(35) Vergänglich
Namjoon's Augen verengen sich wie auf einem Schlag.
Lügen?
Jungkook ist der schlechteste Lügner, den er kennt.
"Angelogen? Wobei denn? Jungkook du weißt, du kannst mir immer alles erzählen, du weißt, ich würde dich niemals verurteilen!... Das weißt du doch, oder?", raunen seine Stimmbänder vorsichtig nach, als Unsicherheit dabei ist, sich in seinem Kopf auszubreiten.
Denn das würde er doch wissen, oder?
Eigentlich weiß Jungkook das. Doch die Worte von Namjoon stimmen nur bedingt.
Wenn es um Jungkook's Sicherheit geht, dann würde er Jungkook verurteilen.
Denn das ist ihm wichtiger, als alles andere.
Aber es kommt keine Antwort.
Keine Antwort kommt, als Jungkook's Augenlider, so fest wie es ihnen möglich ist, sich zusammendrücken. Keine Atmung mehr seinen ausgelaugten Körper durchströmt. Hände sich so sehr verkrampfen, sodass sie sich beinahe in das Telefon einschneidet.
Seine Mundwinkel sich zu einem Lächeln anspannen. Einem gequälten, seelenlosen Lächeln.
Denn irgendwann kommt man zu einem Zeitpunkt, an dem keine Träne der Welt mehr ausdrücken könnte, wie traurig, wie verzweifelt du bist.
Der Zeitpunkt kommt, wo dir das letzte, wertvollste, was du noch besitzt, nun auch gestohlen wird.
Das Lächeln.
Dein Lächeln wird dir von den Krallen der Trauer entrissen, missbraucht, in derren Besitz genommen, für sich beeinsprucht.
Du lachst.
Jedoch ist es nicht dein Lachen.
Nicht das einst, so sorgenlose kichern, des einst unbeschwerten, kleinen Jungen. Nicht das mit Liebe gefüllte grinsen, welches ihm über beide Ohren ging.
Nein. Ein Lachen, welche all die Trauer einfängt, wozu deine Tränen nun nicht mehr im Stande sind. Ein Lachen, welches aus deinen unterdrückten Worten besteht, deinen inneren Monologe, welche ja immer und immer wieder ins Nichts führten.
Na ja, beinahe.
Aus deinen unausgesprochenen Worten. Deiner Verzweiflung. Deiner Ratlosigkeit- schöpft deine Trauer noch mehr Kraft. Schafft Kraft und zeichnet mit dessen kalten, leblosen Fingern in dein Gesicht. Verunstaltet dich. Verunstaltet dein Lachen.
Schatten unter den Augen. Blasse Wangen. Kaputte Lippen. Aber es reicht ihr nicht aus.
Also stiehlt sie es dir.
Stiehlt dir, weil sie ja nicht genug bekommt, dein wunderschönes, einzigartiges, davor so unbeschwertes Lachen.
Nimmt alles, aber auch alles von dir ein, und alles- alles von dir weg.
Jungkook sagt also nichts. Spricht nicht.
Er lacht.
Er lacht. Keine Träne der Welt könnte ausdrücken, wie verzweifelt er ist. Also tut es, ja so tut es sein gebrochenes, gestohlenes Lächeln.
Was sollte er zu Namjoon sagen. Was sollten noch Tränen bringen. Was sollte das alles hier. Wie konnte es so weit kommen. Wieso erkennt er sein Leben nicht wieder. Ihn selbst nicht wieder. Wieso- wieso darf er nur diese eine Sekunde nicht ändern. Es ist doch einfach nur zum verzweifeln, oder? Zum lachen.
"Verdammt - Jungkook!", Namjoon fühlt sich schlagartig Unbehagen, Sorgen verstärken sich in ihm, in seinem Bauch, während sein Kopf dabei ist, schnell eine Lösung zu finden.
Schnell eine Lösung zu finden, als er spürt- es hört, wie sehr sein bester Freund am Ende ist.
Eine versteckte Hoffnung in Jungkook war es die ganze Zeit über, dass Taehyung aufwachen würde und er dann zusammen mit seiner Familie, mit seinen Freunden ihn zusammen durch die Genesung begleiten würde.
Jungkook sich absichert, dass Taehyung nicht alleine ist, dass bei ihm alles wieder gut werden würde, dass er glücklich sein würde.
Sein begehrter Wunsch diesen Jungen glücklich zu sehen.
Auf diesen, aufgeschörften Lippen, wofür er verantwortlich ist, ein Lachen zu sehen, ein Lachen zu hören, sehen, wie seine Augen sich dessen Lachen anschließen, sehen, wie sie funkeln.
Sehen, dass es ihm gut geht.
"Jungkook!"
Aber das Einzige, was er sehen konnte, ist Leere. Das Einzige, was er über seine Familie weiß, ist, dass er keine hat, welche ihm besucht.
Wie könnte er nicht lachen? Wie könnte er es nicht verlieren.
"Jungkook. In einer halben Stunde treffen wir uns an unserem abgesprochenen Ort! Verstanden?", Namjoon fühlt an seinem ganzen Leibe, wie sehr sein Freund am leiden ist und muss es deshalb unbedingt hinbekommen sich zu treffen. Er muss es irgendwie hinbekommen. Ohne, dass er ihn in Gefahr bringt. Ohne, dass es dadurch schlimmer wird.
Er muss es hinbekommen, musss Jungkook jetzt ein Freund sein.
"J-Ja.", haucht Jungkook nur noch erschöpft hinaus, traut sich beinahe dieses 'Ja' nicht auszusprechen. Zu viel Angst, sich das alles nur vorgestellt zu haben. Nur vorgestellt zu haben, ihn gleich zu sehen. Hört nur noch, wie Namjoon auflegt.
Echt?
Würde er ihn ehrlich jetzt gleich sehen?
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Seine Füße treten das lobrige Laub unter ihm nur noch tiefer in den Matsch hinein, als er sich immer weiter in den nebligen Wald wagt.
Die Bäume sind kaum noch zu erkennen, und selbst wenn, dann könnten sie auch nur zeigen wie alles von ihnen abließ, was sie einst festhielten.
Der frischer Nebel hinterlässt ein kaltes kribbeln auf Jungkook's kleiner roten Nasenspitze, als seine Füße ihn immer weiter hineintragen. Mit jedem weiteren Schritt, findet die ausgekühlte Luft immer mehr Freude daran, den Jungen mit dessen ganzen Liebe zu umarmen. Mit dessen ganzen Kälte.
Um Wetterfreundliche Kleidung hat sich der braunhaarige nicht einen einzigen Gedanken gemacht. In seinem grauen Hoodie beschreitet er weiter den brösligen, feuchten Waldboden.
Wie konnte er nicht? Wie konnte er nicht ohne nachzudenken aufstehen, ohne nachzudenken hinausgehen, ohne nachzudenken, seine Sehnsucht nachgehen.
Die kleine Bank fällt den Jungen, trotz der Finsternis, nach ein paar Minuten sofort ins Auge.
Die Bank. Die Bank- also der Treffpunkt.
Er ist jetzt tatsächlich da. Da, wo Namjoon jede Sekunde sein müsste. Da, wo beide, so einst verbundenen, jetzt so zerrissenen Welten wieder aufeinander treffen würden.
Da, wo die entfallenen Blätter, ein paar, ja für viel zu vergänglichen Minuten, zurück können.
Obwohl die Bank nass ist, setzt er sich drauf. Obwohl die Luftfeuchtigkeit immer noch seinen Körper, beinahe so intensiv umhüllt, so dass sie seine Haut fast berührt, spürt er sie nicht.
Wie sehr uns Gedanken doch von der Realität entreißen können. Wie sehr sie uns doch, in unsere eigene schmeißen.
Wie sehr sie Jungkook, doch immer und immer wieder wegreißen.
Sieht es vor seinen Augen. Sieht ihn viel zu oft vor seinem inneren Auge. Doch das hat jetzt, für ein paar Minuten ein Ende.
"Jungkook?", eine tiefere, angenehme, viel zu lange nicht persönlich gehörte Stimme, schneidet sich nun plötzlich zwischen den geflüster des Windes und der rauschenden Blätter dominant hindurch.
Unmittelbar nach diesem zu langen ersehnten Klang, fängt Jungkook's Herz zu schlagen an- so richtig. Der Antrieb von durcheinander gemischten Gefühlen, lässt sein zittriges Herz mit voller Aufregung gegen seinem Brustkorb aufkommen. Sein Blut erweckt überfällig zum Leben- seine blassen Wangen werden von einer plötzlichen Röte nur so überflutet. Bauch- sein Bauch fängt nur bei seiner Stimme an zu kribbeln, so nervös, er ist ja plötzlich so nervös- kribbeln immer weiter, bis zu jedem Ende seiner Fingerspitzen- kann nicht länger warten- keine Antwort sollte das hier mehr in die Länge ziehen- keine Antwort durch Worte- eine Antwort, als Jungkook aufsteht, seine Arme ausbreitet- und sich in denen von Namjoon hineinstützt.
Keine Antwort- keine Antwort durch Worte, als Namjoon den Körper von dem Jungen vor sich mit ganzer Kraft an sich heranzieht.
Seine trainierten Arme dessen zierlichen Körper umschließen- kein Blatt zwischen Ihnen passt- kein Schmerz- keine Schuldgefühle; Glück- Liebe- ja so viel Liebe die beiden nur noch fester einander drückt. Nicht vernebelt von der hohen Luftfeuchtigkeit, welche die beiden umhüllt, sondern nur benebelt von diesem Gefühl, sich wieder zu haben, für ein paar, ja so vergängliche Minuten, seinen besten Freund zu haben.
Ihn zu haben, wenn man ihn am meisten braucht.
Ihn zu haben, auch wenn die Welt dagegen scheint.
Sich zu haben, auch wenn es nur für wenige, ja so vergängliche Minuten ist.
Jungkook hat so viel, ja so unheimlich viel zu sagen, doch wie könnte er diesen Moment unterbrechen? Diesen viel zu kostbaren Moment unterbrechen?
Will nur sich in der Umarmung von Namjoon fallen lassen, die Welt um ihn herum vergessen, seine kaputte, ja viel zu kaputte Welt.
Will seine Augen schließen, seit langen, seine Augen schließen, ohne dass seine inneren Stimmen ihn anschreien. Ihn davon abhalten aufzuatmen, zu schlafen, für wenige, ja für wenige, er für wenige Sekunden zur Ruhe kommen kann.
Namjoon. Namjoon kann es- kann es ihm zurückgeben. Jungkook weint nicht. Nein, keine einzige Träne verlässt seine dunkelroten Augen. Kein schluchzen bringt sein Körper ins schwanken. Nur eines.
Nur eines tut Jungkook.
Er lächelt. Er muss richtig auflachen- als seine linke Wange noch immer an die Brust von Namjoon gedrückt ist. Muss wie damals, über beide Ohren strahlen, wie damals, fühlt er sich Sorgenfrei, für so wenige, ja vergängliche Sekunden.
Sein Lachen wird von den Krallen der Verdammnis entwendet, stattdessen mit vollen Glücksgefühlen befüllt und dessen kaputte Lippen mit so viel Liebe geschmückt.
Glücksgefühle, wahrhaftige, ja so echte Glücksgefühle blühen durch Namjoon in Jungkook seit langem wieder auf und holen einen winzigen Teil, des glücklichen, positiven kleinen Jungen zurück.
"Jungkook... ich- es tut mir leid, aber du weißt wie die Lage ist... wir haben nicht unendlich viel Zeit und sollten deshalb jetzt anfangen zu reden, okay? Ich mache mir echt große Sorgen.", der Ältere löst ganz vorsichtig und behutsam einen Arm von dem anderen, einen lässt er noch auf seinem Rücken ruhen, als beide dann zusammen nun auf die Bank zu gehen und sich auf dieser hinaufsetzen.
Holten einen kleinen Teil, des glücklichen, positiven zurück, für so vergängliche Sekunden.
Wie plötzlich ins kalte Wasser geschmissen, sackt Jungkook im Sitzen in sich zusammen.
Attackiert dessen Lippen. Drückt seine Beine unwohl zusammen, als dessen Monologe durch seinem kalten Kopf knallen.
Wie soll er es formulieren? Kann man es überhaupt richtig oder falsch formulieren?
"Jungkookie.. ich bin es..", mit sanften Ton versucht er durch seinem besten Freund hindurchzudringen. Drückt seinen Arm noch fester auf dessen Schulter, um ihn noch enger an sich heran zu ziehen.
"Wieso hast du keine Jacke an?!", plötzlich wechselt die Tonlage des älteren, als er es in diesem Moment richtig realisiert.
Jungkook würde noch krank werden!
"Wir haben kein Sommer, dass weißt du doch... oder? Oder bist du immer noch ein kleines Kind, welches man daran erinnern muss, eine Jacke anzuziehen, weil es draußen frisch ist? Hmh?", neckt Namjoon in seinem liebevollen Ton, als er seine über dessen Schulter gleiten lässt und sie auffordernd vor dem jüngeren hält.
"Namjoon... ich- dann ist dir kalt.. ich meine ich friere ja noch nicht mal, zieh du sie einfach an, dass ist das richtige..", murmelt der Angesprochene wieder sehr nachdenklich und würdigt keinen richtigen Blick der Jacke, zu sehr versucht er verkrampft die passenden Worte in sein Gedächtnis zu rufen.
Doch Namjoon ist es egal, natürlich würde er ihm trotzdem die Jacke geben. Breitet sie aus und schon liegt sie auf den hängenden Schultern seines Freundes, muss sich nur noch zu ihm hinbeugen und den Reißverschluss zu machen.
Jetzt schauen nur noch Jungkook's Hände unten am Ende heraus, was diesem Jungen nun erneut ein kleines Lächeln auf dem Lippen hervorruft. Ein kleines Lächeln darüber, dass Namjoon immer noch seine Fürsorglichkeit ihm gegenüber ausdrückt.
"Können wir uns nicht abwechseln mit tragen? Nur weil ich zu blöd war eine anzuziehen, sollst du nicht frieren müssen... wir können ja vielleicht alle 10 Minuten tauschen.", der Kopf von Jungkook dreht sich, Augen funkeln hoffnungsvoll in die von Namjoon, er wusste wie hartnäckig er ist, vielleicht würde er sich ja auf ein Kompromiss einlassen?
"Jungkook-"
Bewegungen der beiden erstarren. Keiner rührt sich. Jungkook- welcher auf dem unerwarteten hysterischen Tonfall ganz angespannt ist, traut sich keine Bewegung mehr zu- und Namjoon, welcher mit einem schockierten Blick immer weiter in die sonst so vertrauten Augen hineintaucht, verliert sich nur immer und immer weiter, als er diese nicht mehr wiedererkennen kann.
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Hallöchen ihr lieben! 💕🌻
Hmh ich bin mir nicht so sicher bzw zufrieden mit dem Kapitel... deshalb hoffe ich echt sehr, dass es dir gefallen hat! & vielen lieben dank fürs lesen, dass bedeutet mir echt viel 💕
Ich hoffe auch, dass dein Tag heute ganz gut war und wünsche dir auch gleich einen für morgen!🌻💕
Bis zum nächsten Mittwoch! 💕
~ Mara 💕🌻
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