[45] Satoru POV

Ich drehte mich herum und ... fasste auf eine leere Bettseite.

Ich ließ die Augen geschlossen und brauchte einen Augenblick.

Y/N war nicht hier.

Mein Herz schlug mit einem Mal schneller und stolperte mehrmals. Ich ließ meine Sinne auf Wanderschaft gehen und hoffte, ja hoffte so, so sehr, dass ich sie einen Raum weiter spüren würde. Oder irgendwo sonst in der Akademie. Aber sie war nicht hier. Nicht bei mir. Nicht mehr.

Meine Lider öffneten sich und ich setzte mich auf den Rand der Matratze. Meine Beine auf den Boden gestellt, stützte ich mich auf meine Ellenbogen – den Kopf gesenkt.

Ich musste nicht nachsehen, ob der Finger weg war. Dennoch hob ich meine Hand und betastete die Hose, in der ich neben Y/N eingeschlafen war.

Weg.

Leer.

Verrat.

Ich biss die Zähne zusammen, als mein Herz für mehrer Schläge seinen Dienst einfach einstellte. Ich spürte, wie es riss. Fühlte, die Teile auf dem Boden aufschlagen und sah wie sie zersplittern.
Ich liebte sie.

Ich LIEBTE sie und dennoch hatte mich erneut eine der wichtigsten Personen in meinem Leben verraten.

Y/N hatte Sukuna den Finger gebracht, so, wie Geto es gestern noch vorhergesagt hatte. Und ich? Ich hatte es nicht glauben wollen. Ich hatte es gewusst und doch hatte ich mich geweigert, mir selbst zu glauben. Weil ich sie so sehr liebte.

Verrat.

Schmerz.

Qual.

Ich atmete schwer, rieb mir das Gesicht und dann die Brust, in der jetzt eine offene Wunde klaffte, von der ich nicht wusste, wie ich sie schließen sollte.

Es. Tat. Weh. So verdammt weh.

Zittrig versuchte ich, zu ruhiger atmen und mir auszumalen, mir einzureden, dass es nichts ändern würde. Aber das war eine Lüge. Denn ihr Verrat war brutal und könnte uns alle das Leben kosten.

Ob ihr das klar war?

Ja, es musste ihr klar sein.

»Ich habe es dir so oft erklärt«, flüsterte ich, als ob Y/N es hören könnte und noch hinter mir läge. »Hat er den Finger, bin nicht nur ich in Gefahr, sondern alle.« Ich vergrub die Finger in meinen Haaren und zog verzweifelt daran.

Ich war so verdammt dumm. So unendlich dumm!

Minutenlang saß ich da und starrte den Teppich vor dem Bett an. Ich blinzelte so lange nicht, bis meine Augen trocken wurden, und verwünschte den Tag, an dem sie hier angekommen war.

Nein. Nein, den verdammten Tag, an dem ich beschlossen hatte, alles was ich wusste zu verdrängen und mein Bauchgefühl über mein Herz zu stellen.

Meine Instinkte hatten mich nie verraten, warum hatte ich bei ihr zugelassen, dass ich es unterdrückte? Warum hatte ich alle Leben aufs Spiel gesetzt? Für sie? Ich wünschte mir den Tag zurück, an dem ich eins und eins zusammengezählt hatte und ...

Ich hätte sie wegsperren müssen.

Ich hätte ...

Es tat so weh.

Mein Herz.

Verrat.

Ich liebte sie und sie ...

Ich stand ruckartig auf. NEIN! Ich durfte jetzt nicht in mir zusammenfallen. Ich musste stark sein, musste mich jetzt zusammenreißen, musste ... Ich musste gewinnen.

Und wenn Y/N wirklich für Sukuna gearbeitet hat, dann ... würde ich sie töten. Denn wenn sie ihm den Finger gebracht hatte, dann würde sie ihre Technik für ihn einsetzen – um mich zu schwächen oder ihn zu stärken. So oder so, unsere Chancen sanken auf ein Minimum.

Ich eilte zum Schrank und nahm mir mit zitternden Händen ein Hemd. Ich schlüpfte hinein, kontrollierte meine Emotionen mit mehreren Atemzügen und ... sah auf dem Boden einen Briefumschlag.

Ich erstarrte, als ich meinen Namen darauf sah und ging langsam darauf zu. Meine Hand senkte sich von alleine und ich nahm das Papier aus dem Umschlag.

Ich las.

Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.
Es schmerzt so, diesen Brief zu schreiben.
Ich weiß, dass du mich ab jetzt hassen wirst.
Egal wie oft du mir gesagt hast, dass es schwer sein würde, mich zu hassen. Selbst als du mir an Neujahr versprochen hast, dass du mich niemals hassen wirst, egal was passiert – dachte ich jedes Mal, dass du dich nicht daran halten wirst. Dieser Gedanke schmerzte sehr.
Ich liebe dich so sehr. So unglaublich sehr.
Und dennoch musste ich diese Entscheidung treffen. Ich will nicht, dass du mir verzeihst. Ich habe deine Vergebung nicht verdient. Trotzdem wollte ich mich von ganzen Herzen für den Tag bedanken, an dem du mich bei dir im Team aufgenommen hast. Für den Tag, an dem du dich für den Tod meiner Mutter entschuldigt hast. Für den Tag, an dem du mir deine Liebe gestanden hast. Für den Tag, an dem du mir zugehört hast. Für den Tag, an dem du mir Sicherheit schenktest und für den Tag, an den du mir trotz allem wieder vertraut hast.
Ich bin für diese ganzen Momente unglaublich dankbar.
Ich habe jeden Moment mit ganzen Herzen genossen. Es war eine der schönsten Zeiten in meinem Leben. Deswegen schmerzt es mich, um so mehr, das tun zu müssen.
Ich wollte zu dir stehen.
Ich hatte wirklich entschieden, auf deiner Seite zu stehen. Aber ich hatte keine Wahl. Wenn ich dir nur ein Wort gesagt hätte, dann wären Megumi und Nobara sofort tot.
Dieser Gedanke zerfraß mich. Quälte mich.
Wenn du Sukuna besiegst, dann bitte töte auch mich.
Ich habe nach all dem nicht mehr verdient weiterzuleben. Und der Gedanke, durch deine Hand zu sterben. Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen.
Ich liebe dich über alles.

Das Blatt in meiner Hand zitterte und ich ließ es sinken. Dann trat ich hinaus und lief in Yagas Büro.

***

»Satoru, was verschafft mir die Ehre an so einem frühen Morgen? Und du brauchst dich gar nicht rausreden, ich habe dich gestern mit Y/N gesehen. Auch wenn Utahime versucht hat, mir etwas anderes einzureden.« Er seufzte und mein Herz brach ein weiteres bisschen.

Keine Spiele, keine Ausreden, keine Zeitverschwendung. Ich schmiss ihm den Brief von Y/N hin.

»Sukuna hat den Finger. Y/N hat ihn ihm gegeben.«

Er nahm seine Brille ab und starrte auf den Brief. »WAS?!«, schäumte er auf und überflog die Zeilen. »Wie konnte das passieren!?«

Yaga stand auf und schlug mit beiden Händen auf den Schreibtisch.

»Spielt keine Rolle«, sagte ich und konnte nicht verhindern, dass ich müde klang. Gebrochen.

Doch ich räusperte mich. »Es ist meine Schuld. Aber auch das ist jetzt nicht mehr zu ändern, Masamichi Yaga. Sensei, wir müssen planen, wie es jetzt weiter geht. ICH muss ... mir etwas überlegen.«

»Ich verstehe«, begann er, ruhig ging er um meinen Schreibtisch herum und legte eine Hand auf meine Schulter. »Du liebst sie anscheinend sehr. Sie ist zwar eine Verräterin, dennoch kann man deutlich herauslesen, dass sie genau dasselbe fühlt.« Er tätschelte mich und nahm mich dann in den Arm. »Du bist zwar der Stärkst, aber trotzdem ein Mensch. Wir finden eine Lösung, Satoru.«

Ich biss die Zähne zusammen, schob ihn weg und trat zurück. »Nein, alter Mann. Sie ... liebt mich nicht. Täte sie es, wäre der Finger noch hier. Und sie auch.« Ich wusste, dass er die Ernsthaftigkeit in meinen Augen las, die ich ausnahmsweise nicht bedeckte. »Und selbst wenn ... Ich sage es noch mal: Es spielt keine Rolle. Nicht für mich. Nicht mehr.« Ich schluckte dennoch schwer, als ich erklärte: »Steht mir Zenin Y/N während des Kampfes im Weg, werde ich sie töten. Ich habe es bei Suguru getan, und ich werde auch hier nicht zögern.«

Nicht mehr.

Nicht für sie.

Verrat.

Ich blickte Yaga entgegen. »Lass Megumi und Nobara kommen. Jetzt. Wir werden den Kampf vorziehen.«

»Wie du meinst. Die Zenin stehen niemanden mehr im Weg seitdem Angriff, also wirst du wohl keine Probleme bekommen, wenn du sie ausschaltest«, erklärte er ruhig und ich versuchte, nicht zusammenzuzucken.

Yaga ging zum Schreibtisch zurück und drückte auf dem Telefon ein Knopf. Seine Sekretärin ertönte per Lautsprecher und er forderte: »Lass Megumi Fushiguro und Nobara Kugisaki kommen.«

»Ja, Herr Yaga«

Es dauerte nicht lange, da klopfte es an der Tür.
Megumi trat als Erstes ein, doch Nobara schubste ihn aus dem Weg.

»Wo verdammt noch mal ist Y/N?! Und was hat das hier-«, sie streckte den Arm aus und zeigte auf den Zettel, »bitte zu bedeuten!! Hat sie uns wirklich verraten! Und war sie wirklich eine Sklavin von Sukuna!?«

Ich nickte und als ich auch den Brief in Megumis Hand sah, musste ich einmal tief einatmen.

»Darf ich?«, fragte ich sie beide und hob die Hände hin, während ich bejahte. »Ja, Y/N ist weg. Sie hat mi-, uns verraten und den Finger zu Sukuna gebracht.«

Megumi nickte nur, als wäre er kaum überrascht. »Wir verlegen den Kampf also vor?«, wollte er wissen und es sollte mich nicht wundern, dass er schon weiter dachte und für sich alles abgehakt hatte.

Wieder stimmte ich zu und als die Briefe in meiner Hand lagen, fühlte es sich an, als würden sie Tonnen wiegen.

Ich faltete erst Fushiguro auf, und dann Nobaras. 

Hallo Megumi,
ich möchte mich für unseren letzten Streit entschuldigen. Ich weiß, du hast die Beziehung zwischen mir und Satoru nicht vollständig unterstützt. Aber ich möchte dich darum bitten, gerade jetzt für Satoru da zu sein. Allein der Gedanke, dass Satoru jetzt leiden muss, schmerzt. Ich liebe ihn wirklich über alles, aber auch du und Nobara seid mir so sehr ans Herz gewachsen, dass ich keine Wahl hatte. Wenn ich diese Entscheidung nicht getroffen hätte, wenn ich mich gegen Sukuna gestellt hätte, dann hätte er euch ohne Gnade vor meinen Augen getötet. Es tut mir unglaublich leid. Verzeih mir nicht. Hasse mich. Aber bitte sei für Satoru da.
Ich bin mir sicher, du wirst das gut machen. Du bist nämlich ein großartiger Mensch und ich habe die Zeit mit dir und Nobara sehr genossen. Durch euch konnte ich wieder ein normales Mädchen sein.
Deswegen danke ich dir für alles, was du für mich getan hast.

Liebe Nobara,
ich hoffe, du kannst mir verzeihen, dass wir es doch nicht mehr geschafft haben, gemeinsam Shoppen zu gehen. Ich schreibe dir diesen Brief, weil ich mich verabschieden möchte. Aber vorher würde ich dir gerne etwas über meine Freundin Aya Kamo erzählen. Du weißt es noch nicht, aber ich war und bin immer noch eine Sklavin von Sukuna. Ich war bei euch, um den letzten Finger für ihn zu besorgen. Aber ich beginne von Anfang an. Vor über einem Jahr wurde ich entführt, nachdem meine Mutter vor meinen Augen von Jujuzisten umgebracht wurde. Wegen meiner speziellen Fluchtechnik wurde ich gejagt. Doch bevor mich die Zenin mich in die Finger bekamen, fing mich Sukuna ein. Danach habe ich vieles Schlimmes gemacht und erleben müssen.
Aya war zu der Zeit ebenfalls eine Sklavin und meine einzige Freundin. Sie war wie eine große Schwester für mich. Doch auch sie wurde letzten Endes vor meinen Augen von Sukuna umgebracht.
Ihr Verlust hinterließ ein großes Loch in meinem Herzen. Doch du hast dieses Loch wieder gefühlt und dafür bin ich dir unglaublich dankbar. Und das ist auch der Grund, wieso ich diese Entscheidung treffen musste. Um dich und Megumi zu retten, musste ich das tun. Hätte ich mich gegen Sukuna gestellt, dann hätte er dich und Megumi sofort....
Es tut mir so leid.
Ich verdiene deine Vergebung nicht.
Aber ich will, dass du weißt: Das du zu den mir wichtigsten Menschen gehörst.

Ich gab ihnen die Briefe zurück und rieb mir durchs Haar.

Megumi beobachtete mich und sagte irgendwann: »Sie schreibt, dass sie uns retten wollte. Nobara und mich.«

Er klang so sachlich, als wäre das nicht vollkommen egal, denn ...

Wut sammelte sich in meinem Magen. »Sie hätte mir vertrauen sollen«, flüsterte ich kaum hörbar, sodass Fushiguro nachfragen musste, was ich sagte. Ich wirbelte herum und ließ ihren Brief an mich mit einem Schnippen meiner Macht zu Staub zerfallen. »Sie hätte mir vertrauen müssen! Ich hätte niemals zugelassen, dass er euch anfasst! Niemals!«, schrie ich jetzt und wusste selbst, wie wütend und enttäuscht ich klang.

»Wenn sie mit mir geredet hätte, dann hätte ich eine verdammte Lösung gefunden! Und wenn ich euch drei hätte in die verdammten Katakomben sperren müssen, bis der Kampf vorbei ist! SIE HÄTTE MIR VERTRAUEN MÜSSEN!«
Meine Fluchtechnik brandete auf und alles in dem Raum bekam Risse und zersprang oder flatterte zu Boden.

»Normalerweise würde ich sagen, dass du dich beruhigen sollst. Aber ich bin derselben Meinung. Sie hätte uns Vertrauen sollen.« Er atmete laut aus. »Anscheinend haben die Monate bei uns,« er sah mich intensiv an, »nicht ausgereicht, um sie von den Fängen als Sklavin zu befreien.«

Nobara sah zu Boden. »Ich bin wütend«, begann sie und ballte die Hände zu Fäusten. »Aber gleichzeitig auch unsagbar traurig. Wie viel Angst muss sie gehabt haben? Sie hat in meinem Brief von einer Aya gesprochen. Aya Kamo.« Ihre geballte Hand legte sich auf ihren Brustkorb. »Sie sah mich als Freundin. Ich bin wütend ja, aber ... Sensei!« Kugisaki sah mir mit ernster Miene entgegen. »Ich will Y/N zu Rede stellen. Beim Kampf! Bevor sie uns nicht direkt in die Augen sagt, dass sie auf Sukunas Seite steht, glaube ich gar nichts. Ich will, das sie mir das ins Gesicht sagt.«

»Es spielt keine Rolle mehr«, wiederholte ich nur. Ich schnaufte schwer, konzentrierte mich aber wieder und atmete tief aus. »Morgen. Wir werden den Kampf auf morgen vorziehen. Je wenige Zeit Sukuna hat, desto mehr Chancen habe ich.« Ich sah Megumi und Nobara an. »Ihr werdet, jetzt da Y/N der Feind ist, an meiner Seite sein müssen. Es ist mir nicht recht, aber mit dir, Megumi, als Karotte vor seiner Nase, wird Sukuna eventuell etwas seiner Konzentration einbüßen.«

Ich hasste das. Hasste, dass ich sie so in Gefahr bringen musste. Dennoch sah ich zu Yaga. »Ich will jeden Jujutzisten im Umkreis von vier Kilometern um das Kinderheim wissen. Utahime, Shoko, Aoi, Mai, Toge ... sie alle. Sukuna wird wissen, dass wir früher angreifen und seine Flüche rund um das Areal wüten lassen. Sie sollen jeden Menschen retten, den es zu retten gibt.« Ich lief Richtung Tür und bevor ich sie öffnete und raus ging, erklärte ich: »Ich werde Yuta anrufen und ihn persönlich herholen. Er und der Bann sind der Schlüssel in diesem Spiel und ...«

Und ich brauchte Ruhe.

Nur für einen kleinen Moment.

Ich musste nachdenken, meine Liebe für sie so tief vergraben, dass ich morgen nur Verachtung empfinden würde. Denn wenn ich morgen auch nur eine Sekunde zögern würde, starben sie alle. Meinetwegen. Wegen der Gefühle für sie, die mich haben blind werden lassen.

Ich verließ den Raum und sah nicht zurück.
Es war Zeit, meinem Wahnsinn Platz zu machen.

Denn ...

»Im Himmel und auf Erden, bin einzig ich erhaben.«

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