16

Den ganzen Abend lang wartete ich darauf, dass Manuel zurückkehrte, aber er blieb verschwunden. Ich hatte gemeinsam mit Claus Abendessen gekocht, schließlich mit ihm gemeinsam gegessen und dann hatte ich mich bis es dunkel wurde in die Bibliothek begeben, da ich ein wirklich interessantes Buch über Vampire in den vielen gefüllten Regalen der Büchersammlung entdeckt hatte. Darin befand sich alles mögliche Wissen über die Wesen der Nacht, gegliedert in typisches Aussehen eines Vampirs, in das Verhalten eines Vampirs, in mögliche Fähigkeiten und andere Fakten, die in keine andere Kategorie gepasst hatten. Interessiert hatte ich mir zu aller erst ein paar Fakten über diese Wesen durchgelesen. Ich lernte, dass Vampire oft Angst vor Feuer und Wasser hatten, da diese beiden Elemente in ihnen das Gefühl auslösten die Kontrolle zu verlieren und mir war, als verstünde ich plötzlich wieso der Grünäugige keine Kerzen oder Fackeln in diesem Gebäude duldete. Wenn das so war, dann beschloss ich, dass ich mich an seine Regeln halten würde und nur dann eine Kerze benutzte, wenn es wirklich nicht mehr anders ging. Aus Angst, dass der Größere böse werden würde, wenn er wüsste, dass ich mich über seine Gestalt informierte, nahm ich das Buch mit in mein Zimmer und versteckte es in meinem leeren Kleiderschrank.

Gerade als ich meine Augen in der Nacht schloss, um einschlafen zu können, da hörte ich eilige Schritte im Gang draußen hallen und stand wieder auf, Manuel war zurück. Ein leises zischen war aus seinem Zimmer zu vernehmen, ehe der Grünäugige die Tür zuschlug und mich erschrocken zusammenzucken ließ, er hatte wohl nicht gehört, dass ich ebenso wie er noch wach war. Vorsichtig stellte ich mich also vor die Tür des Vampirs und klopfte zwei Mal leise, um ihn wissen zu lassen, dass ich da war. „Manuel? Darf ich dein Zimmer betreten? Ich möchte nur einen kleinen Moment mit dir reden, mehr nicht...", fragte ich vorbildlich, da ich den Brünetten nicht mit meiner Anwesenheit stören wollte und einen kleinen Moment später, der Ältere zögerte also, da drang seine gedrückte, leise Stimme zu mir durch. „Nein, bleib weg!", lehnte der andere Mann ab und ich senkte meinen Blick enttäuscht, er wollte keine Zeit mit mir verbringen. Ich hatte ihn wohl mehr betrübt und verletzt als ich gedacht hatte, das musste ich unbedingt wieder gerade biegen, sonst würde ich mir das selbst nicht verzeihen. So lange ich keine Klarheit über diese Situation hatte, würde ich nicht schlafen können.

Leicht nickte ich also. „In Ordnung, wie du es möchtest! Ich möchte dir trotzdem sagen, dass mir mein Verhalten von heute Mittag sehr leid tut und dass ich dich nur nicht nerven wollte. Du hattest gestern gesagt, dass du es hasst umarmt zu werden und da habe ich gedacht, dass ich dir vielleicht zu nahe gekommen wäre, deswegen bin ich zu Claus gerutscht..., ich fand es schön bei dir zu sein, bis du gegangen bist! Es ist okay, wenn du mich jetzt meiden möchtest, aber ich wäre froh darüber, wenn du vielleicht morgen wieder mit mir frühstücken würdest! Du hast mir beim Abendessen sehr gefehlt...", sprach ich also aus, was ich dachte, doch der Größere schwieg still und so seufzte ich leise, er war einfach traurig. Ich wollte so gerne wissen wieso Manuel es mied neue Freundschaften zu beginnen, warum er mich mied und wieso er nicht die Wahrheit sagte, denn dann wäre ich niemals von ihm weg gerutscht. Trotzdem riss ich mich zusammen und ließ den Vampir zufrieden, damit er sich wieder beruhigen konnte. Gerade eben war ich fehl am Platz. „Schlaf gut, Manuel. In der Küche steht noch ein Glas mit Blut, wenn du Hunger hast!"

Leise schlich ich wieder zurück in mein Zimmer und seufzte, das schrie nach einer großen Entschuldigung, die ich dem Langhaarigen fällig war. Überlegend legte ich mich zurück in mein Bett, doch ich konnte nicht schlafen, egal was ich tat. Nach links rollte ich mich, nur um mich einen Moment später nach rechts drehen zu können und das ganze wiederholte sich, bis ich erschrocken meinen Oberkörper aufrichtete. Was war das für ein Geräusch? Einen kurzen Moment lang war es still in meinem Zimmer, bis ich das Geräusch erneut hörte und es klang, als übergab sich jemand. Von Sorge getrieben, stand ich auf und lauschte auf dem Gang, bis das würgen noch einmal erklang, es kam aus Manuels Zimmer. „Geht es dir gut, Manuel? Bitte antworte mir...", sprach ich aus, nachdem ich an der Tür des Größeren geklopft hatte und trotzdem schwieg er. Das einzige, was ich von der anderen Seite vernehmen konnte war ein leises schluchzen und wimmern, so konnte ich es nicht weiter gehen lassen. Einen kleinen Moment wartete ich noch, bis ich beschloss nach dem Älteren zu sehen. Vorsichtig öffnete ich die Holztür und erblickte die völlige Dunkelheit der Nacht, das absolute nichts. Nur das Würgen meines Freundes war zu vernehmen und ich fasste mir ein Herz, das war ein Notfall.

Entschlossen ballte ich meine Hände zu Fäusten. „Warte Manuel, ich bin gleich wieder da! Ich hole nur etwas!", beschwichtigte ich den Vampir, bevor ich aus dem Zimmer hinaus trat und nach unten in die Küche eilte. Ganz klar übergab sich der Grünäugige gerade, ihm ging es nicht gut und ich würde mich um ihn sorgen, so wie ich es immer bei meiner Mutter getan hatte. Als sie krank geworden war, da hielt ich ihr immer die Haare, wenn sie sich übergab und ich war es, der nach solch einem Vorfall geputzt hatte, das würde ich nun auch tun. Eilig sammelte ich einen leeren Eimer, sowie einen Lappen und einen Kerzenhalter mitsamt einer weißen, unbenutzten Kerze darin. Schließlich lief ich also mit einer brennenden Kerze in der linken und mit dem Eimer in der rechten Hand zurück nach oben, um einen Anblick vor Augen zu haben, der mir mein Herz brach. Mit tränenden, angsterfüllten Augen lag Manuel auf dem kalten Steinboden und krümmte sich vor Schmerzen zusammen, er sah schrecklich aus. Durch das helle Kerzenlicht erblickte ich, dass der gesamte Oberkörper des Vampirs und Teile des Bodens in rotem Blut getränkt waren, was mich schockierte.

Wimmernd und voller Angst starrte mein Schützling die Kerze an, während er kraftlos versuchte wegzukriechen, doch er schaffte es nicht und brach schluchzend zusammen. „Oh Gott, bist du verletzt? Hat dich jemand verletzt, Manuel?", fragte ich den Grünäugigen, während ich die Kerze auf dem Boden abstellte, weit weg von dem Langhaarigen und schnell atmend sah sich der Vampir nun um, als ich auf ihn zuging, er hatte Panik. Blut zu spucken war für nichts auf der Welt ein gutes Zeichen, irgendetwas hatte der Größere und ich würde schauen wie ich ihm helfen konnte, das musste ich. „Lass mich...", schluchzte mein Freund unverständlich, dabei mündeten seine Worte in ein weiteres würgen und Blut schoss aus seinem Mund hinaus, was mir mein Herz brach. Sofort stellte ich den Eimer neben den Älteren auf den Boden und kniete mich neben ihn, dass meine Hose deswegen mit Blut beschmutzt wurde war mir egal. Vorsichtig legte ich dem Brünetten meine linke Hand auf die Stirn und stellte fest, dass diese glühend heiß und schwitzig war, dieser Mann war eindeutig krank. „Nein, ich passe auf dich auf! Du hast Fieber und ich möchte nicht, dass du dich alleine fühlst. Es wird alles wieder gut, versprochen. Übergib dich in diesen Eimer!"

Schluchzend versuchte sich Manuel aufzurichten, damit er sich in den Eimer übergeben konnte, doch dafür war sein Körper zu schwach. Wortlos griff ich dem Älteren unter die Arme und zog ihn hoch, sodass er gekrümmt neben mir sitzen konnte. Vorsichtig zog ich ihn auf meinen Schoß, um dem Vampir mehr Sicherheit bieten zu können. „Ist gut, das ist gleich wieder vorbei! Lass es raus, so ist es gut...", wisperte ich dem Größeren in sein Ohr, dabei umschloss ich vorsichtig den angespannten Bauch des anderen und ließ ihn sich an meine Brust lehnen, gab ihm meine Zuflucht. Dieses ganze Blut, was der Grünäugige da ausspuckte, das schien ihm schwer im Magen zu liegen und ich verstand es nicht, das war so viel mehr Blut als das, was in einem kleinen Hasen steckte. Ob Manuel einen Menschen angefallen hatte? Egal was er getan hatte, ich würde ihn nicht dafür verurteilen, nicht in diesem Moment. Immer wieder brach noch eine Welle an Blut aus dem kranken Vampir hervor, er weinte vor Angst und Überforderung, während ich ihm meine Nähe gab, so gut ich konnte. „Ich bin da und lasse dich nicht mehr alleine, versprochen!"

Eine ganze Weile lang saß ich im Schneidersitz da, mit Manuel auf meinem Schoß und ich wartete. Und dann, gerade als ich meine Augen schließen wollte, da lehnte sich mein Schützling tatsächlich kraftlos an mich und suchte meinen Schutz. „Ist dir noch schlecht?", fragte ich also sanft und erschöpft schüttelte der Langhaarige seinen Kopf, was mich sehr beruhigte. Vorsichtig stellte ich den Eimer also beiseite und nickte verstehend, es würde alles wieder gut werden. Der ganze Körper des Größeren war so heiß wie Feuer, er brannte förmlich und ich strich zärtlich mit dem linken Daumen über den Bauch meines Freundes. „Das ist gut. Du bist fiebrig, Manuel..., lass uns hier einfach noch ein wenig sitzen, okay? Dein Bauch muss sich noch ein bisschen beruhigen und dann waschen wir uns beide das Blut ab, damit wir schlafen gehen können! Keine Angst, das schlimmste ist jetzt vorbei!", sprach ich auf den Grünäugigen ein, welcher einfach nur leise schniefte und die Augen geschlossen hielt. Manchmal, da brauchte man in solch einer Situation einfach jemanden, der einem sagte was zu tun war und das tat ich. Ich beruhigte meinen Freund, sprach mit ihm und ließ ihn die ganze Zeit über nicht alleine, so wie es sich gehörte.

Kaum spürbar legte sich die linke Hand des Vampirs auf die rechte Seite meiner Brust und er schluchzte. „Entschuldigung!", kam ihm über die roten Lippen und ich lächelte seicht, er schämte sich dafür, dass er sich vor mir übergeben hatte. Das brauchte er nicht zu tun, es war normal krank zu sein und ich verurteilte ihn nicht dafür, das könnte ich nie tun. „Es ist alles in Ordnung, Manu. Du brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen, dass du krank bist! Lass einfach deine Augen geschlossen und ich werde den Rest erledigen, hm? Hast du dich schon den ganzen Tag über so schlecht gefühlt?", wollte ich wissen, während ich mir den glücklicherweise trockenen Lappen vom Boden nahm, den ich dort in Eile abgelegt hatte, um ihn falten zu können. Schniefend ließ mein Schützling mich tun, was ich für richtig hielt. „Pass auf, ich wische dir das Blut aus dem Gesicht!", warnte ich, bevor ich vorsichtig begann das noch flüssige Blut von den Wangen des Älteren zu wischen. Fein hielt dieser dabei still und machte sich kleiner, zeigte mir etwas seltenes, seine Schwäche. „Ich..., ich hatte Hunger und habe das Blut eines Mannes getrunken, der wohl krank war. Und das hat mich krank gemacht."

Verstehend nickte ich. „Dann kümmere ich mich morgen gut um dich, damit du schnell wieder auf die Beine kommst! Ich nehme mir jetzt einfach Mal das Recht heraus dir eine strenge Bettruhe zu erteilen, bis du wieder gesund bist!", lächelte ich und verwundert guckte der Ältere, das kam wohl überraschend für ihn. Wunderschön funkelten seine Augen im Licht der Kerze, er war ein schöner Mann. Nicht einmal das Blut auf seinen Wangen nahm ihm seine von Gott gegebene Schönheit, die ich nur beneiden konnte. Ich selbst fand mich zwar auch nicht gerade schlecht aussehend, doch im Gegensatz zu diesem Kerl hatte ich langweilige, braune Augen und ich war klein, einfach nicht so schön wie er. „Kannst du vielleicht aufstehen und dich umziehen, während ich einen Eimer mit Wasser hole, mit dem ich den Boden putzen kann? Du brauchst Ruhe und musst schlafen...", wollte ich wissen, bevor der Mann auf meinem Schoß ablehnen konnte von mir bemuttert zu werden und er nickte, tat was ich ihm befahl. Mit dem kleinen Tuch in meiner Hand konnte ich kaum etwas ausrichten, es war zu viel Blut, was er da ausgespuckt hatte und deswegen würde ich einfach beginnen diese Sauerei aufzuputzen.

Wimmernd krümmte sich der Vampir jedoch wieder zusammen und sank auf meinen Schoß zurück, was mich erschrocken meine Arme um seinen Bauch schließen ließ. Verängstigt setzte sich der Langhaarige nun seitlich auf meinen Schoß, um mich schluchzend umarmen zu können und ich ließ ihn Nähe suchen, es war alles in Ordnung. „Ich will mich nicht noch einmal übergeben!", weinte mein Freund und ich fuhr dem Brünetten liebevoll durch sein langes Haar, er hatte Angst sich zu übergeben. Es gab wohl kaum ein ekelhafteres Gefühl als das sich übergeben zu müssen und ich würde ihm beistehen, bis er sich beruhigt hatte. Vielleicht war es erst einmal am besten, wenn wir ihn von der Sache ablenken würden. „Okay, das kriegen wir hin! Schau mich Mal bitte an, Manu. Guck mir einfach in die Augen und konzentriere dich ganz auf mich, okay? Es wird alles gut, du musst mir nur vertrauen...", sprach ich sanft und mit tränenden Augen führte mein Schützling meine Bitte aus. Immer wieder liefen ihm Tränen der Überforderung über seine Wangen, doch er hielt sich an meinen Wunsch, das machte er gut. „Genau so. Atme immer schön langsam und sieh mir in die Augen, das machst du gut!"

~2200 Worte, geschrieben am 27.12.2022

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