17
Erschöpft lag Manuel in seinem Bett und bewegte sich nicht mehr, war ganz still. Wie lange ich mit dem Vampir auf meinem Schoß noch da saß, das wusste ich nicht, aber meine Idee hatte funktioniert. Bis ihm die Augenlider vor Müdigkeit klapperte, guckte mir der Brünette in die Augen und hörte auf zu weinen. Kein einziges Mal übergab er sich mehr, er ließ sich einfach nur halten und schwieg, genau wie ich auch. Erst, als ich mir sicher war, dass sich mein Schützling beruhigt hatte, bat ich ihn noch einmal darum aufzustehen und tatsächlich fand er die Kraft dazu sich umzuziehen, während ich mir einen Eimer voller Wasser holte. Putzen tat ich jedoch an diesem Tag nicht mehr, denn als ich bewaffnet mit meinem Eimer zurück in das Zimmer trat, da stand ein schüchterner und müder Manuel vor seinem Bett, der ein riesiges Unwohlsein wegen der Kerze am anderen Ende des Raumes verspürte. Da ich das Licht der Kerze zum putzen brauchte, jedoch auch nicht den Vampir weiterhin Angst haben lassen konnte, verschob ich meinen Plan zu putzen auf den nächsten Tag und setzte mich stattdessen auf die rechte Seite des Bettes, um Manuel die Decke über den Körper ziehen zu können.
Nun jedoch, am Morgen nach diesem Erlebnis, da war ich neben dem noch immer ruhenden Vampir aufgewacht und konnte meine Augen einfach nicht von ihm lassen, er war wunderschön. Ich hatte mich ursprünglich nur einmal kurz ausruhen wollen, doch irgendwie war ich wohl auf der noch freien Seite des Bettes in das Land der Träume abgerutscht und war direkt neben dem Langhaarigen eingeschlafen. Es war mir peinlich, dass ich es nicht einmal geschafft hatte zurück in mein Gemach zu gehen, nachdem ich hier fertig gewesen war und ich schämte mich dafür. Trotzdem genoss ich es in diesem wundervollen Bett liegen zu dürfen, denn es war so viel weicher als das meine und noch viel besser war, ich wurde tatsächlich von dem Grünäugigen beim schlafen umarmt, so als wollte er mich beschützen. Es war nur ein einziger seiner Arme, den er mir um meine Hüfte gelegt hatte und doch fühlte ich mich so wohl wie noch nie zuvor, das war unerwartet für mich. Trotzdem war es hier drinnen unvergleichlich frisch, was mich gerade eben jedoch nicht störte, schließlich lag ich unter einer warmen Decke. Noch immer war das Gesicht des Vampirs mit Blut befleckt, doch das nahm ihm nicht diese natürliche Schönheit, welche kaum jemand anderem gegeben war. Nur der kleine Kratzer des schwarzen Katers zerstörte seine Schönheit ein wenig, aber das änderte nichts daran, dass er das Aussehen eines Engels besaß. Seine Haut schien mir weicher zu sein als das weichste Fell der Welt und ich wollte sie berühren, nur durfte ich das nicht.
Still lag ich noch lange da, bis sich der Mann neben mir zu regen begann. Leicht nur lehnte sich der Ältere mir etwas zu und ich hielt gespannt die Luft an, mein Schützling roch zart an mir. Es dauerte nur einen kleinen Moment, bis ich beobachten konnte wie sich die Augen des Vampirs blinzelnd öffneten und er mich genauso anschaute wie ich ihn. Verwirrung war das, was seine Gedanken wohl am besten beschrieb und ich blieb still, ließ ihm seine Zeit um wirklich wach zu werden. Kurz machte sein Blick einen Abstecher auf seinen rechten Arm, den er um meine Taille geschlungen hatte, ehe er diesen an hob und zu sich zog, was mich etwas betrübte. „Patrick, es tut mir leid! Ich habe dich wohl festgehalten, als ich eingeschlafen bin, das wollte ich nicht. Geh nur, ich halte dich nicht mehr auf...", sprach der Ältere mir zu, dabei senkte er schüchtern seinen Blick und ich verstand, er dachte wohl, dass er mich gezwungen hätte bei ihm zu bleiben, doch so war es nicht. Natürlich konnte ich nun lügen und ihn diesen Gedanken weiterhin glauben lassen, doch so war ich nicht.
Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen. „Ich bin selbst bei dir geblieben, Manu. Du hast daran keine Schuld...", wisperte ich dem Langhaarigen zu und er schaute verwundert auf, das verstand er nun gar nicht. Es gab für ihn keinen guten, erdenklichen Grund, um bei einem anderen Mann im Bett zu schlafen und doch hatte ich das getan. Ich hätte mich sicher zusammenreißen können, mich zurück in mein Zimmer schleppen und dort schlafen können, doch ein kleiner Teil meines Herzens wollte hier bleiben, bei dem kranken und leidenden Manuel. „Du warst so verängstigt in der gestrigen Nacht und ich schätze, dass ich dich einfach nicht alleine lassen wollte, weil du so..., weil ich dich nicht noch einmal weinen sehen wollte. Ich war dann aber selbst zu müde, um in mein eigenes Bett zurück zu kehren und da bin ich hier eingeschlafen! Es tut mir leid, wenn du das unangenehm findest. Ich hatte damit keine schlechten Absichten und ich würde es wieder tun!", erklärte ich und die Augen meines Gegenüber begannen zu glänzen, er war offensichtlich gerührt von meiner Erklärung. Vielleicht war es dumm sich solche Sorgen um einen Mann zu machen, der so alt war wie Manuel, doch ich hatte gesehen was meiner Mutter geschehen war und ich hatte Angst.
Vorsichtig lehnte der Brünette mir seinen Kopf wieder etwas zu. „Findest du mich nun ekelig, nachdem du mich so gesehen hast?", fragte mich der Grünäugige leise, dabei ging er nicht auf meine Worte ein und ich schüttelte wahrheitsgemäß meinen Kopf, das fand ich nicht. Es war nicht so, dass ich es schön fand jemanden sich übergeben zu sehen, doch ich fand es eben auch nicht schlimm, da ich das ganze schon viele male mit ansehen musste, es war einfach normal für mich. Niemand sollte sich dafür schämen müssen, dass sein Körper gerade gegen eine Krankheit ankämpfte. „Kein bisschen, nein. Jeder wird einmal krank und du hast das gut gemacht..., ich mache gleich erstmal den Boden sauber und dann können wir diese ganze Sache einfach vergessen, okay? Würde dich das etwas beruhigen, wenn wir kein Wort mehr darüber verlieren würden?", stellte ich eine Gegenfrage und der Ältere nickte leicht, nahm meinen Lösungsvorschlag ohne Beschwerde an. Es würde den Grünäugigen nur für immer ärgern und schüchtern werden lassen, wenn wir noch einmal darüber reden würden, deswegen würde ich einfach für immer schweigen, so wie auch er schweigen würde, dann war das alles kein Problem mehr.
Lächelnd nickte ich, das erfreute mich. „In Ordnung! Ich verspreche dir hiermit, dass ich niemals mehr wieder ein Wort über gestern Nacht verlieren werde. Was meinst du, fühlst du dich denn wieder gut genug, um aufzustehen? Deine Stirn ist wieder bei einer normalen Temperatur angekommen, denke ich, aber wenn du zu schnell wieder aufstehst, dann könnte es dir bald wieder schlechter gehen und das möchte ich nicht!", sprach ich aus und problemlos richtete sich mein Freund auf, sodass ich es ihm gleich tun konnte. Schüchtern mied der Langhaarige meinen Blick, da er sich noch immer schämte und ich ließ ihm seinen Willen, wollte ihn nicht unter Druck setzen. Es war sicherlich nicht leicht für ihn zu akzeptieren, dass er sich vor einem Menschen übergeben hatte und dass er geweint hatte erst recht nicht, denn das war ein Zeichen von Schwäche, welches der Grünäugige eigentlich niemandem zeigen wollte. Ich würde ihn deswegen nun nicht auslachen oder über seine Situation scherzen, ich hätte ihn nun eigentlich gerne umarmt, einfach um zu zeigen, dass ich ihn noch immer mochte, aber ich ließ es sein. Manuel war nun einmal sehr in sich gekehrt und hasste es Schwäche zu zeigen, das musste ich akzeptieren.
„Wenn es dir wieder schlechter gehen sollte, dann sag es mir ruhig, okay? Ich kenne mich leider nicht unbedingt mit Vampiren aus, aber ich kann dir zumindest etwas Gesellschaft leisten, wenn du das möchtest! Mir hilft das immer sehr, wenn ich krank bin...", meinte ich, während ich aufstand und mich einmal ausgiebig streckte, nur um mir dann das nasse Tuch aus dem vollen Wassereimer fischen zu können. Augenblicklich durchzog mich die Kälte des Wassers, ich hasste Kälte über alles, aber da musste ich nun durch. Manuel schwieg einfach, ging seinen Gedanken nach und ich schaute vorsichtig zu ihm hinüber, als ich den viel zu nassen Lappen ausgewrungen hatte. Beide waren wir noch immer mit dem Blut des kranken Mannes besudelt, das sollte nicht mehr länger so sein. Entschlossen stand ich auf und setzte mich auf die Bettkante, um verwundert von meinem Gastgeber angeschaut zu werden. Lächelnd hielt ich ihm das Tuch entgegen. „Darf ich?", fragte ich ruhig, dabei wartete ich auf seine Antwort und ließ ihm alle Zeit der Welt, denn er war noch immer unsicher. Leicht nur nickte mein Schützling schließlich, als er verstand, dass ich ihm helfen wollte wieder sauber zu werden und ich lächelte seicht.
Vorsichtig begann ich damit die Stirn des Vampirs mit dem Tuch zu reinigen. Ich drückte dabei nicht wirklich fest auf, da ich nicht wusste wie schmerzempfindlich der Ältere war und ich sah ihm die gesamte Zeit in die Augen, das tat er mir gleich. Immer mehr der bleichen Haut meines Freundes kam unter dem getrockneten Rot zum Vorschein, welches ich lächelnd betrachtete. Wirklich, diesen Mann konnte man nur für seine reine Haut beneiden und ich fragte mich, ob er wohl etwas ähnliches von mir dachte. Meine Haut war kaum so glatt und rein wie die seine, doch ich war auf andere Weise schön, wie ich fand! Schon immer machten mir die Menschen Komplimente für meinen gut gebauten Körper, oder zumindest taten das die jungen Damen in dem Dorf, in dem ich gearbeitet hatte und auch mein Lächeln war nach den Damen attraktiv, doch ob Manuel meinen Körper ebenso attraktiv fand, das wusste ich nicht. Zufrieden nickte ich schließlich, als das Gesicht des Größeren von dem Blut der Nacht befreit war. „So, fertig! Du bist wieder so schön wie vor diesem kleinen Unfall!", meinte ich und gerade als ich aufstehen wollte, um das Tuch auszuwaschen, da hielt mich der Langhaarige fest und brachte mich dazu ihn anzusehen.
Unterwürfig senkte der Grünäugige seinen Blick, während ich mich wieder auf meinen Platz setzte. „Ich möchte dir das Blut von deinem Körper wischen, Patrick! Lass mich dir helfen, bitte...", bat mich mein Freund und ich zögerte einen Moment, hatte nicht damit gerechnet, dass dieser Mann mich nun darum bitten würde, doch ich nickte bestätigend und ließ ihn tun. Noch viel behutsamer als ich eben bei ihm, begann mir der Brünette das Blut von den Wangen zu wischen und ich lächelte unsicher, er war irgendwie so abwesend, während er mich wusch. Ganz langsam und kontrolliert ging der Ältere dabei vor, er schien dabei sogar etwas ruhiger zu werden und sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich nun den ängstlichen und weinenden Manuel kannte, den er doch so gerne vor allen verbarg und ich schloss genießend die Augen, vertraute ihm blind. Ganz leicht könnte mich der Vampir nun mit seinen weißen, glänzenden Fangzähnen in den Hals beißen und mir so mein Leben nehmen, ich würde es sogar verstehen, nachdem er gestern nicht einmal ein richtiges Abendessen haben konnte, doch der Langhaarige tat nichts. Er war einfach zärtlich und sanft mit mir, während ich es genoss bei ihm zu sein.
Erst, als er den blutigen Lappen schließlich absetzte, da machte ich meine Augen wieder auf und lächelte sanft, um Manuel ein gutes Gefühl zu vermitteln. Etwas schüchtern legte ich nun jedoch meine Hände ineinander, als ich an mir herunter blickte. „Danke schön, Manu! Sag Mal..., hättest du vielleicht etwas dagegen, wenn ich mir ein Hemd von dir leihen würde? Ich habe ja keine eigenen Klamotten hier und wenn ich Claus um ein neues bitte, dann wird er wissen, dass etwas passiert ist, wenn er das ganze Blut sieht!", fragte ich den Vampir vorsichtig und er nickte sofort, das war das letzte, was er wollte. Es war mir sowieso ein Rätsel wie es sein konnte, dass der Werwolf, welcher sonst alles hörte und über alles bescheid wusste, genau diese Situation überhört hatte. Ihn darauf ansprechen konnte ich jedoch nicht, da ich sonst auf jeden Fall verraten würde, dass etwas passiert war und deswegen würde ich still schweigen, so lange es möglich war. „Nimm dir ruhig ein Hemd und auch eine neue Hose! Ich werde gleich herunter gehen und Claus nach neuen Klamotten für dich fragen. Und wenn wir gefrühstückt haben, dann werden wir beide gemeinsam in die Stadt gehen, um dir ein paar eigene Klamotten zu besorgen! Wenn du hier bleibst, dann brauchst du diese ja schließlich."
Staunend schaute ich zu dem Größeren auf, das klang unglaublich. Noch nie in meinem ganzen Leben durfte ich mir eigene Klamotten kaufen gehen, ich zog für gewöhnlich die alten Klamotten meines Vaters an, bis diese ganz unbrauchbar waren und ich freute mich darauf auch einmal in meinem Leben schöne, vielleicht sogar passende Klamotten haben zu dürfen. Überschwänglich lehnte ich mich zu dem Brünetten hinüber und umarmte ihn vor Glück, was ihn mehr als nur erschrak, doch das war mir gerade ganz egal. „Oh Manu, ich freue mich ja so! Ich verspreche, dass ich nicht allzu teuer sein werde und ich werde auch nicht von deiner Seite weichen, bis wir wieder hier sind! Mit diesen Klamotten werde ich so gut umgehen, dass du nie wieder neue für mich kaufen müssen wirst. Dankeschön, dass ich eigene Klamotten haben darf...", sprach ich laut und lächelnd, dabei drückte ich den Grünäugigen so fest wie noch nie zuvor und er wusste ganz klar nicht was er tun sollte, war überfordert mit meiner Reaktion. Für ihn war es normal eigene Klamotten zu haben, die zuvor nie jemand getragen hatte, für mich war es das jedoch nicht.
~2230 Worte, geschrieben am 28.12.2022
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