[29] Cold, cold Water
And if you feeeeeel you're sinking,
I will juuuuump right over
Into cold, cold waaaaater for youuuuuuououou!
*bitte hier abnormal schlechte Sängerin einfügen*
Ich merke erst, dass ich vor Schock die Luft angehalten hatte, als eine knochige Hand grob meine Schulter packt und mich heftig rüttelt. Lautstark schnappe ich nach Luft, zucke von der plötzlichen Berührung zurück und laufe schräg gegen die Hausfassade. Zu meiner Überraschung ist es tatsächlich Newt, der mich etwas verdutzt mustert. Jedoch fängt er sich schnell wieder und durchbohrt mich seltsam intensiv mit seinen dubkelbraunen Augen.
"Ich werde vor die Mutation laufen und sie ablenken. Währenddessen rennst du aus der Gasse, klar? Hier drinnen wird es uns der Reihe nach holen."
Ehe er fertiggesprochen hat, beginne ich auch schon energisch den Kopf zu schütteln. Auf keinen Fall würde ich zulassen, dass Newt sich für mich opfert. Nicht, nachdem ich ihn bereits vor Thomas gerettet habe. Nicht nach dem unglaublichen Glück, einer Gruppe gutgläubiger Cranks über den Weg zu laufen. Das alles muss sich doch ausgezahlt haben!
"Vergiss es. Ich hab dir nicht umsonst das Leben gerettet",
spreche ich meinen Gedanken laut aus. Ich versuche stark zu klingen, doch meine Stimme zittert unüberhörbar und bringt meine innere Angst ans Tageslicht.
Kurz bleibt Newt still, dann kneift er plötzlich die Augen zu Schlitzen zusammen und bleckt die Zähne wie ein knurrender Hund.
"Du hättest mir die Chance nicht nehmen dürfen. Ich will sterben, verdammt! Checkst du blöde Kuh das nicht?!"
Gegen Ende schnellt sein Ton rasant in die Höhe, er wird schrill und promt rinnt mir die Gänsehaut. Newt ist wie ein Schizophrener, seine Persönlichkeit spaltet sich auf in sein eigentliches Ich, den freundlichen, selbstlosen Blonden, und den Brand, ein bösartiges Vieh, der seinen Geist wie ein Dämom befällt und von innen heraus auffrisst.
So schnell, wie der Stimmungswandel gekommen ist, ebbt er auch wieder ab und Newts Blick klärt sich wieder. Als wäre nichts gewesen, redet er wieder ruhig und bestimmt, wie es sich für einen zweiten Anführer gehört.
"Ich gebe dir ein Zeichen, und dann laufe wir los, okay? Okay."
Er beantwortet seine Frage einfach für mich und dreht mir sofort den Rücken zu, um mir jede Chanceauf Widerspruch zu nehmen. Angespannt knirsche ich mit den Zähnen.
Was soll ich denn jetzt tun? Ja, wir müssen hier raus! Aber doch nicht so!
"Drei!"
brüllt Newt mir über die Schreie der übrigen Cranks zu. Unruhig beisse ich mir auf die Lippe. Was tun was tun was tun...
"Zwei!"
Shit shit shit. Ich darf Newt nicht verlieren.
"Eins!"
Wie soll ich ihn denn überzeugen, doch noch meine Heilungsmethode auszuprobieren? Nichts ist unmöglich, solange man es noch nie ausprobiert hat.
"Los!"
Newts Schrei gilt eher einem Krächtzen, mit einem Satz schnellt er aus der zusammengedrängten Masse hervor, der tödlichen Dunkelheit entgegen. Ich reisse den Mund auf, um ihm etwas zuzurufen - was, ist mir in dem Moment nicht klar - als sich auf einmal auch die anderen Cranks in Bewegung setzen und dem Blonden nachstürmen. Anscheinend haben sie sein Gebrüll ebenfalls auf sich bezogen.
Mein Hirn schaltet langsamer als meine Beine, Adrenalin schießt wie brennendes Benzin in meine Venen und bringt mich an die Grenze meiner Schnelligkeit. Usain Bolt wäre vor Neid dunkelgrün geworden.
Meine Finger krallen sich in Newts Verband, wie ein Westerncowboy ramme ich die Fersen fest in den Boden, sodass meine Knie protestierend knacken. Nicht, dass ich erwartet hätte, ihn zum Stehen bringen, doch diese winzige Verzögerung reicht aus, dass einige der Cranks an uns vorbeisprinten.
Gleich zwei der Tentakelarme schießen aus dem undurchdringlichen Schwarz und schlingen sich um ihre Opfer; eines davon ist Ronald. Die Schreie der beiden hallen noch kurz durch die stillen Gassen, dann brechen sie attrupt ab. Die Mutation knurrt dumpf.
Ich lasse Newt wieder los, der jesoch nun ohne mein Zutun langsamer wird. Zuerst denke ich noch, er zögert, doch dann bemerke ich den wachsenden roten Fleck an seiner Bandage und beisse mir auf die Lippe. Sieht so aus, als hätte ich durch den Druck seine Wunde wieder zum Bluten gebracht. Ganz toll gemacht Alina.
Der erneute Blutverlust scheint sich als Schwindel bei ihm bemerkbar zu machen, mit schwindendem Gleichgewicht torkelt er vor mir her, sein Tempo fällt rasant ab. In meiner Hektik greife ich nach seinem Handgelenk und zerre ihn einfach hinter mir her. Es ist anstrengend, doch das Adrenalin ist stark genug. Ich hätte ihnimMoment vermutlich sogar auf Händen tragen können, doch zum Ausprobieren bleibt keine Zeit.
Um die Ecke.
Wir sind theoretischen jetzt genau vor der Mutation. Ein Junge, der schräg hinter mir läuft, wird von den Tentakeln in den Tod geschliffen.
Fünf Meter Entfernung.
Wie lange diese Arme wohl sind? Kürzer? Länger? Ersteres wäre mir lieber.
Zehn Meter.
So lange können sie doch unmöglich sein. Schreie, spitz und schrill, ertönen hinter uns, doch ich drehe mich nicht um. Ich will das nicht sehen. Ich will nur hier weg.
Fünfzehn Meter.
Nie im Leben sind die Tentakel so lange. Ich verringere das Tempo trotzdem nicht, auch wenn Newt hinter mir keucht und stöhnt. Er muss das jetzt durchhalten. Er muss einfach.
Zwanzig Meter.
Ich biege um die Ecke, hinaus auf die Hauptstraße. Keine Menschenseele ist hier, alles liegt wie ausgestorben vor uns. Newt hustet, doch ich zwinge mich, ihn nicht anzusehen, nicht loszulassen. Der metallische Gestank von Blut lässt darauf schließen, dass er Blut hochwürgt. Das muss ichmich nicht unbedingt reinziehen.
Ich schleppe ihn weiter, eile völlig planlos die Straße entlang, ohne Ziel vor Augen. ANGST würde mich früher oder später so und so finden - daran habe ich keine Zweifel - doch davor muss ich noch unbedingt Newt heilen. Um das und nichts anderes geht es mir gerade.
Als ich mir sicher bin, genug Abstand zwischen uns und der Mutation gebracht zu haben - wobei immer noch viel Luft nach oben wäre - zerre ich den taumelnden Newt in das nächstbeste Wohngebäude. Sicherheitshalber steige ich die wenigen Stiegen in den ersten Stock hinauf; dem Boden traue ich nicht ganz, man erinnere sich an die Brandwüste.
Während Newt nur schwach nach einem Glas lechzt, total ausgepowert von der Flucht, hege ich ganz andere Pläne. Zu meinem Glück funktioniert die Wasserversorgung immer noch, sofort quetsche ich den Hebel der Badewanne ins rechte Eck und drehe voll aus. Danach räume ich die Gefriertruhe aus und lege alles kalte - egal ob Gemüse, foliertes Fleisch oder einfach nur Eispackungen - ins Badewasser. Dinge wie Eiswürfel oder angefrohrener Schnee an den Truhenwänden dürfen natürlich auch nicht fehlen. Es ist die perfekte IceBuckedChallenge, nur eben im Liegen.
In einer Badewanne.
Und das für Minuten, wenn nicht Stunden.
Bin ich froh, keinen Brand zu haben...
"Newt!"
schreie ich gedämpft durch die kleine Wohnung, und finde ihn schließlich zusammengerollt auf der Couch. Er döst bereits, doch ich rüttel ihn eiskalt wach.
Er murmelt etwas Unverständliches und macht Anstalt, sich wieder hinzulegen, wird jedoch bestimmt am Arm gepackt und ins Bad geschoben. Anfangs ist er noch zu benommen, um etwas zu sagen, erst als ich ihn versuche in die Wanne zu drücken, wird er etwas wacher.
"Alina, was wird das?"
mault er mich an, in seinem Unterton kann ich die Aggression des Virus' kochen hören. Ich atme tief durch, um Ruhe zu bewahren, dann schiebe ich ihn langsam wieder Richtung Eiswasser.
"Die Heilung. Weißt du nicht mehr? Ich hab doch..."
"Das ist nur Klonk! Es gibt keine Heilung!"
"Wenn wir es nicht ausprobieren..."
"An deiner Stelle würde ich rennen, so lange ich noch halbwegs bei Verstand bin!"
"Newt, hör mir zu..."
"Lass mich in Frieden mit deinen falschen Hoffnungen. Geh lieber zu deinen ANGST-Kollegen, vielleicht interessiert die das."
"Jetzt halt mal eine Sekunde die Klappe und...!"
"Nichts da. Ich brauch das nicht."
Gereizt ziehe ich scharf die Luft ein. Warum stellt er sich denn so quer? Was ist denn das Problem dabei?
"Was hast du denn schon zu verlieren? Tu's einfach. Für mich."
Klingt das kitschig, igitt.
Aber irgendwie muss ich ihn in die Wanne bekommen.
Er setzt schon wieder zu einer patzigen Antwort an, deutlich sehe ich falsche Wut und Hass in seinen dunklen Augen lodern, ausgelöst vom Brand, der hartnäckig an seinem Hirn klebt.
Da kommt mir ein Gedanke; es ist gemein und absurd, doch es könnte funktionieren.
Ich trete einen kleinen Schrittauf ihn zu, stelle ich flink auf die Zehen und drücke Newt einen Kuss auf. Er ist nicht lange oder gar leidenschaftlich, doch er genügt, um Newts Gesichtszüge komplett entgleisen zu lassen. Seine blasse Haut färbt sich sofort rot und er starrt mich fast schon entsetzt an, als könne er nicht glauben, was ich gerade getan habe.
Irgendwie finde ich das süß. Newt ist das totale Gegenteil von Minho, der immer hart und unnahbar wirken will. Entweder kann er seine Gedanken und Gefühle nicht verbergen, oder es ist ihm egal, wenn ich ihm seine Verlegenheit deutlich ansehe. Sein Zorn ist wie weggeblasen, übrig geblieben ist ein kleiner, nervöser Junge, der vermutlich gerade von seinem ersten Schwarm geküsst worden ist. Die Sache auf der Lichtung und auf der Bowlingbahn rechne ich bewusst nicht ein.
"W...was ist mit Minho...?"
stottert er, total aus dem Konzept gebracht. Klischeehaft, wie es gerade verläuft, lege ich noch einen drauf und presse ihn mit einem leisen "Shh!" einen Finger auf die Lippen.
Ich fühle mich wie die ärgste Schlampe, doch es ist nur für Newts Gesundheit. Wirklich, nur deswegen.
"Vergiss die anderen einmal. Du musst das jetzt tun, Newt, eine andere Chance gibt es nicht. Lass sie dir nicht entgehen. Bitte, Newt."
Ich küsse ihn noch einmal, diesmal etwas länger. Doch bevor er seine Hände um mich legen kann, entferne ich mich wieder. Zu einer Knutscherei sollte es dann doch nicht ausarten.
Stumm sieht er mich an, total gefesselt von meinem Abbild. Unter seinem intensieven Blick wird mir heiß und ich deute drängend Richtung Eiswasser.
"Bitte, Newt."
Er blinzelt ein paar mal, dann nickt er langsam, wie in Trance.
"Okay."
Ich weiß nicht, wie lange er letztendlich in dieser puren Kälte gelegen hat, doch es hat gereicht, um ihn direkt danach Husten und Niesen zu lassen wie ein Allergiker.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich erwartet hatte; doch ich hätte nicht damit gerechnet, dass einfach gar nichts passiert.
Bis auf dass Newt nun einen hässlichen Schnupfen und Kopfweh hat, zeigt er keine Symptome der Heilung; aber auch keine vom Brand. Was natürlich Zufall sein könnte... Aber zum Aufgeben ist es noch zu Früh. Ich werde einfach warten, was der nächste Tag bringt.
Die Klimaanlage funktioniert leider nicht mehr so, wie sie sollte, weshalb die Wohnung durch die aggressive Hitze enorm aufgeheizt hat. Newt gönne ich diese kuschelige Wärme, doch ich selbst schwitze aus allen Poren, weshalb ich mich auf den winzigen Balkon setze. Darauf bedacht, von unten nicht gesehen zu werden, kauere ich mich am Rand des Geländers zusammen und schiele hinunter auf die leeren Straßen. Wie auch zuvor ist dort alles mucksmäuschenstill. Doch lange wird der Sonnenaufgang nicht mehr auf sich warten lassen; danach steht höchste Vorsicht auf dem Plan, um ja keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Leise Schritte nähern sich mir, doch ich drehe nicht den Kopf. Vermutlich ist es Newt, der sich doch zu mir gesellen möchte, vielleicht will er mich nach dem Kuss fragen. Aber was soll ich schon groß sagen? Es diente ja nur zur Überzeugung...
Der Schrei bleibt mir im Hals stecken, als sich eine behandschuhte Pranke um mein Genick legt, das kühle Metall eines Granatwerferlaufs drückt sich gegen meinen Hinterkopf.
"Ein Ton, und ich erschieße dich",
knurrt eine raue Stimme, stinkender Atem weht dabei zu mir nach vor. Ich schlucke schwer.
Egal wer - der Rechte Arm, ANGST, ein Crank oder die Polizei von Denver -; er scheint die Drohung todernst zu meinen.
Und wieder einmal ist mein Alkoholiker-Schutzengel im Vollrausch und lässt mich eiskalt sitzen.
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