[26] Bitte, Newt. Bitte.
Alina P.O.V.
Das Mädchen mir gegenüber sieht übermüdet und innerlich gebrochen aus. Ihre Augen sind rot, als hätte sie stundenlang nur geheult, die Augenringe bekommen bereits ein Doppelkinn und lassen die zugeschwollenen Glupscher noch kleiner aussehen. Ein ungesunder Rotton von sonnenverbrannter Haut leuchtet mir wie eine Ampel an ihren Wangen entgegen, aufgerissene Lippen, die krampfhaft zu einem Lächeln verzogen werden, bilden das Sahnehäubchen auf dem kläglichen Anblick. Ihr Haar ist farblos; einfach nur stumpf und von der Sonne verbrannt, doch nun klebt es ihr in langen, dicken Strähnen nasskalt im Nacken.
Schniefend wende ich mich von dem zerbrochenen Spiegel ab und starre dagegen das Wasser an, welches als braun-blaue Masse zäh hin und her schwappt. In diesem Sud habe ich die letzten - ungelogen - 3 Stunden gelegen, habe mir die Haare gewaschen und die Haut abgeschrubbt. Dabei ließ ich mir die letzten Stunden immer wieder Revue passieren, wie ein Lied,dass auf Dauerschleife geschalten ist.
Ich war eine halbe Ewigkeit durch die Halbwüste gelaufen, bis ich schließlich eine Mitfahrgelegenheit nach Denver gefunden habe. Die Leute haben mich aber gut eine Stunde Fußmarsch entfernt von der Stadt rausgeschmissen, als sie die Rauchwolken bemerkten und die Alarmsirenen hörten. Also war ich gelaufen, schweißdurchtränkt in der prallen Sonne, was meine Haut dazu veranlasste, sich nun in Fetzen zu verabschieden.
Danach habe ich das erstbeste getan, was mir eingefallen war. Ich hab das nächste Geschäft geplündert; in die Stadt hineinzukommen war nicht schwer gewesen, da alle Sicherheitsleute sich anscheinend getrollt hatten. Insgesamt hatten sich alle Menschen hier verkrochen, zumindest habe ich keine Seele auf den Straßen getroffen. Es herrschte komplett tote Hose.
Meine Hand gleitet in die trübe Suppe, bis ich die Kette des Stoppels zu fassen bekomme und anziehe. Stumm stehe ich, nur in ein Handtuch gehüllt, in dem kleinen Bad der Drei-Zimmer-Wohnung und beobachte das Waschwasser, wie es zum Schluss als kleiner Tornado in den Abfluss verschwindet.
Ich hatte nicht nur Essen gefunden, sondern auch jede Menge Hygieneartikel. Salben für meine Haut, Shampoo, Medikamente; und zur Aufmunterung eines wirklich beschissenen Tages, Farbe. Haarfarbe. Tatsächlich hatten die hier so etwas, in einer trostlosen Zeit wie diese.
Ich entschied mich nicht für blau oder grün, denn diese Farben verband ich mit dem Labyrinth und der Brandwüste. Mehr als jemals zuvor wollte ich eine Veränderung, und so wurden es erstmals warme Farben. Gelb und Orange, wie die Sonne.
Man könnte durchaus meinen, ich ginge die ganze Sache mit viel Ironie an und färbe mir nun die Haare passend zur Umweltkatastrophe. Dem ist nicht so. Die selben Farben tragen auch die Federn meiner heißgeliebten Papageien, und ihnen - und nichts anderem - möchte ich diese Veränderng widmen. Einem Stückchen Heimat.
Ich war noch ganze Weile durch die leere Stadt gelaufen, war großräumig laut schreienden Crankhorden ausgewichen und hatte mich schließlich in einem noch halbwegs intaktem Wohngebäude verbarrikadiert. Wie durch ein Wunder funktionierten die Wasserleitungen noch perfekt, also nutzte ich die Gelegenheit, und befreite mich von all dem Dreck der letzten Tage. Ich rasierte mich sogar, was nach wochenlangem Nichtstun nicht so einfach war, und wusch mir die vor Fett schon steifen Haare. Nicht einmal. Nicht zweimal.
Zu oft, zu zählen. Viel zu oft.
Es ist ein befreiendes Gefühl, auch wenn meine Haut aussieht wie die eines gekochten Hummers. Die Bodylotion kühlt die zerrissenen Reste meiner Körperoberfläche, und das erste Mal nach sehr sehr langer Zeit fühle ich mich endlich wieder komplett sauber.
Einwenig nervös greife ich nach den kleinen Plastikdosen und schraube sie vorsichtig auf. Der bunte Glibber mit seiner kräftigen Duftnote quillt mir entgegen, und ich muss an die vielen Nachmittage denken, an denen meine Mutte mit Engelsgeduld mir dieses Zeug in die Haare geschmiert hat. Da ich keine Handschuhe habe, massiere ich mir die Farbe mit bloßen Handen ins Haar, dabei kümmere ich mich nicht um Farbkleckse auf Fließen und Wand. Das schleimige Gel schmatzt zwischen meinen Finger, zäh wie die Spucke eines Grievers quillt es an allen Öffnungen hervor und lässt mich leicht aufstoßen. Allerdings hat es auch etwas Entspannendes, den Duft von purer Chemie einzuatmen und den kalten Schleim an der Kopfhaut zu spüren. Es ist gewohnt, wie ich es damals auch bei mir zu Hause gewohnt war, und diese Normalität versetzt mich für eine kurze Zeit in trügerische Sorgenlosigkeit. Für eine Weile scheint alles wieder ein wenig ungefährlich und friedlich, als wäre The Maze Runner nur ein Buch.
Als wäre ich nur eine Leserin.
Als wäre Der Brand nur ein großes Feuer.
Nichts, worüber man sich den Kopf zerbrechen musste.
Natürlich bleibt mir nichts anderes übrig, als mich aus dieser Traumwelt zu reissen, indem ich mir die Haare mit eiskaltem Wasser wieder ausspühle. Mein Hirn droht mir schon stechende Kopfschmerzen an, trotzdem bleibe ich bei der Temperaturen und wasche mir unter schmerzender Kälte erneut die Haare. Ich will gar nicht wissen, wie oft ich meine einst so gesunde Mähne heute schon durchgewalkt habe. Als einzige Definition habe ich das anfangs orginalverschlossene Haarshampoo, dass nun komplett entleert in der Ecke steht.
Das beissende Eiswasser erinnert mich an Newt. Vielleicht reicht dieser kurze Prozess sogar aus, um einen Brand zu heilen. Ob es wohl bei mir etwas bringt? Momentan bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich nicht doch immun bin. Immerhin hätte ich dann schon längst irgendwelche Anzeichen haben müssen... Oder? Ganz will ich mich auf diese These nicht verlassen, aber es liegt nahe. Immerhin schlägt der Virus bei Newt schon mehr als nur deutlich durch, ich dagegen werde statt aggressiver immer kraftloser. Und dass nicht wegen der Krankheit, sondern schlicht und einfach aufgrund der Geschehnisse.
Dass Minho und die anderen mich wieder zurückgelassen haben, hat mir einen starken Knick gegeben. Trotzdem will ich weiterhin versuchen, sie von meiner Unschuld zu überzeugen. Ich kann nicht zulassen, dass ANGST diese Freundschaft einfach vernichtet, denn dann hätten sie gewonnen. Das will ich ihnen nicht gönnen.
Ich schlüpfe in das lockere, seidenweiche, und vor allem saubere Gewand, das ich ebenfalls auf meinem Beutezug ergattert habe, und werfe mich einfach aufs Bett. Die Wohnung ist klein, aber gemütlich eingerichtet und sehr ordentlich. Der Mieter muss eine Vorliebe für Origami gehabt haben, überall hängen, stehen und kleben kleine Figuren aus Papier, ob selbst gemacht oder gekauft, vermag ich nicht zu sagen. Auch fällt mir das viele Bambusdesign der Möbel auf, die kunstvollen Bemalungen der Vasen und ein exotischer Strohhut, der an die Wand gehängt wurde. Man könnte nun oberflächlich behaupten, hier wohnte bestimmt ein Asiate, doch dies würde einen als Rassist darstellen. Tatsache ist jedoch, dass ich bei diesem Gedanken auf Minho komme.
Auch wenn ich im Berk sehr kritisch über uns gegrübelt habe, muss ich nun doch eingestehen, dass ich ihn vermisse. Auch wenn es nur ein sarkastischer Spruch wäre, es täte gut, jetzt eine Äußerung von ihm zu hören, die nicht absolut feindlich mir gegenüber ist. Hasst er mich? Oder will er das nur, und ist einfach nur enttäuscht? Dass Minho mir den Tod oder dergleichen wünscht, gehört definitiv nicht zu meiner Wunschliste.
Ich möchte nicht über gutaussehende Asiaten nachdenken. Allgemein will ich nicht über Liebeszeugs nachdenken, aber ich tue es trotzdem. Gegen all meinen Hass zu Klischee und Kitsch, schwärme ich in Gedanken trotzdem von der Wiedervereiningung der ganzen Truppe, wie ich Minho um den Hals falle, vielleicht sogar küsse, und danach gleich Newt umarme. Newt, der mir sagt, dass er gar nicht in mich verliebt ist und dies alles nur im Raschzustand des Brandvirus herausgerutscht ist, denn einen Freund als heimlichen Verehrer zu haben ist mehr als eine unangenehme Vorstellung für mich.
Ich verdrehe jeglichen Sinn, um mir das perfekte Ende für meine Geschichte zu erträumen, während ich langsam aber sicher in den Schlaf abdrifte.
Ich werde geweckt, und das am späten Nachmittag. Den gesamten Tag über habe ich friedlich in meiner verbarrikadierten Wohnung geschlummert, doch nun kracht und rummst es draußen, als würden gerade mehrere Autos gegeneinander fahren. Schreie dringen dumpf durch das verstellte Fenster, und eine schrille Autosirene geht los. Jegliche Müdigkeit weicht aus meinem Körper, hastig werfe ich die Decke zurück und schnappe mir meinen provisorisch zusammengeknoteten Rucksack, bestehend auf mehreren Bettlaken und zwei Gürtelriemen als Träger. Vorsichtig, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, öffne ich die Fensterflügel und lugge hinaus. Auf der Straße unter mir ist niemand, doch der Lärm hält weiterhin an. Vermutlich tobt das Chaos gleich um die Ecke, dort war auch ein kleiner Kreisverkehr, soweit ich mich erinnern kann. Und lange wird es nicht dauern, bis sich die Störenfriede auch in meinen Kreisenbreit gemacht haben werden, weshalb ich beschließe, schleunigst das Weite zu suchen.
Immer zwei Stufen auf einmal nehmend stürme ich das Treppenhaus hinab, vor der Eingangstüre bremse ich dann jedoch wieder und sehe mich erneut um. Niemand zu sehen, aber das wahnsinnige Gebrüll ist nun deutlicher zu hören. Das Knurrenund Rattern mehrerer Motoren erfüllt die Luft, und nun kann ich auch die ungefähre Richtung erahnen. Entschlossen drehe ich der Gefahr den Rücken zu, auch wenn sie eigentlich auf meinem geplanten Weg liegt, da schallt plötzlich ein wütendes Geschrei zu mir herüber. Nicht, dass es sich besonders vom Rest des Krachs unterscheiden würde, es sind viel mehr die Worte, die mich hellhörig werden lassen.
"Kannst du mir nicht einen letzten, lausigen Gefallen tun? Musst du wieder den Helden spielen?"
Diese Sätze kenne ich. Und nach kurzem Überlegen fällt mir auch auf, dass die Zeit passen würde. Ein mulmiges Gefühl breitet sich in meiner Magengegend aus.
"Ich hasse dich! Ich habe dich von Anfang an gehasst!"
Das darfdoch nicht wahr sein. Ist es Zufall oder Schicksal? Oder in diesem Fall sogar... Glück?
Geduckt schleiche ich auf die Kurve zu, hinter der ich das Chaos vermute. Sofort fällt mir die Horde sich prügelnder Cranks auf, die schlingernden Wägen, welche haarscharf an der Menschenmasse vorbeibrausen, und der Transporter, der mit geöffneter Seitentür mitten auf der Straße steht. Ein Mann sitzt halb herausgelehnt auf der Kante des Autositzes, einen Granatwerfer im Anschlag, die andere Hand unruhig ins Lenkrad gekrallt. Er wirkt alles andere als erfreut über die Situation.
Lawrence, schießt der Name mir durch den Kopf. Genau. Einer der Kidnapper, der unter anderem auch Minho und die anderen, aber auch Teresa und Co gefangen hat. Sie haben es geschafft, die Kidnapper zu überrumpeln und ihnen ein Geständnis zu entlocken, dass sie beim Rechten Arm arbeiten. Und danach waren Brenda und Thomas mit Lawrence zum Boss gefahren... Wie hieß er noch gleich? Vince? Genau. Und danach...
"Halt's Maul! Ich hab dir vertraut! Jetzt mach!"
"Ich kann das nicht."
"Mach!"
"Ich kann nicht!"
Mein Blick fährt herum. Verdammt sei meine Grübelei, besonders in dieser Situation.
"Tu es, bevor ich einer von denen werde!"
Newt kniet auf Thomas, die Pistole in der Hand des Braunhaarigen zittert. Krampfhaft hält der ehemalige zweite Anführer der Lichter die Waffe gegen sich gerichtet, sein Brustkorb hebt und senkt sich hektisch. Sogar aus dieser Entfernung von mindestens 20 Metern kann ich seine irre Grimasse sehen, die er zieht, während er Thomas mehr ins gesicht spuckt als ihn anschreit.
"Ich..."
"TÖTE MICH!"
Die zwei Worte sind so voller Hass, dass es mir die Nackenhaare aufstellt, obwohl ich gar nicht gemeint bin.
Ein Ruck geht durch meinen Körper, der Rucksack gleitet von meiner Schulter und ich laufe, laufe einfach quer über die Straße, ohne auf mein Umfeld zu achten. Die Erinnerungen steigen in mir hoch, die Erinnerungen an den Film, den ich gesehen habe, bevor ich in dieser Welt gelandet bin. An diese eine grauenvolle Szene.
Ich bin unterernährt, schwach und obendrein viel kleiner als er, doch Newts Körper ist sogar noch ausgelaugter. Der Widerstand ist hart und knochig, als ich mit vollem Karacho dagegenspringe, seine spitzen Schulterblätter stechen mir beim Fall in den Bauch und lassen mich nach Luft schnappen. Ich überschlage mich zweimal, ehe ich wieder Halt finde, und mein Blick schießt sofort zu Thomas.
Er sieht mich gar nicht an, sondern Newt, der wie ein wildest Tier hochhetzt und seinen Rivalen fokusiert, die Zähne gebleckt, der Geifer rinnt ihn als schaumiger Speichelvon der Unterlippe. Sein irrer Blick liegt auf mir, kurz scheint er mich nicht zu erkennen,doch dann klart sein Blick plötzlich auf und Verblüffung macht sich darin breit. Meine Stimme rau und kratzig, als ich spreche.
"Bitte, Newt. Bitte. Bitte nicht..."
Ich wähle bewusst diese Worte. Einfach, weil sie Newt wahrscheinlich gerade auf der Zunge gelegen sind,als ich ihn weggestoßen habe. Seine starren Augen bohren sich in die Meinen, er scheint zu überlegen, wie er mit dieser Situation umgehen soll. Einen Moment kommt in mir sogar ein Funken Hoffnung auf, dass er sich beruhigen wird, dass er merken wird, was er gerade getan hat. Ich vergesse glatt zu Atmen, so angespannt bin ich, so sehr fürchte ich mir vor seiner Reaktion.
Doch Newt gibt keine Reaktion mehr. Er war zu langsam. Stattdessen ertönt drei Meter neben mir der ohrenbetäubende Knall einer Pistole, Newts linke Schulter wird ruckartig nach hinten gerissen und er fliegt rücklings zu Boden.
Der Schrei bleibt mir im Hals stecken, dafür brüllt Thomas auf. Er ruft mehrere Male Newts Namen, doch der Blonde rührt sich nicht, bleibt regungslos am Boden liegen. Aus dem Augenwinkel sehe ich Thomas aufspringen, sehe wie er kehrt macht und zum Transporter rennt. Die Türe knallt, der Motor heult auf und sofort quietschen die Reifen über den Asphalt.
Und ich sitze einfach nur unbewegt da, und starre Newts verkrampfen Körper an.
Dadadadaaaaaam.
Eigentlich hatte ich was anderes für diese Szene geplant, doch es hat sich so ergeben. Tötet mich nicht! Bitte ;-; wenn ihr genau lest,könnt ihr auch ein paar sehr gute Hinweise auf meine Pläne schließen für den weiteren Verlauf hehe.
Tschühüss :D
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