Kapitel 11 - „von der Vergangenheit eingeholt (1)"

Erstellt am: 17.08.2019

Ethan raste mit Hochgeschwindigkeit von dem blonden Mädchen davon und bevor er um die nächste Kurve bog, sah er im Rückspiegel, wie sie einem älteren Herren entgegen lief und ihm umarmte.  Müde fuhr er sich mit einer Hand über sein Gesicht. Er versuchte, seine aufsteigende brodelnde Wut unter Kontrolle zu bekommen, doch all ein Bemühen half nichts.
Bevor sich Ethan überhaupt bewusst wurde, wo er sich befand, hielt er vor dem großen Haus  einer reichen Familie. Ethan schaltete den Motor aus und blickte sich, in der – noch immer - schicken Gegend um. Es dauerte eine Weile, bis er Begriff, wo er sich aufhielt und wo er überhaupt angehalten hatte.
„Verdammt.", fluchte Ethan und schlug mit der flachen Hand auf sein Lenkrad. Jetzt war er doch glatt unbewusst zu seinem alten Zuhause gefahren. Er seufzte, stieg aus seinem Mustang aus und sah zu dem  großen weißen Haus, das eher einer Villa glich.
Seine Gedanken schweiften zurück in die Vergangenheit und verdrängte Bilder gewannen die Oberhand und wurden vor seinem inneren Auge wieder zur Gegenwart.

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Vor acht Jahren...

„Mum?", schüchtern und mit einem Stofftierhasen unter dem Arm trat Ethan in die Küche und blickte sich suchend um. Doch die einzige Person, die Ethan entdecken konnte, war die Haushälterin Mrs. Turner. Die ältere Dame lächelte ihm freundlich zu und ging extra für ihn in die Hocke. „Deine Mutter ist gerade mit deiner Schwester unterwegs, hat dir das denn niemand gesagt?"
Ethan schüttelte den Kopf und entdeckte die frischgebackenen Kekse auf der Küchentheke. Mrs. Turner folgte seinem Blick und ihr Lächeln wurde breiter. „Möchtest du mir beim Backen helfen und danach kümmern wir uns um deine Geburtstagstore, für morgen, den 3. April."
„Ja.", sagte Ethan und zeigte seine strahlend weißen Zähne, als er seine Lippen zu einem Lächeln verzog. Mrs. Turner arbeitete nun seit zehn Jahren bei Mrs. und Mr. Gordon und erledigte alle anfallenden Erledigungen für den Haushalt. Mrs. Turner beobachtete Ethan, wie er mit voller Freude den Teig knetete, danach ausrollte und dann die Keksformen in den Teig drückte. Er blühte richtig auf und erzählte der Haushälterin von seinem Vormittag in der Schule und Mrs. Turner hörte interessiert zu.
„Du hast eine Eins in Mathematik gemacht? Das ist ja super, ich bin ja so stolz auf dich, Ethan. Wollen wir jetzt deinen Geburtstagskuchen backen?"
„Oh ja, eine Schokoladentorte!", rief Ethan freudig und hüpfte aufgeregt in der Küche herum. Mrs. Turner lachte und richtete die Zutaten für seine Torte her. Dann hob sie den 1,40 cm großen Jungen wieder auf den Stuhl, damit er ihr bei der Zubereitung für die Torte helfen konnte.
Sowohl die Haushälterin, als auch Ethan waren ins Backen und ins Reden vertieft, so dass sie die Ankömmlinge nicht bemerkten.
„Ethan!", riss eine wütende Frauenstimme ihn aus seiner Tätigkeit. Erschrocken und mit großen Augen drehte er sich um. „Was soll das werden? Warum hilfst du Mrs. Turner beim Backen? Dass ist nicht deine Aufgabe!"
„Ich..."
„Halt deinen Mund und verschwinde sofort in dein Zimmer, ich komme dann später nach.", zischte Mrs. Gordon und funkelte ihren Adoptivsohn wütend an.
Nachdem Ethan eilig die Küche  verlassen hatte, wandte sich die Frau an ihre Haushälterin. „Was fällt Ihnen ein, dass Sie meinen Sohn ihre Arbeit verrichten lassen?"
Mrs. Turner wusch sich seelenruhig die Arme ab und drehte sich ohne eine einzige Gefühlsregung zu ihrer Chefin um. „Es tut mir Leid, Mrs. Gordon, doch der Junge sah so verloren aus und ich wollte ihn ein wenig aufheitern. Ethan hat mir sehr gerne und freiwillig beim Backen geholfen."
Mrs. Gordon war eins zweiundsiebzig groß, schlank, hatte braunes langes Haar und braune Augen. Beruflich war sie Immobilienmaklerin für die Schönen und Reichen. Sie war eine elegante, achtunddreißigjährige Frau und konnte keine eigenen Kinder bekommen. Aus diesem Grund hatten sie und  ihr Mann sich dazu entschieden, ein Adoptivkind aufzunehmen.
Als sie sich für die, damals sechsjährige Lucy entschieden, mussten sie jedoch auch ihren älteren Bruder bei sich aufnehmen, da die sechsjährige nicht ohne ihren Bruder zu ihnen ziehen wollte.
Die Immobilienmaklerin ignorierte Mrs. Turners Antwort und deutete entsetzt auf die Schokoladentorte. „Sehe ich gerade richtig? Eine Schokoladentorte, wer soll die denn Bitte essen?", fragte Mrs. Gordon entsetzt.
Mrs. Turner seufzte leise. „Ethan hat morgen seinen elften Geburtstag und wünscht sich eine Schokoladentorte."
„Bitte? Die können sie sofort wieder wegwerfen und die Kosten dafür ersetzen natürlich Sie, Mrs.Turner! Was glaubt dieser Bengel eigentlich!", schimpfte Mrs. Gordon und drehte sich auf den Absatz um, um mit ihrem Adoptivsohn zu reden.

Eigentlich wollte Ethan seinen elften Geburtstag mit seiner Adoptivfamilie oder mit Freunden feiern. Stattdessen saß er alleine in seinem Zimmer, im Dachgeschoss. Freunde hatte er keine. Seit er von seiner alten Schule auf die Privatschule wechseln musste, war er ein Außenseiter.
Vom Kinderzimmer seiner Schwester, was unter seinem eigenen Zimmer lag, drang Gelächter zu ihm herauf und verstummte dann. Wütend verzog Ethan sein Gesicht und versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken, als im nächsten Moment die Tür aufgerissen wurde. Schnell wischte sich Ethan die Tränen weg und drehte sich zu der Person, die in seinem Zimmer stand.
„Bruder, alles Gute zum Geburtstag. Dass haben Penny und ich für dich gemalt.", strahlte ihm seine neunjährige Schwester entgegen und reichte ihm ein Blatt Papier mit einer Zeichnung. Ethan zwang sich zu einem Lächeln und umarmte seine kleine Schwester. „Danke, Lucy und dir, Penny, natürlich auch."
„Schade, dass du nicht hinaus darfst.", murmelte Lucy und drückte ihrem älteren Bruder einen Kuss auf die Wange, umarmte ihn und verließ mit ihrer Freundin wieder quatschend sein Zimmer. Ethan setzte sich wieder an seinen Schreibtisch, nachdem er die Tür hinter seiner Schwester geschlossen hatte und zeichnete an seiner angefangen Zeichnung weiter.
An seinem elften Geburtstag saß er alleine in seinem Kinderzimmer und seine einzigen Gratulanten waren seine Schwester und die Haushälterin gewesen. Mrs. Turner war sogar eine Zeitlang bei ihm geblieben und hatte ihm ein Stück Schokoladentorte gebracht, ohne dem Wissen seiner Adoptivmutter.
Mrs. Turner begutachtete seine Zeichnungen und lobte ihn von tiefstem Herzen. Sie hatte den kleinen Jungen sofort in ihr Herz geschlossen, als Mr. und Mrs. Gordon mit den beiden Geschwistern nach Hause gekommen waren. Von Anfang an, wurde Ethan die kalte Schulter gezeigt und egal was er tat, er bekam jedes Mal Ärger und Zimmerarrest.

...zwei Jahr später...

„Ethan, was habe ich dir gesagt? Du sollst mich vor meine Freunden, Mum oder Mutter nennen und nicht Mrs. Gordon. Ist das denn so schwer zu verstehen?", zischte Mrs. Gordon dem dreizehnjährigen Jungen zu und gab ihm eine schallende Ohrfeige.  Die Schläge von seiner "Mutter" war er sein geraumer Zeit gewohnt, sie dachte, er würde es nicht mehr anders verstehen. „Ich habe es satt, dass ich dir immer wieder alles doppelt und dreifach sagen soll. Verschwinde aus meinen Augen!"
Ethan drehte sich - ohne ein weiteres Wort zu sagen - um und lief die Treppen in den ersten Stock hinauf und dann weiter zum Dachgeschoss. Mittlerweile hatte er es geschafft, sich sein Zimmer wohnlicher zu gestalten und war sogar recht zufrieden damit. Doch dafür hatte Ethan jetzt keine Augen, er warf sich aufs Bett und fing leise zu weinen an. Egal, was er machte, ob er folgte oder nicht – es passte seinen Adoptiveltern nicht.
Lucy war ihr Liebling und durfte sich alles mit ihren elf Jahren erlauben, was er mit diesem Alter nicht einmal ansprechen durfte. Sie hatte eine eigene Kreditkarte und ein riesen großes Zimmer mit allen Drum und Dran. Er besaß gerade einmal ein Bett, einen Schrank, einen Fernseher und eine Spielkonsole mit verschiedenen Spielen – mehr passte in sein Zimmer auch nicht hinein.
Seine mittlerweile elfjährige Schwester war früher in ihren Bruder vernarrt gewesen, doch jetzt dachte sie etwas Besseres als ihr älterer Bruder zu sein. Mrs. Gordon hatte es geschafft, ein Keil zwischen die Geschwistern zu schieben.
Lucy hatte es vor einem Jahr geschafft, dass die langjährige Haushälterin Mrs. Turner gefeuert und eine Neue eingestellt wurde. Seine Schwester war eifersüchtig gewesen, weil Mrs. Turner mehr Interesse an ihrem Bruder, als an ihr gezeigt hatte. Ihm wurden von ihr alle Wünsche erfüllt, manchmal sogar ohne das Wissen seinerAdoptiveltern. Mrs. Turner war seine einzige Verbündete und Vertraute gewesen, der Abschied von ihr war ihm schwer gefallen.

...ein Jahr später – der Plan...

Das ganze restliche Jahr bis zu seinem vierzehnten Geburtstag wurde Ethan von seinen Adoptiveltern erniedrigt. Egal, ob Besuch im Haus war oder nicht, seine „Eltern" zeigten mittlerweile auch der ganzen Welt, dass sie von ihrem Adopivsohn nichts hielten.
Seine Noten sanken in den Keller. Er musste sogar die Privatschule verlassen und wieder auf eine staatliche Schule gehen, doch anstatt in die Schule zu gehen, schwänzte er lieber.
Ethan wusste, er würde so oder so zu Hause Ärger bekommen und mittlerweile waren ihm die ganzen Ohrfeigen und Schläge seiner „Eltern" egal.
Er hatte einen Plan gefasst und wollte den sobald wie möglich ausführen – es fehlte ihm nur mehr das Geld, das er sich noch besorgen musste.

~~~~~

„Ethan?", riss ihm eine weibliche Stimme aus seinen Gedanken. Er hatte die Stimme sofort erkannt und wusste auch, zu wem sie gehörte. Er verfluchte sich innerlich, überhaupt stehen und ausgestiegen zu sein. Langsam drehte er seinen Kopf nach rechts und blickte in zwei schokobraune Augen. Sein Gegenüber war fassungslos. „Oh mein Gott, du bist es wirklich!"
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Vielen Dank für's lesen ❤️
1537 Wörter
Meinung ?🤗
Fortsetzung folgt ...😘
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Hey Leute ich hoffe es geht euch gut und ihr habt auch so gute Laune wie ich 😍🔥

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