2.

Lian's P.o.V.

Sofort weicht mein Rudel ein Stück vor mir zurück und Timo macht sich augenblicklich kleiner.
Denn es ist nicht üblich, dass das Rudel die Mate des Alphas zuerst sieht und so weiß keiner, wie ich nun reagiere. Auch wenn sie keinerlei Befürchtungen vor mir haben müssen und das wissen sie auch. Schließlich können sie ja nichts dafür, probiere ich meiner instinktgeleiteten Seite Einhalt zu gebieten.

"Zeig mir die Erinnerung an sie.", befehle ich Timo leise und er gehorcht sofort.

Ich sehe ein weiteres Mal wie ihre hübschen Beine auf ihn zufahren und ihm die Skier bringen.
Dann schweift sein Blick wie zuvor nach oben und als ich sie sehe, habe ich den Drang, ihr Gesicht in meine Hände zu nehmen.
Ich will sie spüren.
Ich will sie riechen.
Ich will sie nicht nur sehen.

Mich zerreißt es, zu wissen, dass meine Mate da war und ich nicht. Dass ich sie verpasst habe.
Im Hintergrund höre ich Timos "Danke" und dann ihre Stimme.

Sie ist süß, ihre Stimme hat einen leichten rauchigen Unterton ist ansonsten aber absolut kraftvoll.
Als sie ihn mit dem Sie anspricht, gewinnt meine emotionale und wölfische Seite die Oberhand.

"Du hast dich zu Unterwerfen!", knurre ich Timo deshalb instinkt getrieben an, um die Ehre meiner Mate zu verteidigen.

Als Zeichen seiner Unterwerfung entblößt er seinen Hals, was mich wieder beruhigt. Er wusste es ja nicht, versuche ich mich selber zu beschwichtigen.

"War sie menschlich oder ein Werwolf?", frage ich und komme damit zu dem wichtigerem Thema zurück.
Denn eigentlich müsste sie ein Mensch gewesen sein.
Wäre sie ein Werwolf, hätte sie das feindliche Rudel an Timo gerochen und ihm nicht geholfen.

"Ich bin mir nicht sicher. Man hat unter den vielen Skisachen nichts gerochen.", antwortet Timo schuldbewusst.

Verzweifelt fahre ich daraufhin durch meine Haare. Erst als ich merke, dass mich immernoch alle anstarren und meine Verzweiflung sehen, schicke ich sie alle raus. Ich bin zwar auch ihr Freund, aber vorallem ihr Alpha und sollte mich nicht schwach zeigen. Sie würden mich zwar niemals angreifen, aber am Ende wird das sonst noch zur Gewohnheit.
Außerdem brauche ich jetzt meine Ruhe, um nachzudenken. Ich muss überlegt vorgehen, um meine Mate zu finden.

Ich ziehe mich in meine Wohnung, beziehungsweise meine Etage, zurück, und schmeiße mich von den Gefühlen überwältigt erstmal aufs Bett.

Sofort denke ich an sie, meine Mate, bis mich ein Ziehen und Zerren in meinen Kopf ablenkt. Es schwillt zu einem schmerzvollen Dehnen an und erschrocken halte ich mir die Stirn. Mein Kopf fühlt sich von Sekunde zu Sekunde heißer an und ich spüre wie etwas in mir sich mit etwas anderem verbindet. Dann lässt das Gefühl schlagartig nach und ich keuche erleichtert auf. Es muss die Verbindung gewesen sein. Die Verbindung zu meiner Mate, erkenne ich glücklich.
Ich weiß, dass ich nun in der Lage bin zu ihr zu sprechen, also telephatisch.
Ich möchte es. Ich möchte ihr sagen, dass ich hier bin.
Dass ich sie sehen möchte.
Dass ich sie wunderschön finde.
Dass ich sie glücklich machen möchte.

Aber ich mache es dennoch nicht.
Denn ich bin mir nicht sicher, ob sie ein Mensch oder ein Werwolf ist. Und ich kann auch nicht erahnen, wie sie dann darauf reagieren würde, wenn sie plötzlich eine Stimme in ihrem Kopf hört. Zumindest habe ich jetzt aber weitere Informationen über sie. Sie war hier! Ob mir das, bei der Suche nach ihr, weiterhelfen kann?

Ich grüble immer weiter, denn endlich habe ich eine Spur. Schon seit einem Jahr bin ich auf der Suche nach ihr.
Aber nicht in der realen Welt, denn momentan hatte ich noch keine Zeit zum Reisen.

Ich scrolle aber alle Menschen auf Instagram durch, immer auf der Suche nach ihr. Von einem Mädchen klickte ich mich weiter zum nächsten.
Jetzt aber weiß ich, dass sie hier war.

Ich beschließe es normal anzugehen und sie noch nicht im Kopf anzusprechen. Ich möchte sie nicht verschrecken.

***

Am nächsten Tag stehe ich schon vor der Öffnungszeit an der Gondel und warte auf die ersten Skifahrer. Als die ersten ommen, spanne ich mich an und beobachte jeden ganz genau.
Einer nach dem anderen steigt in die Gondel ein, aber ich entdecke sie nicht.
Ich beobachte aufmerksam alle Menschen und gönne mir keine Pause. Nicht einmal Essen tue ich an heute, um sie bloß nicht zu verpassen.
Aber es bringt nichts, denn jetzt nach den Öffnungszeiten habe ich sie immer noch nicht entdeckt.

Enttäuscht und traurig gebe ich diesen Versuch auf.
Sie muss wohl abgereist sein, schlussfolgere ich.

Zu Plan B übergreifend setze ich mich auf eine nahegeliegende Bank und öffne hoffnungsvoll den Mate-Link.

Hallo?, probiere ich sie gedanklich anzusprechen.

Hörst du mich?, versuche ich es noch einmal, nachdem ich eine Minute gewartet hatte.

Aber sie antwortet wieder nicht. Vielleicht schläft sie auch, weil sie wo ganz anders auf der Welt wohnt, probiere ich mir Hoffnung zu machen.

Aber sicher bin ich mir nicht. Denn vielleicht traut sie sich auch nur nicht zu antworten?

Ich verschiebe diese Möglichkeit ersteinmal und kehre zu Plan C.
Entschlossen gehe ich zum Kassenhäusschen und hole meinen gefälschten Polizeiausweis aus der Hosentasche.

"Guten Tag, ich bin von der Polizei.", begrüße ich die Dame an der Kasse möglichst freundlich.

"Was kann ich für sie tun?", antwortet sie und ich erkenne sofort an ihren Händereiben, dass sie nervös ist.
Tja, die Masche mit der Polizei klappt einfach immer sofort.

"Ich suche eine Person. Wir haben leider nur eine Beschreibung.", teile ich ihr mit, ohne auf eine Antwort zu warten, und beginne dann meine Mate zu beschreiben.

Nach einer Weile antwortet die Frau zurückhaltend:
"Das ist mir leider zu ungenau. Gelbe Skihosen tragen viele. Und auch weiße Jacken dazu sind nicht selten.". Als sie meinen wütenden Blick auf ihre Antwort sieht, wird sie kleiner auf ihrem Stuhl.

"Aber sie können gerne die Überwachungsaufnahmen ansehen", teilt sie mir kleinlaut und nun zitternd mit. Wahrscheinlich darf sie das gar nicht und tut es jetzt nur wegen meiner Ausstrahlung, aber darauf will ich jetzt nicht achten.

Ich nicke ihr zustimmend zu, woraufhin sie sich sofort in Bewegung setzt und mir eine Tür am Ende des Hauses öffnet. Endlich habe ich einen Hinweis und dann ist er angeblich nicht nachzuverfolgen? Das kann einfach nicht sein!
Ich folge der Frau angespannt in den Überwachungsraum.
Vor den Monitoren stehenbleibend, fragt sie mich nervös, wann die gesuchte Person da war.
Ich nenne ihr das Datum und die umgefäre Uhrzeit und wir beobachten daraufhin die Bilder.
Nach einigen Minuten des Wartens sehe ich sie endlich.

"Das ist sie!", rufe ich aus.
Die Frau stoppt das Bild und zoomt heran.
Jetzt kann ich auch ihre Augen sehen, da sie die Skibrille nicht aufhat.
Sie sind von einem wunderschönen grau, blau und ich versinke sofort in ihnen.

"Mehr kann ich leider nicht für sie tun.", gibt die Frau wieder kleinlaut bekannt und ich bedanke und verabschiede mich von ihr.

Danach steige ich in mein Auto und fahre zurück nach Hause.
Jetzt habe ich nur noch Plan A und B. Oder ich überlege mir noch D?

Immer wieder probiere ich sie anzusprechen und nochmal bei Instagram zu schauen, ob etwas mit diesem Standort gepostet wurde. Den ganzen Abend probiere ich es, erhalte aber nie eine Antwort. So lange ignoriert doch nicht einmal ein Mensch eine Stimme, oder?
Immer verzweifelter werde ich dabei und immer sinnlosere Sachen erzähle ich ihr.
Irgendwann schlafe ich vor Erschöpfung ein.

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