24. Unsterblich?
Die Arme weit von mir gestreckt, werfe ich mich vor Chuck, als just in diesem Moment der Greifarm hinabgeschossen kommt.
◇◆◇◆◇◆◇◆
Bin ich jetzt tot? Oder nur ohnmächtig? Oder... nein, warte, ich höre noch Schreie. Kreischen, Knurren, Klirren, alles was ich zuvor noch gehört habe, nur leiser, verzerrter, wie in Slow Motion. Jemand sagt meinen Namen, immer und immer wieder.
Langsam öffne ich die Augen.
Ich stehe immer noch.
Ich stehe. Auf beiden Beinen.
Mein Blick gleitet langsam an meinen Körper herunter, bleibt an dem Stachel des Griewers hängen. Ein Millimeter; mehr ist da nicht mehr zwischen der Spitze der Nadel und meinem Bauch. Ein verdammter Millimeter. Und das Monster hat einfach gestoppt. Rührt sich nichtmehr, als wäre es ausgeschaltet worden. Hat Thomas etwa schon den Code eingegeben?
Wie in Zeitlupentempo dreht sich mein Kopf zur Seite. Nein, die anderen Griewer funktionieren noch. Warum... warum der hier nicht? Was ist hier los?
Jemand schüttelt mich, schreit mir meinen Namen ins Ohr. Danke, ich weiß, wie ich heiße. Aber merkwürdig ist es schon, dass die Stimme so gedämpft und hallend klingt, als stünde die Person am anderen Ende eines großen, leeren Saals. Sehr, sehr merkwürdig. Vielleicht ist es der Schock, vielleicht bin ich aber auch einfach am verrecken und checke es nur nicht.
Aber der Griewer hat mich doch garnicht erwischt! Wieder gleitet mein Blick zu dem Stachel, der sich nicht von der Stelle gerührt hat. Was geht hier eigentlich ab? Warum sticht er mich nicht?
Das Blut beginnt langsam wieder durch meinen Körper zu fließen, nachdem es vor Schreck in meinen Adern gefroren ist. Mehr und mehr bekomme ich das Gefühl in meine taube Muskeln, und nun spühre ich es endlich: das Vibrieren. Nur eine zarte Bewegung, wie die einer elektrischen Zahnbürste. Kaum wahrnehmbar, und trotzdem vorhanden.
Dieses Vibrieren ist nur an meiner Magengegend vorhanden, genau dort, wo der Griewer mich stechen hätte sollen. Ich brauche eine kurze Weile, bis die verrosteten Zahnräder in meinem Hirn sich in Gang setzen, die Spinnweben zerreissen und mich verstehen lassen.
Das Gewand vibriert.
Der Griewer stoppt.
Sie werden alles daran setzen, dass du am Leben bleibst.
Das hat Teresa gesagt. Und sie hat recht gehabt.
Aber kann das wirklich sein? Dass ANGST mir Sachen schickt, die mich auf wundersame Weise vor den Griewern schützen? Dass es technisch möglich ist, daran zweifel ich nicht - ich meine nur, der Flat Trans, das riesige Labyrinth und die Griewer selbst sind da Beweis genug... - aber würden sie das wirklich tun? Was wollen sie überhaupt von mir?? Ich kann ihnen ja nicht mal sagen wie sie das Heilmittel finden können...
Quietschend kommt wieder Leben in den Griewer. Der Greifarm zieht sich langsam zurück, dann faucht er mich an und dreht sich von mir weg. Wieder werde ich gerüttelt, und diesmal erkenne ich auch Chucks Stimme, die mir weiterhin panisch ins Ohr kreischt. Die Situation dringt wieder zu meinem Bewusstsein durch und ich sehe mich hektisch nach Thomas um. Verdammt! Ist er schon im Griewerloch? Oder ist er sogar... tot? Nein, das darf nicht sein! Ich schüttel Chucks Hände ab und suche weiterhin die tobende Menge nach dem Läufer ab, kann ihn aber nirgendsentdecken. Genauso wie Teresa. Sind die beiden ins Loch? Tippen sie gerade den Code ein? Ach bitte, bitte, bitte lass es so sein!
Neben mir wird ein Junge - Adam - gepackt, er schreit und schlägt auf den Greifarm ein. Fast schon automatisch ziehe ich ein Messer aus meinem Gürtel und ramme es in das Kabelwerk des Ungeheuers, das daraufhin aufkreischt, mich aber nicht anzugreifen versucht.
Ein leichtes Kribbeln fährt über meine Haut, als der Anzug wie ein Massagesessel am ganzen Körper zu vibrieren beginnt.
Erneut hole ich aus, treffe die Schnalle des Stachels. Ohne groß zu überlegen benutze ich das Messer als Hebel und breche die Kapsel vom Arm - der Griewer wehrt sich weiterhin nicht, lässt mich ungerührt machen - und ramme das Teil, wie damals, im Labyrinth, in die schwammige Haut der Kreatur.
Der Griewer heult auf, die Haut verfärbt sich grau und ein Knistern erfüllt die Luft. Kurzschluss, sag ich doch.
Adam purtzelt aus den Fängen, rappelt sich aber gleich wieder auf und sieht sich hastig um.
"Danke!"
japst er, der Schock steht ihm immer noch ins Gesicht geschrieben. Ich will ihn schon antworten, da ertönt wieder der Laut einer mir bekannten Stimme.
Clint drückt sich einige Meter von mir entfernt gegen die Steinmauer, den Speer verteidigend erhoben. Gleich zwei der Maschienentiere versuchen ihn mit ihren Stacheln zu pieksen, er weicht jedoch tapfer aus und sticht nach den wabbeligen Laibern.
Sie werden alles daran setzen, dass du am Leben bleibst.
Na mal sehen, was ANGST unter alles versteht...
Mit einem fiesen Grinsen laufe ich auf Clint zu und stelle mich, wie schon bei Chuck, breitbeinig vor ihm hin. Das Vibrieren wird stärker, ich kann den entsetzten Aufschrei des Sanis hinter mir hören; dann sausen die Greifarme an mir vorbei und bohren sich links und recht neben mir in die Efeuranken. Doch diesmal hat mich ein Bein wirklich gestreift, nur ganz knapp, aber dennoch. Zischend halte ich mir den brennenden Arm, zwischen meinen Fingern quillt dickflüssiges, warmes Blut hervor.
Das war wohl eine Wahrnung von ANGST.
Alles darf ich auch nicht machen.
Aber gut, lieber werde ich angeritzt als dass ich meinen Freunden beim Sterben zusehe.
Die Griewer ziehen sich wieder zurück und brüllen mich an, ihr zäher Speichel fliegt mir dabei in die Augen. Angeekelt spuke ich auf den Boden, rühre mich aber nicht vom Fleck. Meine Schulterblätter drücken Clint gegen die Mauer, der wohl meine Taktik durchschaut hat und sich hinter mir wegduckt. Wieder knurren die Monster, ich lasse mich immer noch nicht davon beeindrucken. Dann, wie auf Absprache, wirbeln sie plötzlich herum und stürmen davon. Perplex sehe ich ihnen nach, Erleichterung macht sich in mir breit.
Bis ich sehe, worauf sie zusteuern.
Oh nein. Nein nein nein...
"Minho pass auf!"
schreie ich aus vollem Halse und stoße mich von Clint ab. Meine Füße tragen mich schneller als ich es gewohnt bin, ein schmerzhaftes Ziehen durchzuckt meine Knöchel, als ich über den unebenen Steinboden presche. Aber ich bin zu langsam.
Gerade als sich der Asiate nach mir umdreht, hat ihn der erste Griewer erreicht und reisst ihn zu Boden. Er schreit auf, versucht sich wegzurollen, Klingen fetzen durch die Luft. Dort, wo ein Herschlag zuvor noch sein Kopf gewesen ist, befindet sich nun eine dicke Einkerbung, die die Wucht des Griewerschlages im Stein hinterlassen hat. So sehr mich mich auch an den wabbelnden Massen der Kreaturen vorbeizudrängeln versuche, sie versperren mir mit ihren Spinnenbeinen den Weg zu Minho. Verzweifelt ringe ich nach Luft, durchforste mein Hirn nach einer Lösung.
Und da ist sie auch schon. Sein kleiner Absatz, den Teresa einmal ausgesprochen hat.
Im dritten Buch.
Unter dem Glibber und Schleim ist eine Art Schalter mit einem Griff - die Schöpfer nannten das "die Trommel". Man muss durch die Haut durchgreifen und den Griff rausziehen.
Aufs Geratewohl lasse ich meine Hand in dem Rumpf verschwinden, ein ekelerregendes Schmatzen ertönt dabei. Wieder rührt sich der Griewer kein Stück, sodass ich in aller Ruhe herumtasten kann; fehlt nur noch, dass die Dinger mir helfen sich gegenseitig niederzustrecken.
Da spühre ich auch schon einen besagten Griff unter meinen Fingern, ich schließe meine Hand um das Teil und ziehe einmal energisch daran. Es macht leise Plopp, dann Klick, und dann... gar nichts mehr. Der Griewer erstarrt in seiner Position, wie von Medusa perönlich versteinert. Ein Bein ist erhoben, bereit, es Minho geradewegs in den Körper zu rammen, der nach Luft ringend am Boden liegt.
Angewidert schüttel ich den Schleim von meinem Arm, dann krabbel ich unter den reglosen Körper hindurch und auf Minho zu. Ungläubig sieht er mir entgegen, doch ich kann weder Hass noch Feindseligkeit in seinem Blick finden. Nur... Überraschung. Und auch etwas Freude.
Wortlos strecke ich ihm die Hand hin, er ergreift sie nach kurzem Zögern und zieht sich daran hoch. Einen Moment lang stützt er sich hustend auf seinen Knien ab, dann sieht er zu mir herauf.
"Warum... hast du das getan?"
fragt er heiser. Ich runzel die Stirn.
"Du meinst wohl eher wie."
Er schüttelt knapp den Kopf.
"Warum..."
fängt er wieder an, aber ich unterbreche ihn.
"Warum nicht?"
stelle ich die Gegenfrage, als der Lärm um uns herum attrupt endet. Erstaunt sehe ich mich um.
Alle Griewer sind, wie auch dieser hier, mitten in ihren Bewegungen erstarrt und stehen nun wie Skulpturen im Weg herum. Ohne Minho noch einmal anzusehen trete ich hinter dem händisch ausgeschaltetem Vieh hervor und lasse meinen Blick umher schweifen.
Alby wird von zwei anderen Lichtern gestützt, Zart und Jeff. Bratpfanne hilft einem Unbekannten auf die Beine, Newt rappelt sich ungelenk hoch, Blut tropft ihm von der aufgekratzten Wange. Chuck schluchtzt sich in Clints Armen aus, zwei Fremde und Toby ziehen Winston unter einem erstarrten Griewer hervor. Einige andere Lichter erheben sich langsam, schwankend, in jedem einzelnen Gesicht tob ein Sturm aus Angst, Erleichterung und Entsetzen.
Und dann sehe ich die Leichen. Reglose Körper, die mit rot getränkten Gewändern zusammengesunken daliegen, ihre toten Augen gegen den Himmel gerichtet. Ein erstickter Laut kommt mir über dir Lippen, so schnell kann ich mir gar nicht die Hand auf den Mund pressen. Bisher habe ich noch nie einen Toten sehen, nicht wirklich. Ben ist eine andere Geschichte, er sah bereits wie ein Zombie aus, als er sein Leben aushauchte. Auch war noch niemand gestorben, in meiner Gegenwart; Ich habe Adams Tod, der wohl mein erster Verlust gewesen wäre, vor dem Griewerangriff bewahrt. Doch nun liegt der kleine Junge genauso leblos da wie geschätzte 30 andere der Truppe.
Das ist zu viel für mich. Um sein Leben kämpfen schön und gut - mit dem Anmerk, dass ich ja die Garantie hatte, es zu überstehen - aber das ist... das ist zu viel. Meine Beine geben nach, ich knicke ein und falle nach hinten. Mein Atem geht schnell und flach, ich versuche gegen die aufsteigende Übelkeit und die Panik anzukämpfen, die mich zu übermahnen droht, doch sie breitet sich wie Gift immer weiter aus. Zwei Arme fassen mich an der Hüfte, meine Schultern stoßen gegen eine breite Brust, ich spühre warmen Atem im Nacken. Verschwommen nehme ich Newt wahr, der mit besorgter Miene auf mich zugehumpelt kommt. Er hinkt noch stärker als sonst, bei jedem Schritt scheint er beinahe umzukippen. An seinen Oberarmen haben sich Blutflecken gebildet, außerdem hat er einen Schnitt an der Wange abgekriegt. Ich werde auf den Boden gesetzt, Hände wacheln vor meinem Gesicht herum, Stimmen sagen meinen Namen.
"Alina? Alles ist gut, ja? Es ist vorbei. Wir können raus hier. Wir sind frei, hörst du?"
Ich will Newt anschreien, ihn schlagen und durchrütteln, ihm sagen dass nichts gut ist. Dass dies nur der Anfang war, der Prolog der Geschichte. Aber ich bringe nichts hervor, keinen einzigen Ton. Ich fühle mich gelähmt, wie eine Gefangene in meinem eigenen Körper, der mir nicht mehr gehorchen mag.
"Ich trag sie"
hallt eine Stimme in meinem Unterbewusstsein, Newt verzieht daraufhin ärgerlich die Mundwinkel.
"Jetzt auf einmal?"
knurrt er gepresst hervor, so wütend habe ich ihn noch nie gesehen. Meine Rückenstütze seuftzt, dann werden Arme unter meinen Rücken und meinen Kniekehlen geschoben und im nächsten Moment baumel ich auch schon in der Luft.
Es ist genauso wie damals, als Minho mich aus den Wald getragen hat, nach Davids... Angriff. Da habe ich auch meinen Kopf gegen seine Brust sinken lassen, habe seinem Herzschlag zugehört, genau wie jetzt. Ich habe ebenfalls nur wage Newts Umrisse erahnen können, die Töne um mich herum waren gedämpft und träge gewesen.
Ich habe die Welt an mir vorbeiziehen lassen, habe mich dem Schicksal ergeben und der Hilflosigkeit ausgeliefert. Ich war schwach und bin es immer noch, ich bin kein Kämpfer. Nur wenn ich verzweifelt bin, tue ich Dinge, die man ungefähr als mutig bezeichnen könnte, und selbst da bin ich nervös und ängstlich und mache viel falsch.
Doch zwischen jetzt und vorher gibt es einen großen, großen Unterschied. Denn damals hatte ich noch nichts zu verliehren, ich konnte mir die Auszeit leisten. Aber jetzt...? Nein. Nein, wirklich nicht.
Daran erinnert mich Thomas' überraschte Stimme, als sie ruft:
"Gally?!?"
Hallouuu.
Ich gehe jetzt Mockinjay Part 2 gucken.
Finnick wird sterben. Ist aber mein Lieblingscharakter in Tribute von Panem.
Naja. Ich pack mir mal Taschentücher ein... höhö *nervöses Lachen*
Tschusssssssss
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