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Schüchtern saß ich auf einem Sessel neben Manuel und lächelte. Mein Kompliment hatte den Langhaarigen tatsächlich etwas aus der Bahn geworfen, er schaute mich etwas sanfter an und räusperte sich schließlich, als er seine vielen Stapel mit jeweils sieben Talern fertig gestellt hatte, nur um verkünden zu können, dass wir nun in die riesige Bibliothek gehen würden und etwas lesen würden. Aufgeregt war ich dem Grünäugigen also hinterher gelaufen, ich schwieg noch immer still und so wie es wirkte, schien mein Herr nicht einmal mehr ein Problem mit meiner Anwesenheit zu haben, ganz im Gegenteil. Manchmal schaute der Ältere sogar zu mir, um sich dem sicher zu sein, dass ich noch immer da war und als er mir schließlich seine eigene Bibliothek vorstellte, da wirkte er so stolz und froh, dass ich mir wünschte jeden Tag mit ihm hier her zu kommen. Unendlich viele Bücher standen in den vielen Regalen des Raumes, der Größere erlaubte mir sogar mich einmal umzusehen und mir eines der Bücher auszusuchen, welches ich lesen konnte, was ich auch schüchtern tat. Ich konnte ein wenig lesen, doch ich brauchte sehr lange und wusste manchmal nicht, was die Worte bedeuten, die dort standen, aber das war gerade egal. Nun wollte ich einfach nur mit Manuel Zeit verbringen.
Vollkommen in sein Buch vertieft, blickte Manuel sicher schon seit Stunden nicht mehr auf und ich beneidete ihn um diese Fähigkeit, hatte noch nie diese Ausdauer besessen so wie er es tat. Irgendwie fühlte es sich nicht so an, als würde der Brünette tatsächlich wollen, dass ich für ihn arbeitete. Erst hatte er gemeint, ich würde für ihn putzen müssen und nun saß ich neben ihm in einer Bibliothek, las ein Buch über einen edlen Ritter und genoss die Ruhe der Burg, obwohl der Grünäugige mich auch einfach hätte arbeiten lassen können. Irgendwie war der Tag des Langhaarigen nicht wirklich spannend, wie ich fand. Den ganzen Tag über las er nur, spielte am Flügel oder zählte Taler ab, es war kein Wunder, dass er so genervt und unausgeglichen war. Es musste doch irgendetwas geben, was der Vampir tun mochte. Spielte er wohl gerne Spiele? Bisher wirkte es nicht so, als würde der Ältere gerne in der Gegenwart anderer Personen verweilen, aber vielleicht wusste er auch einfach nur nicht so genau wie er sich jemandem nähern sollte. Sicher gab es hier im Haus ein Schachspiel oder Mühle, das konnte ich dem Älteren bestimmt anbieten zu spielen.
Mit einem Mal klappte der Vampir sein Buch zu, sodass ich aufschreckte und ihn ansah. „In Ordnung, wir haben jetzt genug gelesen, Patrick! Es ist dir erlaubt hier her zu kommen, so lange du die Ruhe dieses Ortes nicht störst. Ich werde nun draußen spazieren gehen und erwarte von dir, dass du dich bis dahin einmal gewaschen hast. Nimm es mir nicht übel, ich habe einen sensiblen Geruchssinn und du tust diesem nichts gutes, wenn ich das so sagen darf...", erklärte mir der Brünette und ich guckte ihn mit großen, überforderten Augen an, er fand, dass ich stank. Es war tatsächlich selten, dass ich mich waschen konnte, denn es war anstrengend Wasser aus dem Dorf nach Hause zu holen, doch nun sollte das ganze kein großes Problem mehr sein, schließlich gab es im Hinterhof der Burg einen eigenen Brunnen und aus diesem konnte ich genug Wasser holen, um mich zu waschen. Sofort stand ich auf und nickte, das würde ich tun, natürlich. Manuel sollte nicht meinetwegen leiden und sich unwohl fühlen. „Ja, natürlich Herr! Danke, dass ich etwas lesen durfte..., ähm, ich werde auch beginnen ein bisschen aufzuräumen und die Küche zu putzen, wenn mir noch Zeit bleibt!"
Meinte ich, bevor ich eilig aus dem Raum hinaus lief und in die Küche ging, um mir einen Eimer suchen zu können. Verwundert stellte ich fest, dass der Eimer, mit dem Claus stets das Wasser zum abspülen der Teller holte weg war. In dem Ofen, welcher in die dunkle Steinwand eingebaut war, brannte bereits ein großes Feuer und in dem Kessel über dem Feuer war Wasser, was für mich hieß, der Werwolf war gerade am kochen und brauchte den Wasser Eimer. Überlegend versuchte ich herauszufinden was ich machen sollte, so lange der Wolf kochte, bis sich die Tür öffnet und ein lächelnder Claus trat in den Raum ein, welcher einen vollen Wasser Eimer hielt. „Ich habe dir Wasser warm gemacht, Patrick! Warte nur noch einen kleinen Moment, bis es eine angenehme Temperatur hat, dann kannst du dir einen Eimer warmes Wasser nehmen und dich waschen! Wir haben allerdings keine Wanne hier, also musst du dich fürs erste mit einem Tuch waschen, okay? Geh am besten zu dir ins Zimmer, um dich zu waschen und wasche deine benutzten Klamotten gleich in dem Eimer. Ich muss jetzt gleich das Abendessen für den Herrn zubereiten und dir dein Essen warm machen!"
Mit großen, braunen Augen erklärte mir der Lockenkopf die Lage, während er den vollen Wasser Eimer in den Kessel über dem Feuer kippte und den leeren Eimer abstellte. Lächelnd kam der Größere auf mich zu und umarmte mich einfach, wie aus dem Nichts, sodass ich verwundert zu ihm auf schaute. „Ach Patrick, ich freue mich so, dass du hier bist und dich wohl fühlst! Warte hier, ich hole dir ein paar Tücher und lege dir neue Klamotten auf dein Bett...", grinste mein Freund, dabei wedelte seine Rute freudig und er ließ mich einfach alleine, so als wäre nie etwas gewesen. Es bestand kein Zweifel, dieser Kerl war ganz besonders und er schätzte meine Anwesenheit wirklich sehr, so wie kaum jemand anderes. Viel mehr Liebe hatte dieser Mann verdient und ich würde von nun an etwas mehr Zeit mit ihm verbringen, damit er sich ebenso wohlfühlen konnte wie ich mich auch so langsam hier wohl fühlte. Langsam lief ich also zum Kessel und wartete darauf, dass das Wasser warm genug wurde, um mich damit waschen zu können und erst, als ich mir sicher war, dass es nicht allzu heiß war, nahm ich mir den grauen Eimer und holte Wasser aus dem Kessel heraus, mit dem ich mich waschen konnte.
Langsam und vorsichtig beförderte ich den Eimer also nach oben in mein Zimmer, dabei kam mir Claus entgegen, welcher mir mitteilte, dass er uns am heutigen Tage einen Kartoffelsalat machen würde zu den Steaks von heute Mittag und ich bedankte mich für seine Mühe, er war ein Engel. Zwei große Tücher hatte der Braunäugige auf dem Boden ausgebreitet, sodass ich mich auf eines davon setzen konnte, ohne den Boden nass zu machen und auf dem Bett lagen neue Klamotten, sowie ein Stück Seife und ein Tuch, mit dem ich mich abtrocknen konnte. Summend zog ich mich also aus, sodass ich nackt in dem Raum stand, in dem ich sonst nur schlief. Gründlich wusch ich meinen Körper mit der noch unbenutzten Seife und dem Lappen ab, sodass ich hoffentlich nicht mehr so stank wie zuvor. Nur meine Haare tauchte ich schließlich einmal in den Wasser Eimer hinein, um sie zumindest einmal nass gemacht zu haben und nachdem ich mich abgetrocknet sowie angezogen hatte, wusch ich meine benutzten Klamotten in dem Eimer, so wie es mir befohlen wurde. Ich wollte Claus helfen, so gut ich nur konnte und deswegen legte ich die Wäsche zusammen, um diese mitsamt dem Eimer wieder herunter zu tragen.
Langsam wurde es dunkel draußen, wie mir auffiel und gerne würde ich die nassen Klamotten draußen auf die Wäscheleine hängen, doch es war kalt und ich wollte nicht krank werden, also würde ich Claus darum bitten diese Aufgabe zu übernehmen. Lächelnd machte ich die Tür auf und wollte beginnen zu sprechen, da hörte ich ein lautes Knacken im Raum hallen und erblickte etwas, was ich niemals in meinem Leben hatte sehen wollen, einem toten Hasen in den Händen des Werwolfs. Augenblicklich verlor ich mein Lächeln wieder und konnte nicht fassen was ich da sah, der Braunäugige hatte einem armen, kleinen weißen Hasen sein Genick gebrochen. Kein Muskel des Tieres bewegte sich mehr, es war tot und mir wurde unwohl zumute, ich hatte noch nie in meinem ganzen Leben gesehen wie jemand ein Tier umgebracht hatte. Natürlich wusste ich, dass Tiere von uns Menschen umgebracht wurden, damit wir sie essen konnten, aber ich hatte nie mit eigenen Augen den Mord eines Tieres mit ansehen müssen und demnach schockierte mich das ganze sehr, ich wusste nicht was ich sagen sollte. Erschrocken stand Claus für einen Moment reglos da und guckte mich an.
„Patrick, ist alles in Ordnung?", fragte mich der Braunäugige und ich hielt den Atem an, ganz ohne es zu merken, mir ging es nicht gut. Ich hatte gesehen wie ein armes, unschuldiges Häschen sein Leben verloren hatte und meine Augen füllten sich mit Tränen, das war zu viel für mich. Schon immer war ich viel zu warmherzig und lieb, ich konnte nicht dabei zusehen wie jemand anderem Leid geschah und besonders bei so kleinen Lebewesen, welche doch eigentlich unseren Schutz verdient hätten, brach mir mein großes Herz in zwei, das hatte der Hase nicht verdient. Überfordert legte ich den Stapel Klamotten auf dem Boden ab und schüttelte meinen Kopf, ich wollte meine Ruhe haben. „Patrick, warte!", wollte der Älteren mich aufhalten, doch das ignorierte ich gekonnt, um eilig die Tür hinter mir schließen zu können und einfach in Richtung des Eingangs der Burg zu gehen. Vor meinen inneren Augen sah ich das tote Tier in den Händen meines Freundes hängen, wie all das Leben des kleinen Hasen mit einem Mal ausgehaucht wurde und wie der Wolf noch nicht einmal Reue verspürte, das könnte ich niemals so tun. Mir tat allein der Anblick des Hasen leid, ein solches Tier umzubringen würde ich mich niemals trauen, nie.
Kein bisschen achtete ich auf meinen Weg, sodass ich mitten im Eingangsbereich in eine Person hinein lief und schniefend meinen Blick hob, um in die verwunderten Augen Michaels sehen zu können, was mein Herz zum still stehen brachte. Was tat dieser Mann hier? Schockiert riss ich die Augen auf und stolperte einige Schritte zurück, bekam Angst. Abwehrend hob der Brünette die Hände, als er merkte, dass ich Angst vor ihm hatte. „Patrick, warte! Ist schon gut, ich möchte dir nichts tun..., bitte habe keine Angst, ich wollte nur zu Manuel, aber der ist gerade nicht da! Darf ich dir näher kommen? Ich habe bereits Blut getrunken und möchte nur helfen, wenn du mich lässt...", sprach der mir fast schon unbekannte, dabei kam er mir keinen Schritt näher und ich wusste nicht zu handeln, der Grauäugige schien auf einmal nett zu sein. Kein bisschen aggressiv war der Vampir, er ließ mir nun sogar alle Zeit der Welt um ihm etwas vertrauen zu können und ich schluchzte überfordert, das alles war so viel auf einmal für mich. Ich konnte diesem Mann nicht einfach mein Vertrauen schenken, aber da er mir die Chance gab zu entscheiden was ich tat, nickte ich einmal leicht und wendete meinen Blick ab.
Langsam nur kam Michael auf mich zu. „Wieso weinst du, Patrick? Hast du dir wehgetan oder ist es etwas anderes?", fragte mich Michael sanft, dabei wagte er es nicht mich zu berühren und ich schloss meine Augen, wollte nichts und niemanden mehr sehen. Ich weinte aus einem einzigen Grund, weil ich schwach war. Claus machte es nichts aus einen Hasen zu töten, er tat es einfach und zögerte nicht einen Augenblick, während ich allein beim zusehen schon zu weinen begann, ich war ein Idiot. Warum konnte ich nicht auch so stark sein wie der Werwolf? Ich war eine Schande für jeden. „Claus hat..., hat vor meinen Augen einem Hasen das Genick gebrochen und ich bin so traurig deswegen! Ich bin ein Schwächling!", erklärte ich dem Grauäugigen schluchzend und mit einem Mal wurde ich an eine starke Brust gedrückt, wurde fest umschlungen. Weinend ließ ich den Größeren tun was er wollte und spürte, wie der Brünette mir seine rechte Hand auf den Hinterkopf legte, um mich beruhigend streicheln zu können. Seine linke Hand legte sich dabei behutsam auf meinen Rücken und ich akzeptierte seine Handlung, er war dieses Mal so lieb zu mir.
„Nein, sag das nicht, Patrick! Du bist kein Schwächling, ganz im Gegenteil. Du hast einfach nur ein großes Herz und bist nicht so aggressiv wie es andere Männer sind, das ist etwas gutes, okay? Es ist in Ordnung traurig zu sein, wenn ein Tier stirbt und du brauchst dich für deine Gefühle nicht zu schämen, das ist etwas ganz normales..., alles wird wieder gut, versprochen!", sprach mein Vordermann beruhigend auf mich ein und ich ließ mich mit solch lieben Worten trösten, so sanft wie von kaum jemandem zuvor. Mir war es unerklärlich wieso Michael so sanft und vorsichtig mit mir war, das letzte Mal als ich ihn gesehen hatte, da war er aufmüpfig und genervt gewesen, doch so war er nun nicht mehr. Das Gegenteil war der Fall, er blieb lange mit mir hier stehen und kümmerte sich um meine Trauer, ganz ohne sich wie Manuel über meine Schwäche zu beschweren, ich fühlte mich einfach wohl und akzeptiert. Michael war so viel gefühlvoller als sein Freund, doch wieso, das war mir ein Rätsel. Behandelte ich Manuel denn nicht gut genug, als dass er meine Geste der Nettigkeit erwidern wollte? Wahrscheinlich. „Kannst du Manuel nicht sagen, dass ich geweint habe? Bitte?"
~2200 Worte, geschrieben am 26.12.2022
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