Kapitel 20 - „unkontrollierbare Gefühle"
Erstellt am: 09.12.2019
Ethan stand fassungslos vor seiner geschlossenen Tür, aus der Zoey gerade gerauscht war. Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen zusammen gekniffen, seine Lippen zu einem schmalen Strich gezogen und seine Hände zu Fäusten geballt. So sehr er versuchte seine Gefühle in den Griff zu bekommen, nichts destotrotz stieg seine Wut ins Unermessliche. Er schnaufte und schlug mit der Faust gegen die Wand, bis ein schönes Loch darin prangte. Seine Fingerknöchel waren rot und leicht geschwollen, trotzdem würde er gerne noch weiterhin in die Wand einschlagen.
Noch nie zuvor hatte es sich eine Frau getraut, geschweige denn nur daran gedacht, es zu versuchen. Er hatte schon viele Frauenherzen gebrochen und trotzdem war er mit den meisten jetzt befreundet, keine hatte bis heute versucht, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Zoey Cabot jedoch hatte es getan und war danach wütend aus seiner Wohnung gestürmt.
Ethans rechte Wange zeichnete noch immer ihre Handabdrücke ab und auch pochte es noch leicht, so dass seine Wut auf das Mädchen einfach nicht verrauchen wollte. Er atmete tief durch und überlegte fieberhaft, wie er sich ablenken konnte. Es wollte ihm einfach nichts einfallen und so machte er etwas, was er noch nie bei einer Frau getan hatte – er rannte ihr hinterher.
Ethan stieß die schwere Holztür auf und trat auf den Asphalt, während sein Blick auf dem weinroten GMC haftete. Zoey versuchte gerade ihren Wagen aus der engen Parklücke zu lenken, so dass es für Ethan eine Leichtigkeit war, den Wagen zu erreichen.
Er riss die Beifahrertür auf und machte einen Sprung hinein, so dass Zoey erschrocken auf die Bremse drückte und Ethan gegen das Armaturenbrett prallte. Fluchend richtete er sich auf und warf ihr einen wütenden Blick zu, der Zoey leicht zusammen zucken ließ.
„Was? Du bist doch wie ein Irrer in meinen Wagen gesprungen ... ich habe mich eben erschrocken.", zischte Zoey. „Überhaupt bin ich nicht gerade schnell gefahren, ich habe nur ausgeparkt."
Ethan schnaubte. „Du kannst auch gleich wieder einparken, wir beide haben noch eine Rechnung offen."
„Ach, haben wir das?"
„Ja.", brummte Ethan und rieb sich seine Stirn. Zoey beobachtete ihn und entdeckte die leicht gerötete Stelle auf seinen Fingerknöcheln. „Was ist passiert? Ich bin doch erst seit ein paar Minuten weg!", besorgt sah Zoey ihn an. „Was?", fragend sah er sie an, so dass sie genervt auf die gerötete Hand zeigte. „Ach, das ist nichts. Meine Wand war etwas zu Vorlaut gewesen, mehr nicht."
„Deine Wand?"
„Ja, ist das jetzt wichtig? Wenn ja, dann hätte ich mir etwas zu essen mitgenommen... ich hab nämlich Hunger.", fauchte Ethan und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Zoey schnaubte. „Ich hab dich nicht eingeladen, in mein Auto zu springen, okay?! Also fauch wieder deine Wand an und lass mich in Ruhe. Was willst du überhaupt von mir?"
„Eine Entschuldigung."
„Für was denn?", schrie Zoey auf, Ethan verzog schmerzlich sein Gesicht und rieb sich sein linkes Ohr.
„... für die Ohrfeige, Prinzessin?"
Zoey sah ihn belustigt an und schüttelte den Kopf. „Steig aus, Ethan, bis du eine Entschuldigung bekommst, wirst du alt und grau sein."
„Ach, werde ich das?"
„Ja.", brummte Zoey und sah seitlich aus dem Fenster, während sie die Arme vor ihrer Brust verschränkte. Sie stand mit ihrem Wagen mitten auf der Straße und bewegte sich keinen Zentimeter vom Platz. Es erstaunte sie immer wieder, wie wenig Verkehr es hier in Huntington North Ave gab.
„Ich hab Hunger, fahren wir zu McDonalds.", brummte Ethan und sah Zoeys Hinterkopf abwartend an. Diese sah ihn im nächsten Moment ungläubig an. „Du hast sie echt nicht mehr alle, du kannst aussteigen und mit deinem Mustang zu McDonalds fahren."
„Okay, dann komm.", erwiderte Ethan schulterzuckend und machte sich schon bereit zum Aussteigen.
Zoey kniff die Augen zusammen. „Was..."
„Na, du willst doch mit dem Mustang fahren oder habe ich dich etwa missverstanden?", unterbrach Ethan sie ruhig.
„Ja. Nein... was?! Du sollst mit deinem Wagen fahren und mich endlich in Ruhe lassen! Du hast mich aus deiner Wohnung geschmissen, nicht ich mich!", schnauzte sie.
„Prinzessin, ich möchte von dir eine Entschuldigung und solange ich diese nicht bekommen habe, weiche ich dir nicht mehr von der Seite."
„Du spinnst doch echt!", schrie sie ihn an und startete ihren Motor neu, der abgestorben war. Ethan grinste und lehnte sich wieder entspannt in den Sitz, während Zoey losfuhr. Mittlerweile kannte sie seinen Sturkopf und wusste, dass man ihn nicht so leicht von seiner Meinung abbringen konnte.
Ein paar Minuten später saßen sie an einem Tisch bei McDonalds, sowohl die Fahrt als jetzt auch die Mahlzeit verlief schweigend. Ethan war es recht, er hasste nichts mehr, als beim Essen eine Unterhaltung führen zu müssen. Während er Cheeseburger und Pommes in sich hinein stopfte, begnügte sich Zoey mit einer Cola und einem Salat, indem sie lustlos herumstocherte.
Sie seufzte und die verdrängte Erinnerung an den vorigen Kuss mit Ethan kam wieder hoch, in diesem einen Moment hätte sie alles mit Ethan getan – das wurde ihr mit einem Schlag bewusst. War sie in Wirklichkeit von ihm abhängig? Wollte sie ihm deswegen unbedingt helfen, damit sie in seiner Nähe sein konnte, obwohl sie ihn noch immer nicht richtig kannte?
Verwirrt von ihren Gedanken schüttelte Zoey den Kopf, was dachte sie denn da? Abhängig von Ethan, dass sie nicht lachte. Wenn dann müsste er ihr nach rennen und abhängig von ihr sein, obwohl hinterher gerannt war er ihr ja schon. Dieses Mal schmunzelte Zoey, während sie weiterhin ihren nicht angerührten Salat abstach.
„Worüber denkst du nach?", unterbrach Ethan ihre Gedanken, so dass sie von ihrem Essen aufsah und ihr leichtes Lächeln verschwand.
„Nichts, was dich angeht.", murmelte sie und stocherte weiter in ihrem Salat. Ethan schnaubte und nahm einen großen Schluck aus dem Becher, ohne Strohhalm versteht sich, und aß schweigend weiter. Das kam davon, wenn er einmal eine Unterhaltung führen wollte und genau das war der Grund, warum er es immer ließ - meistens bekam man sowieso keine Antwort.
Gesättigt von fast sieben Cheeseburgern und einer Portion Pommes, lehnte sich Ethan mit dem Becher in der Hand zurück und beobachtete Zoey weiterhin, so wie die ganze Zeit schon. Seit er sie regelrecht zu einer gemeinsamen Abendspeise gezwungen hatte, hatte sie mit ihm kein Wort gewechselt. Nur ihre Mimik zeigte hin und wieder, dass sie nicht aus Stein war. Nur zu gerne würde er wissen, was in ihrem kleinen hübschen Kopf vorging und auch, wann sie sich endlich für ihre unnötige Ohrfeige entschuldigen würde. Immerhin hatte er nicht die ganze Nacht Zeit, er musste auch noch ein wenig Geld verdienen, um seinen aktuellen Standard halten zu können.
Auch auf der Rückfahrt wechselten die beiden kein Wort miteinander, Zoey wollte nicht und Ethan sah keinen Grund eine Unterhaltung zu beginnen oder zu führen. Es dauerte keine fünfzehn Minuten bis Zoey vor dem Haus, in dem Ethan wohnte, hielt. Mittlerweile war es schon dunkel geworden und obwohl Zoey ihrem Vater eine kurze SMS geschickt hatte, hatte sie unzählige Anrufe von ihm in Abwesenheit – er machte sich sorgen.
„Okay, also dann sehen wir uns demnächst... irgendwann wieder.", durchbrach Zoey das Schweigen und sah Ethan an.
Er nickte und machte Anstalten auszusteigen, blieb jedoch weiterhin sitzen. „Es ist spät, am besten ich begleite dich nach Hause."
„Ich bin mit dem Auto unterwegs.", erwiderte Zoey belustig. Ethan ging nicht darauf ein und öffnete die Beifahrertür. „Sag mal, warum hast du mir eigentlich eine geklatscht?"
„Da fragst du noch? Denk nach, dann wüsstest du es!", schnaubte Zoey.
Ethan fuhr sich durch sein Haar. „Wenn ich es wüsste, würde ich dich nicht fragen, Prinzessin."
„Es hat mich verletzt, okay? Zuerst küsst du mich und dann schmeißt du mich kaltherzig aus deiner Wohnung.", erwiderte Zoey schnippisch, aber ehrlich. „Ich muss jetzt wirklich los, mein Dad ruft sonst noch die Polizei."
„Okay, dann..." Ethan beendete seinen Satz jedoch nicht mit Worten, sondern beugte sich zu ihr rüber und küsste sie. Noch bevor Zoey wusste wie ihr geschah, löste sich Ethan wieder von ihr. Er lehnte seine Stirn an ihre und schmunzelte, seine Augen waren noch immer geschlossen. „Du machst mich echt zu einem Softie, Prinzessin. Ach, bevor ich es vergesse... die Ohrfeige, es sei dir verziehen."
Zoey schnaubte und hätte ihm am liebsten noch eine geklatscht, wäre Ethan nicht schon lachend ausgestiegen.
Der Kuss war nicht geplant gewesen, es war einfach über ihn gekommen. Sie hatte ihn voll in der Hand und dass obwohl sie sich erst zum dritten oder vierten Mal getroffen hatten. Es kam ihm einfach so vor, als würde er Zoey schon ewig kennen, mit ihr konnte er sich am besten zanken, sie stieg immer wieder sofort darauf ein. Schmunzelnd betrat Ethan seine Wohnung und ließ sich erschöpft auf seine Couch fallen, als er in der nächsten Sekunde wieder ein Geräusch aus seinem Schlafzimmer wahrnahm.
„Sam, du verdammter Mistkerl, wie oft habe ich dir gesagt, dass das Schlafzimmer für dich tabu ist...", stürmte Ethan sein Zimmer und blieb abrupt stehen. „Was, zur Hölle, machst du hier?"
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Am nächsten Morgen saß Zoey am Esstisch und dachte – sowie die Nacht zuvor auch – über Ethans Worte nach. Sie machte ihn zu einem Softie, wie hatte er das denn gemeint? Bevor er komplett in die Dunkelheit verschwunden war, in seiner Gegend gab es fast keine Straßenlaternen, hatte er sich sogar wegen seiner kühlen Haltung entschuldigt.
Zoey musste sich eingestehen, dass sie Ethan überhaupt nicht kannte. Okay, so oft hatten sie sich ja noch nicht gesehen und eine Unterhaltung mit ihm endete meistens in einem kleinen Streit. Er hatte zu viele verschiedene Fassetten, die sie alle nicht einordnen konnte. Er war schroff, arrogant und trug viel Wut in sich, konnte aber auch nett und hilfsbereit sein - er passte nirgendwo hinein.
„Zoey, wir müssen reden.", unterbrach Dominic die Gedanken seiner Tochter und ließ sich ihr gegenüber auf einen Stuhl nieder. Er sah frisch ausgeruht und bereit für die Arbeit aus, man sah es ihm nicht an, dass er gestern mit seiner Tochter einen Streit und einen unruhigen Schlaf gehabt hatte.
Zoey zog die Nase kraus und hob langsam den Blick von ihrem Wurst-Käsebrot. „Dad, können wir uns nach der Schule unterhalten?"
„Gestern warst du zu müde und jetzt möchtest du dich nach der Schule unterhalten? Ich weiß nicht, wann ich heute nach Hause kommen werde, also reden wir jetzt.", erwiderte Dominic streng.
Zoey seufzte, sie hatte gestern Abend einen riesen Zoff mit ihrem Vater gehabt, und da es gestern schon spät gewesen war, wollte sie einfach nur ins Bett und hatte das Gespräch auf Heute verlegt. Sie konnte ihren Vater verstehen, er hatte damals eine Heidenangst gehabt, sie vielleicht nie wiederzusehen.
„Bitte?", mit einem Dackelblick sah Zoey ihren Vater an. Er seufzte und wollte ihr gerade widersprechen, als sein Handy läutete und er sich bei seiner Tochter entschuldigen musste. Dominic verschwand hinaus in die große Eingangshalle und nahm das Gespräch entgegen.
Zoey hingegen atmete erleichtert auf und aß schnell zu Ende, vielleicht würde sie heute Lucy wieder zu einem Gespräch bitten. Vielleicht konnte sie ein wenig mehr über Ethan erfahren und was die beiden Geschwister früher so zusammengeschweißt hatte. Irgendetwas musste es ja geben, womit sie Ethan beeindrucken konnte. Zufrieden mit sich und der Entwicklung, belegte sie sich ein neues Brot mit Wurst und Käse, während die bellende Anwaltsstimme ihres Vaters zu ihr drang.
Das Gespräch würde also doch erst nach der Schule oder erst morgen stattfinden, Zoey grinste erleichtert. Trotzdem war sie froh, endlich ein besseres Verhältnis zu ihrem Vater zu haben, und auch Zachary würde wieder nach Hause kommen, an diesem Samstag. Bald würde ihre Familie wieder vereint sein, und auf diesen Tag freute sich Zoey am meisten.
Sie war bei bester Laune und nicht einmal ihr Vater konnte ihr den Tag vermiesen. Doch hätte Zoey geahnt, dass genau in diesen Moment ein Plan gefasst wurde, der mit ihr zu tun hatte, wäre ihre Laune jetzt am Boden.
Vor dem Schulgebäude traf Zoey sich mit ihren Freundinnen, schwatzend und lachend betraten sie die Schule und stiegen das Treppenhaus hoch in den ersten Stock. Danach trennten sich, da Lou eine Klasse über ihnen war. Sie verabredeten sich noch für später vor dem Schulgebäude, da sie noch gemeinsam ins Starbucks gehen wollten.
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Vielen Dank für's lesen ❤️
2021 Wörter
Meinung ?🤗
Fortsetzung folgt ...😘
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