It's not over till it's all been said
» I took the supermarket flowers from the windowsill,
Threw the day old tea from the cup. «
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╔ Louis╚
Ironischerweise ist der 01. April, mein erstes Mal bei einem Onkologen. Während mein Sohn friedlich in seiner Schale schläft und an seinem Daumen lutscht, eine Eigenschaft, die er anscheinend von mir hat, lächelt meine Mutter selig auf den kleinen Sonnenschein hinab.
Friedlich lag sie in ihrem Bett und schlief, als ich am frühen Morgen von Danielle hier abgesetzt wurde. Jetzt sitzt sie da, lächelt ebenso friedlich vor sich hin und beobachtet ihren Enkel, als müsse sie jeden Millimeter Freddies analysieren und in sich aufsaugen, um bloß nichts zu vergessen.
Ich hingegen wackle unruhig mit meinem Bein auf und ab und überlege, ob ich mir nicht doch den siebten Kaffee holen gehen sollte. Besser wäre es.
Noch bevor ich wirklich aufstehen kann, erhebt Mum ihre zitternde Stimme. Sie räuspert sich, bevor sie trotz ihrer äußerlichen Schwäche, mit bedrohlichem Unterton spricht: „Wenn du dir noch eine Tasse Kaffee holst, erwürge ich dich mit meinem Infusionsschlauch. Deine Nervosität ist nicht zum Aushalten, Boo." Ich weiß genau, dass sie diesen Spitznamen nur benutzt, weil sie genau weiß, wie sehr es mich nervt. Mit fünf Jahren, war es süß. Mit zehn Jahren anstrengend. Mit fünfzehn einfach peinlich. Mit zwanzig konnte ich damit leben, denn ab diesem Alter sah ich sie weniger. »Boo Bear« erinnert mich immer an zuhause. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es anstrengend ist. Nun, mit fünfundzwanzig bin ich Vater und muss mich auch so benehmen. Wie soll ich das Kind in mir unterdrücken, wenn meine Mutter – oder generell meine Familie – mich daran erinnert, dass es da ist, immer da sein wird?
„Erzähle mir lieber von deinen Texten. Oder was die Jungs so machen, zeig mir Urlaubsbilder. Bitte." Sie will Ablenkung. Natürlich. Wer würde das nicht wollen?
Aber ich kann das nicht. Ich kann die Tatsache nicht ignorieren, dass sie schwach ist, dass ich nicht sofort gemerkt habe, dass es ihr nicht gut geht. Ich kann und will mir nicht verzeihen, dass ich so wenig zu Hause war, dass ich die Vorzeichen nicht erkannt habe, als ich es war. Wenn ich mich von Danielle nicht hätte bereden lassen, wären wir nicht in den Urlaub geflogen. Ich wäre zuhause geblieben, hätte mit Briana geskypt und Freddies erstes »Dadaa« vielleicht nicht verpasst. Näher war er bisher nicht an »Dad« heran gekommen. Wie auch. Briana ist vierundzwanzig Stunden, sieben Tage die Woche und dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr bei ihm und für ihn da. Ich nicht.
„Ich hab noch keine zündende Idee für einen Song gehabt."
Lüge. Ich hatte eine Idee, die mir seit vier Wochen nicht mehr aus dem Kopf ging. Ich will bloß den Kontext und vor allem eine gewisse Zeile nicht wahrhaben. Also verdränge ich es und lüge meiner Mutter ins Gesicht. „Was die Jungs so machen, kann ich dir nicht sagen. Ich weiß nur, dass Niall von Golfplatz zu Golfplatz hetzt. Harry wird sicher irgendwann mit dem Film fertig sein und Liam holt sich Oma Sex"- „Louis!" protestiert Mum entsetzt.
Aber sie lacht. Zwar beginnt sie kurz zu husten, doch sie lacht. Und das ist alles was zählt.
„Ja was? Als Liam das erste Mal vor Cheryl stand, war er 14. Hach, da gibt's so ein herrliches Bild. Sie schaut völlig verstört und er lächelt, wie so ein Depp. Irgendwas mit ‚Tja ich hätte nicht gedacht, dass ich mal mit dem bumse' oder so steht drüber. Warte, ich suche es mal."
Und so schafft Mum es doch, dass ich sie ablenke. Ich suchte die Bilder raus, lustige aber auch ein paar fiese Memes, die Sophias Fans erstellt haben mussten.
„Köstlich", lacht Mum immer wieder und scheint sich wirklich zu amüsieren. Auch mir zaubert es ein Lächeln auf die Lippen und ich vergesse tatsächlich für einen Moment, warum ich überhaupt hier bin.
Das Klopfen an der Tür weckt aber nicht nur Freddie, der sich sofort in meine Arme quengelt. Es weckt auch mein Bewusstsein. Ein Mann, er dürfte nicht viel älter als meine Mutter sein, tritt ein und schleppt ein graues Klemmbrett mit in das weiße, nichtssagende Krankenzimmer.
Er stellt sich als Doktor Beaver vor und versuchte freundlich und aufmunternd zu lächeln, während ich mir vornehme, ihn nicht zu verurteilen, ihm nichts Böses an den Kopf zu werfen. Er kann schließlich nichts dafür, was er meiner Mutter unterbreitet.
Doch ich würde ihm das Leben zur Hölle machen, wenn er nicht alles dafür tun würde, dass meine Mutter zu den wenigen fünf Prozent gehörte, die diese Scheiße überlebten.
Wenigstens jetzt wollte ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen.
Bitte...
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