[9] Life is a Drug
"Life is a drug.
Sometimes it's great, but after all, it destroys you."
- Myself | 2016
Der Türsteher mustert uns kritisch, als wir vor ihm zu stehen kommen. Mein Herz flattert wie ein gefangener Vogel zwischen meinen Rippenbögen umher und verursacht mir leichte Übelkeit, während die Zeit wie stillzustehen scheint. Alles was mich auch nur ansatzweise beruhigt ist Minhos Hand, die weiterhin auf meiner Schulter ruht und mir ein kleines Bisschen Sicherheit spendet.
Dann nickt der Typ, eine knappe Bewegung, die auch nur ein Schulterzucken hätte sein können.
"Geht rein",
knurrt er uns missmutig an, seine Stimme ist tief und rau und jagt mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken. Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Ich werde dass ungute Gefühl nicht los, dass diese Aktion gewaltig schief gehen wird.
Im Inneren des Hauses ist es heiß, heißer als draußen; tausende Leiber reiben gegenseitig ihren Schweiß an den jeweils anderen, dunkler Bass vibriert durch die rauchige Luft. Es ist eine Art von Party, wie man sie aus den Klischee-Drogendeal-Storys kennt, auch hier scheinen nicht alle clean zu sein. Viele Augenpaare hängen starr an der Decke wie bei einer Leiche, die Glieder bewegen sich nicht im Takt und sehr unkoordiniert. Viele der Frauen haben außer knappen Stofffetzen um Brust und Hüfte nichts an, schwere Ketten hängen um ihre Hälser und schneiden Kerben in die blasse Haut. Ich muss bei dem ekelig süßem Geruch von Shisha und anderen Rauschgiften würgen, doch Minho drängt mich unbarmherzig weiter durch die Menge. Clint habe ich längst aus den Augen verloren, er war vor mir gewesen, doch nun... verschwunden. Von den Massen verschluckt.
Nur die Tatsache, dass wir nicht gezwungen wurden irgendeinen Drink exen, spendet mir etwas Trost in dieser miserablen Situation.
"Siehst du etwas?",
brüllt mir Minho durch den Lärm ins Ohr, und mir fällt wieder ein, weshalb wir eigentlich hergekommen sind.
Erstmals sehe ich mich bewusst im Raum um.
Tanzende Gestalten, Rauch, Augen, die mich leer anstarren und dann wieder weiterwandern; aber weit und breit kein Anzeichen auf die Party. Wie soll man bei dieser Dunkelheit, die nur von bunt leuchtenden, halb zerbrochenen Glühbirnen etwas abgestumpft wird, auch etwas erkennen?
Ich wende mich zu Minho um, um ihn zu sagen, dass ich mir nicht sicher sei, doch er ist nicht mehr da. Gerade eben war er doch noch hinter mir? Mein Blick schweift herum, doch so sehr ich auch versuche, durch die Fremden hindurchzugucken... kein Minho.
Scheiße. Das darf doch wohl nicht wahr sein!
Mein Bauch krampft sich unangenehm zusammen, während ich mich mit Ellbogeneinsatz durch die Menge boxe. Jahrelanges Schulbusfahren hat mir einige Techniken gelehrt, wie man sich am besten durch eine drängende Masse kämpft, weshalb ich verhältnismäßig schnell vorankomme. Am Rande der Tanzfläche komme ich zum stehen, vor mir steht ein Tisch mit allerlei Bechern und Krügen voller nach alkohol schreienden Flüssigkeiten. Mein Bauch beginnt zu glühen bei der Vorstellung was passieren würde, wenn man einer der Jungs schwach wird und probiert. Dann kann ich mir die Kugel geben.
Eine Hand legt sich von hinten auf meinen Hintern und ich wirbel erschrocken herum, stoße dabei schon reflexartig die Grapschefinger beiseite. Stinkender Atem wird mir ins Gesicht gepustet und ein pickeliger, ungepflegter Typ grinst mich zahnlos an. Eine weitere Wolke Alkohol und Drogen prallen gegen meine Haut und mich muss husten. Igitt. Wie kann man nur so weit sinken?
Schon wieder langt der Crank nach mir, seine schmutzigen Nägel graben sich in meine Hüfte und drängen mich gegen die Tischkante. Verzweifelt versuche ich ihn wegzudrücken, doch selbst wenn ich es rein kraftmäßig gesehen geschafft hätte, so komme ich doch nicht gegen die Menschenmasse an, welche dem Perversling zusätzlich unbewusst eine Rückenstütze ist.
Erinnerungen an die Fast-Vergewaltigungsnacht kommen mir hoch und ich reisse energisch das Bein hoch, werde aber abgestoppt und wieder gegen den Tisch gedrückt. Fuck, was tue ich jetzt? Wo ist Minho, wenn man ihn mal braucht?
Der Typ beginnt, seine Hände über meinen Körper wandern zu lassen, doch ich zwinge mich dazu es zu ignorieren. Ich muss nachdenken. Nachdenken hilft immer, man muss nur... Halt.
Mir kommt eine Idee.
Den ganzen Körper angespannt, um nicht die Grapschehände, die überall gleichzeitig zu sein scheinen, instintiv wegzustoßen, taste ich hinter mich und bekomme schließlich einen der Glaskrüge zu fassen. Einmal hole ich tief Luft, dann hole ich aus und knalle das Ding gegen die Schläfe des Cranks.
Dieser stöhnt auf, taumelt nach hinten und fällt schließlich in die Menge, sodass ein Dominoeffekt entsteht und mehrere Personen stürzen. Der Krug war bei dieser Aktion zu Bruch gegangen, nun liegen jede Menge Scherben am Boden, schwimmen in einer pissgelben Flüssigkeit, die sich davor darin befunden hat. Flink springe ich über den Sud hinweg und laufe am Rande der Tanzfläche einige Meter außer Reichweite, doch niemand macht sich die Mühe mir zu folgen. Eine Prüglerei war entstanden, dort, wo der Bekiffte die Leute umgestolpert hatte, die Cranks hören teilweise auf die tanzen und scharen sich um die Szenerie. Ich nutze den Moment der gebündelten Unaufmerksamkeit und klettere auf einen der Bartische, sodass ich einen besseren Überblick über das Geschehen bekomme. Es ist schwer, Gesichter im halbdunklen zu erkennen - vor allem da Minho und Clint beide dunkelhaarig sind und somit fast ganz von den Massen verschluckt werden. Fieberhaft denke ich nach, wo die zwei hingekommen sein könnten, da zupft mir jemand an der Hose. Mein Blick schnell nach unten, doch ich entspanne mich sofort wieder, als mich zwei Welpenaugen von unten herauf anblinzeln. Ich springe vom Tisch und falle Clint wortlos um den Hals, Erleichterung macht sich meiner Brust breit und droht für einen Moment meine Angst vor der Party fast komplett zu ertränken. Der Sani erwidert meine Umarmung, doch dann hält er mich von sich weg und lässt seine Augen prüfend an mir auf und ab wandern.
"Alles ok?"
schreit er mir zu, und ich nicke knapp. Zwar dreht sich wegen dem übermäßigen Adrenalin in meinem Blut noch alles ein wenig, doch der Schrecken verfliegt schon langsam. Zu viel Schlimmes ist schon passiert, als dass mich so etwas nun aus der Fassung bringen könnte.
"Weißt du, wo Minho ist?"
frage ich ihn hoffnungsvoll, doch Clint schüttelt den Kopf.
"Ich dachte er wäre bei dir? Ich hab euch verloren, deshalb hab ich angenommen ihr wartet zu zweit auf mich."
Darauf kann ich nur mit den Schultern zucken. Aber wo könnte Minho denn abgeblieben sein? Hat ihn einer der halbnackten Tänzerinnen vielleicht verführt? Bei diesem Gedanken kocht Wut in mir hoch. Obwohl keiner von und beiden es jemals ausgesprochen hat, so denke ich doch, dass es klar ist, dass wir in gewisser Weise eine Beziehung führen. Aber Minho... Minho ist nicht unbedingt so einer, der bei hübschen Mädchen wegsieht, selbst wenn er verheiratet wäre. Kann es also sein, dass er mich gerade sozusagen... betrügt?
Das Wort klingt seltsam in meinen Gedanken.
Betrogen.
Viel schlimmer als das Wort selbst ist die Bedeutung da hinter. Zweifle ich gerade an Minhos Treue? Er wird doch nicht etwa stocknüchtern so dumm sein und mein Vertrauen missbrauchen? Oder doch? Zutrauen würde ich es ihm. So leid es mir tut, aber was ich alles im Buch so gelesen habe deutet nicht gerade darauf hin, dass Minho ein überaus beziehungstreuer Freund ist.
Ein bitterer Geschmack breitet sich auf meiner Zunge aus und ich verziehe den Mund. Clint scheint dies zu bemerken, deutet es aber falsch.
"Komm, wir suchen Minho und hauen ab! Mir geht diese Party zu weit."
sagt er laut, um das Jubelgebrüll der Schaulustigen zu übertönen, dann packt er mich am Handgelenk und schleift mich durch die Menge Richtung Ausgang. Doch ich registriere das gar nicht wirklich. Mich beschäftigt gerade etwas ganz etwas anderes.
Betrogen.
Betrogen.
Betrogen.
hallt es durch meinen Kopf.
Stop! Aufhören!
Hintergangen.
Missbraucht.
Verlassen.
Scheiß innere Stimme.
Es gibt doch noch gar keine Beweise, dass Minho irgendetwas getan hat! Das sind alles nur Vorurteile. Alles nur Mist. Oder? Oder nicht...?
Eine Gestalt rauscht an mir vorbei, doch ehe sie ganz hinüber ist schnellt ein Arm hervor und legt sich um meinen Bauch, sodass ich ruckartig mitgezogen werde. Meine Hand gleitet aus Clints Griff und ich knalle samt der Person auf den dreckigen Boden, welcher vermutlich einmal teurer Parkett gewesen war. Durch den Lärm höre ich Clint dumpf meinen Namen schreien, hastig rappel ich mich hoch und versuche aufzustehen, um dem Angreifer zu entkommen. Doch jener ist schneller und umfasst meinen Arm schmerzhaft stark, als wolle er auf jeden Fall verhindern, dass ich abhaue. Wieder falle ich auf den Boden, diesmal auf den Bauch, versuche in meiner Panik auf allen vieren wegzurobben. Der Unbekannte erkennt meinen Fluchtplan abermals frühzeitig und legt sich über mich, mit den Händen fixiert er meine Ellbögen, sodass ich ihn nicht schlagen kann. Heißer, nach Alkohol stinkender Atem streicht seitlich an meiner Wange vorbei, prallt gegen den Boden und wabert mir direkt in die Nase, sodass ich schwer nach Luft schnappe. Die Stimme klingt lallenend und angestrengt, als brauche dessen Besitzer alle Kraft, um nicht gleich ohnmächtig zu werden.
"Bleib... da..."
keucht er mir ins Ohr und ich halte vor Schreck die Luft an.
Das ist kein Unbekannter.
Das ist Minho!
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