Kapitel 32 - „Ungewissheit"
Erstellt am: 03.01.2020
Nervös tigerte Dominic vor dem OP-Saal des Huntington-Krankenhauses auf und ab. Seit einer gefühlten Ewigkeit befand sich Zoey nun im Operationsaal und keiner wollte ihm eine Auskunft über den Zustand seiner Tochter geben. Immer wieder wurde er mit den Worten „Es tut mir leid, aber ich darf Ihnen keine Auskunft geben." vertröstet. Dominic verstand die Welt nicht mehr, er war doch ihr Vater. Warum konnte oder wollte ihm keiner sagen, wie es seiner sechszehnjährigen Tochter ging. Es ging doch um ihr Leben, um seine Tochter. Wie sollte er es überstehen neben seiner Frau auch noch seine einzige Tochter zu verlieren, die ihrer Mutter in jedem Verhalten und dem Aussehen so ähnlich war.
Erschöpft und verzweifelt, fuhr sich Dominic über sein blasses Gesicht und durch sein Haar, das an einigen Stellen schon graue Ansätze zeigte.
Ein kurzer Blick zu seiner neuen Lebensgefährtin gab ihm Kraft, diese lange Wartezeit zu überstehen. Als hätte sie es gewusst, trat sie zu ihm und umarmte ihn. „Es wird alles gut werden, Dominic. Zoey ist ein zähes Mädchen, sie wird es schaffen!"
Dominic nickte, genoss die Umarmung und schloss für einen Moment die Augen. Er musste sich zusammenreißen, immerhin gab es auch noch Zachary. Seit der Ankunft im Krankenhaus hatte Zachary kein einziges Wort mehr mit ihm oder Melissa gewechselt. Es war, als befände er sich selbst in einem Trancezustand. Zachary hatte sich auf einen Stuhl vor dem OP-Raum niedergelassen und seitdem auf die weiße Wand gegenüber gestarrt.
„Komm, Zach, holen wir uns einen Kaffee. Vielleicht kommt dann endlich der Arzt und kann uns etwas sagen." Zach.", sprach Dominic seinen Sohn an und hoffte, dass dieser auch darauf reagierte. Zachary wandte den Blick von der Wand ab und sah seinen Vater aus verzweifelten Augen an. „Nein. Danke. Ich warte."
„Zach..."
Melissa legte Dominic eine Hand auf die Schulter und unterbrach ihn sanft. „Lass ihn, Dominic. Es ist gut, wenn einer von uns vor dem OP wartet. Wir nehmen ihm einen Kaffee mit."
Nachdem Dominic seinem Sohn einen letzten Blick zu geworfen hatte, machte er sich mit Melissa auf die Suche nach einem Kaffeeautomaten.
Zachary sah seinem Vater und Melissa hinterher und seufzte auf. Er vergrub seinen Kopf in seinen Händen und versuchte, nicht die Beherrschung zu verlieren. Es machte ihn wütend, wütend nichts über den Zustand seiner jüngeren Schwester zu erfahren. Kämpfte sie um ihr Leben oder hatte sie vielleicht gar nicht so schwere Verletzungen davongetragen?
Sie wussten nichts. Nicht, wie es ihr ging und auch nicht, wie es überhaupt zu dem Unfall gekommen war. Sie wussten nur, dass Zoey wie aus dem Nichts auf der Straße aufgetaucht sein soll und der Fahrer nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte. Er hatte noch wie ein Irrer auf die Bremse gedrückt, doch der Bremsweg war einfach zu kurz gewesen. Beim Aufprall gegen den Wagen jedoch, war es nicht Zoey gewesen.
Ein junger Mann hatte sie einfach weggestoßen und war selber von dem Wagen erfasst worden. Auch über seinen Zustand und seine Identität, konnte ihnen keiner Auskunft erteilen. Sie wussten nur, dass er Zoey wahrscheinlich das Leben gerettet hatte.
Zur gleichen Zeit hatten sie auch noch erfahren müssen, dass sie ausgeraubt worden waren. Die Polizei vermutete, dass es zwischen dem Einbruch und dem Unfall einen Zusammenhang gab. Sie glaubten, dass Zoey die Einbrecher wahrscheinlich auf frischer Tat ertappt hatte und deswegen weggelaufen sei. Was der junge Mann jedoch dort zu suchen hatte oder ob er mit dem Einbruch etwas zu tun hatte, konnte ihnen niemand sagen.
„Hier.", riss ihn eine sanfte Stimme aus seinen Gedanken. Zachary hob den Kopf und blickte in zwei schokoladenbraune Augen. Die Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das jedoch nicht ihre Augen erreichte. „Nimm schon, sonst fällt mir noch mein Arm ab."
Zachary blickte auf die Hand und nahm die entgegengestreckte Tablette, fragend sah er die Fremde an. „Was soll ich damit?"
„Es sind nur Kopfschmerztabletten, keine Drogen.", antwortete sie freundlich und ließ sich neben Zachary auf den Stuhl nieder. Sie selbst nahm auch eine Tablette und spülte mit Wasser nach, das sie danach auch Zachary reichte. Skeptisch betrachtete Zachary die Tablette und dann die Fremde. „Nein, danke."
„Okay, dachte du könntest auch eine gebrauchen. Du bist etwas blass um die Nase herum.", erwiderte sie, nahm jedoch die Tablette wieder an sich. Zach wandte den Blick wieder stur geradeaus und versuchte, die Blonde neben ihn zu ignorieren. Er hatte jetzt andere Sorgen.
Die Unbekannte sah es jedoch anders. „Ein Freund von mir liegt im OP. Es sieht nicht gut aus, mehr wollen sie mir nicht sagen ... aus irgendwelchen Gründen hat mich das Krankenhaus angerufen.", sie schluckte hörbar, so dass Zachary wieder zu ihr sah. „Dieser Idiot...", brachte sie halblachend und -weinend heraus. „...warum ausgerechnet ich? Er weiß doch, dass ich Krankenhäuser hasse ..." Zachary erwiderte nichts, reichte ihr nur eine Packung Taschentücher. „Danke. Normalerweise heule ich nicht so schnell, doch er ist wirklich ein sehr guter Freund von mir. Wir haben so viel Mist zusammen gebaut und jedes Mal hat er mich aus irgendeinen Schlamassel gerettet."
„Er wird es schon schaffen, du musst nur daran glauben.", sagte Zachary, während er seinen Blick wieder auf die gegenüberliegende Wand richtete. „Immer positiv denken."
„Ja, du hast Recht."
„Tja, wahrscheinlich, weil wir beide fast in derselben Situation sind.", murmelte Zach. „Meine Schwester liegt auch im OP, wir wissen noch gar nichts über ihren Zustand. Doch was zählt ist, dass man ihnen mit seinen Gedanken Kraft gibt. Dann werden sie es schaffen."
„Toll, und ich heule dich voll. Obwohl du selber auch in einer beschissenen Situation bist."
Zachary zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück, während er seinen Blick nicht von der Wand nahm. „Renée." Fragend sah er sie an, was sie mit einem schwachen Lächeln erwiderte. „So heiße ich. Ich heiße, Renée."
Bevor Zachary sich vorstellen konnte, trat ein Arzt aus dem OP-Saal und steuerte auf sie zu. Ohne noch auf Renée zu achten, erhob Zachary sich und sah den Mann in dem weißen Kittel fragend an. „Wie geht es ihr?"
„Mr. Cabot?"
„Ja. Ja, ich bin ihr Bruder. Mein Vater kommt gleich. Wie geht es meiner Schwester, Doc." Zachary's Hände fingen zu zittern an, so dass er sie nervös in seine Hosentaschen stopfte und den Arzt aus fragenden Augen ansah.
Der Arzt nickte. „Ich bin Dr. Stewart, der behandelnde Arzt von Ihrer Schwester, Zoey Cabot." Keiner der beiden Männer sah, wie sich Renée's Augen vor Schock weiteten und sie nun gespannt lauschte. „Wollen wir auf Ihren Vater warten, Mr. Cabot?"
„Nein, verdammt nochmal. Sagen Sie mir, wie es meiner Schwester geht. Geht es ihr gut?, schrie Zachary und ballte seine Hände zu Fäusten. Warum mussten die Ärzte immer alles so in die Länge ziehen? Konnten sie nicht einfach gleich zum Thema, zum Punkt, zur Antwort kommen? Dr. Stewart führte ihn ein wenig abseits von Renée und bot Zachary an, sich zu setzen.
„Nein, danke."
„Okay, wenn es Sie nicht stört, werde ich mich jedoch setzen. Ich führe heute eine Doppelschicht." Gerade als der Dr. Stewart weitersprechen wollte, kamen Dominic und Melissa um die Ecke. Als Dominic seinen Sohn bei dem Arzt sah, löste er sich von Mel und ging mit schnellen Schritten auf sie zu. „Herr Doktor, wie geht es meiner Tochter? Wie geht es Zoey?"
Zach schnaubte. „Das versuche ich gerade herauszufinden, doch er hält mich hin."
Dominic ignorierte seinen Sohn und sah den Arzt abwartend an. Dr. Stewart erhob sich und reichte Dominic die Hand. „Mr. Cabot, ich bin Dr. Stewart der behandelnde Arzt Ihrer Tochter. Wenn es Sie nicht stört, setzte ich mich hin, während wir über ihre Tochter sprechen."
„Machen Sie nur, sagen Sie mir, wie es meiner Tochter geht?"
Dr. Stewart nickte und lächelte. „Ihrer Tochter geht es den Umständen entsprechend gut. Sie schläft jetzt, da wir sie unter Narkose geben mussten. Während des Aufpralles hat sie sich den Kopf angeschlagen und den rechten Arm gebrochen. Der Bruch war jedoch so kompliziert, dass er operiert werden musste. Äußerlich hat sie eine kleine Kopfwunde, Prellungen und Schürfwunden. Wir wollen sie jedoch für ein paar Tage beobachten, wegen des Armes und da sie wahrscheinlich auch eine leichte Gehirnerschütterung haben könnte. Sie braucht jetzt viel Ruhe. Am besten, Sie kommen morgen wieder. Ich glaube, Sie könnten alle eine Runde Schlaf gebrauchen."
Dominic seufzte erleichtert auf. „Sie hat sonst keine weiteren Verletzungen oder innere Blutungen?"
„Nein, Mr. Cabot, Ihre Tochter hat den Unfall gut überstanden. Der junge Herr, der im neben OP liegt, hat ihrer Tochter wahrscheinlich das Leben gerettet.", antwortete Dr. Stewart freundlich und erhob sich. „Ich muss jetzt leider zu einem anderen Patienten, haben Sie noch Fragen?"
„Nein."
„Ich stehe Ihnen jederzeit für Fragen, zur Verfügung. Ich wünsche Ihnen alles Gute, Mr. Cabot.", verabschiedete sich Dr. Stewart und Schritt davon.
Zachary fuhr sich über sein müdes Gesicht, die Anspannung und Angst um seine Schwester der letzten Stunde, löste sich langsam in Luft aus. Auch Dominic konnte endlich erleichtert ausatmen und schickte ein Dankesgebet zum Himmel, während er seine Freundin in die Arme schloss. Zoey hatte es überstanden und war mit minimalen Verletzungen davongekommen, die wieder heilen würden.
„Flashback"
„Zoey!", schrie Ethan ihren Namen immer wieder, doch sie reagierte nicht darauf. Zu sehr hatte er sie verletzt, sie wollte nur noch weg von ihm. Immer wieder rief Ethan ihren Namen und erst zu spät, sah Zoey das Auto auf sich zukommen.
Die Bremsen des herankommenden Wagens fingen laut zu Quietschen an, doch trotzdem kam der Wagen nicht zum Stillstand. Der Bremsweg war zu kurz. Es war zwecklos, Zoey schloss mit ihrem Leben ab.
Im nächsten Moment ging alles schnell, sie hörte ihren Namen und wurde plötzlich mit voller Wucht zur Seite gestoßen. Das Auto hatte sie erwischt, ging ihr durch den Kopf.
Zoey spürte einen kurzen, steckenden Schmerz im Arm und am Kopf, bevor sie das Bewusstsein verlor.
Das letzte Bild, was sich in ihren Kopf eingeprägt hatte, war, wie Ethan von dem Wagen erfasst wurde und am Boden liegen blieb.
„Flashback Ende"
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Vielen Dank für's lesen ❤️
1665 Wörter
Meinung ?🤗
Fortsetzung folgt ...😘
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