27. *Facepalm*
Meine Hand bleibt die ganze Zeit über an seinem Rücken liegen; ich finde irgendwie nicht den passenden Zeitpunkt, sie von dort wegzunehmen. Oder vielleicht will ich auch garnicht...
Quatsch. Alles Quatsch.
◇◆◇◆◇◆◇◆
"So, der erste Teil ist schon mal geschafft"
murmel ich mehr zu mir selbst als zu Minho, und schleudere das blutbekleckste Tuch auf den Boden. Stattdessen greife ich nach dem Verband und rolle ihn mit einem Ruck eine Armlänge ab. Auf einer Seite ist er weich und polsternd, auf der anderen rau wie Krepppapier. Legt man weich und rau übereinander, kleben sie zusammen wie ein Reissverschluss, und sind auch genauso leicht wieder auseinander zu ziehen.
Unsicher betrachte ich die Wunde. Wenn ich sie halbwegs ordentlich verbinden will, werde ich wohl Minhos gesammten Oberkörper einpacken müssen. Ich trete näher an ihn heran, er hebt etwas die Arme, damit ich um ihn leichter herum greifen kann. Das Muss, ihn nicht am Rücken zu berühren und die Hemmung, auch seinen nackten Bauch nicht zu streifen, crashen dabei ziemlich aufeinander und schließlich überwinde ich mich und drücke meine Arme gegen seinen Körper, um Platz zu sparen. Seine Bauchmuskeln... oooch... warum muss der Idiot so gut gebaut sein? Jedenfalls, seine Bauchmuskeln sind selbst beim vorbeistreifen deutlich spührbar, mit jedem Atemzug hebt und senkt sich sein ganzer Körper und drückt sich dabei gegen meine Unterarme. Vorsichtig wickel ich den Verbandstreifen um ihn herum, bis ich ihn am anderen Ende wieder zu fassen bekomme - was gar nicht so leicht ist, Minho hat nämlich verdammt breite Schultern... - und lehne mich aufseuftzend wieder zurück. Der Asiate hustet leise, und ich brauche einen Moment um zu verstehen, dass er lacht.
Sagen tut er aber nichts dazu, weshalb ich nur die Augen verdrehe - auch wenn er es nicht sehen kann - und weiter meines Amtes walte. Nach einiger Zeit finde ich dann sogar ein halbwegs stabiles System, die Wunde zu verbinden, nur kommt jetzt wieder das Problem mit dem Herumwickeln. Wenn ich mich bei jedem Streifen so verrenken muss, stehe wir morgen noch so da.
"Kannst du das bitte einfach rüberreichen? Danke?"
murmel ich leise und halte Minho von hinten nach vorne das Verbandsende hin. Er macht jedoch keine Anstalt, es entgegen zu nehmen.
"Hallo? Wirds dann mal was?"
frage ich ungeduldig, höre mich aber immer noch piepsig und unsicher an.
Der Asiate lacht leise auf.
"Warum? War doch ganz nett vorher."
Fast hätte ich ihn nicht verstanden, so sehr nuschelt er; aber nur fast.
Sprachlos starre ich seinen schwarzen Schopf an. Das ist jetzt aber nicht sein Ernst, oder?
Langsam, ganz langsam gehe ich um Minho herum, bis ich vor ihm stehe, und funkel ihn möglichst bedrohlich an.
"Was ist dein Problem?"
fauche ich leise, die Wut nur schwer unterdrückend. Verwirrt blinzelt er mich an.
"Och, willst du etwa deinem Newt holde bleiben?"
spöttelt er, seine Augen reden jedoch nicht mit. Sie huschen kaum merkbar hin und her, als wäre er... nervös.
Abwartend sehe ich ihn an. Er weiß genau, was ich meine, warum also sollte ich es ihn extra fragen? Aber natürlich spielt er nicht mit, sondern stellt sich weiterhin dumm.
"Ach nein, warte, tut mir leid. Clint ist ja auch noch da. Gleich zwei Jungs an einem Tag, findest du das nicht etwas... zu viel?"
meint er jetzt schon fast schon etwas feindseelig und sein Kiefer mahlt angestrengt hin und her. Ich sage immer noch nichts.
Als er erneut Luft holt, um weiterzusprechen, hebe ich die Hand und deute stumm zur Türe.
"Geh Minho. Du bist einfach zu dumm dazu."
Meine Stimme klingt überraschend ruhig und fest, als würde ich einem Kindergartenkind das Du-bist-zu-jung-Dazu vorbeten. In gewisser Maßen tue ich das ja auch, nur halt mit einem... großen Kind.
Einen Moment lang starrt mich Minho wortlos an - fast glaube ich schon, das er sich entschuldigen will - doch dann greift er nach seinem Shirt, zieht es sich über die unverbundene Wunde und stapft knurrend aus dem Raum. Sprachlos sehe ich ihn hinterher. Das kann doch nicht...
Dann fange ich mich wieder und lasse die Handfläche gegen meine Stirn knallen.
"Männer!"
murre ich leise, sammel den abgewickelten Verband auf und werfe es neben dem Tuch auf den Boden. Strunk. Strunk Strunk Strunk.
"Oje?"
kommt es leise aus dem Badezimmer und Teresa steckt den Kopf aus der Türe.
"Was ist denn passiert?"
fragt sie leise, als hätte ich gerade eine Ehekrise hinter mir, und blinzelt mich mitleidig an. Ich vergrabe darauf den Kopf nur stöhnend in das nächste Kissen.
Ich will jetzt echt nicht über diesen Kerl diskutieren. Teresa scheint das auch zu merken, denn sie lässt nach kurzem Schultern tätscheln von mir ab und mummelt sich ebenfalls in ihrem Bett ein. Mir kommt die Erinnerung an das, was als nächstes geschehen wird, unvermittelt wieder hoch. Soll ich sie warnen?
Hm...
Teresa?
frage ich leise in die Stille hinein.
Ja?
Schreck dich nicht. Sag das auch Thomas, er solls den anderen sagen. Schreckt euch nicht. Es wird etwas passieren, aber jeder wird überleben.
Ich spühre die Verwirrung ihres Geistes, doch sie fragt nicht nach.
Ohne ein weiteres Wort rolle ich mich zusammen und ziehe mir die Decke über den Kopf.
Ich schlafe erstaunlich gut, wenn man von den paar Albträumen absieht, die großteil mit Leichen und Halbzombies ausgeschmückt sind.
Ich schlafe, bis... ja, bis Thomas und Teresa zu tratschen anfangen. Und merkwürdiger Weise kann ich die beiden belauschen, wie in einem Gruppenchat.
...weiß auch nicht. Stopf ihm doch ein Tuch ins Maul.
schallt Teresas klares Stimmchen gerade in meinem Kopf, worauf ein warmes Lachen von Thomas folgt.
Nach dem Streit mit Alina war er total aufgekratzt. Ich wette er hätte Clint und Newt gerne verprügelt, so wie er die beiden angefaucht hat.
Meine Alarmglocken gehen an. Es geht um Minho... und mich?
Echt? Ich sags ja. Er steht auf sie.
höre ich Teresa triumphieren. Was? Ist die dumm? Mir juckt es den Fingern mich einzumischen und zu widersprechen, aber... nein. Ich lausche lieber weiter als Unknown User.
Eben. Wenn Newt das eher gewusst hätte, hätte er sie wahrscheinlich nie geküsst.
Ja, kann sein. Aber mögen tut er sie ja auch?
Ja, aber nicht... so. Sagt er zumindest.
Sagt Minho auch.
Was weiß ich. Frag die beiden doch selbst aus.
Als ob... als ob... als ob...
Und was ist mit Clint?
kommt es leise von Thomas.
Keine Ahnung. Die zwei wirken wie Geschwister.
Wenigstens schließen sie dieses Pairing aus. Schon mal etwas.
GUTEN ABEND
mache ich mich letztendlich doch bemerkbar und sofort herrscht erschrockenes Schweigen in diesem... Kopf... Gruppen... Chat... whatever.
Alina??
japst Teresa irgendwann kleinlaut auf.
Seit wann bist du denn wach?
Ich überlege. Soll ich ihnen die Wahrheit sagen?
Lange genug.
gebe ich zurück und wälze mich körperlich auf die andere Seite, kuschel mich mehr an mein Kissen.
Ou.
höre ich von beiden, dann ist es wieder still.
Geht schlafen Leute. Das wird noch anstrengend werden morgen.
flüstere ich müde und klinke mich aus. Wie ich das mache, weiß ich nicht, jedenfalls höre ich keine Stimmen mehr, keinen Abschied oder sonstiges. Ich vergrabe das Gesicht in den Polster und versuche an nichts bestimmtes zu denken, doch inmer wieder schweifen meine Gedanken ab.
"Er steht auf sie."
Nur mal rein theoretisch, ohne jegliche Annahme zur Praxis... Was wäre, wenn wirklich...? Ich kann nicht leugnen, dass mich diese Vorstellung irgendwie schmeichelt, wenn sich sogar erfreut. Nagut, kann sein, dass ich auch auf Minho stehe, aber auf jemanden stehen ist ja etwas ganz was anderes, als wirklich verliebt zu sein. Oder?
...oder???
Ein weiblicher Schrei reisst mich etwas später aus meinem Dämmerschlaf, aus dem ich jedoch nicht ganz zu erwachen schaffe. Es ist, als würde ich versuchen einzuschlafen, nur umgekehrt: So krampfhafter ich versuche wach zu werden, umso mehr drifte ich davon ab. Aber gut, ich weiß ja sowieso, was passiert.
Sie bringen Teresa weg. Leider.
Ich hätte es schwer bis garnicht verhindern können, außerdem passiert ihr ja nichts. Nur am Ende dann... muss ich aufpassen.
Unruhig wälze ich mich hin und her, ich höre dumpf Thomas Stimme, die Teresas Namen ruft. Gerumpel und keuchende Atemzüge schallen durch die Mauer aus Nebel und dicker Watte, dann wird es schlagartig still.
Ruckartig reisse ich meine Augen auf und sehe mich gehetzt um. Als erstes bemerke ich Aris; pew, okay, ich bin also wirklich noch in Gruppe A. Der Junge sieht mich schräg an, mustert mich skeptisch.
"Wer bist du?"
fragt er misstrausich und ich muss spontan lächeln.
"Alina. Ich... also, da gibt es einiges zu erzählen."
Und dann rattere ich ihm hastig die Kurzform von dem herunter, was er wissen muss. Dass ich von einer anderen Welt komme und den ganzen Dreck, das lasse ich einmal vorerst weg.
Er scheint schon geschockt genug darüber zu sein, dass es ein weiteres Labyrinth gab, da muss ich ihn nicht auch gleich mit diesem Zeug volllabern.
"Ich verzieh mich dann mal kurz ins Bad."
murmel ich, als mir seine vielen Fragen, die er mir gegen den Kopf wirft, langsam auf die Nerven gehen und eile beinahe schon ins Badezimmer. Dort sperre ich erst einmal ab und stelle mich vor den Spiegel. Meine blauen Haare sind verstrubbelt und abgestumpft, das ehemals kräftige Türkis verblasst bereits zu einem grünlichen Ton. An manchen Stellen sieht man sogar meine orginalen blonden Locken hervorschimmern.
Ansonsten sehe ich eigentlich aus wie immer, nicht irgendwie besonderes. Vielleicht nur etwas müder und ausgelaugter als sonst.
Langsam ziehe ich mich aus und steige in die Dusche. Das warme Wasser prasselt angenehm auf Haut und Kopf und färbt sich zu meinen Füßen blau, durch die Haare. Ich nehme eine der scharf riechenden Shampoos, die hier herumstehen, und walke mir kräftig durch die zerzauste Mähne, bis der Schaum die verschiedensten Blautöne angenommen hat und schimmert wie das Meer. Dank der Bürste und der Gummibänder von Angst sind es nicht mehr ganz so arge Knoten, die ich mit Weichspühler hinausbürsten muss, trotzdem brauche ich eine Weile, bis ich die ganze Wolle gebändigt und ausgespühlt habe. Ich steige triefend aus der kleinen Kabiene, greife nach einem Handtuch, wickel mich ungeschickt darin ein und werfe wieder einen kurzen Blick in den Spiegel.
Zuerst fällt mir nichts besonderes auf. Wirklich nicht, nur, dass ich irgendwie... komisch aussehe. Aber dann... boom!
Was ist mit meinen Haaren?!? Anscheinend sind die Waschmittel hier genauso chemisch wie sie riechen, denn von meiner ursprünglichen Färbung ist außer ein paar blauen Spitzen und schimmernde Strähnchen nichts mehr vorhanden. Stattdessen dürfte es irgendwie zur Kollision zwischen Farbpartikel und Waschmittel gekommen sein, denn nun schimmern meine Haare in einem fast frühlungshaften Grünton, ich sehe aus als hätte ich frisch gemähtes Gras am Kopf. Gosh, was mache ich denn jetzt? Auswaschen geht ja schlecht, sonst wird die Farbe mit diesem merkwürdigen Waschmittel noch intensiever.
Murrend über diesen Fehlschlag, trockne ich mich schnell ab und beginne, mir schlecht gelaunt die feuchten Grasbüschel zu föhnen. Sogar einen Föhn haben sie mir hier hergebracht, die lieben ANGST-Leute. Wirklich, wirklich nett von ihnen... schade, das man Sarkasmus nicht lesen kann.
Gerade als ich mich mir die Hose zuknöpfe, bricht im Zimmer Krawall los. Aha, die Jungs haben es also hier rein geschafft. Bravo.
Hastig wuschel ich mir noch einmal durchs Haar, dann stürme ich eilig ins Schlafzimmer zurück.
Hallo.
Tschüss.
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