8. Zitat
Zuerst kann ich gar nicht einschlafen wegen der ganzen Griewergeräusche. Die schleifenden, rasselnden und fauchenden Töne der Maschienentiere zu lesen, ist eindeutig leichter, als sie wirklich live zu hören. Und das die ganze Nacht hindurch. Uah...
Irgendwann fallen mir dann doch die Augen zu. Aber wie das Amen im Gebet, ist dieser Schlaf natürlich nicht erholsam und ruhig wie gewünscht, sondern mit wilden Albträumen durchsetzt, die hauptsächlich von Todesszenen handeln. Chucks Tod. Newts Tod. Teresas Tod. Winstons Tod. Gallys Tod. Albys Tod. Alle tot...
Motivierend.
Ich wache sehr spät auf am nächsten Morgen. Die Läufer sind schon längst weg, die Lichter bei der Arbeit. Auf der ganzen Lichtung wird herumgewuselt und geschuftet, und ich penne hier ganz entspannt herum und lege die Füße hoch. Toll, jetzt lieben mich sicher alle noch mehr.
Gähnend rappel ich mich hoch und schwinge die Beine aus der Matte. Ich verspühre das dringende Bedürfnis mich zu waschen; seit ich hierhergekommen bin trage ich die schwarze Leggins und das enge Top, und ich habe mich damit immerhin schon mehrere Male im Dreck gewälzt. Zum Glück war am Tag des... Weltenwechsels Wochenende, ich trug also nur einen Sport-BH und gemütliche Unterwäsche. Am Wochenende trage ich immer, immer Sport-BHs; die sind einfach bequemer als die normalen. Trotzdem hätte ich wirklich gerne frische Sachen zum anziehen.
Erst jetzt fällt mir auf, dass ich im Haus, also als ich das Buch aufgeschlagen habe, doch gar keine Schuhe anhatte. Gestern Abend habe ich mir aber welche völlig geistesabwesend ausgezogen...
Verwundert schaue ich mich um und entdecke meine blau-türkisen Turnschuhe, die mein Dad mir einmal geschenkt hat. Wie zum Teufel kommen die hierher??
Wie dem auch sei, nun sind sie total verdreckt und sehen alles andere als einladent aus.
Aber mir bleibt nichts anderes übrig, also schlüpfe ich in die schmutzigen Dinger und mache mich auf den Weg... ja, wohin denn? Weiß ich auch nicht so genau. Meine Nase führt mich eine Weile quer über die Lichtung, bis ich schließlich in Chuck hineinrenne. Der ist hocherfreut mich zu sehen und umarmt mich sogar kurz. Ich drücke ihn nur allzu gerne zurück.
Mein Blick fällt auf den Eimer in seiner Hand, worauf er gleich rot wird.
"Ich... ich bin Schwapper, weißt du..."
stammelt er und sieht verlegen zu Boden. Als Schwapper putzt er nur, da er nichts anderes gebacken bekommt, das weiß ich. Armer Junge.
Ich lächel ihn milde an.
"Komm, ich helf dir."
Ich greife nach dem Henkel, aber Chuck wedelt sofort mit den Armen.
"Nein! Du sollst garnichts machen!"
Verwirrt sehe ich ihn an.
"Newt sagt, wenn ich dich sehe soll ich dir ausrichten, du sollst nichts machen; genau so hat er es gesagt."
Aha, nagut. Das kann ich vielleicht gerade so.
"Aber helfen ist was anderes. Komm schon, dann bist du schneller fertig!"
Nach langem hin und her gibt er dann doch nach und gemeinsam putzen wir das Geschirr vom Vorabend. Chuck stellt sich ziehmlich ungeschickt an und schrubbt elend lange an einem Teller herum, bis mein Geduldsfaden reisst und ich ihm seinen Putzlappen aus der Hand nehme.
"Schau, das geht so"
sage ich und demostriere ihm die Abwaschtechnik. Als stolze Papageienbesitzerin habe ich schon oft Dinge abgewaschen; die Viecher kacken ja auch alles und jeden an. Und mit der Zeit eignet man sich halt Tricks an, womit es leichter geht. Ich könnte locker Schwapperhüter werden.
Mit meiner Einschulung sind wir schließlich doppelt so schnell fertig wie normaler Weise - nach Chucks Aussage - und wandern weiter zum nächsten Dreckplatz. Nachdem wir die Küche aufgewaschen haben, machen wir weiter mit den Schlafhütten, den Ställen, am Ende sogar das Blutshaus; auch wenn ich mich bei dem vielen Blut fast übergeben muss, ziehen wir es bis zum Ende durch.
Wir arbeiten einfach über das Mittagessen drüber, total in Fahrt, und lästern dabei froh und munter über alles und jeden und doch irgendwie niemand bestimmtes.
Schließlich zerre ich Eimer und Hilfsjunge vor die Gärten, und suche mit den Augen die Felder ab. Bald schon habe ich mein Ziel gefunden, stapfe darauf zu und baue mich breitbeinig vor ihm auf. Newt sieht von seiner Arbeit auf und blickt mich fragend an. Ich atme tief durch.
"Wir haben alles geputzt. Alles. ALLES."
Ich bin echt außer Atem, so mühsam war das. Putzen ist ja echt 'n Sport!
"Hat dir Chuck nicht gesagt, du brauchst vorerst nichts zu machen?"
fragt mich Newt und sieht den Jungen dabei vorwurfsvoll an. Ich schüttel schnell den Kopf.
"Ich hab das freiwillig gemacht. Aber als kleine Belohnung hätte ich gerne, dass der Strunk hier dafür den restlichen Tag frei bekommt."
Der zweite Anführer betrachtet den Kleinen kurz, dann mich. Wir beide sind von oben bis unten dreckig und sehen wahrscheinlich schrecklich aus, was dafür unsere harte Arbeit nur unterstreicht. Dann nickt er.
"Meinetwegen. Aber wascht euch mal 'n bisschen, ihr seht aus als wärt ihr in die Klonkgrube gefallen."
Damit wendet er sich ab und schneidet weiter an einer Obstpflanze herum.
Zufrieden lächelnd zerre ich Chuck wieder weg, Richtung Gehöf. Dahinter ist ein Badezimmer, das weiß ich. Aber auf halben Weg stoppe ich attrupt. Moment, die haben ja nur ein Bad...
Ich sehe Chuck vorsichtig an, der meinen Gedanken zu erraten scheint.
"He, klonk dich mal nicht an. Ich gehe zuerst, und dann halte ich wache wenn du geht. Gebonkt?"
sagt er ganz lässig und klopft mir auf die Schulter.
Ich seuftze erleichtert. Also kein peinliches ungewolltes Aufeinandertreffen mit irgendwelchen Idioten. Ich will ja nicht zimperlich sein, aber beim Duschen müssen die mich echt nicht begaffen...
"Oke. Ich bring nur mal den Eimer weg."
Der Junge nickt eifrig wie ein Hündchen und flitzt zu den Schlafhütten davon, vermutlich um frisches Gewand zu holen. Achja, das bräuchte ich auch... shit. Nagut, da wird sich schon eine Lösung finden.
Schnell bringe ich alle Sachen zur Schwapperscheune, die Chuck mir gezeigt hat, und verstaue alles ordentlich. Als ich wieder auf die Wiese hinaustrete, sticht mir eines ins Auge:
Eine Person, die keuchend und schnaufend aus dem offenen Tor gesprintet kommt. In meinem Hirn klickt es, ich zögere nicht lange und renne sofort zur Küche.
Ich beuge mich über die Theke und sehe Bratpfanne am Herd stehen, wie er vermutlich schon für den Abend kocht.
"Ein großes Glas Wasser! Bitte! Schnell!"
schreie ich einfach quer durch den Raum. Der Koch dreht sich verwirrt um und sieht mich schief an, aber ich wachel so hektisch mit den Händen dass er schließlich doch nachgibt und mir einen großen Becher mit kühlem Wasser bringt.
"Na, verdurst mal nicht."
gibt er sarkastisch von sich, und ich verdrehe die Augen.
"Ist nicht für mich."
Ohne eine weitere Erklärung drehe ich mich um und laufe - langsam, um nichts zu verschütten - auf das Tor zu.
Minho ist dort bereits zusammengebrochen, Thomas und Alby sind auch schon da. Ich kann nicht verstehen was sie sagen, aber als ich ankomme, dreht sich Alby gerade um, vermutlich um eben etwas zu Trinken zu holen. Tja, zu langsam.
Als er mich und den Becher sieht, zieht er überrascht die Augenbrauen hoch und mustert mich dann argwöhnisch. Was ist denn nun wieder los? Zuerst ist er total aggressiv, dann nur noch grummelig und nun wieder feindseelig? Hat der Stimmungsschwankungen? Schwanger oder so?
"Das ist nicht vergiftet. Und wenn doch, ist Bratpfanne schuld."
sage ich ironisch und ignoriere Albys geknurrte Antwort, die ich so und so nicht verstehe. Dann hocke ich mich neben Minho, der hustend und spukend im Gras liegt und mich erst jetzt zu bemerken scheint. Wortlos halte ich ihm den Becher hin.
Sein Blick fliegt kurz zwischen mir und dem Wasser hin und her, er wirkt genauso perplex wie Alby. Dann greift er nach dem Wasser - entreisst es mir förmlich - und ext es in einem runter. Und es war nicht wenig, muss man dazusagen.
Danach rappelt er sich in eine halbwegs aufrechte Sitzposition hoch, wischt sich mit dem Handrücken den Mund ab und drückt mit das leere Glas wieder in die Hand. Ohne ein Wort des Dankes steht er ganz auf und wankt einige Schritte auf Alby zu. Äh, Bitte? Gern Geschehen?
Okay, das macht mich irgendwie stinktig. Wenn er glaubt, dass ein einfaches Danke schon zuviel Energie in anspruch nimmt, kann er die folgenden Infos sicher auch nicht weitergeben. Ruckartig springe ich auf.
"Warum bist du jetzt hier, Minho?"
fragt Alby gerade, während er den Läufer vorsichtig stützt. Der öffnet schon den Mund, um etwas zu sagen, aber ich fahre ihm einfach dazwischen.
"Er hat einen toten Griewer gefunden. Ein paar Kilometer weg von hier, in der nähe der Klippe. Dann hat er Panik bekommen und ist hierher zurückgesprintet."
Alle sehe mich ausdruckslos an, bis auf Minho, dessen Miene eher ins Ungläubige geht. Alby sieht mich finster an und will schon etwas sagen, aber als der Läufer dann leicht nickt, um meine Story zu bestätigen, werden auch seine Züge überrascht.
"Kein Klonk?"
"Nein. Es stimmt."
Wieder unterbreche ich die Konversation. Ich fixiere Alby mit meinem herausfordernsten Blick, den ich zustande bringe.
"Jetzt fragst du dich bestimmt, warum er ihn nicht mitgenommen hat."
Kunstpause.
"Und Minho würde dir sagen, dass das Ding 'ne halbe Tonne hat und er es nichtmal anfassen würde, wenn du ihm ein Ticket in die Freiheit dafür schenkst."
Das Gesicht des Anführers nimmt wieder einen wütenden Ausdruck an.
"Laber nicht so ein Hirngespinst du Zicke, und..."
"Aus!"
Minhos Ausruf kommt so plötzlich, dass ich zusammenschrecke. Der Asiate hält sich die Stirn, als hätte er wahnsinnige Kopfschmerzen und stöhnt dabei laut.
"Die hat gerade meine Gedanken zitiert. Ich muss das jetzt verarbeiten. Klar?"
Ich muss mich wirklich zusammenreissen, um keinen Freundenschrei auszustoßen. Denn das, das ist mein Ziel gewesen; zu beweisen, das ich Dinge weiß, die niemand wissen kann. Und anscheinend habe ich das gerade mehr als deutlich vorgezeigt.
Thomas rührt sich zum ersten Mal, seit ich da bin.
"Wie meinst du, zitiert?"
fragt er nach und schaut mich dabei schief an.
"Na was wohl? Ich denke, sie redet. Hexerei ist das, pure Hexerei."
Nun lächel ich doch.
"Oder nur die genaue Erinnerung an eine Szene im Buch."
Eine Weile sagt niemand was. Einige Lichter haben aufgehört zu arbeiten und betrachten uns von der Entfernung her interessiert, als wären wir hier die Tagesshow.
Alby massiert sich die Schläfe.
"Eine Versammlung. Wir brauchen eine Versammlung. Jetzt."
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