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Ruhe. Stille. Dunkelheit. Wärme. Das alles nahm ich wahr, als ich von meinem bösen Traum aufwachte. Unter mir lag eine weiche Matratze, so weich, dass ich dachte, ich wäre nicht daheim und ich ließ meine Augen geschlossen, fühlte mich noch immer müde. Wie ich zurück nach Hause gekommen war? Ich wusste es nicht. Meine letzte Erinnerung war es, dass ich einer Gruppe Männern begegnet war, welche wohl einen reichen Mann ausgeraubt hatte und dann war alles dunkel geworden, das war merkwürdig. Das erste mal in meinem Leben fühlte ich mich schon bevor ich meine Augen öffnete erschöpft, ich schien krank zu werden und das war gar nicht gut, das durfte nicht passieren. Meine Mutter brauchte mich und ich musste arbeiten, um meinen Vater zu unterstützen, sonst würden wir alle nicht mehr lange leben. Nichts hatte ich am gestrigen Tag gegessen oder getrunken, ich war wohl am Ende mit meinen Kräften und der einzige, der mir nun noch helfen konnte, war mein Papa. Irgendetwas hatte er sicher am Abend mitgebracht, als er nach Hause gekommen war und auch, wenn es nur ein winziges Stück Brot war, so würde ich es essen und daraus neue Kraft schöpfen, um meine Familie versorgen zu können.

Schlummernd lag ich noch lange so da, bis ich es schaffte die Kraft dafür zu finden meine Augen zu öffnen. Es brauchte einen Moment, bis ich es schaffte meinen Blick zu fokussieren und verwundert stellte ich so fest, dass ich in einem Bett lag, welches nicht das meine war. Mühsam nur schöpfte ich die Kraft, um mich aufzusetzen und augenblicklich, als ich mich abstützen wollte, zischte ich auf, denn mein linker Arm brannte wie Feuer und schmerzte, sodass ich mich einfach zurück auf den Rücken fallen ließ. Schockiert hob ich meinen Arm etwas an und sah zwei kleine, gleich große Löcher in meinem Arm, welche eigentlich nicht da sein sollten. Es war zu dunkel in diesem Zimmer, als dass ich mehr erkennen könnte, doch das hier war etwas, was mich innerlich unruhig werden ließ und ich verstand die Welt nicht mehr. Das alles hier musste ein schlechter, böser Traum sein und ich wachte nicht auf, brauchte dringend Hilfe. Ich konnte keinem Vampir mein Blut gegeben haben, das konnte nicht real sein und ich kämpfte gegen die Tränen meiner Überforderung an, ich wollte aufwachen. Der Vampir hatte mich zu sich nach Hause gebracht, nachdem ich zusammengebrochen war und nun würde er mich als ewige Quelle des Blutes nutzen, das war mein Ende.

Meine letzte Hoffnung, dass das alles hier ein böser Traum war wurde damit zerstört, dass sich die Tür zu diesem Raum leise öffnete. Vor Angst schien mein Herz stehen zu bleiben, als ich einen langhaarigen, riesigen Mann erblickte und ich wusste nicht was ich tun sollte, ich wollte nach Hause. Um eintreten zu können, musste sich der Mann etwas vorbeugen und dabei erkannte ich, dass seine Haare kaum so glatt waren wie gestern Nacht, ganz im Gegenteil sogar. Sie waren lockig und etwas dunkler als die des Vampirs, das da war jemand anderes. Ebenso wie der Vampir, war der Körper des mir fremden durch einen schwarzen Anzug verdeckt und wortlos ging der sehr viel Ältere zum Fenster, um die Gardinen von diesem wegzuschieben. Licht flutete das Zimmer wie Wasser die Meere und entsetzt erblickte ich auf dem Kopf des Mannes zwei dunkle, braune Wolfsohren, das war ein Werwolf. Wo nur war ich gelandet, warum passierte mir das? Wenn gleich eine Hexe durch dieses Zimmer flog, würde ich aus dem Fenster springen, ganz sicher. Ruhig drehte sich der Wolfsmensch zu mir um und er setzte ein freundliches Lächeln auf, als er mein verängstigtes Gesicht sah.

Langsam, wohl um mich nicht zu erschrecken, kam der Riese auf mich zu und setzte sich neben mich auf das Bett. „Hab keine Angst, es ist alles in Ordnung. Ich helfe dir dabei dich aufzusetzen! Ganz langsam und vorsichtig, damit du dir nicht weh tust...", sprach der Kerl, dessen Stimme so tief war wie die keiner mir bekannten Person und allein, da ich sowieso nicht gegen den um etwas mehr als einen ganzen Kopf größeren ankommen konnte, ließ ich ihn tun was er wollte. Mühelos half mir der Wolf dabei mich aufzusetzen, sodass ich mich an die Wand hinter mir lehnen konnte und ich wagte es nicht ein Wort zu sagen, aus Angst dafür Ärger zu bekommen. Glänzende, liebevolle Augen besaß mein Nebenmann und ich konnte nicht bestreiten, dass er wundervoll sanft mit mir umging, denn das tat er. Sorgsam drehte er sich schließlich etwas weg, um mir eine Tasse hinhalten zu können, was mich unruhig weg schauen ließ. Schmunzelnd wurde ich für meine Argwohn angesehen. „Das ist Milch! Ich habe sie frisch vom Markt für dich erstanden, damit du wieder zu Kräften kommen kannst. Bitte trink etwas davon..., ich habe auch Kuchen für dich hier, weil ich nicht wusste was du zu essen mögen könntest!"

Mit treuen, lieben Augen erzählte mir der Braunäugige das alles und schüchtern drehte ich meinen Kopf wieder nach vorne, sodass mir mein Gastgeber die Milch hinhalten konnte. Ganz sanft war der Werwolf mit mir und ich fragte mich, wie er wohl hieß. Schon lange nicht mehr durfte ich so eine leckere Milch trinken, daheim trank ich ausschließlich Wasser und ich genoss das sehr, trank die Tasse bereitwillig aus. Erst dann lächelte der Größere mich erleichtert an und ich wusste nicht was ich sagen sollte. „Darf ich mich dir vorstellen? Ich bin Claus und ich werde mich von jetzt an immer um dich kümmern, egal was du brauchst! Bitte habe keine Angst vor mir, nur weil ich ein Werwolf bin, okay? Ich bin nicht das, wofür du mich bestimmt hältst und das merkst du bestimmt auch bald, wenn du mich bei dir sein lässt. Möchtest du mir vielleicht sagen wie du heißt?", stellte sich der Langhaarige mir vor und ich lauschte seiner tiefen, dunklen Stimme, er klang wirklich lieb und sanft. Nichtsdestotrotz wollte ich dem Größeren nicht zu nahe kommen und ihn nicht zu nahe an mich heranlassen. Meinen Namen wollte ich ihm aber dennoch verraten, das gehörte sich so.

Einen kleinen Moment lang versuchte ich mich zu räuspern, ehe ich einen Ton hervorbringen konnte. „Patrick...", war das einzige, was ich mich zu sagen traute und die Ohren des Braunäugigen zuckten leicht, was ich mit großen Augen betrachtete. Ich fand diese flauschigen Ohren irgendwie schön, sie erinnerten mich an einen Hund, welchen wir einmal bei uns daheim leben hatten und tatsächlich, der Werwolf schien mir ein lieber Kerl zu sein. Kein bisschen war er laut, aggressiv oder gefährlich, stattdessen lächelte er mich sogar an und entsprach gar nicht den Erzählungen meiner Mutter, das irritierte mich etwas. Ich wusste nicht wem und was ich hier trauen konnte, ich hatte einfach Angst. „Du hast einen schönen Namen, Patrick! Es freut mich sehr deine Bekanntschaft machen zu dürfen. Möchtest du, dass ich dir ein wenig davon berichte, was dir passiert ist, während ich dich mit Kuchen füttere?", fragte mich mein Nebenmann aufmerksam und leicht nickte ich, ich wollte wissen was nun mit mir geschah. Von dem bösen Vampir war keine Spur zu finden, aber da es Tags war, vermutete ich einfach einmal, dass der Grünäugige schlief. So taten es die Vampire, sie mieden das Licht und waren in der Nacht wach.

Lächelnd begann mich Claus also zu füttern. „Du hast zwei ganze Tage lang geschlafen, Patrick. Mein Herr hat dich hier her getragen, nachdem du zusammengebrochen bist und ich habe mich seitdem gut um dich gekümmert! Es..., es war sehr mutig von dir ihm dein Blut zu geben und ihn nicht einfach dort liegen gelassen zu haben, damit er stirbt!", begann der Wolf zu sprechen und ich riss schockiert meine Augen auf, das konnte nicht wahr sein. Wer hatte sich die letzten beiden Tage über um Mama gekümmert? Wer fütterte und umsorgte sie, wenn nicht ich? Ich musste unbedingt schnell wieder zu neuen Kräften kommen und nach Hause gehen, sonst würde meine Mutter noch sterben. „Eine Gruppe von Männern hat meinen Herrn beim spazieren gehen überfallen und verprügelt, oder zumindest hat er mir das so berichtet. Du hast ihm sein Leben gerettet, weißt du? Er hasst es das Blut der Menschen zu trinken und er versucht sich so gut es geht von euch Menschen fernzuhalten, aber das bringt ihn um. Hättest du ihm nicht deinen Arm hingehalten, dann wäre er bald in einen Blut Rausch verfallen."

Ruhig lauschte ich dem Größeren und wusste nicht was ich von all dem halten sollte. Hatte ich einen netten Vampir gerettet oder war er böse? Konnten Vampire überhaupt nett sein, ging das? Offenbar arbeitete der Werwolf in den Diensten des Vampirs und dass er ihn nicht bei seinem Namen nannte, war für mich ein Zeichen dafür, dass der Grünäugige streng und gefährlich war. „Dir wird es schon bald wieder gut gehen, Patrick! Durch den Biss meines Herrn fehlt dir eine Menge Blut und deswegen fühlst du dich nicht wohl, aber das wird wieder vergehen. Spätestens in zwei Tagen wirst du wieder ganz auf den Beinen sein und dich wohlfühlen, versprochen. Ich werde dir bis dahin immer neues Essen aufs Zimmer bringen und ich bleibe auch gerne hier, bis mein Herr mich braucht, wenn du das willst!", erzählte mein Gastgeber lächelnd und mein Herz schmerzte, ich konnte nicht noch länger von daheim weg bleiben, ich musste nach meiner Mutter sehen. Innerlich hatte ich große Angst davor was mit mir geschehen würde, ich kannte meine neue Umgebung nicht, ich wusste nicht wer der Werwolf war, wie er und der Vampir drauf waren, vielleicht wollte mich der Vampir für immer einsperren? Gut konnte das sein, denn ich wusste zu viel und das würde mich mein Leben kosten, ganz sicher.

Schwach räusperte ich mich und guckte den Brünetten hoffnungsvoll an. „Ich muss nach Hause gehen...", sprach ich aus, dabei betete ich, dass der haarige Mann mir sagen konnte, wann ich diesen Ort verlassen durfte und etwas mitleidig guckte der Ältere zu mir, zögerte in seinem tun. Ich wusste, dass es im Moment nicht schlau war aufzustehen und nach Hause zu gehen, schließlich hatte ich sehr viel Blut durch den Biss des Vampirs verloren und doch würde ich einfach gehen, sobald ich mich wieder gesund fühlte. Niemals mehr wieder würde ich auch nur ein Wort darüber verlieren was mir geschehen war und das würde ich dem Vampir erklären, wenn ich wieder auf ihn traf. „Meine Mutter braucht mich, Claus. Sie ist krank..., wann werde ich wieder gesund sein?", fragte ich mit großen, glänzenden Augen und leicht wandte der Ältere seinen Blick von mir ab, er mied mich. Von hier würde ich sicher niemals alleine zurück nach Hause finden, ich war nicht wach, als mich der Vampir hier her gebracht hatte und so war meine einzige Chance zurück zu gelangen den Grünäugigen darum zu bitten mich gehen zu lassen. Unterwürfigkeit, Ruhe und Aufmerksamkeit, das waren die drei Dinge, mit denen ich dem Größeren begegnen würde, wenn ich ihn fragte.

„Du musst dich gedulden, Patrick. Mein Herr besteht darauf dich erst einmal hier zu behalten und wenn du ihm aufsäßig begegnest, wird er dir böse sein und du wirst es hier nicht gut haben! Wenn du deine Mutter besuchen möchtest, dann wirst du dem Herrn zeigen müssen, dass er dir vertrauen kann und ich möchte nicht lügen, das wird schwer werden...", erzählte mir der Langhaarige nun und es fühlte sich an, als würde mein Körper taub werden, ich würde hier drinnen eingesperrt sein. Es war ein riesiger Fehler gewesen dem Vampir zu helfen, nun würde ich niemals mehr in die braunen Augen meiner Mutter schauen können, sie würde nun ganz allein ihren letzten Lebensabend verbringen, wenn sie das nicht schon getan hatte und ich würde in der Hölle verrotten, weil ich nicht genug für die Ältere da gewesen war. „Meine Mutter wird ohne mich sterben...", versuchte ich dem Wolf klar zu machen und betrübt schaute der Brünette zu mir hinunter, er hatte wohl ein großes Herz. Ich konnte nicht die Kraft aufbringen um mich gegen meinen Aufpasser zu wehren, also musste ich versuchen ihm Schuldgefühle zu bereiten, dann legte er mit etwas Glück ein gutes Wort für mich ein.

Leicht nur legten sich die beiden Ohren des Fabelwesens an seinen Kopf an und er blitzte mich mit treuen Augen an. „Das ändert nichts daran, dass der Herr dich hier behalten möchte. Du musst ihn verstehen, Patrick! Du kennst sein Geheimnis und damit bist du nun eine wandelnde Gefahr für ihn und auch für mich. Wir können dir nicht vertrauen, dass du niemandem davon erzählst was vorgefallen ist und deswegen wirst du hier bleiben müssen, ob du möchtest oder nicht. Kann ich dir deine Zeit hier vielleicht irgendwie ein wenig angenehmer machen?", wollte Claus wissen, aber eine Antwort bekam er von mir nicht, ich schwieg still. Niemals mehr wieder wollte ich auch nur ein Wort sprechen, ich wollte verschwinden, nie mehr wieder kommen und die letzten beiden Tage ungeschehen machen, aber es ging nicht. Dumm wie ich war, hatte ich mein Herz für mich sprechen lassen und so hatte ich einen kaltherzigen, grausamen Vampir gerettet, welcher mir nun mein Leben nahm. Langsam würde ich in diesem Gemach verrotten und vereinsamen, ich würde mir selbst nie verzeihen können, dass ich meiner Mutter nicht mehr hatte helfen können und schuld daran war allein der Vampir.

~2200 Worte, geschrieben am 14.11.2022

Es gibt ab jetzt jeden Sonntag ein Kapitel! UwU

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