18
Mit funkelnden Augen sah ich mich in der Stadt um, von der Manuel mir beim laufen erzählt hatte. Hier gab es sicher hundert Häuser und überall waren Menschen zu sehen, die arbeiteten, Kinder die spielten und ich war mir sicher, das Leben hier musste schön sein. Von daheim war ich ein kleines Dorf gewöhnt, in dem man gerade einmal Gemüse und Fleisch kaufen konnte, sowie Stoffe, um sich selbst etwas schneidern zu könne, aber das hier war erstaunlich und ich war glücklich hier sein zu dürfen. Schmunzelnd guckte mich der Brünette von der Seite an, als ich mich hier umsah. Claus hatte es nicht wirklich gut gefunden, dass wir ihn so ganz alleine in der Burg ließen, doch da irgendjemand aufpassen musste, dass niemand einbrach, blieb der Wolf betrübt daheim und ich hatte Mitleid mit ihm. Innerlich beschloss ich dem Lockenkopf ein Geschenk mitzunehmen, um ihm zumindest zu zeigen, dass wir an ihn gedacht hatten und deswegen sah ich mich nach etwas kleinem um, das nicht zu teuer war. Leider hatte ich vergessen meinen Wochenlohn mitzunehmen, sodass ich meinen Begleiter nach einem oder zwei Taler fragen musste, doch das würde ich tun, für Claus.
„Schau Mal, Spielleute! Sag, können wir uns anhören wie sie singen und spielen, bitte?", bat ich Manuel leise, dabei deutete ich auf eine Gruppe bunt angezogener Personen am anderen Ende der Stadt, doch das interessierte den Älteren kaum. Unbeeindruckt schaute der Vampir in die Richtung, in die ich deutete. In dem Moment, in welchem wir diese Stadt betreten hatten, verlor mein Nebenmann sein vorheriges Lächeln und ich war besorgt um ihn, hatte Angst, dass es ihm erneut nicht gut gehen könnte. Ich würde sofort aufhören so glücklich zu sein, wenn ich merkte, dass er seine Ruhe brauchte und wie es schien, tat er das gerade. „Später vielleicht. Erst einmal besorgen wir dir die Klamotten, wegen denen wir hier sind!", antwortete der Ältere und ich nickte verstehend, würde seine Antwort akzeptieren wie sie war. Ich musste diese Spielleute nicht unbedingt spielen hören, um glücklich zu sein, ich bekam an diesem Tag schließlich schon mehr als genug und würde mich mit dem zufrieden geben was ich bekam. Meine Bitte wurde nicht ganz abgelehnt, es könnte also sein, dass ich heute noch in den Genuss von schöner Musik kommen würde und wenn nicht, dann war das in Ordnung.
Unsicher guckte ich schließlich durch das dreckige Fenster eines kleinen Gebäudes und erblickte viele, bunte und schöne Stoffe. Noch nie war ich in einem so teuer aussehenden Laden gewesen, nur um Klamotten zu kaufen und deswegen lief ich still hinter meinem Begleiter her, rein in das warme, zweistöckige Gebäude. Mit erhobenem Haupt stand der Langhaarige in der Mitte des Raumes, sodass ich mich etwas unsicher von den neuen Eindrücken, die sich mir boten, hinter ihn stellen konnte. Es gab einen Tisch, auf dem teurer, goldener Schmuck wie Ketten und Ohrringe lagen, doch hauptsächlich befanden sich in diesem Laden Stoffe in allen Größen und Farben, das war wohl alles mehr wert als mein Leben. „Sir Manuel? Es freut mich Sie zu sehen, Sir! Sagen Sie, wie kann ich heute helfen?", erklang die freundliche, sanfte Stimme einer alten Dame und ich schaute vorsichtig an dem Vampir vorbei, um sehen zu können, wer genau da sprach. Zwei liebe, braune Augen schauten in meine Richtung. Sie gehörten einer kleinen, bereits älteren und rundlichen Dame, welche lange und nach hinten gebundene Haare besaß. Liebevoll lächelte sie und ich war etwas beruhigt deswegen, sie wirkte nett und aufgeschlossen. „Ich habe meinen neuen Butler Patrick dabei und er braucht neue Klamotten! Nimm bitte seine Maße und lass ihn sich einen Stoff aussuchen, der Preis ist egal."
Nun schauten diese beiden braunen Augen mich an und ich trat etwas schüchtern hinter meinem Herrn hervor, trug jedoch ein schönes Lächeln auf den Lippen, das schönste was ich zu bieten hatte. Augenblicklich bewaffnete sich die Ältere mit einem Maßband und kam auf mich zu, während Manuel sich an den Tisch mit dem Schmuck stellte. „Oh, ja natürlich! Du bist ein hübscher junger Bursche, Patrick, wenn ich das sagen darf! Sag schon, hast du bereits eine Idee, welche Farben deine Hemden und Hosen tragen sollen? Ich glaube, du würdest dich in dunklen Klamotten ganz gut machen, aber solch weiße Hemden wie das, das du trägst, das würde auch sehr schön an dir aussehen...", sprach die Dame vor mir, während sie begann meinen Körper genau auszumessen und ich war überfordert, sie nannte mich einen hübschen Burschen. Mit geröteten Wangen senkte ich meinen Blick leicht, fühlte mich geschmeichelt. Bei meinen Eltern trug ich fast ausschließlich braune Klamotten, einen günstigeren Stoff als braunen gab es schließlich nicht, doch vielleicht unterschieden sich die Preise ja von denen daheim, wer wusste das schon.
Einmal räusperte ich mich leise, bevor ich sprach. „Mir..., mir ist die Farbe ganz egal, Miss. Ich möchte einfach nur, dass meine Klamotten möglichst wenig kosten! Sie dürfen sich die Farbe aussuchen!", lauteten meine Worte und die Ältere lauschte schmunzelnd, das war wahrscheinlich eine sonderbare Antwort für sie. Ich wollte nicht, dass Manuel viel Geld für mich ausgab, Klamotten waren schließlich nur da um getragen zu werden und für nichts mehr. Im Augenwinkel sah ich wie mein Freund zu uns hinüber linste, doch sprach er nicht, er ließ mich erst einmal machen. Im Endeffekt würde ich sowieso das nehmen, was der Größere mir erlaubte und deswegen war mir alles egal. „Dann bleiben wir wohl bei schwarz und weiß, würde ich sagen! Und ich glaube, dass du dich in dem Stoff, den du da schon trägst ganz wohl fühlst, also nehmen wir den auch für deine Hemden, in Ordnung? Darf es auch noch ein schwarzer Anzug für den jungen Mann sein, Sir Manuel?", wollte die Brünette wissen und ich schaute vorsichtig zu dem Grünäugigen hinüber, welcher nun nachdenklich seinen Blick erhob. Ich brauchte eigentlich keinen Anzug, ich hatte seit meiner Ankunft sowieso kaum bis gar nicht gearbeitet, doch mein Herr schien das als etwas wichtiges zu empfinden.
„Es soll ein weißer Anzug werden! Und er soll aus dem selben Stoff gemacht sein wie es mein Anzug ist...", erwiderte der Größere, was mich etwas verwunderte. Ganz offensichtlich fand der Grünäugige, dass die Farbe weiß zu mir passte und ich merkte mir das. Die Dame vor mir lief nickend zu einem kleinen Tisch, ganz hinten im Laden, um etwas in ein großes Heft eintragen zu können und schließlich wieder zu kommen, um nun meine Beine abzumessen zu können. Noch nie hatte ich einen Anzug getragen, ich sah auch noch nicht sehr oft Männer in Anzügen herumlaufen und nun bekam ich einen davon, das war schön zu wissen. „Ja, das wird gut zu dir passen, Patrick! War es das dann, Sir?", wollte unsere Gastgeberin wissen, während sie wieder zum Tisch lief und der Vampir nickte, das reichte ihm wohl erst einmal. Etwas unsicher ging ich nun zu dem Tisch mit Schmuck, an dem Manuel stand und sich umsah. Alles mögliche erblickte ich auf diesem Tisch, es waren Ringe zu sehen, sowie Armbänder und Halsketten, doch meine Augen sahen nur eines an und das war ein goldener, glänzender Ring, in dessen Mitte ein Stern aus einer Art Edelstein prangte.
Von der Seite beobachtete mein Herr, wie ich mir voller Vorsicht den Ring nahm und ihn mir anschaute, er war wirklich wundervoll. Als ich jedoch den Preis des Rings sah, welcher säuberlich auf ein Blatt Papier geschrieben war, da drehte sich mir vor Schock der Magen um. Zweihundert Taler sollte dieses Schmuckstück kosten, das würde ich im Leben nicht auftreiben können. Trotzdem legte sich ein Lächeln auf meine Lippen, ich hatte gerade das erste Mal in meinem ganzen Leben einen teuren Ring in der Hand halten dürfen. „Geh nach draußen und lausche der Musik, Patrick. Ich werde dich schon finden!", wies mich mein Nebenmann leise an und ich guckte verwundert, ich durfte ihn alleine lassen, das war unglaublich. Er schien wirklich daran zu arbeiten mir mehr zu vertrauen, denn wo könnte ich besser anderen Menschen davon erzählen, dass der Größere ein Vampir war, als in einer Menschenmenge? Ich würde sicher etwas außerhalb bleiben, wo sich der Vampir nicht allzu gestresst fühlen würde, wenn er mich abholte. „Ja, in Ordnung! Danke schön...", bestätigte ich, bevor ich den Ring zurück auf seinen Platz legte und aus dem Gebäude raus trat. Schon in diesem Moment war von irgendwo die Musik einer Gitarre zu hören und ich folgte diesem Klang, ließ mich leiten.
Groß wurden meine Augen, als ich die vielen Menschen sah, die um eine Gruppe von fünf Musikern herum standen und tanzten. Alle waren sie so glücklich, Kinder tanzten lachend im Kreis und ich beobachtete das gerne, fühlte mich richtig wohl. Die Musik der Spielleute war viel fröhlicher als die meines Herrn, man konnte zu ihr tanzen und singen, doch irgendwie..., sie war nicht so schön wie Manuels Klang, den er am Flügel entstehen ließ. Schon nach einigen Minuten wurde mir langweilig und ich beobachtete einige Paare dabei wie sie miteinander tanzten, eng umschlungen und lächelnd. Ich hatte noch nie die Möglichkeit gehabt mit jemandem zu tanzen, so hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie eine Freundin und doch würde ich es gerne lernen. Manuel würde ich nicht danach fragen, er wirkte nicht wie jemand der gerne tanzte und Spaß hatte, doch vielleicht konnte Claus mir das ganze ja beibringen, das wäre schön. In dem Saal, in welchem der Flügel des Vampirs stand, da ließ es sich bestimmt schön tanzen, doch diesen durfte ich leider nicht betreten, weshalb auch immer. Vielleicht ließ der Grünäugige ja eines Tages mit sich reden, wenn er mir ganz vertraute.
Erst, als ein vollkommen angespannter Manuel neben mir auftauchte, da wandte ich mich von der Menge ab. Verwundert stellte ich fest, dass der Größere blasser war als gewöhnlich, beinahe so wie in der gestrigen Nacht. „Wir müssen gehen!", war das Einzige, was er sagte, und ich nickte, folgte dem Langhaarigen unauffällig. Mein Blick fiel auf den Hals des Vampirs, an dem ungesunde blaue Adern hervortraten, je länger wir liefen und ich war schockiert darüber, das erinnerte mich an den Tag, an dem ich ihm das erste Mal begegnet war. Hatte er Durst? Am gestrigen Tag hatte er zu wenig Blut zu sich nehmen können und das, was er zu sich genommen hatte, das hatte er wieder ausspucken müssen, es war logisch, dass ihm etwas an Nahrung fehlte. „Manu? Du brauchst Blut...", sprach ich aus, was ich mir aus seinem Verhalten zusammen reimte und wie erwartend, der Vampir wurde wütend. Seine Augen waren blutunterlaufen, als er mich ansah und ich riss schockiert die Augen auf, das war gar nicht gut. „Sei still! Ich brauche Stille!", fuhr mich der Langhaarige an und mein Herz setzte aus, ihm ging es gar nicht gut. Bis zur Burg waren es noch viele Minuten, das hielt der sowieso schon angeschlagene Mann niemals durch.
Immer eiliger ging der Grünäugige in die Richtung seines Zuhauses. Wir trafen auf keine Menschenseele dabei und erst, als die Beine meines Freundes nachgaben, da sie zu schwach waren seinen erschöpften Körper weiter zu tragen, da beschloss ich diese Situation selbst in die Hand zu nehmen. Entschlossen kniete ich mich genau vor den Langhaarigen, welcher sich wohl vor Schmerz zusammenkrümmte und ich krempelte den rechten Ärmel meines Hemdes hoch, gab meinen Unterarm frei. Niemals würde ich es schaffen ein Tier für den ausgehungerten Vampir zu fangen, damit er dessen Blut trinken konnte, doch nach Hause würden wir es sicher auch nicht schaffen, ohne dass er seinen Verstand verlor, also blieb nur noch eine Möglichkeit wie ich dem Brünetten helfen konnte, ich musste ihm mein Blut geben. Wortlos hielt ich dem Älteren also meinen Arm hin, doch der Vampir wandte seinen Kopf von mir ab, er mied es mein Blut zu trinken. „Nein, nein Patrick! Du stirbst sonst...", lehnte der Größere ab, doch das war mir egal. Ich würde nicht tatenlos dabei zusehen wie dieser Mann langsam aber sicher starb, nicht, wenn ich seinen Tod verhindern konnte.
„Ich werde nicht sterben, Manuel. Du brauchst nur ein bisschen etwas von meinem Blut und dann wird es dir besser gehen, ganz sicher! Du kannst dich kontrollieren, das weiß ich...", sprach ich auf den Langhaarigen ein und er schaute mit tränenden Augen zu mir auf, er wollte mein Blut nicht haben. Wenn er sich das letzte Mal kontrollieren konnte, dann würde er mir auch jetzt nicht mein Leben nehmen und ich vertraute ihm. „Ich will das nicht!", krächzte mein Schützling und ich biss mir für einen Moment auf die Unterlippe, er wollte mich wirklich nicht verletzen. So sehr er sich jedoch weigerte, er würde ohne mich nicht mehr lange am Leben sein und das wollte ich nicht, er musste weiter leben. „Ich weiß, dass du das nicht willst! Aber du brauchst das. Ich weiß was ich hier tue und ich will, dass du mein Blut trinkst..., es ist okay...", wisperte ich zum Ende hin und schluchzend griff der Ältere nach meinem rechten Arm, nur um noch einen letzten Augenblick zu zögern. Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen, welches ich ihm schenkte, um ihn zu beruhigen und tatsächlich wagte er es, er rammte mir seine zwei Zähne in den Arm und begann zu saugen, er brachte mich um.
~2210 Worte, geschrieben am 28.12.2022
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top