Shooting star (memory chapter)

Montag. 22 Uhr. Der schrille, alte Wecker riss Yoongi gierig aus dessen Schlaf hinaus.
Riss ihn aus dessen eigenen, heilen Welt.

Denn selbst in seinen Träumen sah er sie.
Immer wieder träumte Yoongi von ihr. Von ihrem lachen. Von ihrem damals so unbeschwerten lachen. Hörte es immer und immer wieder.
Erinnerte sich selbst in seinen Träumen daran, wieso er das hier alles machte.

Erinnerte sich daran, was er möchte.

Wofür er kämpft.

Ohne das auch ein stöhnen, oder gar ein knurren Yoongi's Mund verließ, setzte er sich auf seiner durchgelegenen Matratze auf und griff nach dem schwarzen Hoodie, welchen er vor paar Stunden noch vor sein Bett warf.

Niemals beschwerte er sich in irgendeiner Art. Wie könnte er auch?
Er wusste, wofür- für wem er das tat. Niemals könnte er sich beschweren.

In seinen, es liegt nur in seinen Händen. Er hat ein Ziel vor Augen. Niemand konnte was für diese Situation. Bei wem sollte er sich beschweren? Worüber? Wem sollte er auch schon die Schuld geben? Gott?
Er sollte sich nicht darüber beschweren, sondern das tun, wozu er fähig ist.

Und sich auch nur ansatzweise zu beschweren, würde ihn sowieso nur aufhalten.

Und das darf auf keinen Fall passieren. Er darf keine Zeit verlieren.

Nachdem der Jugendliche also seinen großen Pullover über seine weiße, knöchrige Haut fallen gelassen hatte, schlüpfte er mit seinen mageren Oberschenkeln in die schwarze ausgetragene Jeans Hose hinein. Nur noch schnell in die dreckigen Schuhe hineinkommen und in die ausgetragene Jacke- einen letzten Blick vorsichtig ins Wohnzimmer werfen.

Nachdem Yoongi sich vergewisserte, dass er tief schlief, zog er, wie am jeden Tag, die lobrige Holztür hinter seinem Rücken zu und trat, wie vor ein paar Stunden, der kühlen Nachtluft tapfer gegenüber.

Wie zu erwarten, machte sie sich ohne zu zögern und ohne jegliche Hemmungen zu verspüren an ihm heran.

An seinen unschuldigen Körper heran.

Küsste sich auf Yoongi's jungen Gesicht über dessen Stirn bis zu seinen zierlichen Wangen hinunter. Hinterließ auf ihrem Weg stolze rote Abdrücke von ihren kalten Lippen. Biss sich immer wieder durch seine zu dünne, schutzlose Kleidung hindurch um einen stechenden, unangenehmen Schauer durch seinen zerbrechlichen Körper zu jagen.

Der Junge nahm diese Art von Schmerz jedoch gar nicht mehr wahr. Denn diese Art von Schmerz hat für ihn schon lange keine Priorität mehr. War ihm egal.

Soll er doch frieren, soll seine Haut doch stechen, sollen seine Finger doch blau anlaufen, seine Lippen ins weiße getränkt werden.
Soll die Kälte doch über ihn herfallen.

Nur ein Preis.

Es war doch nur ein Preis, welchen er zahlen musste. Einer von vielen kleinen Preisen.

Ein Preis, welcher ihm näher zu seinem Ziel brachte.

Yoongi's Schritte erkämpften sich in der Zwischenzeit, wie in jeder Nacht, die Aufmerksamkeit mit ihrem lauten Klang durch sein kleines Viertel.
Durch sein kleines, jämmerliches Viertel.

Durch sein Viertel, wenn man darüber nachdachte, damals für ihn noch nicht so jämmerlich erschien.

Damals war es ein Viertel , wo Träume wahr werden würden, wenn man doch nur lang genug aufbleiben würde um eine Sternschnuppe zu erwischen.

Wenn man doch nur lange und gründlich genug suchen würde, um ein vierblättriges Kleeblatt zu finden.

Wie lange haben er und sein bester Freund abends, bis in die Nacht, auf dem Dach mit Snacks gesessen. Wie lange haben sie dort jeden einzelnen Stern gezählt. Die Augen festzusammen gedrückt und mussten sich danach zusammenreißen, um den eigenen Wunsch nicht zu verraten.

Denn sonst würde er sich ja nicht erfüllen, oder?

Wie viele Schritte sind sie bereits über die grüne Wiese gelaufen. Wie oft haben sie sich gebückt- teilweise gekrabbelt, um so ein unbedeutendes, ja doch bedeutsames Blatt zu finden.

Wie unbedeutend es doch war, wusste er jetzt.

Das Träume und Wünsche nicht durch Gas und Grünzeug in Erfüllung gehen. Das man etwas dafür tun muss. Hart arbeiten muss. Preise zahlen muss.

Die Kälte in kauf nehmen muss. Wenig schlaf. Keinen Abschluss. Keine Freunde.

Keinen besten Freund.

Yoongi schaffte beim vorbei gehen jedoch seinen Blick nicht abzuwenden. Nicht abzuwenden von dem einen Haus, wo er stundenlang auf dem Dach saß, stundenlang die wunderschönen Sterne zählte.

Auch wenn er schon längst den glauben an die Sterne verloren hatte, tat dies sein bester Freund nicht.

Sein bester Freund saß wie immer, wie an diesem Abend, auf dem Dach und zählte ohne ihm die Sterne. Sprach ohne ihm seinen Wunsch aus.

Den Wunsch, ihn wieder zu sehen. Nicht von ihm weggestoßen zu werden. Dass er es zulassen würde für ihn da zu sein. So wie damals. So wie immer.

Auch wenn er wusste, dass die Lichter seine Wünsche nicht von alleine erfüllen werden, bekam er dadurch etwas anderes.

Etwas wo von er im Begriff war es zu verlieren. Zu verlieren, als dessen Annäherungsversuche immer und immer wieder ins nichts schossen.

Etwas, wo er fand, dass das ihm die Sterne- die Kleeblätter schuldig sind- Hoffnung.

Sie schenkten ihm das Gefühl von Hoffnung zurück.

Hoffnung, welche ihm gnadenlos durch dessen Fingerspitzen glitt, wenn Yoongi nicht mehr zu Schule kam. Wenn er nicht mehr auf seine Nachrichten reagierte. Auf seine Besuche.

Es war Hoffnung.

Hoffnung suchte Yoongis besten Freund endlich heim, wenn er abends auf dem Dach saß und er damit jede Möglichkeit nachging, um sich mit Yoongi erneut verbunden zu fühlen.

So wie damals. So wie immer.

Lange konnte Yoongi jedoch das Haus nicht beobachten, denn seine nächsten Schritte führten ihn auch schon über die darauffolgenden Straßen, den nächsten kleinen schmalen Wege.

Länger konnte er nicht mehr an die Sterne denken.

An seinen besten Freund.

Die Laternen waren zwar hier in dieser Gegend kaputt und leuchteten deshalb nicht mehr, aber er kannte den Weg schon längst auswendig. Er lief zwar immer eine gute dreiviertel Stunde, doch den Bus wollte er nicht bezahlen. Das Geld musste er in was anderes investieren.

In etwas viel Wichtigeres.

Yoongi's Ziel war die Bar, in welchen er dank seines gefälschten Ausweises hereinkam, wo dort sein Boss wie jede Nacht auf ihm warten würde.

Seinen richtigen Namen kannte er nicht. Er durfte ihn immer Minho nennen. Das klang jetzt nicht so seriös.

Doch wie Seriös konnte der Job eines Drogendealers schon sein?

Sein alter kannte er auch nicht, oder wie er an Yoongis gefälschten Ausweis herankam. Auch wenn Yoongi erst 16 Jahre alt war, bekam er trotzdem von Minho diese Gelegenheit. Und dafür war Yoongi mehr als dankbar. Diese Arbeitszeiten und dieses Geld hätte er niemals bei einem normalen Schülerjob gehabt.

Über die Risiken dachte Yoongi nicht nach. Er musste eben sehr vorsichtig sein und zum Beispiel etwas auf schlaf verzichten. Aber das war wie schon gesagt, einer der Preise.

Einer der Preise, um alles irgendwie wieder in Ordnung bringen zu können.

Also hieß es für den sechzehnjährigen jeden Tag um 23 Uhr zu seinem Chef in die nicht jugendfreie Bar zu gehen, dort den Stoff für die Kunden zu bekommen, um diesen in der Nacht bis zum morgen in verlassene Parks, oder Gebäuden zu verticken. Egal wie weit die Standpunkte voneinander entfernt waren, musste er es irgendwie schaffen, ohne Bus.

Von Minho bekam er extra die Kunden, welche es bevorzugten ihre Ware nicht am Tag zu bekommen, denn wenn die Nacht vorbei war, hieß es für den Jugendlichen sich auf Schulhöfen aufzuhalten, um dort das Geld mit dem Zeug zusammenzubekommen. Am Nachmittag hatte er auch keine Zeit, denn dort wurde Yoongi ganz anders gebraucht.

Wo gebraucht, was für den Jungen die höchste Priorität hatte.

Angst verspürte Yoongi gegenüber den ganzen, drogenabhängigen Menschen nicht. Er hatte keine Angst davor auszuliefern, oder den Leuten dabei gegenüberzustehen.

Angst würde ihn nur zum zweifeln und stoppen bringen. Angst zeigte er deshalb nie. Angst würde ihm im Weg stehen.

Er würde das hier hinbekommen. Er darf keine Angst haben. Nicht zweifeln. Weil alles gut werden würde.

Doch egal wie sehr sich Yoongi in dieser Zeit anstrengte, wird nicht alles gut werden. Egal wie sehr er sich daran bemühte, die Hoffnung nicht aufzugeben. Preise zu bezahlen. Seine eigenen Bedürfnisse in den Schatten zu stellen. Egal wie lange er arbeitete- er sich dabei nicht beschwerte.

Egal wie viel er doch getan hatte, würde er sich sein ganzes Leben lang vorwerfen müssen nicht genug getan zu haben. Nicht genug gearbeitet. Nicht schnell genug gewesen zu sein. Wird jeden um ihn herum zum Verantwortlichen machen. Ganz besonders sich selber.

Wird sich am Ende noch vorwerfen, keine Sterne gezählt oder Kleeblätter gesucht zu haben.

Zu diesem Zeitpunkt war Yoongis großes Herz noch in solch einer Hoffnung, Zuversichtlichkeit getränkt, was Yoongi noch später in seinem ganzen Leben missen wird.

Sein Herz schmerzte ihn damals. Natürlich. Schmerzte ihn bei jedem Gedanken immer ein Stücken doller, doch die Hoffnung ließ diese Stiche weniger machtvoll erscheinen.

Die Hoffnung schien damals alles zu heilen, um alles anschließend ins Verderben schicken zu können.

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So kamen am Nachmittag, wie jeden Tag nach der Arbeit, seine Schuhe wiederholt auf dem vertrauten glänzenden, schneeweißen Boden auf, welcher den Dreck seiner Sohlen beinahe verachtend widerspiegelte. Seine viel zu weit anliegenden schwarzen Klamotten gaben wie jeden Tag einen deutlichen Kontrast zu den blassen Kitteln in den Hintergrund wieder. Über seinen schwarzen, durcheinander liegenden Haaren war ein Cappy gezogen, sonst waren nur streng gemachte Zöpfe und glatt gekämmte Haare zu erkennen.

Trotzdem sah man ihn hier gerne. Trotzdem grüßte man ihn hier immer wieder gerne. Am Empfang. So wie jeden Tag. So wie an jenem Tag.

„Guten Morgen, Yoongi.", lächelte Elisabeth, so wie Yoongi sie nennen durfte, ihn hinter dem Tresen an. „Guten Morgen.", erwiderte er wie immer freundlich und freute sich wirklich sie wieder zu sehen.

Jetzt musste er nur noch die Treppen zu der dritten Etage hinaufsteigen und durch die zehnte Tür auf der linken Seite. Obwohl keine Besuchszeit war, durfte er um jede Uhrzeit zu ihr gehen.

Also nahm er mit seinen dreckigen Schuhen eine Schnelligkeit an, zu welcher er nach dem langen Tag eigentlich gar keine Kraft mehr haben durfte. Aber er hatte sie.

Und nur noch nach einmal klopfen und dem „Herein", der wärmsten Stimme der Welt, trat er herein und sah sie endlich wieder. Seine Mutter.

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Hallihallo meine lieben🌻

Dies war der erste Rückblick aus der Vergangenheit von Yoongi. Ich hoffe es hat euch gefallen 💕

Das wird natürlich nicht der letzte sein, denn es sind natürlich noch so viele Sachen offen💗

Ich hoffe eure Woche war bis jetzt ganz schön! Wie geht es euch? 💕

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