelt, wenn sie doch ganz klar Angst in dieser Form verspürte? Sie hätte ihr restliches Leben einfach weiter leben können, so wie sie es getan hatte und niemand hätte etwas gemerkt. Stattdessen offenbarte sie uns ihr wahres ich und ich zeigte meine Abneigung, das war gemein von mir.
Eine ganze Weile lang saßen wir alle ruhig und still da, bis ein erschrockenes einatmen von dem Eingang des Zimmers aus erklang. „Paddy, geh da weg! Komm her, du weißt nicht wer da vor dir sitzt...", sprach ein erschrockener und lauter Manuel, welcher wie ein wilder auf uns zukam und so die gerade etwas ruhiger gewordene Mau wieder aufschreckte. Sofort stand ich auf und stellte mich schützend vor die Blonde, hatte Angst, dass der Vampir ihr aus seinem Instinkt mich zu beschützen heraus wehtat. Schon bei Michael hätte der Brünette nicht gezögert seine Fangzähne zu benutzen und hier würde er erst recht nicht zögern. „Manu, alles ist gut! Das ist Mau und sie tut niemandem etwas. Sie ist eine Gestaltwandlerin..., schau, ihr Halsband ist wohl zerrissen, als sie sich in ihre menschliche Form verwandelt hat!", erklärte ich, dabei hob ich abwehrend meine beiden Hände an und sah dem durchaus aggressiven Mann vor mir in die Augen, er traute der ganzen Situation nicht. Ich war wie der Besitz des Langhaarigen, er wollte mich beschützen und sicherstellen, dass es mir gut ging, also wurde er zu meinem Leidwesen übermäßig vorsichtig. Das mochte ich nicht, denn ich war kein kleines Kind, das beschützt werden musste.
„Du weißt nicht wie gefährlich sie ist! Sie könnte dich einfach von hinten erstechen und du würdest es nicht einmal mitbekommen, weil du mit dem Rücken zu ihr stehst! Sie ist offensichtlich nicht die, für die wir sie gehalten haben...", sprach der Grünäugige seinen Unmut aus, dabei deutete er wütend auf den Menschen hinter mir und ich wich nicht beiseite, fühlte mich dazu verpflichtet das Mädchen hinter mir zu beschützen. Manuel war so misstrauisch gegenüber jedem, dabei gab die Blonde ihm keinen Grund misstrauisch zu sein, abgesehen davon, dass sie sich in eine andere Gestalt verwandeln konnte. „Sind Gestaltwandler für gewöhnlich gefährlich, Manuel? Ist Claus deiner Meinung nach gefährlich?", fragte ich den Älteren ernst, dabei sah ich ihm genau in die Augen und brachte ihn dazu zu stocken, denn so war es nicht. Claus und Mau unterschieden sich nur in einer einzigen Sache und das war, dass Claus sich ausschließlich bei Vollmond verwandeln konnte und Mau das wohl immer konnte, sonst waren sie gleich. „Nein, ist er nicht. Aber wir kennen Mau nicht und es ist gefährlich sofort davon auszugehen, dass sie dir nichts tun wird! Nicht jeder ist so ungefährlich wie Claus."
Nun war es der Wolf, welcher aufstand und sich neben mich stellte, der überraschenderweise Partei für mich ergriff. Ernst sah der Brünette seinen Vorgesetzten an. „Ich fasse es nicht, dass ich das sage, aber beruhigt Euch, Herr. Patrick hat recht, Mau ist ungefährlich für ihn, weil sie ihn beschützen möchte! Sie ist wie ich...", sprach der Braunäugige ein Machtwort und ich schaute ihn mit großen Augen von der Seite an, er vertraute dem, was er gesehen hatte. Verwundert wurde der Werwolf von meinem Freund angeschaut, so als könnte dieser nicht fassen, was er da so hörte. „Ich war die ganze Zeit hier, Herr. Mau hat gespürt, dass Patrick alleine ist und sie möchte ihm beistehen! Wenn Ihr die beiden voneinander trennt, dann wird Mau an einem gebrochenem Herzen sterben und Patrick wird Ihnen das niemals verzeihen, Herr. Sie wird unserem Patrick nichts tun, das weiß ich...", erklärte Claus ruhig und ich war verwundert, dass er die Anwesenheit der Formwandlerin so interpretierte. Es hörte sich übertrieben und dramatisch an, dass die Blonde sterben würde, wenn sie nicht mehr bei mir war, doch war es wohl genau das, was den Vampir davon überzeugte seine Hand herunter zu nehmen und sich zu beruhigen.
~2200 Worte, geschrieben am 30.12.2022
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