Kapitel 26 - „Zerstritten"

Erstellt am: 01.01.2020

„Zoey, warte kurz.", rief Dominic seiner Tochter hinterher, als diese gerade die Treppen hinunter trampelte, um noch rechtzeitig zur ersten Stunde zu kommen. Wie jedes Mal, hatte sie in der Früh zu lange im Bett verbracht und war in hektischer Eile in ihre Kleidung geschlüpft, während sie nebenbei ihren Kaffee schlürfte, den ihr Kristin gebracht hatte.
„Du hast zwei Minuten, dann muss ich wirklich los. Ich möchte nicht gleich am Montag zur ersten Stunde zu spät kommen.", erwiderte sie, blieb auf den Treppen stehen und drehte sich zu ihrem Vater. „Also?"
Dominic schmunzelte. „Ich mach es kurz, versprochen. Ich habe die Person gefunden, nach der du suchst."
„Wirklich? So schnell?", mit großen Augen sah Zoey ihren Vater an und konnte nicht glauben, was er eben gesagt hatte. Sie lief die paar Stufen wieder hinauf und fiel Dominic um den Hals. „Du bist echt der Beste, Dad!"
„Danke, aber am meisten gebührt der Dank meinem Kontaktmann.", erwiderte er augenzwinkernd, und Zoey verdrehte lächelnd die Augen, als ihr Vater fortfuhr. „Ich habe heute Nachmittag einen wichtigen Termin, aber hier in diesem Brief steht Mrs. Turner's aktuelle Adresse und Telefonnummer."
„Danke, Dad. Er wird sich sicher riesig darüber freuen.", bedankte sich Zoey noch einmal und gab ihrem Vater einen Kuss auf die Wange.
„Irgendwann musst du mir sagen, für wen ich das eigentlich mache!", rief Dominic ihr hinterher, als sie sich den Brief geschnappt hatte und mit einem breiten Grinsen die Treppen hinunter rannte. Sie hob die Hand und gab ihrem Vater ein Zeichen, dass sie ihn gehört hatte. Doch jetzt musste sie es schaffen, innerhalb fünfzehn Minuten bei der Schule und in der Klasse anzukommen. Leise Lachend drehte sich Dominic um und ging zurück ins Schlafzimmer, wo seine Freundin bereits auf ihn wartete.

„Hey, Aby!", begrüßte Zoey außer Atem ihre Freundin und ließ sich auf ihren Stuhl fallen. Genau in dieser Sekunde kam Ms. Darkson in die Klasse. Seit dem Brief hatte sich ihr Verhältnis ein wenig verbessert, doch nichts destotrotz war sie ihre – weiterhin strenge – Lehrerin.
„Guten Morgen, nächste Woche steht die Klassenarbeit an und in dieser Woche werden wir uns darauf vorbereiten.", begrüßte Ms. Darkson die Klasse gleich mit einer frohen Botschaft. Ein lautes Raunen ging durch den Raum und brachte die sonst so strenge Lehrerin zum Schmunzeln. „Es wird euch leider nichts anderes übrig bleiben. Okay, fangen wir an."
Aby stieß Zoey zehn Minuten später in die Seite und schob ihr einen Zettel hinüber. Neugierig zog Zoey den Zettel näher heran und begann zu Grinsen, als sie die Zeile las. Woher kennst du den Typen von Samstag?
Du und Lou seid einfach zu neugierig!, schrieb Zoey darunter und schob den Zettel unauffällig wieder zurück.
Ach was, du willst auch immer alles von uns wissen! Also, wer ist er? Den haben wir zum ersten Mal am Strand gesehen und dann im Center, plötzlich steht er hinter dir und zieht dich aus dem Subway. Also?
Zoey sah kurz zur Tafel, als die Lehrerin gerade zur Klasse sprach und sich dann wieder an die Tafel wandte. Diesen Moment nützte Zoey und schrieb zurück. Ethan...
Ungläubig sah Abigail ihre Freundin an, danach verfinsterte sich ihr Blick. Wie bitte? Ich dachte, du hättest keinen Kontakt zu ihm. Du hast es versprochen!
Zoey schnaubte und zog den Zettel ganz zu sich. Und du hast mir einmal versprochen, keine Geheimnisse vor mir zu haben ... ich sage nur Mike! Aber egal, Aby, ich habe mich in ihn verliebt  - wir sind jedoch kein Paar - und er ist wirklich anders, als du denkst. Du solltest ihn kennen lernen!
Na sicher, logisch, kommentierte Abigail und tippte sich an die Stirn, als Zoey ihre Freundin ansah. Seufzend wandte sich Zoey dem Unterricht zu und versuchte, die angereizte Stimmung zwischen Aby und ihr zu ignorieren. Nach dem Pausenläuten erhob sich Zoey schweigend von ihrem Platz und ging aus dem Klassenzimmer zur Toilette. Sie war beleidigt, weil Abigail sie einfach nicht verstehen wollte. Natürlich würde sie genauso reagieren, wäre sie an Abys Stelle, trotzdem würde sie dem Typen eine Chance geben und ihn kennen lernen. Auch verstand Zoey nicht, warum sich Aby so aufregte, sie waren noch nicht einmal ein Paar.
Kopfschüttelnd wusch sich Zoey die Hände und richtete danach ihre Frisur, die vom Laufen – vom Parkplatz bis zur Schule - zerzaust war.
Die Tür zum WC-Raum ging auf und Abigail trat ein. Die beiden Freundinnen starrten sich für einen kurzen Moment an, bis Aby das Schweigen brach. „Zoey, ich mach mir nur Sorgen. Er ist nicht gut für dich."
„Pf..., Aby lass es, okay? Ich brauche keine Moralpredigt von meiner besten Freundin.", erwiderte Zoey genervt und drängte sich an ihr vorbei. „Ich dachte, du würdest es wenigstens verstehen... aber da habe ich mich wohl getäuscht. Ich werde mich mit ihm treffen, ob du es willst oder nicht. Wenn du meine Freundin bist, dann stehst du zu mir und lernst ihn mir zu liebe kennen. ... Ach übrigens, bin ich mit ihm noch nicht einmal zusammen und von meinen Gefühlen weiß er auch nichts."
„Zoey, er wird dich verletzten! Der Typ ist einfach nicht gut für dich, sein Leben ist anders verlaufen als deines und ..."
„Na und? Was tut das zur Sache? Aby, lass es! Lernst du Ethan mir zu liebe kennen?" Zoey sah Abigail an und wartete auf eine Antwort, als diese jedoch nichts erwiderte, verließ Zoey den Raum und marschierte zurück ins Klassenzimmer.

Den restlichen Schultag gingen sich die beiden Freundinnen so gut wie aus dem Weg, was nicht nur den Mitschülern auffiel, sondern auch den Lehrern. Normalerweise waren Zoey und Abigail ein Herz und eine Seele, keine ging ohne die jeweils andere irgendwohin. Ein paar Mal wurden sie darauf angesprochen, ob bei ihnen alles in Ordnung wäre. Die Antwort fiel jedes Mal gleich aus. „Denke nicht, dass Sie das etwas angeht.", erwiderte Zoey auf die Frage, des Geschichtelehrers und ließ ihn verblüfft stehen. Auch Abigail gab ähnliche Antworten. „Es geht Sie nichts an, es ist eine Sache zwischen Zoey und mir."
Lou stand vor dem Schulgebäude und wartete ungeduldig auf Zoey und Abigail. Sie hatte von einer Klassenkameradin erfahren, dass sich die beiden zerstritten haben und nun kein Wort miteinander wechselten. Jetzt wollte sie den Grund dafür erfahren.
Zoey trat zuerst hinaus an die frische Luft und lächelte Lou zu, als sie sie entdeckte. „Hey, bist du nicht mit deiner Mum verabredet?"
„Doch, aber ich wollte noch mit dir und Aby reden.", erwiderte Lou.
Zoey nickte. „Okay, ich bin da. Was gibt es denn?"
„Wollen wir nicht auf Abigail warten, dann muss ich mich nicht wiederholen.", antwortete Lou und war auf Zoey's Antwort gespannt.
„Äh... Nein, das geht nicht. Ich hab noch etwas vor und...", als Aby aus der Schule trat, stockte Zoey kurz und kniff die Augen zusammen. „... und ich muss jetzt los. Wir telefonieren, Lou. Bis dann." Zoey ließ Lou stehen und warf Abigail einen letzten Blick zu, bevor sie sich umwandte und zu ihrem Wagen lief.
Aby trat zu Lou und sah Zoey nachdenklich hinterher. Sie verstand nicht, warum Zoey nicht einsehen wollte, dass dieser Ethan nicht gut für sie war. Sie war sich sicher, dass er Zoey das Herz brechen würde und dann wäre sie am Boden zerstört.
„Was ist denn bei euch los?", fragend sah Lou Abigail an. Aby seufzte und wandte den Blick von Zoey's weinroten Wagen ab. „Der Typ, der am Strand war und dann auch im Shoppings Center ... Zoey kannte ihn und ich habe ihr meine ehrliche Meinung gesagt, dass er nichts für sie ist. Sie ist jetzt beleidigt und redet kein Wort mehr mit mir."
„Ja, aber das ist doch kein Grund, dass ihr kein Wort mehr miteinander wechselt.", erwiderte Lou und Aby zuckte mit den Schultern. Sie erzählte Lou, woher Ethan kam und in welcher Gesellschaft er lebte und dass sie ein schlechtes Gefühl bei ihm hatte.
„Lass sie ein bisschen in Ruhe und danach kannst du ihr ja noch einmal deine Bedenken erklären. Ihr werdet diesen – wirklich lächerlichen – Streit schon überstehen. Ihr beide werdet das schon überstehen.", sagte Lou und ging mit Abigail an ihrer Seite zum Wagen. „Triffst du dich heute mit Mike?"
„Ja, könntest du mich mit zu euch nehmen?"
Lou nickte. „Natürlich, steig ein. Mittlerweile konnte ich mich daran gewöhnen, dass meine Freundin mit meinem Bruder zusammen ist."
„Tja..., was soll ich dazu sagen? Mike und ich haben einander einfach gesucht und gefunden.", lachend stieg Aby in den Wagen von Lou. Lou tat es ihr gleich, ließ den Motor an und fädelte sich in den Verkehr ein.
Zoey stoppte ihren Wagen vor dem hellblauen Haus und kontrollierte noch einmal die Adresse. Sie war richtig. Es war eine fast zweistündige Fahrt von Huntington nach San Diego gewesen. Es war eine spontane Entscheidung gewesen.
Die Häuser standen dicht beieinander und sahen sehr modern aus. Ein kleiner Vorgarten mit den verschiedenen Blumenarten gab dem Anwesen einen schönen, netten, einladenden Eindruck. Mit klopfendem Herzen stieg Zoey aus und schloss ihren Wagen per Funkschlüssel ab. Sie nickte einem älteren Paar lächelnd zu, die sie von ihrer Veranda aus beobachteten.
Okay, Zoey, einfach die Hand heben und anklopfen. Sie wird schon eine nette Person sein..., hoffentlich, machte sich Zoey selber Mut und hob die Hand um zu klopfen, ließ sie jedoch wieder sinken. Sei nicht so feig, du warst schon in schlimmeren Situationen!
„Möchtest du zu Paula Turner?", fragte die ältere Dame und lächelte ihr sanft zu. Zoey wandte sich zu dem Ehepaar um und nickte. „Ähm... Ja."
„Ach Mädchen, sie ist noch nicht zu Hause.", erwiderte die Frau mit einer angenehmen sanften Stimme und wandte sich dann an ihren Mann. „Sag, Freddie, wann kommt Paula nach Hause?"
„Was?", fragte der Mann laut und seine Frau wiederholte die Frage ein wenig lauter, sodass Zoey sich zwingen musste, nicht die Hände an die Ohren zu legen. „Paula? Die ist noch nicht zu Hause, dass weißt du doch, Judy!"
„Ja, wann kommt sie nach Hause?", schrie sie noch lauter, sodass es nun auch die ganze Nachbarschaft gehört haben musste.
„Sie ist zu Hause? Wann ist sie denn gekommen?"
Genervt seufzte Judy und schüttelte den Kopf. „Hast du wieder dein Hörgerät nicht im Ohr?"
„Was habe ich im Ohr?", fragte er laut und sah seine Frau verwirrt an. Judy winkte ab, sodass sich Fred wieder seiner Zeitung widmete. Zoey konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen und Judy erwiderte es, wenn auch aus einem anderen Grund. „Fred können wir vergessen. Er ist einfach zu taub, wenn er sein Hörgerät nicht im Ohr hat! Manchmal rede ich Stunden mit ihm, bis ich bemerke, dass er mich gar nicht hört, was solls. Einfach zu taub, der alte Mann. Naja, Paula sollte eigentlich demnächst nach Hause kommen. Wenn du möchtest, kannst du bei uns warten?!"
„Ähm..."
„Das ist kein Problem, Mädchen, wir beißen dich schon nicht. Fred nimmt sowieso nichts außer seiner Zeitung wahr und ich kann mich wenigstens mit einer netten, hübschen, jungen Frau unterhalten.", unterbrach sie Zoey und klopfte neben sich auf die Holzbank.
„Äh... Danke, das ist sehr lieb von Ihnen.", bedankte sich Zoey artig und ließ sich neben der älteren Frau nieder. Diese schenkte ohne Zoey zu fragen einen Tee in eine freie Tasse und reichte sie ihr. „Das ist Früchtetee."
„Danke.", erwiderte Zoey und versuchte, nicht das Gesicht zu verziehen. Sie hasste Früchtetee. Mit einem Lächeln zwang sie sich einen Schluck von dem Tee zu machen, da Judy sie lächelnd beobachtete. „Lecker, der Tee ist wirklich gut."
„Nicht wahr? Den hat mir meine Schwester vorgeschlagen und seitdem sind mein Mann und ich süchtig. Ach, du erinnerst mich so an meine Enkelin. Wie heißt du denn, mein Kind?"
„Ähm... Zoey, Miss."
„Ach, so ein hübscher Name. Meine Enkelin ist jetzt zwölf Jahre alt und heißt Delia. Schade, dass meine Tochter keine weiteren Kinder möchte, dabei ist sie erst neunundzwanzig Jahre alt. Fred und ich hätten uns über mehr Enkelkinder gefreut, aber es sollte nicht so sein. Was solls, meine Tochter, Julie, geht eben voll und ganz nach meinen Mann und mir. Trink deinen Tee, Mädchen, sonst wird er noch kalt.", sprach Judy in einem mütterlichen Ton und lächelte Zoey an. Zoey nickte brav und machte wie ihr geheißen, sie nahm extra große Schlucke damit sie schneller das eklige Zeug hinunter hatte. Wenn das ihr Bruder wüsste, würde er in lautes Gelächter ausbrechen und sie eine Ewigkeit damit aufziehen. Oh ja, sie waren auch eben nur ganz normale Geschwister.
„Hast du Geschwister, Kind?", fragte Judy, als könnte sie Gedanken lesen.
„Ja, einen älteren Bruder. Er ist zweiundzwanzig Jahre alt, Miss.", antwortete Zoey lächelnd. Judy nickte wissend und lächelte. „Das ist gut, ich bin auch mit vielen Geschwistern aufgewachsen, insgesamt sind wir sechs. Dadurch wollte ich immer nur ein Kind haben, doch wenn ich könnte, würde ich das jetzt ändern. Ich bin die Zweitälteste. Mein Mann dagegen, ist ein Einzelkind."
„Aha!", kommentierte Zoey, da ihr nichts anders einfiel. Sie biss sich auf die Lippe und blickte sich suchend um, doch keine Person weit und breit.
„Hast du einen Freund?"
„Äh..., nein.", antwortete Zoey.
„Aber du kennst jemanden, den du sehr gerne magst, oder?"
„Ja.", sagte Zoey und grinste.
„Junge Liebe, wie schön. Als ich Fred kennen gelernt habe, war ich etwa in deinem Alter. Du bist doch sechzehn oder siebzehn, oder? Auf jeden Fall war es Liebe auf den ersten Blick und dieser Blödmann war zu feige um mich anzusprechen. Hätte ich nicht den ersten Schritt gemacht, wären wir wahrscheinlich heute noch nicht zusammen.", erzählte Judy lachend und schüttelte gedankenverloren den Kopf. „Ach, jetzt quatsche ich dich voll und langweile dich mit meinen Erzählungen. Ich bin so schlimm, tut mir leid. Ich kann mich einfach nie zurück halten, wenn ich einmal zu Reden anfange."
„Macht doch nichts, ich höre Ihnen gerne zu.", erwiderte Zoey. Judy lachte noch lauter und winkte mit der Hand ab. „Ach, rede doch kein Blödsinn. Ich kenne mich und meine Tochter hat es mir auch schon mindestens hundertmal gesagt. Ich rede einfach zu viel."
„Ähm..."
„Ah, sie mal wer da kommt.", sprach Judy dazwischen und winkte der Frau zu, die gerade den schmalen Weg hinauf kam. „Paula, sieh mal, du hast Besuch! Ist sie nicht ein hübsches Mädchen?", rief sie laut, sodass sogar Fred erschrak. 
Zoey sah in die Richtung und riss vor erstaunen die Augen auf. Die Frau sah überhaupt nicht aus wie eine Haushälterin oder Köchin. Sie hatte sich von Ethan's Erzählungen immer vorgestellt, dass Mrs. Turner schon fast Sechzig wäre, füllig und mit grauen Haaren. Doch diese Frau hatte mit ihren Vorstellungen nichts über ein.
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Vielen Dank für's lesen ❤️
2420 Wörter
Meinung ?🤗
Fortsetzung folgt ...😘

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