[28] Du gehörst zu ANGST
Es mag gemein und herzlos klingen, doch ich verschwende nicht einen einzigen flüchtigen Gedanken an die Cranks, wo sie sich doch mit Herz und Seele an Newts Rettung beteiligt haben. Stattdessen mache ich am Stand kehrt und renne direkt auf den regungslosen Blonden zu, packe ihn grob an der unverletzten Schulter und rüttel ihn, als könnte dies den Virus aus ihn herausschütteln. Anfangs befürchte ich nich, Newt könnte in einer zu tiefen Bewusstlosigkeit schweben, als dass ich ihn auf so einfache Art und Weise wachbekomme, doch dann reisst er plötzlich die Augen weit auf, hustet unterdrückt auf und greift sich ächzend an die bandagierte Schulter. Ohne groß zu zögern fasse ich ihnunter die Achseln und zerre ihn, soweit es meine Kraft mir erlaubt, auf die Beine. Tatsächlich klappen ihm die Knie nicht unter der geringen Last zusammen, doch er schwankt stark und lehnt sein gesamtes Gewicht auf mich. Trotz dass er mager wie ein ubterernährter Straßenköter ist, wiegt er dennoch etwas zuviel für meine schwachen Muskeln. Mit aller Gewalt stemme ich mich gegen den Druck und versuche Newt so gut es geht aufrecht zu halten, an Fortbewegung wage ich noch nicht zu denken.
Als der Blonde nach mehreren Sekunden immer noch keinen Anstalt macht, das Tragen seiner menschlichen Überreste selbst zu übernehmen, lasse ich ihn gezwungener Maßen wieder zu Boden gleiten, wo er zwar wach, aber völlig weggetreten gegen die Wand sinkt und dort schwer atmend sitzen bleibt. Zweifelnd sehe ich auf ihn herab, durchforste mein schmerzendes Hirn krampfhaft nach einer rettenden Idee. Der gellende Schrei eines Kindes zerschneidet die schwüle Nachtluft wie Rasierklingen und lässt mir die Nackenhaare zu Berge stehen. Jetzt bloß nicht aus der Fassung bringen lassen Alina, denk an Newt! Denk nur an Newt!
Ein weiterer Schmerzensschrei zerfetzt die nächtliche Ruhe. Mittlerweile waren alle anwesenden Cranks auf den Beinen und stürmen verschreckt hin und her, doch keiner scheint die Gefahrenquelle zu identifizieren. Niemand hat sich bisher auf die Straße hinaus getraut, stattdessen drängt die Gruppe immer mehr in die Sackgasse hinein und droht somit jeden Fluchtweg für Newt und mich abzuschneiden. Wenn wir lange in diesem Loch sitzenbleiben, werden die Angreifer es leicht haben, uns der Reihe nach abzuschlachten, so unbewaffnet, verwundet und verschreckt, wie der Großteil der Truppe ist. Wir können uns hier nicht einmal die Kraft der Menge zunutze machen und alle auf einmal losstürmen, dazu stehen die Hausmauern schlicht und einfach zu dicht beieinander. Wer auch immer den Stadtplan entworfen hat, hat nie mit einberechnet, dass womöglich eine größere Ansammlung an Menschen hier herausrennen wird müssen. Schlechter Architekt.
Eine hohes, aggressives Knurren dringt durch das panische Getuschel und das kurzes Aufflackern eines gelblichen Lichtes in der gegenüber liegenden Gasse lässt alle verstummen. Die Nebenstraße liegt im Dunkeln, sodass ich nur schemenhafte Umrisse ausmachen kann, doch ich bin mir ganz sicher, gerade einen Schatten vorbei eilen gesehen zu haben. Angestrengt kneife ich die Augen zusammen und stiere in das undurchdringbare Schwarz, da flackert es wieder und erneut knurrt etwas, was mich stark an den Drohruf einer Katze erinnert. Nur viel, viel beängstigender.
Neben mir stöhnt Newt leise auf, seine Lider flackern einen Moment, ehe er sie auf Halbmast öffnet. Zum ersten Mal seit dem Schuss - so scheint es mir - sieht er mich richtig an. Seine Augen wirken trüb, wie durch einen Nebelschleier verdeckt, er scheint mich nicht zu erkennen, zumindest kann ich keine Reaktion an ihm feststellen. Starr blickt er mir ins Gesicht, ohne eine Regung zu zeigen, und ich blicke zurück, genauso stumm und regungslos wie er. Kurz überlege ich, ihn anzusprechen und damit zu riskieren, dass er mich wieder feindselig behandeln wird, doch ein hysterisches Kreischen reisst mich aus meinen Gedanken.
Keine zwei Meter von mir entfernt hängt der Junge, der Joshua noch vor kurzer Zeit so respektvoll den Arztkoffer überreichte, mit panisch verzerrtem Gesicht und verkrampftem Körper waagrecht in der Luft. Seine Hände werden von mehreren Leuten gehalten, Frauen wie auf Männer krallen sich in die dürren Arme des Kindes und versuchen ihn näher an die Gruppe heranzuziehen. Um das andere Ende, sprich die Füße des Jungen, wickelt sich etwas, was mich zum Aufstoßen bringt.
Ich kenne diese Schuppen, kenne diesen zum Ende hin immer dünner werdenden Leib, die Stacheln, die sich nur leicht vom wulstigen Körper abheben. Das Szenario des Jungen, der damals in der Wüste attackiert wurde, spielt sich in sekundenschnelle vor meinem inneren Auge ab und lässt mich erschaudern. Die winzigen Widerhaken bohren sich bereits in das wenige Fleisch seines Opfers, rote, zähe Flüssigkeit tropft unter dem unförmigen Leib der Mutation hervor. Das Kind schreit, spitz und lang, strampelt, doch kommt von seinem Verfolger nicht los. Stattdessen schlängelt sich immer mehr der wabernden Masse um den zarten Körper, so ähnlich wie ich es immer machte, wenn ich einen Holzast für meine Vögel mit Bastschnur umwickelte. Wie eine Spirale, gleichmäßig und lückenlos.
Als der Tentakel schließlich den Bauch erreicht und seine Dornen in die weiche Haut versenkt, entgleitet den Cranks das bereits Blut spukende Kind und die Mutation reisst sein Opfer mit Schwung nach hinten. Wie bei einem Peitschenschlag federt das Gewicht zurück und der röchelnde Junge wird mit voller Wucht auf den betonierte. Boden geschleudert. Es knackt ohrenbetäubend, der kleine Kopf fliegt nach hinten und ein kehliges Krächzen entweicht seinen aufgesprungenen Lippen, ein Schwall Blut folgt. Ich wünschte, er wäre jetzt tot, erlöst, befreir von seinen Qualen.
Ist er aber nicht.
Denn er schnauft noch, wimmert und bricht, noch während das Vieh ihn mit langsamen, gleichmäßigen Zügen zu sich in die Dunkelheit schleift. Kurz drauf knackt es wieder, ein widerliches Gurgeln dringt aus dem Nichts zu uns herüber, gefolgt von lautem Schmatzen. So gut es geht blende ich das abscheuliche Kopfkino aus und versuche mich auf das grundsätzliche Problem zu konzentrieren. Die Flucht.
Jetzt,
sage ich mir still.
Jetzt müssen wir laufen, alle zusammen! Dann haben wenigstens ein paar eine Chance.
Aber keiner rührt sich, und mein Puls ist viel zu hoch, als dass ich einen verständlichen Satz hätte bilden können. Bestimmt hätte eh niemand auf mich gehört. Auch wenn diese Leute nichts zuverlieren haben, scheinen sie nicht so risikobereit wie die Lichter.
Plötzlich schnappt Newt geräuschvoll nach Luft, sodass ich erschrocken zusammenzucke. Ich will mich zu ihm umwenden, doch er kommt mir zuvor, packt mich wie durch einen Adrenalinstoß getrieben hart an der Schulter und presst mich mit dem Gesicht voran gegen die Fassade. Einige Leute um mich herum schreien erschrocken auf, ich selbst ich bringe keinen Ton hervor. Alles was ich spüre sind Newts dünne Finger, die sich fest um meine Knöchel geschlossen haben, und mir meine Arme verdrehen.
"Du Miststück!",
faucht er mir ins Ohr, völlig vom Rausch des Viruses gepackt, und spuckt mir dabei auf den Hals. Ich schlucke schwer, meine Kehle ist immer noch wie zugeschnürt und lässt keinen Ton durchdringen.
"Du widerlicher Strunk! Ich werde dir deinen Hals zerfetzen, du..."
zischt er wutentbrannt, sein Griff verstärkt sich attrupt, ehe er im nächsten Moment plötzlich komplett verschwindet. Ruckartigwerde ich herumgewirbelt, und ehe ich die Situation realisiere, finde ich mich in einer innigen Umarmung wieder.
Was zur Hölle...?
"Ich kann das nicht mehr kontrollieren. Es soll aufhören, Alina! Bitte! Mach, das es aufhört!"
Newts plötzlicher Sinneswandel wirft mich total aus der Bahn. Hasst er mich jetzt doch nicht? Oder schon? Oder ist er nur verzweifelt genug, um den Hass gegen mich kurz zu vergessen?
Gerne hätte ich ihn gerade heraus gefragt, welche Einstellung er denn jetzt gegenüber mir hat, als die Dunkelheit wieder zum Leben erwacht und Gegenstände dumpf zu Boden fallen.
Diese Gegenstände stellen sich als Überreste des Monsterfutters heraus, bei dessen Anblick mein Magen letztendlich doch K.O. gibt und ich mich einfach an Ort und Stelle übergebe. Viel war sowieso nicht in meinem Magen, aber das bisschen hätte ich durchaus behalten können.
Das Knurren ertönt wieder, diesmal in Kombination mit einem leisen Zischen. Zuerst denke ich noch, mir das nur eingebildet haben, doch dann wiederholt es sich, immer und immer wieder, wie eine Mantra. An den entgleisten Gesichtszügen der Umstehenden - inklusive Newt - sehe ich auch, dass ich nicht die einzige mit Halluzinationen bin.
Die gezischten Laute formensich zu undeutlichen Buchstaben, Worten, Sätzen. Sie wiederholen sich, bohren sich in meinen Kopf, bereiten mir Schnappatmung.
Es erinnert mich an Mockingjay, dem letzten Buch der Hungergames-Triologie. Eine billige Nachmache, die trotz dessen ihre Wirkung zeigt.
Nur dass die Mutation statt 'Katniss' immer wieder 'Alina, du gehörst zu ANGST' flüstert.
Lol irgendwie entgleitet mir die Story gerade selbst. Ich hatte so meine Pläne, suche dann aber neue Wege, um die Story fortzusetzen, mit Wendungen die keiner erwartet (oder vielleicht doch idk xD) und überrasche mich am Ende selbst. Eigentlich wollte ich die Polizei von Denver kommen lassen, die bei den Cranks gehörig aufräumt... Aber ich hab die Mutationen vermisst :( Naja, hoffe es gefällt euch und das mit Newt ist nicht zu unrealistisch. Aber wenn er noch ein paar Kapitel überleben soll, um Drama aufzubauen, muss er irgendwie den Arsch hochkriegen xD
Tschüss :D
PS.:
Wie findet ihr das neue Cover? :3
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