12

Mit einem schüchternen Lächeln saß ich gegenüber Michael am Tisch im Speisesaal und blickte auf das karierte Spielbrett vor uns. Einige Minuten hatte es noch gebraucht, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Der Vampir ließ mich augenblicklich wieder los, als ich mich für diese Unannehmlichkeiten entschuldigt hatte und versicherte mir, dass alles in Ordnung war, bevor er mir anbot mit mir das Spiel Schach zu spielen. Erst einmal musste er mir die Regeln des Spiels erklären, bevor er dann anfing mit mir zu spielen und ich erfreute mich daran, fand meinen Spaß an diesem Spiel. Immer wieder wusste ich nicht zu handeln, da es mir schwer fiel mir all die Regeln mit einem Mal zu merken und immer wieder half mir mein Gegenüber auf die Sprünge, ganz ohne sich zu beschweren. Es war erstaunlich wie der eine Vampir ein wahrer Miesepeter sein konnte, während der andere Vampir mich tröstete und mit mir spielte, das war mir unerklärlich. Michael freute sich richtig darüber, dass ich in seiner Gegenwart lächelte und er erklärte mir sogar vor dem Spiel, dass er bei unserer ersten Begegnung nur so gemein zu mir gewesen war, weil er durch dem Mangel an Blut nicht klar denken konnte und ich verzieh ihm, es war okay.

„Du bist wirklich ein guter Spieler, Patrick! Ich war bei meinem ersten Mal wesentlich unsicherer als du es jetzt bist...", lobte mich mein neuer Freund lächelnd und mein Herz pochte vor Glück auf, es freute sich darüber gelobt zu werden. Nur sehr selten lobte mich einmal jemand und gerade die Tatsache, dass es so ein erfahrener Vampir war, der mir ein Kompliment machte, machte mich unendlich glücklich. Natürlich tat er das nur, damit ich nicht die Lust und die Freude am Spiel verlor und nicht, weil ich so gut war, doch das war meinem dummen Herzen ganz egal. „Dankeschön..., ich schätze, das kommt daher, dass ich so einen guten Lehrer habe!", gab ich das Kompliment zurück und Michael schmunzelte sanft, wobei seine Augen wie Diamanten glitzerten, da auch er sich freute. Mit diesem Kerl konnte ich Späße machen, Manuel hätte mich schon längst dafür bedroht oder sogar gepeinigt, wer wusste es denn schon. Beide Vampire unterschieden sich wie Tag und Nacht, wie Sonne und Mond, dabei waren sie doch eigentlich gleich, sie waren gefährliche, blutrünstige Monster. Hätte ich die Wahl, so würde ich wahrscheinlich zu Michael gehen, damit dieser mich bewachen konnte, aber ich hatte nicht die Wahl, leider.

Froh dieses Kompliment bekommen zu haben, wank der Vampir ab. „Nein nein, das kommt daher, dass du talentiert bist, Patrick! Ich zeige dir nur, wie du dein Talent nutzen kannst, alles andere ist dein Verdienst...", meinte mein Lehrer und meine Wangen erröteten, er war wirklich niedlich wie ich fand. Mein Leben könnte so schön sein, wenn Manuel doch nur genau so liebevoll mit mir wäre wie sein Freund es war, doch das Universum schien mich zu hassen, wieso auch immer. Ich gab mir ehrlich Mühe mich der Lebensweise des Vampirs anzupassen, ich ärgerte mich über nichts, gab keine Widersprüche und doch schwieg der Grünäugige in meiner Gegenwart, das hatte ich nicht verdient. Gerade wollte ich etwas erwidern, da vernahm ich von draußen, wie sich die Tür zu diesem Gebäude quietschend öffnete und ich schaute erschrocken auf, stand ohne zu zögern auf. Manuel kam zurück, er würde nicht erfreut darüber sein, dass ich mit Michael Schach gespielt hatte statt zu putzen und ich lief mit gesenktem Blick in Richtung Eingangsbereich, wo ich tatsächlich meinen Herrn erblickte. Sofort stellte ich mich hinter ihn, um ihm seinen Mantel abnehmen zu können. „Willkommen zurück, Herr! Michael wartet auf Euch."

Ruhig begrüßte ich den Vampir, aber erfreut war dieser kein bisschen darüber mich zu sehen, nein. Im Gegenteil, noch während ich mich umdrehte, sodass ich seine Jacke auf den Kleiderständer hängen konnte, umschloss der Langhaarige mein linkes Handgelenk fest und zog mich näher zu sich. Schockiert riss ich meine Augen auf, das hatte er bisher noch nie gemacht. Mit leuchtenden, grünen Augen blickte mir der Größere direkt in die Seele und ich wusste nicht zu handeln, bekam Angst. „Er hat dich berührt, ich kann es riechen! Sag schon, was hat er getan?", wies mich der Vampir lautstark an und ich wusste nicht was er hatte, es war doch nichts passiert. Überfordert sah ich mich in dem dunkel werdenden Raum um, aber es war niemand anderes außer uns da. „Antworte mir!", rief der Brünette fast schon verärgert und ich ließ seinen Mantel fallen, so aggressiv war der Vampir bisher noch nie gewesen. Wie eine Trophäe verteidigte mich der Grünäugige und er wollte mich beschützen, dabei war doch gar nichts passiert. „Niemand hat etwas getan! Es ist alles in Ordnung, bitte regt Euch nicht auf! Michael hat nur mit mir geredet, mehr ist nicht passiert. Er hat niemandem etwas getan, das verspreche ich."

Verärgert knurrte der Mann vor mir auf, er gab sich mit meinen Worten nicht zufrieden. „Zieh dein Hemd aus, Patrick!", wies mich der Langhaarige nun an und ich riss verwundert meine Augen auf, das konnte er nicht ernst meinen. Ich sagte ihm die Wahrheit, mir war nichts geschehen, ich wurde nur getröstet und hatte danach Schach gespielt, aber dieser Mann glaubte mir nicht. Manuel hatte die Vermutung, dass sein Freund sich mein Blut genommen hatte, während er weg gewesen war und nun musste er sich selbst beweisen, dass genau das der Fall war, ich hasste das. Es war verständlich, dass er mir nicht vertraute, wir kannten uns schließlich kaum, aber dass er mich so bloß stellte, das war mir zu viel. „Wie bitte? Herr, mir geht es gut und ich bin unverletzt! Glaube mir, ich lüge nicht...", versuchte ich dem Größeren ruhig klar zu machen, aber das brachte den Vampir wohl vollkommen aus dem Gleichgewicht. Mit einem Mal durchzog ein stechender Schmerz meine linke Wange und ich atmete schockiert auf, während ich mir an die Wange fasste, Manuel hatte mich geschlagen. Eine Träne rann mir über die Wange und ich trat einen Schritt zurück. „Ich habe gesagt, du sollst dein Hemd ausziehen!"

Schluchzend folgte ich seiner Anweisung also. Zittrig und mit verschwommenem Blick zog ich mir mein Hemd aus, sodass mein Oberkörper frei lag. Im Augenwinkel sah ich wie Michael zu uns hinüber blickte, er war ganz still und beobachtete die Situation nur von der Seite aus, um seinen Freund nicht zu stören. Kraftlos stand ich schließlich entblößt vor dem Langhaarigen und wurde genau gemustert, aber das wollte ich nicht sehen, das wollte ich niemals mehr wieder. Nun wieder etwas vorsichtiger, nahm sich Manuel erst meinen linken Arm, um zu schauen, ob dieser eine neue Biss Wunde enthielt und dann den rechten, aber wie erwartet fand er nichts. Betrübt und erschöpft guckte ich den Älteren von unten an, bis er wieder von mir abließ. Emotionslos sah ich den Vampir also an. „Ist es das, was Ihr wolltet?", fragte ich leise, dabei ließ ich meine Tränen der Trauer einfach frei laufen und Manuel nickte leicht, hatte nichts mehr an der ganzen Sache auszusetzen. Ich konnte nicht fassen, das dieser Kerl sich das Recht herausnahm mich zu schlagen und mich dazu zu zwingen mich vor allen zu entblößen, das hätte ich nicht einmal ihm zugetraut. „Schön, dass Ihr habt, was Ihr wolltet."

Einen letzten, verletzten Blick schenkte ich dem Grünäugigen, bevor ich mich umdrehte und mit gesenktem Haupt davon lief, hinauf in mein Zimmer. So behandelt zu werden hatte ich nicht verdient, ich war ruhig und ehrlich zu dem Vampir gewesen, hatte ihn nicht aggressiv behandelt, ganz im Gegenteil und mein Arbeitgeber schlug mich, das war der Tropfen welcher das Fass zum überlaufen brachte. Ich würde mich von diesem Mann fern halten und ihn meiden, damit er mich nie mehr wieder schlagen konnte. Nicht einmal Michael war so herzlos wie er und zwang mich dazu mich auszuziehen, das war einfach grausam in meinen Augen, so sollte mich niemand sehen, nicht ohne dass ich das auch wollte. Schluchzend strich ich mir meine Tränen von den Wangen und legte mich in mein Bett hinein, nur um meine Augen schließen zu können und zu weinen. Das hier war ein schrecklicher Tag gewesen, ich hatte einen Hasen vor meinen Augen sterben sehen und Manuel hatte mich geschlagen, sowie dazu gezwungen mir mein Hemd vor ihm auszuziehen, das war alles so viel für mich. Wie schön es doch wäre bei meiner Mutter daheim sein zu dürfen, dort wäre mir nichts passiert und ich könnte in Ruhe leben, doch so sollte es nicht sein, leider.

(...)

Erst sehr früh am Morgen machte ich eine Augen wieder auf, als ich ein schmerzerfülltes Stöhnen in meinem Zimmer hörte. Verwundert rieb ich mir meine Augen und erblickte einen genervten Manuel vor meinem Bett stehen, allerdings nicht alleine, so wie ich es erwartet hatte. Ein schwarzer Kater drückte sich gerade fauchend an die Wand, genau unter eines der Fenster und ich wusste nicht was geschah, wieso war der Vampir mit einer schwarzen Katze hier? Wütend deutete der Grünäugige auf das Tier und ging auf es zu. „Du elendes Drecksvieh!", regte sich der Ältere auf und aus Angst, dass er dem Kater wehtun könnte, sprang ich eilig von meinem Bett auf und stellte mich schützend vor das Tier. „Halt, warte! Tu dem Kater nichts, bitte..., lass mich das machen! Geh zurück...", sprach ich ruhig auf den Älteren ein, welcher mich nun irritiert musterte und seine rechte Hand herunter nahm, er ließ mich tun. Erschrocken von dieser ganzen Situation merkte ich erst in diesem Moment, dass ein hauchdünner, roter Kratzer auf der linken Wange des Vampirs prangte und ich beschloss dieses Tier aus dieser Situation zu befreien, denn es hatte große Angst, so wie ich es an seiner Stelle auch hätte.

Langsam nur drehte ich mich zu der Katze um, als Manuel zurück wich und uns mehr Platz ließ. Vorsichtig hielt ich dem Tier meine linke Hand hin, damit es an dieser riechen konnte. „Ist gut, habe keine Angst..., der böse Vampir wird dir nichts tun, das verspreche ich!", sprach ich sanft und der Kater brummte warnend, fühlte sich noch immer bedroht. Das hier war ein offenbar sehr scheues Tier, welches ich nun besser nicht einfach so auf den Arm nahm. Still ließ mich mein Gastgeber tun was ich für richtig hielt. Ich verstand nicht wieso diese beiden Wesen sich in meinem Gemach befanden, erst recht, da sich der Langhaarige am gestrigen Tag unerhört mir gegenüber benommen hatte und ich zog meine Hand zurück, dieses Tier brauchte Ruhe. Überlegend drehte ich mich meinem Herrn zu. „Komm mit, wir lassen den Kater in Ruhe!", beschloss ich also, dabei lief ich aus dem Raum hinaus und der Ältere folgte mir ohne ein Wort zu sprechen, zeigte Unterlegenheit. Tonlos schloss ich die Tür hinter mir, sodass die Katze in meinem Zimmer alle Zeit der Welt hatte sich zu beruhigen und sich vielleicht sogar umzusehen.

Seufzend verschränkte ich meine Arme ineinander, als ich mich Manuel zuwendete. „Wieso habt Ihr einen Kater in meinem Zimmer so sehr verängstigt, dass er Euch gekratzt hat?", fragte ich meinen Gegenüber mit unbeeindrucktem Blick und kein bisschen schaute dieser zu mir auf, das traute er sich wohl nicht. Ich hatte diesen Kater bisher noch nie gesehen, kannte nur die kleine Katze von gestern und diese ganze Situation verstehen konnte ich beim besten Willen nicht, sie war zu seltsam. Beschämt beugte sich Manuel schließlich still hinab und hob einen fein säuberlich gefalteten Brief vom Boden auf, welchen ich bisher noch nicht bemerkt hatte. Irritiert nahm ich ihn entgegen. Wortlos lief mein Herr in Richtung Treppe, um diese nach unten gehen zu können und ich folgte ihm verwundert, denn hier oben war es viel zu dunkel, um etwas lesen zu können. Noch während ich die Treppe nach unten lief, faltete ich den Zettel auseinander und schaute dem Langhaarigen auf den Hinterkopf, er hatte diesen Brief geschrieben. Noch nie hatte jemand mir einen Brief geschrieben und ich war erstaunt über die Mühe, welche sich der Größere meinetwegen gab, ihm tat seine Reaktion des gestrigen Tages wohl wirklich leid. Ob Michael mit ihm gesprochen hatte?

Auf der letzten Treppenstufe ganz unten ließ ich mich also nieder, um den Brief lesen zu können und mein Herz zerbrach mir in zwei Hälften, als ich das las, was ein niedlicher Kerl Manuel doch sein konnte.

Sehr geehrter Patrick,
ich bin zutiefst erschüttert von der Tatsache, dass ich es am gestrigen Abend gewagt habe dich zu schlagen. Ich weiß, das ist unverzeihlich, aber ich versichere dir, ich meinte es nur gut! Du sahst aus, als hättest du geweint und ich wollte nur, dass dir niemand wehtut, aber damit habe ich den größten Fehler gemacht, den ich hätte machen können, ich habe dich verletzt. Es war dumm von mir dir nicht zu vertrauen, das weiß ich nun. Ich wollte dich einfach nur beschützen, das ist alles. Dir wird wohl schon bewusst sein, dass ich kein Mann vieler Worte bin und deswegen schreibe ich dir nun diesen Brief, denn so wirst du sicher keine Angst vor mir haben oder zumindest hoffe ich das. Mir tut es leid dich vor Michael geschlagen zu haben und deswegen habe ich dir einen kleinen Kater geholt, um den du dich kümmern darfst, wenn du es möchtest! Er ist vielleicht etwas aufmüpfig, aber ein anderes Tier habe ich nicht erwischen können, leider.
Bitte habe keine Angst vor mir, ich möchte dir nicht weh tun und würde mich freuen, wenn du dich vielleicht beim Frühstück zu mir setzen würdest!
Gezeichnet, Manuel

~2230 Worte, geschrieben am 26.12.2022

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